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Hannes der Holzfäller

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30.03.2008
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Hannes der Holzfäller

Es war einmal vor langer, langer Zeit. Auf einer grünen Wiese, mitten in einem Tal, das kaum jemand kannte. Dort stand eine Hütte nur aus Holz. Ein mächtiger Tannenwald umschloss das einzige Gebäude auf diesem fast verlassenen Flecken Erde. Bis zum Horizont Nadelbäume in Reih und Glied. Dort wo die Sonne unterging, verriet ihr Spiegelbild in der Ferne einen matten Schimmer des Meeres, welches das Land umgab. Auf dem nur Holzfäller Hannes in seiner hölzernen Hütte lebte. Schon seit Generationen arbeiteten die männlichen Mitglieder seiner Familie auf der schwimmenden Holzfabrik, wie die Einwohner des Festlandes die Insel spöttisch nannten. Nach dem Tod seines Vaters bezog Hannes die Hütte, die sein Großvater vor über 50 Jahren gebaut hatte. An der Einrichtung war bis heute wenig verändert worden. Lediglich eine Heizung und Backofen zeugten von moderner Technologie. Der Rest des Hauses war alt und spartanisch. Hannes fühlte sich in seinen vier Wänden trotzdem sehr wohl.

Das Haus war sein Kind. Seine Axt, die Frau, die er nie hatte und nur aus Zeitschriften kannte, die von den Transportarbeitern liegen gelassen wurden, wenn sie die Stämme abholten. Jeden Abend polierte er die Klinge, säuberte den Schaft und prüfte ihr Schärfe an einem seiner langen brauen Haare. Wenn sein Spaltwerkzeug die Prüfung bestanden hatte, kam es in den Schrank.

Noch vor den ersten Sonnenstrahlen verließ Hannes seine Hütte. Selbst sein Hahn hatte zu dieser frühen Stunde noch den Kopf unter dem Gefieder und schlief den Schlaf der Gerechten. Hannes reinigte kurz seinen Körper und stieg in seine schwarzen Hosen, schnürte die Stiefel fest und zog zielstrebig in den Wald. Der Sommer zeigte sich von seiner besten Seite. Es war warm an jenem Morgen. Hemd und Hut zollten den schwülen Temperaturen Tribut. Hannes hatte sie gleich zu Hause gelassen. Wer sollte ihn schon beobachten? Wenn überhaupt, ein paar Spechte, Eulen und Mäuse, ach was soll´s. Hannes interessierte es nicht. Er musste weiter in den Wald. Bäume mussten fallen, Äste brechen und Stämme zerbersten. So wie jeden Tag.

Hannes ging weiter. Immer tiefer in den Wald. Betrachtete jeden einzelnen Baum, sog den Duft des Waldes, der Bäume und der Tiere förmlich in sich auf. Seine schweren Schritte wurden durch das Moos gedämpft. Er genoss die Ruhe, die nur gelegentlich von einem fleißigen Specht gestört wurde. Tak, Tak, Tak, hallte es durch den Wald. Wenn sein Vater früher diese Töne vernahm, hatte er stets seinen Spruch auf den Lippen. „Wenn du den Specht hörst, wird es bald Herbst. Dann bauen sie ein Nest für ihre Jungen.“ Doch danach sieht es nicht aus, dachte sich Hannes im Stillen. Und setzte seinen Weg fort. 10 Minuten später hatte Hannes sein Ziel erreicht. Die Lichtung mit den schönsten Bäumen des Waldes. Hier wollte er sein Holz schlagen. Eine schöne Fichte sollte es sein.

