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Höllische Brut

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05.05.2004
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Höllische Brut

Sie hatte die Augen geschlossen. Doch so wie die letzten Male nützte es nichts. Das kaleidoskopische Funkeln drang durch Dahnas Lider hindurch, und wieder begann sie die Übelkeit zu fühlen, die in ihr hochstieg. Eine Sekunde lang meinte sie zu spüren, wie tausend Ameisen über ihre Haut krochen, doch schon verschwand dieser Eindruck und nahm das bunte Glitzern mit sich.
Dahna hasste es, teleportiert zu werden. Sie hasste schon die Vorstellung, ein Zauberer löse ihren gesamten Körper in unsichtbare Energie auf, um ihn an einem anderen Ort wieder zusammenzusetzen. Und sie hasste es, dass Rukus das tat. Die meisten Demonstrationen seiner magischen Kräfte waren nicht gerade überzeugend gewesen, und Baltram hatte verständlicherweise einige Proben gefordert, bevor er sein Leben diesem Zauberspruch anvertraute. Das Versuchskaninchen dieser Proben war natürlich Dahna gewesen.
Sie sank auf ihre zittrigen Knie und kämpfte gegen den Brechreiz an. Dahna begriff nicht, warum nur sie auf diese Art reagierte. Wer weiß, vielleicht hatte Rukus ihren Körper ja bereits beim ersten Mal falsch zusammengesetzt, es wäre ihm zuzutrauen. Sie schlang ihre Arme um den Bauch, weniger um ihren flauen Magen zu kosen, als sich die Illusion einer Umarmung zu verleihen. Sie dachte an die gar nicht so ferne Zeit zurück, als sie ein junges Mädchen gewesen war und jederzeit mit elterlicher Zuneigung und Trost rechnen konnte. Von dem, der sie jetzt betrachtete, konnte sie nichts dergleichen erwarten.
"Weiber", murmelte Baltram und dachte offensichtlich nicht daran, seine Blicke diskret von Dahnas entwürdigender Pose abzuwenden. "Ihr haltet wirklich gar nichts aus."
Dahna versuchte ihn zu ignorieren. Allmählich ging es ihr besser und sie richtete ihre Augen auf die Landschaft vor ihr, auf die niedrigen, schroffen Berge mit schmalen, messerscharfen Graten. Wo die Hänge nicht zu steil abfielen, waren sie mit Bäumen bedeckt, die Dahna nicht kannte. Ihre Farbe ließ erahnen, dass diese Gegend größere Feuchtigkeit gewohnt war.
Rukus trat in ihr Blickfeld. Er hatte seinen dürren Körper in seinen schwarzen Umhang gewickelt und schaute ins Tal hinunter.
"Was ist das für ein Land?", fragte er skeptisch. "Es beunruhigt mich, wenn ich keine Ahnung habe, wo ich bin."
"Wen kümmert das?", antwortete Baltram. "Es ist der Ort, wo der letzte Drache zu finden ist. Zumindest hat das unsere Seherin behauptet, und sie pflegt sich nicht zu irren."
Dahna konnte es nicht ausstehen, wenn Baltram über sie sprach, als sei sie nur ein Gegenstand in seinem Besitz. Ihre Beine fühlten sich noch immer weich an, doch sie zwang sich aufzustehen, um nicht weiter vor den anderen knien zu müssen.
"Und ich irre mich auch diesmal nicht", sagte sie. "Irgendwo hier lebt der Drache, und es sind schon einige andere Jäger zu ihm unterwegs. Vielleicht solltest du dich beeilen, Baltram."
"Ach was, ich zahle Rukus schließlich zehntausend Goldmünzen, um uns den Weg abzukürzen. Ich werde gewinnen, Dahna, verstehst du? Ich werde den letzten Drachen töten und damit der berühmteste Ritter der Geschichte werden."
"Denkst du denn wirklich, dass das etwas ändert?", murmelte Dahna lauter als beabsichtigt.
"Natürlich wird das etwas ändern!", schrie Baltram und zerrte an der langen Kette, die an Dahnas linker Hand hing. "Das wird alles ändern! Dann können die ignoranten Herren Ritter mich nicht mehr so abschätzig behandeln wie bisher. Dann müssen sie einsehen, wie gut ich kämpfen kann, und es wird endlich egal sein, ob ich dieses weibische Getanze oder diese lächerlichen Minne beherrsche."
"Vielleicht solltest du aber trotzdem noch lernen, wie man Damen behandelt", murrte Dahna und hob ihr blaugeschlagenes Handgelenk. Ihre Wut über diese Behandlung ließ sie frecher antworten, als vielleicht klug war, und unter der kämpferischen Oberfläche machte sich Dahnas ängstliche Seele schon bereit, sich unter Baltrams Schlägen zu ducken.
Doch der Ritter war im Augenblick wohl gut gelaunt und beschränkte sich darauf, sie zu beleidigen. "Erstens, Weib, bist du keine Dame. Du bist eine Bauernschlampe. Die anderen Tölpel in deinem Kuhkaff waren sogar der Meinung, du wärst eine Hexe. Zumindest sah es so aus, als sie dich verbrennen wollten. Du hast dich übrigens schon lange nicht mehr für deine Rettung bedankt."
Das war in der Tat der absurdeste Aspekt ihres neuen Lebens, des Lebens in Baron Baltrams Dienst: Sie verdankte diesem Scheusal ihr Leben, sie verdankte ihm die Befreiung aus der immer feindseliger gewordenen Stimmung ihres Dorfes. Sie hatte sich darauf gefreut, in seiner Burg hübsche Kleider zu tragen und bei Festen für ihn zu tanzen. Sehr schnell hatte sie allerdings erkannt, dass Baltram sie nicht aus Nächstenliebe gerettet hatte. Eine ihm verpflichtete Hellseherin konnte er gut gebrauchen.
"Danke", sagte sie mit eisiger Stimme.
"Zweitens wird der Adel sich darum prügeln, seine liebreizenden Töchter an den König der Drachentöter zu verheiraten. Wie hat es der Hohepriester gesagt? 'Jagt die dämonischen Drachen, die Ausgeburten des Chaos. Tötet die Höllische Brut. Derjenige Ritter, der die Drachen vom Antlitz der Welt vertilgt, der diese heilige Aufgabe vollendet, soll gepriesen sein für alle Zeiten.'"
Dahna verzog verächtlich den Mund. Als ginge es Baltram auch nur eine Sekunde um eine heilige Aufgabe.
"Und drittens habe ich einen guten Grund, dich mit diesem Armband zu behandeln. Da du dummerweise meine Gedanken lesen kannst und weißt, wann ich aufpasse und wann nicht, wärst du mir sonst längst davongelaufen. Deine Undankbarkeit ist wirklich erschütternd. Sei froh, dass du nicht als Dirne arbeiten musst, oder als Drachenköder."
"Baltram", meldete sich Rukus zu Wort. Der Zauberer stand neben den beiden Knechten und den sechs Pferden, die sie mitgenommen hatten. Er schlang seinen schäbigen Mantel noch enger um sich und blickte sich mit zusammengekniffenen Augen um. "Wir stehen hier auf freiem Feld, völlig ungeschützt. Mir ist gar nicht wohl dabei. Der Drache könnte uns schon von weitem sehen."
"Benimm dich nicht immer wie ein jämmerlicher Feigling, Rukus."
"Ich darf ein jämmerlicher Feigling sein. Ich bin Zauberer, kein Drachentöter. Ich bin hier völlig fehl am Platz. Ich hätte euch auch von zu Hause zurückteleportieren können."
"Du meinst, ich hätte mich auf dein Wort verlassen sollen? Mach keine Witze, Rukus, dein Wort ist ebenso wenig wert wie meines. Mach dir nicht in deinen Mantel. Wir werden nicht gleich nach ein paar Augenblicken auf den Drachen treffen."
Dahna bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut, wie immer, wenn eine plötzliche Vision in ihren Geist schoss.
"Doch!", rief sie und duckte sich.
Ein plötzliches Tosen stürzte sich auf die Gruppe und ein riesiger Schatten fegte über sie hinweg. Baltram zog den Kopf ein, Rukus und die Knechte warfen sich der Länge nach zu Boden.
"Der Drache!"
Ein zehn Meter langes Geschöpf raste in höchstens doppelter Manneshöhe durch die Luft. Sein Körper war mit bunten Schuppen überzogen wie ein Korallenfisch, es hatte einen Kopf wie ein Kamel, auf dem ein hirschartiges Geweih saß, und lange Schnurrhaare über seinem Maul. Es sah völlig anders aus, als Dahna erwartet hatte.
Die Pferde wieherten und rannten davon. Der Drache flog eine Schleife, ging kurz etwas höher und steuerte auf eines der Tiere zu. Er heulte wie ein Wolf und streckte seine adlerartigen Krallen aus. Ohne auch nur im geringsten langsamer zu werden, packte er das Pferd, riss es vom Boden und erhob sich hoch in die Luft.
"Was war das?", rief Rukus. "Das war doch kein Drache. Sieht so denn ein Drache aus? Habt ihr seine Beine gesehen? Gestreiftes Fell wie bei einer Katze. Das ist doch kein Drache."
Im Gegensatz zu Rukus überwand Dahna ihren Schrecken rasch. Sie hockte am Boden und blickte dem Untier fasziniert nach. "Er hat keine Flügel."
"Ja", rief Rukus erstaunt. "Wieso kann er dann fliegen?"
"Was glaubst du wohl, Rukus?", sagte Dahna und stand auf. "Er ist ein magisches Geschöpf. Zehn mal mehr als wir beide zusammen."
"Dieses magische Geschöpf hat eines unserer Pferde gefressen", fauchte Baltram. "Zum Glück keines, das mit Ausrüstung bepackt war." Dann zog er an Dahnas Kette, so dass sie fast umfiel. "Du!", schnauzte er sie an, "warum hast du das nicht vorausgesehen?"
"Das habe ich, aber erst ganz kurz davor. Es tut mir leid. Außerdem – was hätten wir denn dagegen tun sollen?"
Baltram blieb die Antwort schuldig. "Konzentrier dich wenigstens jetzt und folge der Spur des Drachen."
"Kein Problem, Baltram. Ich weiß, in welche Richtung er fliegt, auch wenn ich ihn nicht mehr sehe."

