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Heldenvertrag

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17.04.2007
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Heldenvertrag

"Warum sind wir noch mal hier? Und warum feiern wir das Dorffest so spät?", fragte er an eine Dame gewandt und riss sie damit aus ihrer Gesprächsgruppe. "Hast du etwa das Drehbuch nicht gelesen?", fragte sie zurück und wandte sich ohne weitere Erklärung wieder der Gruppe zu. Er seufzte und schlenderte wie deplatziert durch den Saal, als ein Gast durch die Vorhänge in die Nacht spähte und meldete: "Die Vampire kommen! Sie wollen uns alle umbringen!" "Endlich ...", raunte es durch die Versammelten, als die Bürgermeisterin ans Mikrofon trat und verkündete: "Immer mit der Ruhe. Für solche Fälle haben wir ganz zufällig einen Fluchttunnel, der uns in Sicherheit bringt. Allerdings brauchen wir ein Opfer, das die Vampire ablenkt, damit wir Zeit haben, ihn zu verbarrikadieren ..."
Mitten in der Bewegung stehengeblieben, meldete er sich: "Ich mach das." Die Menge klatschte kurz und strömte zu einer Seitentür hinaus. Er starrte sie fassungslos an: "Hey, wollt ihr nicht versuchen mich umzustimmen? Oder ein paar letzte Worte an mich richten?"
Jemand kam und klopfte ihm auf die Schulter. "Du machst das schon."
Dann stand der namenlose Protagonist alleine im Saal, als die Vampire mit weißen Barockfrisuren und langen Theaterumhängen hereinkamen und verdutzt vor diesem einen Menschen standen. "Was machst du denn hier? Warum läufst du nicht weg?"
"Öhm, naja, ich opfere mich, damit die anderen fliehen können."
Ihr Anführer zog ein Spitzentaschentuch aus seinem Rüschenärmel und tupfte sich theatralisch die Augen. "Oh, wie schade, ein Weltenretter ... Solche wie dich suchen sie noch, komm mal mit."
Der Vampir berührte ihn an der Schulter, woraufhin der Protagonist in einen Raum teleportiert wurde, wo hinter einer hölzernen Rezeptionstheke eine Frau mit Dutt und Brille in ihrer Sabber schlief. Mit Schaudern stellte er fest, dass der Raum hinter ihm voller Tische und Stühle stand, wie ein Klassenraum.
"Entschuldigung?"
Sie schrak hoch. Nach einer kurzen Orientierung reichte sie ihm ein Formular. "Einfach ausfüllen und hinten in den Kasten werfen, dann dürfen Sie sich 'Held' nennen."
"Was ist das für ein Formular?"
"Was wohl ..." Sie legte ihren Kopf wieder auf den Tresen und der Protagonist las: Heldenvertrag. "Name? Alter?"
Er setzte sich an einen Tisch und begann auszufüllen. "Welche Aufgaben möchten Sie als Held wahrnehmen?" Er kreuzte an: Vampire töten, Jungfrauen aus den Klauen von Bösewichtern befreien, Welt retten - klang doch ganz gut. Er überflog weitere Optionen zum Ankreuzen: "Bösi-Sonderservice - ein Muss für jeden Helden! Hasse das Böse mit Inbrunst und deine Eltern machen sich garantiert nie wieder Sorgen um dich! - Was zum Teufel ist das?"
Da stürmte ein Held in Kettenhemd und spitzen Ohren herein und warnte: "Wie weit bist du? Kreuz auf keinen Fall den Bösi-Sonderservice an! Das ist der totale Mist, ich hasse diese Kerle! Und einen Mentor brauchst du auch nicht, der stirbt sowieso ganz schnell. Boah, so ein Bockmist ..."
"Ja aber was macht denn das genau? Und was machst du hier?"
Der andere wandte sich murrend dem Ausgang zu. "Kreuz das einfach nicht an, okay? Ich bin nur hier, um dir das zu sagen. Und jetzt leb wohl, ich muss die Welt retten. Ja, Saphiraschätzchen, ich komme ja schon ..."
Unser Protagonist zuckte mit den Schultern, unterschrieb das Formular und warf es in den dafür vorgesehenen Kasten. Jetzt durfte er sich offiziell 'Held' nennen und gegen das Böse kämpfen. Aber vorher musste er zum Sachen packen nach Hause.

