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Herta - die feuerfeste Putzfrau

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24.02.2023
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Herta - die feuerfeste Putzfrau

„Denk dran, ich gehe heute Nachmittag zu Kerstina zum Kaffee“, rief Lena ihrem Mann noch zu.

Thomas war längst aus der Tür, drehte sich aber um und fragte erstaunt: „Ich denke, du kannst die nicht leiden? Diese hochnäsige Kuh!“

„Ach, das muss mal wieder sein. Mir gehen die Ausreden aus und mein Chef erkundigt sich schon immer. Ich kann mich da langsam nicht mehr rauswinden. Sie denkt scheinbar, wir wären Freundinnen.“

Ihr Mann lachte mitleidig ein kurzes: „Ha!“, kam aber doch zurück und drückte sie kurz: „Ich hoffe, es wird nicht allzu schlimm. Und lass dir nichts von ihrem Technikscheiß aufschwatzen!“

Lena sah ihm nach, wie er fröhlich zu seinem Auto lief. Der hatte gut Reden. Als wäre es so leicht, sich den Werbebotschaften der überkandidelten Kerstina von Laufen zu entziehen. Außerdem war ihr Chef ebenfalls ein Fan aller neuen sinnlosen Technikgadgets, die seine Schwester anschleppte. Er hatte die beiden Frauen einander vorgestellt. Es war vollkommen klar für Lena, warum er die Anbahnung von Freundschaften für Kerstina übernahm. Wer wollte schon freiwillig etwas mit dieser Angeberin zu tun haben?


Kerstina öffnete die Tür ihres überdimensionierten Hauses in einem todschicken Kleid aus Naturseide. Gleich würde es einen Vortrag geben, dass die Kleider in Paris doch viel eleganter waren als in München. Egal, wie sich Lena bemühte, sie fühlte sich daneben immer wie eine Obdachlose.

„Endlich passt es terminlich mal wieder!“ Kerstina hauchte zwei Küsse knapp an Lenas Wangen vorbei.

Lenas Haare standen vor Widerwillen zu Berge. Was für eine affektierte Schnepfe! Sie passten so gar nicht zusammen. Schon das Haus und der Garten! Lena mit ihrem winzigen alten Vorstadthäuschen fühlte sich stets wie ein Einbrecher, sobald sie das Grundstück betrat.

„Ich habe schon Kaffee und zwei Stück Torte in den Wintergarten gestellt“, strahlte Kerstina sie an. „Du magst doch Schwarzwälder Kirschtorte?“

Lena versuchte, sich auf Kerstinas gute Stimmung einzulassen, ohne die Schutzwälle fallenzulassen: „Ja klar. Das ist überhaupt meine liebste Torte!“

Die beiden Frauen plauderten eine Weile über Torten und Kaffee. Wie immer absolut belanglos.

Plötzlich sagte Kerstina in forschem Ton: „Alexa! Wasche das Geschirr ab!“

Der kleine Lautsprecher in der Ecke antwortete: „Ich wasche das Geschirr ab!“

Lena guckte etwas verdutzt, doch ihre Gastgeberin sprach schon wieder von Torte und was die mit ihrem Gewicht machte. Nach einem ausgiebigen Vortrag über die Fitnessstudios der Stadt und deren Besucher, die Lena selbstredend nicht kannte, kam Kerstina wie immer auf ihr Lieblingsthema Technik.

„Hach, ich muss dir zeigen, was ich mir gegönnt habe“, sie sah auf ihre Uhr. „Einen Moment!“ Kerstina wechselte wieder ihren Tonfall und befahl: „Alexa, putz die Fenster im Obergeschoß!“

Wieder antwortete der kleine Lautsprecher: „Ich putze die Fenster im Obergeschoß!“

Alle guten Vorsätze und Schutzwälle über Bord werfend, fragte Lena: „Sag mal, seit wann kann denn das Amazondingens abwaschen und Fenster putzen. Das geht doch gar nicht.“

Kerstina sah sie kurz irritiert an, dann hellte sich ihr Gesicht auf: „Ach, ich verstehe deine Verwirrung. Nein, das ist nicht die Alexa von Amazon. Ich gebe Herta nur über die Alexa ihre Anweisungen.“

„Ah, dann hast du eine neue Haushaltshilfe?“, Lena war erleichtert, dass in diesem Haus endlich mal etwas ohne Mikrochip funktionierte.

„Ja, ich habe eine Herta!“, rief Kerstina begeistert.

„Hast du sie über eine Agentur gefunden oder vom Arbeitsamt?“, wollte Lena ehrlich gespannt wissen.

Kerstina blickte wieder verständnislos. „Wen? Herta?“

„Ja, deine Haushaltshilfe.“

„Alexa, schick bitte Herta in den Wintergarten!“

„Ich schicke Herta in den Wintergarten!“

Wenige Augenblicke später hörte Lena schwere Schritte auf dem Gang vor dem Hauswirtschaftsraum. Den Raum kannte sie zur Genüge. Bei jedem Besuch wurden ihr dort die neuesten Errungenschaften vorgeführt. Die Schritte klangen nicht direkt nach einer agilen fitten Haushilfe, Lena dachte automatisch eher an einen alten Hausdrachen oder eine Matrone mit deutlichem Übergewicht. Dass ausgerechnet Kerstina so eine Person einstellte, war verblüffend.