Sie folgten den ganzen restlichen Tag dem Drachen. Als die Sonne begann, sich auf den Horizont zu senken, suchten sie einen Platz für ihr Nachtlager und entscheiden sich für eine schmale, lehmige Ebene, die sich zwischen einen Wald und einen Berg zwängte.
Dahna fühlte sich unsicher. Sie hatte das Gefühl, sie müsste irgendetwas finden, wusste aber nicht, was. Und plötzlich sah sie es. Ein merkwürdiges Tier stand am Waldrand und beobachtete sie. Ein Einhorn, kam ihr sofort in den Sinn, doch das konnte eigentlich nicht sein. Dieses Wesen hatte nur vage Ähnlichkeit mit dem, was in ihrer Heimat als Einhorn bekannt war. Es sah aus wie ein weißer Hirsch, dem ein einziger Geweihast aus der Stirn wuchs.
"Baltram", sagte sie, ohne das Tier aus den Augen zu lassen, "bitte lass mich dieses Tier dort ansehen, ich glaube, das ist ein Einhorn."
Baltram fuhr herum. "Das soll ein Einhorn sein? Entweder die haben hier hässliche Einhörner oder hässliche Hirsche. Aber egal, wir könnten es zum Abendessen schießen."
"Baltram, es ist viel zu weit weg, und es steht zur Hälfte hinter den Bäumen. Ich möchte es mir nur ansehen. Bitte."
Der Ritter sagte nichts. Er schien erstaunt von Dahnas Wunsch und von ihrer ungewohnten Sanftheit. Auch sie selbst fühlte sich wie in einem Traum und bemerkte kaum, dass ihre Füße sie wie von selbst in Richtung Waldrand führten. Bis die Kette sie zurückhielt.
"Ich habe nicht 'ja' gesagt."
"Komm schon, Baltram", flüsterte sie ohne den Ritter anzusehen, "wohin soll ich denn fliehen? Ich bin tausend Meilen von zu Hause fort. Ich finde mich hier nicht zurecht, und ich will ganz bestimmt nicht allein im Jagdgebiet des Drachen umherspazieren."
"Also gut", sagte Baltram und schloss ihre Fesseln auf, "aber wenn du es doch versuchst –"
"Ja, ist gut", hauchte Dahna und wunderte sich selbst darüber, wie kalt sie Baltrams Drohungen ließen. Sie ging auf den Wald zu, die Augen starr auf das unbekannte Tier geheftet.
"Du weißt aber, dass nur Jungfrauen ein Einhorn berühren können", rief ihr Baltram nach. "Zu spät für dich."
Rukus lachte dreckig, aber Dahna nahm das kaum war. Sie hatte das Wesen fast erreicht. Es wich ein paar Schritte zurück, immer langsamer und blieb dann stehen. Dahna streckte die Hand aus, aber sie verzichtete auf den hoffnungslosen Versuch, es zu berühren. Sein "Horn" war stumpf und von Fleisch überzogen. Sein Fell viel wie Seide über seinen Körper und bildete auf dem Rücken einen Kamm wie bei einem Drachen. Dahna fand das Wesen wunderschön. Sie starrte in seine Augen und hatte das Gefühl, das Tier könne nicht nur alles verstehen, was man sagte, sondern auch alles, was man bloß dachte. Und mit einem Mal wusste Dahna zwei Dinge: Es war ein Einhorn. Und zugleich auch etwas anderes.
Ein Pfeil sauste zwischen Dahna und dem Einhorn vorbei. In einem Sekundenbruchteil warf es sich herum und galoppierte mit atemberaubender Geschwindigkeit davon. Dahna konnte nur noch sehen, dass es trotzdem keinen einzigen Grashalm zu zertrampeln schien. Sie wandte sich um und sah Baltram einige Meter entfernt mit einem Bogen stehen.
"Fast!", rief er.
"Baltram!", schrie Dahna, "du hättest mich beinahe erschossen!"
"Willst du vielleicht meine Schießkünste kritisieren? Soll ich mal sehen, ob ich dich treffe?"
"Nein", sagte sie eingeschüchtert, "aber hör zu: Ich habe vielleicht etwas erfahren. Wir –"
"Da! Seht doch!", rief Rukus vom Lager her. "Der Drache! Ich hab ihn gefunden!"
Tatsächlich flog der Drache über den Berggipfel und ließ sich dann auf dem ihnen zugewandten Hang nieder.
"Das wäre eigentlich deine Aufgabe gewesen", fuhr Baltram Dahna an.
"Hör auf! Ohne mich hättet ihr diesen Ort nie gefunden."
"Dann sag mir jetzt wenigstens alles über dieses Vieh. Wie kann ich ihn töten?"
Dahna blickte konzentriert zu Boden. "Er ist alt. Es ist kein feuerspeiender Drache. Seine Schuppen sind sehr hart, aber er hat eine verwundbare Stelle. Sein Hals, ja, ein guter Treffer in den Hals kann ihn töten."
"Wann kann ich ihn im Schlaf überraschen?"
"Er ist hergekommen, um zu schlafen. Jeden Moment kann es soweit sein. Und – warte – er, er ist verletzt, von einem anderen Drachenjäger."
"Sehr gut", rief Baltram und strahlte über das ganze Gesicht. "Diese Gelegenheit müssen wir wahrnehmen."
"Noch etwas: Er hat den anderen Jäger getötet."
Das Strahlen in Baltrams Gesicht verlosch. "Gut, dann kommst du mit."
"Ich?", fragte sie, während der Ritter sie am Arm packte und zurück zum Lager zog.
"Natürlich, du wirst mir sagen, was ich tun soll."
"Ich bin nur eine schwache Frau, ich stehe bei einem Kampf nur im Weg. Bitte, Baltram, lass mich hier!"
"Du hast doch nur Angst."
"Ja, die habe ich", sagte sie mit zitternder, versagender Stimme, als sie einsah, dass sie Baltram seine Pläne wieder einmal nicht ausreden konnte. Sie hatte nichts dagegen, dass er Monster abschlachtete, doch sie starb jedes Mal fast vor Entsetzen, wenn er sie dazu mitnahm.
Im Lager holte sich Baltram Schild und Schwert und wies die beiden Knechte an, sich einen Speer zu nehmen und mit ihnen zu kommen. Rukus zog es vor, im Lager zu bleiben und wich Dahnas flehenden, panischen Blicken aus.
Die vier liefen den steilen Berghang hoch. Baltram fluchte jedes Mal, wenn die Knechte einen Stein lostraten oder wenn Dahna stolperte, weil ihr die zitternden Beine nicht mehr gehorchten.
"Langsam! Langsam!", fiepte Dahna, als sie sich einem kleinen Plateau näherten. Sie hörte ihr Herz in ihren Ohren hämmern und spürte, wie ihr ganzer Körper vibrierte und eiskalte Ströme ihren Rücken hinabflossen. "Hinter diesem Felsen ist er. Baltram, ich hab getan, was du wolltest. Bitte, ich –"
"Hör auf zu flennen, wie ein Waschweib", zischte er. "Wehe, du weckst ihn auf. Los jetzt, ihr beiden kommt von rechts, und wir von links."
Baltram zog Dahna mit sich, und sie konnte gar nicht anders, als sich nah an ihn zu schmiegen, auch wenn er nichts weniger im Sinn hatte, als sie zu beschützen.
Dann sah sie den Drachen. Er schlief, aber das beruhigte sie kaum. Er schien ihr nun viel größer und viel gefährlicher. Sie starrte auf seine riesigen Klauen und die wolfähnlichen Zähne, die sogar bei geschlossenem Maul zu sehen waren. Baltram machte eine Handbewegung und die Knechte schlichen auf die andere Seite. Auch sie schienen nicht sehr begeistert von ihrer Aufgabe.
Plötzlich klappte Dahnas Mund auf. "Er wacht auf!", kreischte sie. Baltram duckte sich sofort hinter einen großen Stein. Der Drache öffnete die Augen und knurrte so tief, dass Dahna es in ihrem Schädel spüren konnte. Der gewaltige Kopf hob sich. Zuerst sah er nur die Knechte, die wie erstarrt dastanden, und wandte sich ihnen zu.
Baltram sah seine Chance. Er sprang vor und hob sein Schwert. In diesem Moment stellten sich sämtliche Halsschuppen des Drachen auf wie bei einem Fichtenzapfen. Es sah aus, als trüge er eine lange Reihe stachelbesetzter Halskrausen. Baltram schlug zu. Es krachte wie brechendes Holz, doch die Klinge blieb in dem Schuppenkranz stecken und erreichte den Hals nicht einmal. Der Drache brüllte. Baltram zog sich sofort zurück, als das Untier begann, sich ihm zuzuwenden.
"Erstecht ihn!", schrie Baltram und stolperte nach hinten, bis er fast gegen Dahna prallte.
Die Knechte reckten ihre Speere vor, doch auch deren Schäfte blieben an den Schuppen hängen wie ein Ast in einem Sägeblatt. Der Drache schwang seinen Hals in Richtung dieses zweiten Angriffs. Er legte den Kopf zur Seite, öffnete die Kiefer und stieß zu. Die beiden Knechte schrieen, als das Maul sie packte.
Dahna wollte die Augen schließen, aber sie konnte nichts anderes tun, als hysterisch nach Atem ringen. Sie sah, wie der Drache seinen Kopf nach oben warf und die aufgerissenen Leiber der Knechte in hohem Bogen durch die Luft schleuderte. Ekel und Angst verscheuchten alle Farbe aus Dahnas Gesicht.
Dann spürte sie Baltrams Hand an ihrem Arm, der sie wie ein Schutzschild vor seinen Körper riss. Er machte hektische Schritte nach hinten und zog sie mit sich. Der Drache stapfte ihnen nach.
Dahna starrte ihn mit riesigen Augen an. Sie versuchte all ihre Konzentration zusammenzukratzen, um seine Bewegungen vorauszusehen.
"Rechts!", schrie sie und sprang mit Baltram zur Seite. Neben ihnen scharrte das Drachenmaul über den Boden.
"Zurück!" Gerade noch rechtzeitig stürzten die beiden nach hinten, bevor eine Drachenklaue vor ihnen auf den Boden donnerte. Baltram stolperte und riss Dahna mit. Sie rappelte sich sofort wieder hoch und blickte direkt in das riesige Drachenauge. Der Kopf schnellte zur Seite und schleuderte die beiden fünf Meter nach hinten. Hier war das Plateau bereits zu Ende und Dahna und Baltram rollten den Abhang hinunter. Aus den Augenwinkeln bemerkte Dahna, wie der Drache sich in die Luft erhob. Doch er war offensichtlich bereits zufrieden mit seinem Sieg. Er raste über die beiden hinweg, schraubte sich in den Himmel empor und verschwand in den Wolken.
Endlich kam Dahna zum Stillstand, und endlich fiel die Angst von ihr ab. Allerdings wurde diese sofort durch einen starken, stechenden Schmerz in ihrem linken Arm ersetzt.
"Ich habe mir den Arm gebrochen", jammerte sie und krümmte sich am Boden zusammen.
Baltram kniete ein Stück neben ihr und war kreideweiß im Gesicht. "Und was soll ich dagegen machen?", hauchte er. "Sei froh, dass du noch einen Arm hast."
Dahna zog es vor, nichts mehr zu sagen. Zur Abwechslung gab sie Baltram Recht.