Als er im Dunkeln etwas Zeug einpackte, kam seine Mutter von dem Lärm geweckt herein. "Was machst du da?"
"Ich bin jetzt ein Held und ziehe durch die Welt, um gegen das Böse zu kämpfen."
Sie sah ihn verständnislos an. "Aber du bist zu jung dazu und die Welt ist gefährlich!"
"Ich bin alt genug, ich wurde auserwählt!"
Da zog sie eine Flunsch und Tränen stiegen ihr in die Augen. "Na gut, wenn du mir unbedingt das Herz brechen willst ... Aber du schreibst mir auch mal E-Mails und ich rufe einmal die Woche an. Und wenn ich höre, dass du nachts durch dunkle Wälder läufst, kommst du sofort nach Hause!"
Der Held nickte stumm und ging zum Festsaal, um ein paar Vampire zu töten, denn Vampire waren böse. Dort angekommen schlich er an einem angekippten Fenster vorbei, als er einem Gespräch lauschte. "Meister! Wir haben doch eben diesen Mann gegessen ... Aber was machen wir mit seinem Pflock und dem Hammer?"
"Was soll die Frage, wirf sie doch einfach weg."
"Aber wir haben keine Mülleimer."
"Äh, dann wirf sie halt draußen irgendwo hin."
"Aber wenn sie jemand findet, wenn wir tagsüber hier schlafen ..."
"Ach du meine Güte! Dann lass sie halt hier vor den Särgen liegen. Hier kommt eh keiner rein."
Als er das hörte, beschloss der Held, bis Tagesanbruch zu warten, bevor er den Saal betrat. Da standen die Särge sauber aufgereiht.
Gerade öffnete der den Deckel und setzte den Pflock auf die schlafende Gestalt in ihrem Rüschenhemd, das klingelte das Handy. Fluchend legte der Held die Werkzeuge nieder und griff zum Telefon.
"Hallo? Och Mama, ich bin doch gerade ... Ja, mir geht es gut. Nein, ich brauche kein Geld. Ja ich habe genug zu Essen mitgenommen, nein ich vergesse nicht wieder stündlich eine SMS zu schreiben, ob es mir gut geht."
Es raschelte im Hintergrund.
"Keine Ahnung, wann ich nach Hause komme, ich habe zu tun, ich vernichte gerade Vampire. Oh Mama, natürlich passe ich auf mich auf. Tschüss, hab dich auch lieb." Als er auflegte und sich umdrehte, saß der Vampir-Anführer mit seiner weißen Perücke auf dem Sargdeckel. "Ach du bist dieser neue Held, der unseren Bösi-Sonderservice verschmäht hat? Tja, Pech, denn anders würde deine Mutter nicht mehr anrufen können, hehe."
Wütend hob der Held Hammer und Pflock wieder auf. "Das ist meine Sache. Ich werde euch vernichten, damit ihr nicht mehr wüten könnt."
"Niemand wütet hier. Ich bringe jungen Mädchen nachts Schuhe und Kleider, um sie auf unseren Vampirball zu locken und sie fallen echt jedes Mal darauf herein!"
"Genug jetzt, stirb!" Er warf den Pflock gut gezielt auf das Herz des Vampirs. Dieser fing ihn aus der Luft, klemmte ihn sich unter den Arm und ließ sich nach hinten auf den Boden fallen. "Au, ich bin tot!"
Verwundert lief der Held zum Fenster und zog die Vorhänge beiseite, damit Tageslicht hereinfiel. Nichts geschah.
"Weil es wolkig ist, du Hohlkopf!", raunte der Vampir aus dem Mundwinkel und öffnete ein Auge halb, um zu gucken.
"Aber das ist doch trotzdem Sonnenlicht!"
"Dann würde uns Mondlicht genauso töten, das ist nämlich auch Sonnenlicht. Abgesehen davon gibt es mittlerweile Sonnencreme, extra für Vampire. Wir haben schon gegessen und wenn ich dich töte, gibt es kein Happy-End. Geh einfach nach Hause, ich erzähle es keinem weiter."
Beim Rausgehen knallte der Held die Saaltür zu, dass die Kronleuchter klirrten.