Doch der Anblick von Herta war bedeutend eindrucksvoller. Die Frau schien ein wandelndes Klischee zu sein. Von den altmodischen Gesundheitsschuhen, über die hässliche bunte Kittelschürze bis zu den Lockenwicklern auf dem Kopf ... Halt! Waren das wirklich Lockenwickler?

Kerstina sah den überraschten und entsetzten Gesichtsausdruck von Lena und musste lachen. „Das hast du wohl nicht erwartet, was?“
Lena schüttelte nur sprachlos den Kopf. Sie versuchte, sich zu fangen, und stammelte: „Lockenwickler?“

Ihre Gastgeberin freute sich unbändig. „Herta kommen Sie bitte mal näher.“

Herta trat näher an die beiden Korbsessel heran.

Lena nickte ihr zu: „Guten Tag Herta!“ Dann stutzte sie, sah Kerstina an: „Ist sie echt?“

„Ja, echt toll! Sie kann schlichtweg alles. Nur nicht sprechen komischerweise. Mag sein, sie ist doch ein Montagsmodel. Aber über die Alexa lässt sich das ja leicht regeln.“

„Herta, sie können jetzt weiterarbeiten. Danke!“, Kerstina wandte sich Lena zu: „Ich weiß selbst nicht, wieso ich immer ‚Bitte‘ und ‚Danke‘ sage.“

„Na, sie wirkt schon verdammt menschlich, darum womöglich. Nur die Lockenwickler sind echt etwas drüber“, Lena lachte: „Ach und die Kittelschürze! Puh, das Muster verursacht ja Augenkrebs!“

„Die feuerfeste Kittelschürze ist wegen der Brandgefahr. Wenn Herta den Kamin anfeuert oder den Grill entzündet, könnte sie sonst Feuer fangen. Das will bei den Preisen doch keiner!“

„Wow, was kostet so eine Herta denn überhaupt?“ Genau das hatte Lena doch gar nicht fragen wollen. Verdammt! Immer tappte sie in die gleiche Falle, wenn sie Kerstina besuchte. Thomas würde sie umbringen, sollte sie wieder Technikgadgets anschleppte. Aber so eine Herta wäre schon ein Traum. Dann könnte sie glatt wieder ganztags arbeiten.

„Das Grundmodell bekommt man für etwa 5.000 Euro. Aber die feuerfeste Kittelschürze ist Sonderausstattung. Außerdem kostet das Model Herta etwas mehr. Sie ist natürlich für Paare die einzig mögliche Lösung.“

„Wieso? Wie sind denn die anderen Modelle? Sehen die nicht so menschlich aus?“

„Die sehen zu menschlich aus!“, spuckte Kerstina regelrecht aus. „Wir hatten zuerst eine Tatjana. Kennst du russische Topmodels?“, sie wartete keine Antwort ab und fuhr gleich fort: „Sexy von Kopf bis Fuß und absolut lebensecht. Wahrhaftig nur denkbar für Junggesellen, die es bleiben wollen. Ausgeschlossen, dass so etwas meinem Gunter ständig vor der Nase rumtanzt.“

„Und die sind günstiger als eine Herta?“, fragte Lena ungläubig.

„Klar, die Hersteller können dabei auf fertige Gussformen für die Silikonhülle zurückgreifen. Daher haben die Modelle völlig andere Fähigkeiten. Wenn du verstehst, was ich meine.“ Sie sah Lena vielsagend in die Augen.

„Igitt!“ Lena verstand. So eine Haushaltshilfe wollte sie ebenfalls nicht im Haus haben.

„Außerdem sind die Dinger feuergefährlich. Allein die künstlichen langen Haare. Und Schürzen tragen die eher nicht!“, lachte Kerstina.

Beide Frauen mussten lachen. Prustend sagte Lena: „Hoffentlich sind die wenigstens wasserdicht, damit man sie im Garten abspritzen kann!“

Im Anschluss an zwei perfekte Piña colada, die Herta für sie gemixt hatte, empfand Lena doch eine angenehme Freundschaft zu Kerstina. Diesmal ärgerte sie sich nicht, dass sie wieder mit einer neuen technischen Errungenschaft nach Hause kam. Ihre Herta sollte in vier Wochen geliefert werden.

 

Super, ich habe es sehr genossen, sie zu lesen. :) Finde, sie ist "leicht" und angenehm geschrieben... Außerdem konnte ich mir die beiden Figuren und auch Herta bildlich vorstellen. Mir persönlich hat am Ende ein wenig Story gefehlt, also z.B. dass mit Herta etwas Überraschendes passiert. Aber das ist Geschmackssache! Hat mir diesen regnerischen Morgen auf jeden Fall versüßt... LG Anne :)

 

Danke schön! Jetzt hast du mich auf eine Idee gebracht. Mal sehen, was Herta noch so erlebt. ;)

 

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