"Die Knechte sind beide tot?", fragte Rukus, als sie wieder ins Lager kamen. "Na ja, wenigstens haben wir jetzt wieder genug Pferde."
"Es wird bald dunkel", sagte Baltram, der sich wieder gefasst und seine übliche Laune zurückgefunden hatte, "und der Drache ist vielleicht immer noch in der Nähe und wütend auf uns. Wir müssen einen sichereren Platz für ein Lager finden. Rukus, pack unsere Sachen auf die Pferde."
"Wieso denn ich? Kann sie das nicht machen?"
"Ich habe mir den Arm gebrochen. Ich kann mich kaum bewegen."
"Na und? Dann dauert's eben ein bisschen. Ich bin doch kein Diener."
"Rukus, verdammt!", rief Baltram. "Das war ein Befehl! Außerdem musst du uns ein Lagerfeuer zaubern. Bisher haben das immer die Knechte für mich gemacht."
"Das kann ich aber nicht."
"Was?"
"Tut mir leid, ich hab das nie hingekriegt, bevor sie mich aus der Akademie rausgeschmissen haben. Außerdem bezahlst du mich nur fürs Teleportieren."
"Ich kann ein Feuer machen", mengte sich Dahna ein. "Aber dazu brauche ich beide Hände. Rukus, kannst du meinen Arm heilen?"
"Ich hab das einmal bei einem Schwein gemacht, und das war danach tot."
"Rukus, sag doch einfach 'nein'", raunzte Dahna. "Was bist du eigentlich für ein merkwürdiger Zauberer?"
"Und was bist du für eine Hellseherin? Ich habe den Drachen entdeckt. Und du konntest nicht einmal sehen, wie dieser Kampf ausgeht."
"Ja, das stimmt", murmelte Dahna und wurde nachdenklich. "Das wollte ich vorhin schon sagen. Der Drache und das Einhorn waren völlig – anders, als ich es gewohnt war. Irgendetwas ist hier nicht richtig. Ich glaube, wir sollten noch mehr über den Drachen herausfinden, bevor –"
"Schluss jetzt mit all dem Mist!", schrie Baltram. Rukus, beweg deinen faulen Hintern! Und du, Dahna, finde uns eine Höhle, sonst breche ich dir den zweiten Arm auch noch."