Zu Hause angekommen wartete ein Paket auf ihn, von dieser Heldendingsbumsfirma, und riss es eifrig auf. Ein Heft kam zum Vorschein, er riss schneller ...
Und starrte es ungläubig an.
Dann las er die beiliegende Karte. "Blabla, aufgrund von Sparmaßnahmen ..." Er hob die Klinge seine neuen 'Schwertes' vors Gesicht und kam sich vor, wie ein Straßengangster, der eine alte Frau bedrohen wollte.
"Wir hoffen, dass Ihnen 'Blutfurz' im Kampf gegen den Drachen zur Befreiung der Prinzessin gute Dienste leisten wird."
Fast hätte er gelacht, verkniff es sich aber und machte sich schmollend auf den Weg zur Drachenhöhle.
Der Körper des Drachen schaute halb heraus und hatte den Kopf auf einen Felsberg gelegt, der aussah, als würde er jeden Moment herunterkrachen. Als der Held den Pfad hinaufstieg, zuckte ein Muskel am Drachenkopf - etwa da, wo bei anderen Tieren die Ohren saßen - und schlug die Augen auf.
Da polterten die Felsen herunter und der Drache hatte Mühe, sie festzuhalten und wie ein Kissen wieder unter seinen Kopf zu stopfen. "Oh verdammt, schon wieder ein Held. Jeden Tag kommt einer von euch vorbei und meint, mich mit einem Gemüsemesser killen zu können, nur weil ihr Helden seid, und dann lauft ihr weinend nach Hause."
Selbst im Liegen ragte der Drache hoch über ihm auf.
"Weißt du was? Nimm die Prinzessin einfach so mit. War eh eine dumme Idee, nur weil alle Drachen sowas machen. Das Weib ist schrecklich!"
Er rückte etwas beiseite und hielt die Felsen umklammert, damit er den Kopf zur Höhle drehen konnte.
"Nein, Schätzchen, du kannst keinen Screenshot mit dem Fotoapparat machen. Das sieht dann aus, als wärst du zu dumm, einen Screenshot zu machen."
Er seufzte.
"Weißt du, ganz unter uns, lass die Frauen bei sowas einfach machen, die merken's dann von selbst. Als Drache muss man ja unbedingt eine Frau entführen, die gerettet werden muss. Um einen Mann würde sich keiner scheren, die werfen ihr Leben sowieso freiwillig weg, wie man an den ganzen Heldenscharen sieht."
Da kam in einem langen Kleid und mit Fotoapparat in der Hand die Prinzessin heraus und fragte mit Unschuldsmiene an den Drachen gewandt: "Hilfst du mir bitte mit dem Screenshot?"
"Nicht nötig, du kannst dein Facebook-Profil später machen. Der Held hier bringt dich nach Hause."
"Aber ich will nicht so weit laufen. Und Essen koche ich auch nicht für ihn. Und heiraten werde ich ihn schon gar nicht!"
"Natürlich. Tschüss, Kleines, und schreib mich mal an."
Und er bettete den Kopf wieder auf den Felsenhaufen.
Da stand der Held und schüttelte den Kopf. "Warum hat ein Drache einen Internetanschluss?", fragte er sich.
"Warum denn nicht?", fragte die Prinzessin zurück. "Die sind ja nicht so konservativ wie Vampire. Aber ich hab ja noch Glück gehabt, dass dieser keinen Alkohol trinkt. Du, hör mal, du brauchst mich nicht nach Hause bringen, ich kenne doch den Weg."
"Und wenn dir unterwegs was passiert?"
"Na dann kommst du wieder und rettest mich. Aber das steht sowieso nicht im Drehbuch."
"Welches Drehbuch?"
Sie lachte auf und verschwand zwischen den Bäumen. Kurz darauf hörte er sie stolpern und fallen. "Da hat sich ein Mann versteckt!", hörte er sie rufen, doch als er die Straße erreichte, war sie schon fort.
Der Held half dem dort liegenden Mann aufzustehen.
"Hey, danke Mann, wie heißt du?"
"Ich bin der neue Held in der Gegend. Hast du eine Aufgabe für mich, Monster töten oder zehnmal den gleichen Gegenstand aufsammeln oder so?"
"Nein. Ich bin Assassine und soll dich töten."
"Cool. Wollen wir Freunde sein?"
Sie schlugen ein.
"Warum sollst du mich denn töten?"
"Weil, wenn ich dir sage, dass unser Anführer der Assassinen dich töten lassen will, willst du dich an ihm rächen und ihn töten, also schickt er mich aus, um dich zu töten, bevor du ihn tötest."
Der Held starrte ihn zweifelnd an. "Also wenn ich ihn nicht töten will, hat er auch keinen Grund, mich töten zu lassen, verstehe ich das richtig?"
"Natürlich willst du, du bist doch der Held. Du brauchst keinen Grund, um Leute zu töten, die andere töten. Ich hab zwar keine Ahnung, wie jemand mit Weltenrettersyndrom überhaupt töten könnte, aber das ist ja nicht mein Problem, oder? Am besten, ich bringe dich zu ihm, dann kannst du dir noch überlegen, ob du ihn töten willst oder nicht."