Er blickte sich um. Seine Augen blieben auf einem Exemplar der besonderen Art hängen. Gerade gewachsen, grün bis in die Nadelspitzen, ein mächtiger Stamm. Viel Arbeit, viel Holz für eine einzelne Axt. Nichtsdestotrotz spannte Hannes seine Muskeln, hob sein Fallwerkzeug und ließ einen Spannregen folgen. Viele Male, immer mit dem gleichen Muster traf die Klinge krachend den Stamm. Borke und Rinde flogen im hohen Boden auf die Erde. Bumm, Bumm, Bumm. Die Kerbe wurde größer. Hannes schwitzte von Kopf bis Fuß. Seine Hände hatten Probleme den schmalen Schaft zu halten. Trotzdem traf die Klinge immer wieder ins Ziel. Schlag für Schlag. Hannes wechselte die Seite. Der Schall zerschlug die Stille des Waldes. Bumm, Bumm, Bumm. Hannes machte eine kurze Pause, obwohl er es schon fast geschafft hatte.

Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel. Sie brannte Hannes auf den Rücken. Die Lichtung bot kaum Schatten, um ihn davor zu schützen. Bumm, die Axt landete wieder in der Kerbe. Hannes war die Sonne egal. Er arbeitete weiter. Langsam kam böiger Wind auf. Die Bäume wippten langsam im Takt. Hannes dachte gerade an seinen Vater, als eine erneute Böe seine angeschlagene Fichte ins Wanken brachte. Der Wind trieb den schweren Stamm weiter in seine Richtung. Hannes stand noch immer ruhig auf dieser Lichtung. Er bemerkte den fallenden Stamm nicht, blinzelte nur wegen dem grellen Sonnenlicht. Erst als das Krachen die Stille durchschnitt, brachte Hannes seinen schweren Körper endlich in Tritt. Hannes lief weiter, der Baum drohte zu kippen. Er spannte erneut seine Muskeln und sah am Horizont die rettenden Klippen. Doch dann hörte man es schon Rumsen und Gezeter. Unser Hannes schaffte leider nur nen Meter. Der Schreck und Schock hatte ihn ganz steif gemacht und letztendlich umgebracht. Nun liegt er begraben unter einer Menge Holz. Früher war das sein ganz persönlicher Stolz. Das Tor zum Himmel steht jetzt offen, wollen wir das Beste für unseren Hannes hoffen. Ab morgen wird er Gott berichten, wie es steht um seine Fichten. Und der Herr wird ihm sagen: „Bist gestorben ohne Ehr und Mut, aber Bäume fällen, dit konnste jut.

 

Hallo H. Putz,

die Pointe deines Textes hat mich schon überrascht. Als ich denn ersten Reim las dachte ich: Oh, da ist ihm ein Reim in den Text gerutscht, dann wunderte ich mich warum der Satzbau plötzlich so seltsam wurde und warum ich der Handlung plötzlich so schwer nur folgen konnte und dann folgte Paarreim auf Paarreim und ein inhaltlich (verzeih den Ausdruck) saublöder Schluss.

Warum mir der Text trotzdem gefällt? Weil er funktioniert. Es beginnt mit dem typischen Märchenanfang. Es folgen kurze, leicht verständliche Sätze mit naturalistischen und realistischen Beschreibungstechniken. Man wartet und wartet wann sich denn das Märchen endlich entarnt und bekommt mit selbstreferentieller Ironie die Auflösung präsentiert, die da ob des religiösen Schlusses nur nahelegen kann, dass es sich hier um einen romantischen Text handelt.

Gefällt mir.

Gruß
Woitek

 

Vielen Dank für deine Einschätzung. Die Geschichte darf man als Erstlingswerk betrachten und wurde von mir geschrieben, als mein Neffe in das Alter kam, in dem man ihm an jedem Abend eine Geschichte vorlesen sollte. Holzfäller Hannes hat die Prüfung in der Realität bestanden. Das "Reim-Dich - oder ich fress dich - Schema sein an dieser Stelle zu verzeihen. Es ist nicht leicht, zwischen den literarischen Gattungen zur springen, ohne den Kontext ein wenig zu verändern. "Franz der Fischer" wird sicherlich ein Stück besser ... und der kleine Neffe freut sich schon!

 

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