Nach einer kalten Nacht in einer Höhle, nahmen sie erneut die Spur des Drachen auf. Dahna führte sie in eine Landschaft, die zusehends trockener wurde. Sie hatte einen Stoffstreifen aus ihrer Kleidung gerissen, um sich ein Tragetuch für ihren gebrochenen Arm zu knoten. Trotzdem war es nicht gerade angenehm, so auf einem Pferd zu reiten. Sie wäre lieber zu Fuß gegangen, aber Baltram wollte davon nichts wissen. Ebensowenig wie von Dahnas Ansinnen, die Knechte zu beerdigen. Baltram und Rukus dachten nicht daran, noch einmal auf den Berg zu steigen, um ihre Leichen zu holen.
"Hier", sagte Dahna schließlich und hielt ihr Pferd an. "Hier wird er irgendwann vorbei kommen."
"Irgendwann?"
"Genauer weiß ich es nicht. Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn mir der Arm weh tut", jammerte sie und stieg mühsam von ihrem Pferd.
Baltram blieb auf seinem Streitross sitzen und suchte ungeduldig den Himmel ab. Er beachtete Dahna nicht weiter, die sich auf den Boden hockte und sich elend fühlte. Was hatte sie bloß hier verloren? Sie hätte genauso gut eine angesehene, verehrte Seherin werden können, vielleicht eine Beraterin des Königs. Was interessierte sie der Drache? Er war weit weg von ihrem Zuhause. Sollten die Menschen hier doch selbst damit zurecht kommen. Sie wünschte, Baltram würde das Interesse an ihm verlieren. Doch da konnte sie wohl lange warten. Ganz besonders, da er den Drachen eben wieder entdeckt hatte.
"Da! Da ist er. Er fliegt auf den Berg zu."
"Da ist doch jemand auf dem Gipfel", rief Rukus. "Hoffentlich sind das keine Drachenjäger."
"Die erschlage ich, wenn sie mir die Beute wegnehmen", knurrte Baltram. "Dahna, los. Sag mir, wer das ist!"
"Sicher keine Drachenjäger", murmelte sie und schloss ihre Augen, "sonst würde der Drache wohl kaum zu ihnen hinfliegen."
Sie hatte völlig Recht. Vor ihrem geistigen Auge tauchten die beiden Menschen auf, die auf dem Gipfel standen, und sie waren alles andere als Krieger. "Eine ist ein Mädchen", sagte sie abwesend und erstaunt. "Sieht aus, als sollte sie dem Drachen geopfert werden."
"Was leben denn hier für Barbaren?", fragte Rukus eher erheitert als schockiert.
"Vielleicht leben hier auch schlaue Jäger", flüsterte Baltram. "Wer noch?"
"Der andere ist – ist – ein Zauberer?"
Sie öffnete die Augen und blickte auf den Gipfel. Der Drache raste darauf zu und streckte seine Krallen aus. Jeden Moment musste er das Mädchen packen. Dahnas Herz klopfte. Wäre ihre übersinnliche Gabe nicht so wertvoll, hätte Baltram vielleicht auch sie längst als Köder verwendet.
Plötzlich brüllte der Drache, krümmte seinen gesamten Körper und blieb abrupt in der Luft stehen, als wäre er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt. Möglicherweise war es auch tatsächlich so, denn eine Sekunde lang wölbte sich etwas wie eine schillernde, zitternde Seifenblase über den Berggipfel. Der Drache wich zurück, um gleich darauf erneut auf die Opfergabe herabzustoßen. Doch wieder hielt ihn eine unsichtbare Macht zurück, und die schützende Kuppel wurde für einen weiteren Augenblick sichtbar.
"Ist das ein magischer Schutzschild?", fragte Rukus. "Das verstehe ich nicht. Soll sie nun geopfert werden oder nicht?"
Dahna begriff es ebenfalls nicht. Sie war viel zu gebannt von dem Schauspiel am Himmel.
Baltram jedoch quollen fast die Augen aus den Höhlen. "Er steht in der Luft! Seht ihr das nicht?" Tatsächlich schwebte der Drache nun an einer Stelle und tastete mit wachsender und vergeblicher Wut die magische Barriere ab.
Baltram holte sich eine gewaltige Armbrust von einem der Packpferde. "Ein stehendes Ziel kann ich gar nicht verfehlen. Jetzt haben wir ihn gleich! Diese Waffe kann auf fünfhundert Meter einen Brustpanzer durchschlagen."
"Deshalb hat der Hohepriester sie auch als götterlästerliche Waffe bezeichnet", warf Dahna ein. "Unwürdig eines Ritters."
"Der Hohepriester soll verrecken!", rief Baltram und wandte sich dem steilen Berghang zu. "Helft mir tragen! Alle Beide!"
Gemeinsam pirschten sie sich an den Gipfel heran. Dahna war wegen ihres Armes allerdings keine große Hilfe. Baltram bedeutete ihnen, ruhig zu sein und brachte die Armbrust mühevoll in Stellung. Dahna sah ihm unbewegt zu. Wenigstens würde die Angelegenheit bald zu Ende sein.
Baltram wurde durch den Rückstoß der Waffe beinah umgeworfen. Alle drei folgten mit ihren Blicken dem Flug des Bolzens. Er steuerte den Kopf des Drachen an, doch er verfehlte ihn um eine gute Armlänge. Der Drache brüllte wütend, wandte sich um und flog davon.
Baltram ließ die Armbrust zu Boden knallen.
"Was kannst du eigentlich, Baltram?" Dahnas Schmerzen und ihre Niedergeschlagenheit hatten sie etwas sehr Gefährliches sagen lassen, und sie bereute es, sobald sie es gesagt hatte. Gleich darauf bereute sie es noch viel mehr.
Baltram drehte sich um und schlug ihr die Faust auf den gebrochenen Arm. Dahna schrie. Der Schmerz tobte durch ihren ganzen Körper und lähmte ihre Muskeln. Sie fiel um wie ein Stück Holz.
"Willst du sehen, was ich alles kann?", brüllte Baltram und zog sie an den Haaren wieder hoch. "Ich glaube, du hast viel zu wenig Angst vor mir!"
"Nein, Baltram, ich habe Angst! Es tut mir leid, ich wollte das nicht sagen!"
Er zog einen Dolch aus seinem Gürtel. "Du bist doch eine Hellseherin. Da brauchst du keine Augen, um zu sehen, nicht wahr?"
Dahna kniff die Augen zu und spürte, wie die Spitze der Klinge ihre Lider ritzte.
"Und? Hast du jetzt Angst?"
"Ja! Ja! Ich habe große Angst vor dir! Bitte! Baltram! Nicht!"
Baltram stieß sie zu Boden und ging. Als sie auf den Boden prallte, machte sich eine weitere Woge Schmerz auf den Weg durch ihren Körper. Tränen liefen aus ihren Augen. Baltram, dieses Schwein! Hätte der Drache ihm doch nur den Kopf abgebissen.
Als Dahna endlich wieder ihre Augen öffnete, sah sie, dass Rukus sie interessiert beobachtete.
"Danke für deine Unterstützung, Rukus", brummte sie und stand wieder auf.
"Was hast du denn erwartet? Denkst du, ich lehne mich gegen meinen Auftraggeber auf?"
"Unser 'Auftraggeber' behandelt uns doch beide wie Mist."
"Nein. Solange du da bist, behandelt er dich wie Mist, nicht mich. Ich wäre doch verrückt, wenn ich das ändern wollte. Hör auf, ihn zu provozieren, sonst wird er dich noch abstechen wie ein Schwein."
"Dahna, komm her!", rief Baltram als wäre nichts gewesen. Er stand einige Meter entfernt. Ein Stück weiter gipfelwärts sah sie die Beiden, die auf dem Gipfel gewesen waren. Das Mädchen versteckte sich hinter einem alten Mann mit langem, spitzem Bart und riesigen Augenbrauen. Er stützte sich auf einen Stock und musterte die Gruppe. Die Beiden waren ziemlich klein, hatten ockerfarbene Haut und schmale Augen.
"Die sehen eigenartig aus", meinte Rukus.
"Sie sehen einfach anders aus", sagte Dahna tonlos. "Was hast du erwartet, tausend Meilen von Zuhause entfernt?"
"Dahna", fing Baltram wieder an. "Der Alte hat irgendetwas gerufen, aber ich verstehe ihn nicht. Versuch, seine Gedanken zu lesen."
Dahna schaute den Ritter nicht an und hielt sich den schmerzenden Arm, als sie an Baltram vorbeiging. Sie fixierte den Kopf des Alten und versuchte, in seinen Geist einzudringen. Doch rasch schweiften ihre Gedanken ab.
Dieser Mann war ein wahrer Zauberer, nicht so wie Rukus, auch nicht wie sie. Trotz seiner eher mickrigen Erscheinung strahlte er Weisheit und Charisma aus wie eine Laterne Licht in dunkler Nacht. Das Mädchen betrachtete die Fremden verstohlen. Sie war nur wenige Jahre jünger als Dahna, und sie fühlte sich hinter dem Rücken des dünnen Mannes offenbar so sicher, wie Dahna sich seit Jahren nicht gefühlt hatte. Vielleicht war sie ja der Lehrling des Alten. Wenn ja, dann beneidete Dahna sie. Wie gerne ließe sie sich von ihm in große Geheimnisse einweihen, wie gerne ließe sie ihre Fähigkeiten von ihm formen und erweitern, um den Menschen damit Gutes zu tun, statt mit Baltram nach Monstern zu jagen.
Im nächsten Moment bemerkte Dahna, dass sie nicht in den Geist des Zauberers eindrang, sondern dass er längst ihre Gedanken las.
"Was tut ihr hier?" Die Frage war einfach in Dahnas Geist erschienen, ohne sich Schall und Worten zu bedienen.
"Wir sind Drachenjäger", dachte Dahna.
"Ich weiß. Viele von euch sind in jüngster Zeit aus fernen Ländern gekommen. Viele wurden von den Drachen getötet. Doch sie waren zu zahlreich, um erfolglos zu sein. – Aber du bist kein Drachenjäger, nicht wahr? Du hast das Qui'lin gesehen, das Einhorn."
"Woher weißt du das?", dachte Dahna und merkte gleich, wie töricht diese Frage war.
"Das Qui'lin ist der Überbringer wichtiger Botschaften", fuhr der Alte fort.
"Dann habe ich die Botschaft nicht verstanden."
"Nein? Du, die du sehen kannst, was den meisten anderen verborgen bleibt? Was denkst du denn, wie die Botschaft lauten könnte?"
Dahna hatte es schon die ganze Zeit vermutet. "Der Drache ist anders, anders als diejenigen in unserem Land."
"Wie sind denn die Drachen in deinem Land?"
"Sie sind böse. Ihre bloße Gegenwart lässt Nahrung und Wasser verderben. Sie sind dämonische Kreaturen, entstanden aus dem Chaos, das existierte, bevor die Götter die Welt schufen."
Der Alte lächelte sie mitleidig an. "Wir sehen das anders. Für uns ist der Drache eines der vier heiligen Zaubertiere. Der Shen Lung, der Geisterdrache, den du sahst, ist verantwortlich für die Regenfälle und den Wind. Ja, er vertritt das Chaos, die Naturgewalten, das Wilde, Unvorhersehbare und Ursprüngliche, im Gegensatz zur ordnenden, planenden Welt der Menschen. Doch er ist weder gut noch böse. Er ist einfach."
"Der Drache hat zwei meiner Begleiter getötet", warf Dahna ein, "und eines unserer Pferde gefressen."
"Er tötet nur, um sich zu ernähren und zu verteidigen. So wie viele andere Tiere es ebenfalls tun. Die Menschen töten aus weitaus weniger edlen Gründen."
"Aber auch aus weitaus edleren. Wir wollen die Welt von den Drachen befreien."
"In Wahrheit ist doch keiner von euch dreien aus diesem Grund hier, nicht wahr? Und selbst wenn, bist du dir sicher, es ist klug, die Welt von den Drachen zu befreien? Würdest du auch die Welt von den Wolken befreien, deren Regen die Ernte wachsen lässt, nur weil sie in Form eines Gewitters die Ernte auch wieder vernichten können? Die Wolken sind wie sie sind, mal gut und mal schlecht. Und der Drache ist ebenso. Es liegt in seiner Natur. Gewiss, er kann gefährlich sein und man muss sich vor ihm in Acht nehmen. Aber ihn als böse zu bezeichnen, ist so, als wolltest du die Wolken verprügeln, um dich für einen Hagelsturm zu rächen."
Dahna grübelte. Diese Überlegungen waren ihr bisher vollkommen fremd gewesen. Sie klangen einleuchtend, aber noch verstand sie nicht alles.
"Was habt ihr auf dem Gipfel getan? Wolltest du das Mädchen opfern?"
"Wäre das wirklich nötig gewesen, hätte ich mich eher selbst geopfert. Doch ich hatte nichts dergleichen vor – auch, wenn der Drache das sehr wohl glauben sollte."
"Was heißt das?"
"Der alte Shen Lung ist der einzige, der die Lücken füllen kann, welche die Drachenjäger geschlagen haben. Er ist ein mächtiges Geschöpf, doch leider auch faul. Es ist notwendig, ihn ständig zur Erfüllung seiner Aufgaben zu bewegen. Ein Weg besteht darin, ihm eine scheinbar leichte Beute darzubieten und ihn an deren Erreichen zu hindern. So wie wir es vorhin taten. Das macht ihn wütend, und wenn er wütend ist, lässt er es regnen. Bedauerlicherweise habt ihr ihn zuvor verscheucht."
Dahna fühlte die Scham in sich hochkriechen und dachte eine Frage, um davon abzulenken: "Bist du ein Drachenhüter?"
"Ich bin jemand, der über die Drachen Bescheid weiß, über ihre Bedeutung und ihre Kräfte. Die Leute aus dem Dorf auf der anderen Seite des Berges riefen mich, um die Trockenheit zu beenden. Sie wissen, dass ich mit den Drachen umgehen kann – und dass ich mich um sie sorge."
Dahna wandte ihren Blick ab. Eindringlinge wie sie waren der Grund, sich um die Drachen zu sorgen. "Ist er wirklich der Letzte?"
"Ja. Einst waren sie zahlreich, schwer zu töten. Doch einen getöteten Drachen zu ersetzen ist eine langwierige Sache. Tausend Jahre dauert es, bis er aus seinem Ei schlüpft, und nach weiteren dreitausend Jahren erst ist er vollständig ausgewachsen. Doch ich mache mir keine großen Sorgen wegen euch dreien. Der Krieger kämpft nicht halb so gut wie er glauben möchte, der Zauberer ist viel zu ungeduldig und unachtsam, und du –". Zum ersten Mal lächelte er sie freundlich an. "Du bist zu gutherzig und weise, um den Drachen zu töten."
Wieder fühlte Dahna sich beschämt, wenn auch aus völlig anderem Grund. Schon sehr lange Zeit hatte ihr niemand mehr Komplimente gemacht.
"Geht nach Hause", hörte sie die Gedanken des Zauberers in ihrem Kopf. "Ihr werdet hier keinen Erfolg finden." Der Alte setzte dazu an, sich umzuwenden, hielt dann aber inne. Er schloss die Augen und vollführte eine schlichte Geste. Dahnas linker Arm kribbelte und bald bemerkte sie, dass die Schmerzen daraus verschwunden waren. Sie blickte den Arm ungläubig an und betastete ihn vorsichtig. Als sie ihren Blick wieder hob, war der Zauberer verschwunden.
"Und?", fragte Baltram, als Dahna zu den anderen zurückkehrte. "Kann er uns helfen, den Drachen zu töten?"
"Er würde eher sterben, als das zu tun."
"Was? Wieso das denn?"
"Die Leute hier brauchen den Drachen. Er ist dafür verantwortlich, dass es regelmäßig regnet."
Rukus brach in schrilles Gelächter aus. "Was ist das denn für ein Schwachsinn? Hat dir das der Alte erzählt?"
Dahna sah sauer drein. "Ist dir nicht aufgefallen, dass die Landschaft immer trockener wird, je weiter wir kommen? Das liegt sicher daran, dass es keine Drachen mehr gibt. Die Drachen in diesem Land – wer weiß, vielleicht sogar alle Drachen, auch die, die wir in unserer Heimat getötet haben – sind nicht einfach bösartige Ungeheuer. Sie erfüllen ihren Zweck. Was glaubt ihr denn, warum die Drachenjäger von so weit her kommen müssen, um hier die letzten Drachen zu töten? Weil die Menschen aus diesem Land nie auf den Gedanken kämen, das zu tun."
"Vielleicht sind die Menschen hier ja alle Feiglinge", warf Baltram ein und betrachtete Dahna abschätzig.
"Vielleicht sind die hiesigen Drachen aber auch einfach keine 'höllische Brut', wie sie der Hohepriester genannt hat. Vielleicht hat er diese Drachen ja gar nicht gemeint."
"Sie können ohne Flügel fliegen. Ist das nicht 'dämonisch'?"
"Nein", rief Dahna und ereiferte sich immer mehr. In ihr formten sich Gedanken und Wissen über den Drachen, die sie nie für möglich gehalten hätte. "Es ist ein Wunder. Sie haben eine kleine Beule am Kopf, die ihnen diese magische Flugfähigkeit verleiht. Das ist ein Gottesgeschenk." Baltram schaute sie an, als hätte man ihm einen Teller voll widerwärtiger Nahrung serviert, doch Rukus musterte sie mit staunendem, interessiertem Blick. Vielleicht war er ja doch tiefsinniger als er schien. "Rukus, du bist doch ein Zauberer. Du musst doch ein Gefühl haben für das Übernatürliche, das Zauberhafte, das Wundersame. Diese Wesen können ohne Schwingen fliegen, wer kann das schon? Es wäre unendlich schade, wenn sie für immer verschwinden würden."
Rukus fing an, wie ein Pferd zu lachen. "Du bist völlig übergeschnappt."
"Schluss jetzt", rief Baltram. "Es ist mir vollkommen egal, was dieser Drache kann und was die Leute über ihn denken. Ob er nun ein Monster ist oder zutraulich wie ein Kätzchen. Ich bin nicht tausende Meilen hergekommen, um ihn mir nur anzusehen. Ich will ihn töten und meine Belohnung dafür erhalten."
Dahna sackte innerlich zusammen. Diese beiden zu überzeugen, war völlig aussichtslos. Aber vielleicht konnte sie sie ja einfach entmutigen. "Du wirst ihn aber nicht töten, Baltram. Glaub mir, ich weiß jetzt viel mehr über ihn. Wir werden das nicht schaffen, nicht mit einer ganzen Armee." Darauf drehte sie sich einfach um und ging zu ihrem Lagerplatz hinunter. Keiner der anderen sagte noch etwas, als wären sie eingeschüchtert von Dahnas Bestimmtheit.
Dahna fühlte sich plötzlich äußerst zuversichtlich. Der Zauberer hatte sicher recht. Baltram würde den Drachen nicht töten können, vielleicht war ihm das sogar schon selbst gedämmert. Dahna jedenfalls würde ihm nicht mehr helfen. Sie hatte schon viel zu viel Falsches getan. Sie schlief mit dem Gefühl ein, die Ausrottung der Drachen verhindert zu haben.