So schlichen sie sich also ins streng geheime Hauptquartier der Assassinen. Der Held merkte gar nicht, wie sein Begleiter verschwand, da stand er auch schon dem Assassinenführer gegenüber.
"Hey, du bist ja wirklich hier. Glaubst du echt, du könntest mich besiegen? Ich habe schon tausende Gegner in die Knie gezwungen. Lass mich raten, du hast auch dein Schwert mitgebracht, mit so einem dämlichen Namen 'Klinge des Untergangs' oder 'Monstermatscher' oder so?"
Der Held zog sein mickriges Gemüsemesser 'Blutfurz' heraus. "So ähnlich ..."
"Kleiner, das ist dumm. Steck dein 'Schwert' ein und geh nach Hause."
Da klingelte sein Handy und der Held ging ran. Aus dem Lautsprecher tönte die Stimme seiner Mutter: "Du hast doch gesagt, dass du heute Abend nach Hause kommst."
"Hab ich das?"
"Ich stehe gerade auf dem Markt. Was möchtest du heute zum Abendbrot essen?"
"Nicht jetzt, ich hab keine Zeit!" Er drückte sie weg und hielt das 'Schwert' dem Anführer entgegen.
"Okay, pass auf", schlug dieser vor. "Ich quatsche jetzt ein bisschen, damit du Zeit zum Weglaufen hast, weil es sonst kein Happy-End gibt. Hm, am besten, ich erzähle dir meine ganze Lebensgeschichte. Also meine Mutter hat damals in einer Bar am Hafen gearbeitet ..."
"Oh nein!", jammerte der Held, als mit einem ohrenbetäubenden Krachen die Decke einbrach und der Drache im Raum landete. "Los, steig auf, ich rette dich", sagte er. "Weil du mich von dieser nervtötenden Prinzessin erlöst hast. Außerdem hat mich deine Mutter drum gebeten. Sie macht sich Sorgen, weil du einfach aufgelegt hast. Und sie hätte mich sonst gehäutet. Das Weib ist ein wahrer Hausdrachen."
"Aber du kannst mich nicht so schnell finden!"
"Doch, ich bin hier, oder etwa nicht? Komm jetzt."

Kurze Zeit später landeten sie auf dem Markt, als die Mutter stürmisch auf den Helden zukam. "Junge, ich habe dir gesagt, dass du die Welt nicht retten kannst. Komm jetzt nach Hause, ich koche uns was Feines. Dein Freund kann gerne mitkommen."
Der Held blickte sich suchend um. "Welchen Freund meint sie? Ich sehe keinen. Er muss wohl irgendwo hinter dem Drachen stehen ..."

 

Hallo Jellyfish,

diese Geschichte ist so albern und im positiven Sinne hanebüchen, dass ich mich frage, ob sie nicht in Humor besser aufgehoben wäre.
Hat mir prima gefallen, Deine Sammlung von Anti-Helden und Anti-Bösewichtern, die alle keine rechte Lust haben, ihre literarische Rolle zu spielen. Gäbe es im realen Leben mehr Personen diesen Schlages, wäre die Welt ein besserer Ort.

Kleines Manko: sprachlich könnte die Geschichte weit eleganter sein - die hübschen Einfälle sind relativ lieblos runtergeschrieben, als vertrautest Du allein auf die Gags, und hättest darüber alles andere an Textarbeit vergessen.
Zweite kleines Manko:die Geschichte plätschert mit den vielen Episoden relativ gleichförmig vor sich hin, aufs eine folgt das nächste, ohne rechten Spannungsbogen. Das erinnert an mittelalterliche Schelmenromane, die zwar literaturgeschichtlich wertvoll sind, bei denen man aber mitten im Text aussteigen und zum Ende springen könnte, ohne weentliches verpasst zu haben.

LG, Pardus

 

Hallo Pardus und vielen Dank für deinen Kommentar.


Für mich ist die Geschichte Humor, Satire, Seltsam und Fantasy, deshalb hab ich sie unter Sonstige gepostet.

Ich lass sie nach Humor verschieben und hoffe, dass die Leute dort sie nicht woanders haben wollen. *g*


Mit den Mankos hast du Recht. Zu dem ersten kommt mir gerade die Idee, ob ein paar klischeehafte Umgebungsbeschreibungen das Ganze abrunden können, ohne dass der ganze Witz an der Sache an Wirkung verliert. Ich denke darüber nach.

Und was könte ich mit dem zweiten anfangen? Ein paar Sachen streichen? Oder die einzelnen Teile ausweiten und jeweils einen Serienteil draus machen? Hm, oder einen neuen Rahmen aufsetzen ... oder das episodenhafte zwecks Lächerlichkeit hervorheben ... *grübel*


Grüße von Jellyfish

 

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