Als Dahna aufwachte, waren Baltram und Rukus bereits sehr geschäftig. Rukus teleportierte eines der Pferde hin und her und Baltram sah ihm aufmerksam zu. Er wirkte aufgeregt wie ein kleines Kind.
"In Ordnung", sagte er mit zufriedenem Lächeln. "Das ist schnell genug. Ich glaube, es wird funktionieren."
"Natürlich wird es das", sagte Rukus gelangweilt. "Ich kann vielleicht sonst nicht viel, aber das Teleportieren beherrsche ich."
Dahna fühlte, wie eine schlimme Vorahnung langsam über ihre Kopfhaut kroch. "Was habt ihr vor?"
"Ich werde den Drachen töten", sagte Baltram, ohne sie anzusehen. "Das kann ich nämlich sehr wohl, meine Liebe." Dann schaute er auf den Gipfel, wo sich die beiden Einheimischen von gestern eingefunden hatten. "Ah, sie sind da. Dann wird der Drache auch bald kommen."
Da wusste Dahna genau, was Baltram plante. Er hatte richtig vorausgesehen, dass der Zauberer erneut versuchen würde, den Drachen in Rage zu bringen. Und in diesem Moment würde der Ritter sich von Rukus für kurze Zeit auf den Kopf des Drachen teleportieren lassen, um das Chi'ih zu zerstören, das magische Organ, das ihm seine Flugfähigkeit verleiht. Der Drache würde wie ein Stein abstürzen, und aus dieser Höhe musste das selbst ihn so sehr verletzen, dass Baltram ihm leicht den Rest geben könnte. Oh Gott, und Dahna war schuld daran. Baltram wäre niemals auf diese Idee gekommen, hätte sie ihm nicht von dem Chi'ih vorgeschwärmt. Ihr fiel nur noch eines ein: eine glatte Lüge.
"Du wirst dabei sterben, Baltram."
Der Ritter erstarrte und drehte sich erst nach einer Sekunde langsam zu ihr um. In seinem Gesicht stritten Sorge und Misstrauen miteinander. "Bist du dir da ganz sicher?"
"Bin ich nun deine Wahrsagerin, oder nicht?"
"Ich weiß bloß nicht, ob ich dir noch trauen kann." Seine Hand schoss vor und packte sie am Arm. "Komm her! Du wirst mit mir kommen. Mal sehen, ob das deine Ansicht ändert."
"Was?" Dahna wusste nicht, was schlimmer war. Direkt vor dem Maul des Drachen zu stehen, oder in hunderten Metern Höhe auf seinem Kopf.
"Ah, der Drache kommt", fuhr Baltram fort. "Los, Rukus, fang an. Keine Zeit mehr zu verlieren."
"Wir werden beide sterben, Baltram!", kreischte Dahna. Sie hatte tatsächlich Todesangst, doch sie war viel zu aufgeregt, um klar zu sehen, was die Zukunft bringen würde. "Lass uns hierbleiben!"
Rukus murmelte vor sich hin und begann Zeichen in die Luft zu malen.
"Los, deine letzte Chance", stieß Baltram hervor. "Sag mir die Wahrheit! Werde ich es schaffen, oder nicht?"
Dahna konnte es nicht sehen, unabhängig davon, ob sie das wollte. "Nein!"
Baltram starrte ihr in die Augen. "Ich habe leider das Gefühl, du willst mich nur daran hindern. Du hast einen Narren an diesem verdammten Monster gefressen. Ich glaube, ich werde zur Abwechslung Rukus vertrauen."
Die Luft um sie herum begann zu flimmern.
"Ja", rief Dahna. "Ich habe vorhin gelogen. Lass mich hier, Baltram. Ich nütze dir nichts."
"Zu spät, fürchte ich."
Baltram ließ sie los, doch sie konnte sich nicht mehr bewegen. Schon verschwamm die Umgebung zu bunten Schlieren und Dahna spürte die übliche Übelkeit. Doch stärker spürte sie das Gefühl des Versagens. Baltram, dieser Mistkerl! Er spielte wieder einmal mit ihr wie mit einer Puppe. Er nahm in Kauf, dass er sie vielleicht tötete. Und er machte sie mitschuldig an einem Verbrechen gegen die Zauberhaftigkeit der Welt. Aber diesmal nicht! Dahna würde ihn einfach vom Kopf des Drachen hinunterstoßen.
Im nächsten Moment fühlte Dahna die schuppige Haut des Drachen unter ihren Füßen. Der Wind pfiff um ihre Ohren und alle Überlegungen fielen aus ihrem Geist wie Wasser durch ein Sieb. Sie blickte in den gähnenden Abgrund und sofort knickten ihre Knie ein. Dahna konnte nicht anders, als sich mit zitternden Fingern an die Hörner des Drachen zu klammern.
Baltram hielt sich nur mit einer Hand daran fest und riss eine Streitaxt hoch. Der Drache bäumte sich auf und schoss schräg nach oben davon. Dahna sah vor ihren schreckgeweiteten Augen eine schimmernde Wölbung in der Drachenhaut, und im nächsten Moment krachte Baltrams Axt mitten hinein. Das Chi'ih zerplatzte und spritze durchsichtigen Schleim in alle Richtungen. Der Drache erzitterte.
"Ja!", brüllte Baltram. "Ich habe es getan! Ich bin der König der Drachentöter! Und jetzt zurück, Rukus!"
Die Flugbahn des Drachen neigte sich nach unten und das Zauberwesen schüttelte panisch seinen Kopf. Baltram wurde in die Luft geworfen. "Rukus!", schrie er. "Jetzt, du verdammter –" Mehr konnte Dahna nicht mehr hören. Der Drache drehte sich in der Luft. Dahnas Finger glitten von den Hörnern ab und sie stürzte ins Nichts. Vielleicht hatte sie das ja verdient, dachte sie. Sie hatte geholfen, ein Wunder zu vernichten. Dahna schloss die Augen und nahm kaum wahr, wie erneut eine Welle der Übelkeit über sie hereinbrach. Eine Sekunde später lag sie im Gras, auf dem sie vor kurzem noch gestanden war.
"Ich hab doch gesagt, ich kann es", hörte sie Rukus zufrieden rufen.
Als sie ihre Augen wieder öffnete, sah sie, wie der Drache mit voller Wucht gegen eine Steilwand des Berges prallte. Er stürzte nach unten, von einem Felsvorsprung zum nächsten geworfen, und rollte schließlich einen Abhang hinunter. Er musste sich jeden Knochen gebrochen haben. Aber noch lebte er, wie sie an seinem klagenden und wütenden Brüllen hörte.
"Ja, jetzt hole ich ihn mir!", rief Baltram, der neben Dahna stand. Er schnappte sich eine Armbrust und einen langen Speer und rannte los.

Als er nach einer Stunde zurückkam, schwenkte er triumphierend sein Schwert, auf dem ein Drachenauge steckte. Dahna wandte sich ab und kauerte sich am Boden zusammen. Auch Rukus verzog angewidert das Gesicht.
"Was habt ihr denn, ihr Memmen? Wir haben gewonnen, verdammt noch mal. Freut euch gefälligst! Wir werden reich belohnt werden, Rukus." Dann wandte er sich an Dahna: "Sogar dir, du Verräterin, werde ich verzeihen und dich nicht bestrafen." Er sah sie verwundert an. "Was ist mit dir? Weinst du etwa um den Drachen? Du bist vollkommen verrückt geworden. Du passt genau hierher in dieses verrückte Land. Wahrscheinlich wird dieses Bauerngesindel in dem Dorf uns auch nicht bejubeln."
Da hatte Dahna eine klare Vision davon, wie die Einheimischen Baltrams zerschlagenen, blutigen Körper durch das Dorf schleiften. "Doch", sagte sie wieder gefasst. "Wir werden dort bekommen, was wir verdienen."
"Na immerhin. Dann gehen wir sofort hin. Ich möchte bald zurück nach Hause."
"Warte, Baltram. Leg mich besser wieder an die Kette. Ich bin wütend auf dich und ich möchte nicht der Versuchung nachgeben, zu fliehen und von dir erschossen zu werden."
"Du bist wirklich verrückt geworden", sagte Baltram und lachte.
Dahna war nicht verrückt. Doch mit dieser Kette würden sie die Dorfbewohner vielleicht für eine Sklavin halten und ihr keine Schuld geben. Vielleicht würde sich ja auch der Zauberer für sie einsetzen. Wer weiß, am Ende könnte sie tatsächlich als sein Lehrling enden. Und Rukus? Möglicherweise würde er sich rechtzeitig in Sicherheit teleportieren. Aber er würde kaum so freundlich sein, sie mit nach Hause zu nehmen. Wie auch immer, Dahna bemühte sich, ihre Zukunft diesmal nicht vorherzusehen.

 

Hallo Woodwose,
ich hab die Geschichte gestern schon gelesen, wusste aber nicht so ganz, was ich dir dazu schreiben soll. Die Idee finde ich schön - tatsächlich habe ich gerade das große Drachenbuch an dem Ort liegen, wo man in der Regel liest (:D), und da wird das Thema der guten und bösen Drachen auch erschöpfend behandelt.
Leider habe ich den Unterschied aus deiner Geschichte heraus nicht ganz verstanden. Die Drachen, die in dem anderen Land leben, bringen den Regen. Haben das die anderen Drachen, die vorher von allen totgeschlagen wurden, auch getan? Du erwähnst die zunehmende Desertifikation des Landes nur in einem Nebensatz von Dahna, das ist schade, denn wenn du die Situation länger aufbauen würdest, könnte ich als Leser sie besser nachvollziehen.
Dazu kommt, dass die Gruppe in sich nicht ganz stimmig ist. Dahna hatte eine liebevolle Kindheit mit tollen Eltern, dann entschließt sich der Mob, sie als Hexe zu verbrennen. Das kann ja so nicht stimmen, die Entscheidung zum Verbrennen trifft ein Dorf ja nicht von heute auf morgen. Ihr Verhalten an sich, ihre Beziehung zu ihrem "Besitzer", ist nicht ganz stimmig, habe ich den Eindruck. Ich weiß, worauf du hinauswillst, aber die Art, wie sie auf ihn eingeht, hat das für mich nur manchmal transportiert.
Des Weiteren der Zauberer: Du beschreibst einen Zauberlehrling, der nicht in der Lage ist, ein magisches Feuer anzuzünden, aber teleportieren kann er??? Das war unfreiwillig komisch, weil reichlich unglaubwürdig. Seine Motivation, bei der Gruppe zu bleiben, ist nicht ersichtlich, finde ich. Der Ritter sagt ihm, dass er das tun soll, und das wars?
Auch die Szene, in der Dahna plötzlich zum wandelnden Drachenbuch mutiert und irgendwelche Fachtermini ausspuckt, könntest du überarbeiten. Zwar ist das eine Schlüsselszene, aber so, wie sie da steht, wirkt sie etwas gezwungen.
Der Rest, besonders das Ende, gefällt mir gut. Bis auf diese Kritikpunkte hab ich die Geschichte gern gelesen, der Stil ist flüssig und liest sich gut.

gruß
vita
:bounce:

 
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Hallo, Vita,
danke für die Kritik. Interessant, dass andere Probeleser gerade die Figurengestaltung als gelungen bezeichnet haben. Soll aber nicht heißen, du hättest unrecht. Ich werde noch über Verbesserungsmöglichkeiten sinnieren.

Die Drachen, die in dem anderen Land leben, bringen den Regen. Haben das die anderen Drachen, die vorher von allen totgeschlagen wurden, auch getan?
Tja, durchaus möglich, hat vielleicht nur keiner mitgekriegt, und jetzt kann mans nicht mehr überprüfen. Das sollte eigentlich absichtliche - na nennen wirs mal Sozialkritik sein. Es ging mir weniger darum, ob es wirklich unterschiede gibt, sondern eher um die Unfähigkeit der Leute, diese Unterschiede bzw. Grautöne, komplexere Zusammenhänge zu erkennen.
Du erwähnst die zunehmende Desertifikation des Landes nur in einem Nebensatz
Das stimmt eigentlich nicht. Es wird schon zweimal vorher erwähnt. Aber wenn du das beim Lesen nicht bemerkt hast, ist es wohl zu dezent angedeutet.
die Entscheidung zum Verbrennen trifft ein Dorf ja nicht von heute auf morgen.
KLingt es in der Geschichte so? Das ist auf jeden Fall nicht beabsichtigt. Muss ich mir noch anschauen.
aber teleportieren kann er??? Seine Motivation, bei der Gruppe zu bleiben, ist nicht ersichlich
Tja, Rukus sollte auch in der Tat lächerlich wirken, bis zu einem gewissen Grad eine Karikatur. ein Zauberer, der es nie geschafft hat, mehr als einen einzigen Zauberspruch zu lernen. Du hast aber schon recht. Dass es gerade dieser ist, der nicht so ganz einfach sein kann, ist etwas unglaubwürdig. mal sehen, ob ich das noch plausibler machen kann.
Seine Motivation ist aber ganz einfach: Er kriegt einen Haufen Geld dafür. In der momentanen Fassung sieht es aber in der Tat so aus, als hätte er dieses Geld schon bekommen, wird noch geändert.
Auch die Szene, in der Dahna plötzlich zum wandelnden Drachenbuch mutiert
Ja, stimmt, das ist wohl etwas plump geraten. Muss noch überarbeitet werden.

tatsächlich habe ich gerade das große Drachenbuch an dem Ort liegen, wo man in der Regel liest
Je nach Persönlichkeit ist das der Nachttisch oder das Klo :).

Gruß, Woodwose, der Drachentöter

 
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Hallo Woodwose!

Soeben habe ich deine Geschichte zu Ende gelesen. Dein Schreibstil gefällt mir, auch die Idee finde ich gut, wirklich spannend und mitreißend geschrieben. :) Habe schon lange keine so gute Drachengeschichte mehr verschlungen! Deine Figuren wirken lebendig und autentisch. Was soll ich noch weiter dazu sagen?
Bei manchen Stellen hatte ich das Gefühl, es löst sich zu einfach, es geht alles zu leicht. Das Verhältnis der Seherin zu ihrem Tyrannen erscheint mir noch zu wenig beleuchtet, auch das Ende könnte mMn noch ausführlicher sein. Die Vision Dahnas hätte ich als Leserin gerne (live) erlebt, nach all der Aggression, die der brutale Baltram in mir erzeugt hatte, hoffte ich auf Befriedigung meiner Rachegefühle! :D (Da reichte mir die Vision Dahnas nicht ganz.)
Dennoch: Mich, als eher nicht Fantasy-Leserin hast du mit dieser Story jedenfalls erreicht. Hat mir wirklich gut gefallen.:)
Ein paar Sachen sind mir noch aufgefallen:

... verständlicherweise einige Proben gefordert, bevor er sein Leben diesem Zauberspruch anvertraute. Das Versuchskaninchen dieser Proben war natürlich Dahna gewesen.
WW
Würde die zweiten Proben auslassen. Alternative: Das Versuchskaninchen war natürlich Dahna gewesen.

Allmählich ging es ihr besser und sie richtete ihre Augen auf die Landschaft vor ihr, auf die niedrigen, schroffen Berge mit schmalen, messerscharfen Graten.
WW

Doch der Ritter war im Augenblick wohl gut gelaunt und beschränkte sich darauf, sie zu beleidigen.
Das "wohl" würde ich entfallen lassen.

Er schlang seinen schäbigen Mantel noch enger um sich und blickte sich mit zusammengekniffenen Augen um.
WW
Alternative: Er schlang den schäbigen Mantel noch enger um seinen Körper und blickte ...

Ein plötzliches Tosen stürzte sich auf die Gruppe und ein riesiger Schatten fegte über sie hinweg.
Tosen ist ein Geräusch und kommt mir in diesem Zusammenhang (stürzte) nicht gut gewählt vor.
Alternative: Ein plötzliches Tosen war zu hören und ein riesiger Schatten fegte über die Gruppe hinweg.

Sieht so denn ein Drache aus?
würde ich umstellen: Sieht denn so ein Drache aus?

Sein Fell viel wie Seide über seinen Körper und bildete auf dem Rücken einen Kamm wie bei einem Drachen.
fiel

Rukus fing an, wie ein Pferd zu lachen. "Du bist völlig übergeschnappt.
Wir wissen beide, dass Pferde nicht lachen können. ;)
Vielleicht: ... lachte wiehernd.

Hoffe, du findest etwas Brauchbares unter meinen Vorschlägen.

Liebe Grüße,
Manuela :)

 

Hallo, Manuela,
danke für das Lob. Schön, eine "eher-nicht-Fantasy-Leserin" begeistert zu haben. MMn sollten das alle guten Fantasygeschichten, denn Fantasy, die nur "Selbstzweck" ist und nur im Rahmen des Genres Bedeutung und existenzberechtigung hat, finde ich etwas armselig.

Du hättest also gern gesehen, wie sie Baltram die Rübe einhauen? Das kann ich durchaus bverstehen. Wäre vielleicht auch noch ein spektakulärer Schluss. Andererseits denke ich, die Geschichte ist auch so nicht ganz unspektakulär, und außerdem müsste ich mich dann wahrscheinlich entscheiden, was mit Dahna passiert, und da wollte ich eben einen offenen, klassischen Kurzgeschichtenschluss machen.

Gruß, Woodwose.

 
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Hallo Woodwose!

Zuerst einmal nachträglich alles Gute zum Geburtstag und noch viele Ideen für so schöne Geschichten! :)

Die Geschichte fand ich sehr spannend, gut zu lesen und schöne Aussagen kann man aus ihr auch herauslesen. Etwa, daß nicht alles immer ist, wie es scheint, daß aufgedrängte »Hilfe« (die Bewohner von dem Drachen zu befreien) nicht immer auch erwünschte Hilfe ist, weil man vielleicht gar nicht sehen kann, warum es für den anderen gut ist, so wie es ist, warum das »Böse« auch wichtige gute Seiten hat.
Daß Baltram ohnehin nur wegen der Belohnung »hilft«, gibt ihm auch so den Anstrich des typischen Gutmenschen. Wie Bush überall gern »hilft«, wo es Öl zu holen gibt ... :D

Eigentlich hatte ich ja erhofft, daß Rukus am Schluß seine Möglichkeiten erkennt und nur Dahna zurückteleportiert, während er Baltram fallen läßt … aber Deine Auflösung fand ich dann doch besser und es blieb dadurch länger spannend. Vor allem kann ich mir so recht gut vorstellen, daß es klappen wird, mit Dahna und dem Zauberer. :)

Stilistisch finde ich sie sehr gelungen und inhaltlich fand ich alles recht schlüssig, bis auf die Tatsache, daß ich es eher unwahrscheinlich finde, daß Baltram Dahna so lange mit dem Zauberer Gedankenaustausch betreiben läßt, wie es derzeit der Fall ist. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er da geduldig daneben steht und wartet, bis sie fertig sind. Da er ihr ja nicht gerade vertraut, müßte er hier meiner Meinung nach doch etwas mißtrauisch werden, vielleicht darauf drängen, daß sie sich mit gesprochenen Worten verständigen sollen. Der Zauberer könnte ihn dann ja kurz erstarren lassen oder so, damit er wieder ruhig ist.

"Vielleicht solltest du aber trotzdem noch lernen, wie man Damen behandelt", murrte Dahna und hob ihr blaugeschlagenes Handgelenk. Ihre Wut über diese Behandlung ließ sie frecher antworten, als vielleicht klug war, und unter der kämpferischen Oberfläche machte sich Dahnas ängstliche Seele schon bereit, sich unter Baltrams Schlägen zu ducken.
Sehr schöne, gut nachvollziehbare Beschreibung!

"Die Knechte sind beide tot?", fragte Rukus, als sie wieder ins Lager kamen. "Na ja, wenigstens haben wir jetzt wieder genug Pferde."
:lol:

Alles andere der Reihe nach:

»"Ja", rief Rukus erstaunt. "Wieso kann er dann fliegen?"«
– Dem »Ja« würde ich ein Rufzeichen geben, da es ja gerufen ist.

»"Du!", schnauzte er sie an, "warum hast du das nicht vorausgesehen?"«
– Da Du vorn mit einem Rufzeichen endest, kann der Satz nicht hinten weitergehen – entweder also das Rufzeichen weg oder Punkt nach »an« und groß weiter.

»Als die Sonne begann, sich auf den Horizont zu senken,«
– Würde sie davor still auf einer Stelle stehen, würde ich das »begann« nicht kritisieren, da sie aber den ganzen Tag nichts anderes tut, als sich immer auf den Horizont zuzubewegen und man deshalb nicht von einem Anfang sprechen kann, tu ich es. ;)

»und entscheiden sich für eine schmale, lehmige Ebene, die sich zwischen einen Wald und einen Berg zwängte.«
– entschieden
– Ich kann mir die Gegend nur schwer vorstellen, da Deiner Beschreibung nach der Berg kahl sein müßte und ihm gegenüber ein Wald, während ich aber nur Berge kenne, die zumindest am unteren Ende bewaldet sind.

»Sein Fell viel wie Seide über seinen Körper«
fiel

»"Baltram!", schrie Dahna, "du hättest mich beinahe erschossen!"«
– Dahna. "Du

»"Dann sag mir jetzt wenigstens alles über dieses Vieh. Wie kann ich ihn töten?"«
– Wie kann ich es (das Vieh) töten?

»Die vier liefen den steilen Berghang hoch.«
– für Dich als Österreicher »hinauf«

»Plötzlich klappte Dahnas Mund auf. "Er wacht auf!",«
– statt der Wiederholung von »auf« evtl. »Er wird munter«?

»"Schluss jetzt mit all dem Mist!", schrie Baltram. Rukus, beweg deinen faulen Hintern!«
– vor »Rukus« fehlt das Anführungszeichen

»Und du, Dahna, finde uns eine Höhle, sonst breche ich dir den zweiten Arm auch noch."

Nach einer kalten Nacht in einer Höhle,«
– da bereits vorher die Höhle erwähnt wird, würde ich ihr hier vielleicht ein Adjektiv geben oder sie kurz beschreiben
– und der Beistrich gehört weg

»die sich auf den Boden hockte und sich elend fühlte.«
– das zweite »sich« kannst Du streichen, evtl. würde ich das auch umdrehen, finde, es klingt dann irgendwie besser: die sich elend fühlte und auf den Boden hockte.

»"Helft mir tragen! Alle Beide!"«
beide

»Alle drei folgten mit ihren Blicken dem Flug des Bolzens.«
– meiner Meinung nach »des Bolzen«

»und sie bereute es, sobald sie es gesagt hatte.«
– fände »sowie« passender

»Ein Stück weiter gipfelwärts sah sie die Beiden,«
»Die Beiden waren ziemlich klein, hatten ockerfarbene Haut und schmale Augen.«
beiden

»Die Menschen töten aus weitaus weniger edlen Gründen."
"Aber auch aus weitaus edleren. Wir wollen die Welt von den Drachen befreien."«
– zweimal »edlen« bzw. »edleren« finde ich hier nicht schön, besser fände ich »Die Menschen töten aus weitaus niedrigeren Gründen.«

»der Zauberer ist viel zu ungeduldig und unachtsam, und du –".«
– der Punkt ist zuviel

»Schon verschwamm die Umgebung zu bunten Schlieren und Dahna spürte die übliche Übelkeit.«
– vielleicht »die gewohnte Übelkeit«?

Uups, schon vorbei. :)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo, Susi,
danke für die Geburtstagsgrüße. Schön, dass dir die Geschichte so gefallen hat. Ich werd dich am Ende noch zum Fantasyfan machen.

»Die vier liefen den steilen Berghang hoch.«
– für Dich als Österreicher »hinauf«
Verzeihung, was für ein Sakrileg!

Beide und beide: Aus irgendeinem Grund geht das nicht in meinen Kopf. Ich muss mir gleich noch einmal den Duden Nummer 9 schnappen.

und noch viele Ideen für so schöne Geschichten!
Mmmh! Das muss ich mir ja einrahmen lassen.

Liebe Grüße, Norbert

 

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