Was ist neu

Ich, Autor

Beitritt
24.07.2008
Beiträge
1

Ich, Autor

Ich bin Autor, ja, ich schreibe. In Reinschrift, in Normseiten.
Der Lektor kann sofort loslegen. Er kann mein überaus interessantes und vor Ideen sprudelndes Werk, sobald es auf seinem Schreibtisch landet, in die Druckerei durchreichen.
Keine Gedanken über „Ist das Thema gefragt?“, „Werden wir es erfolgreich vertreten können?“, „Logische Sprünge?“, „Grammatik?“, „Stil?“.
Nein, das erübrigt sich bei all´ meinen Werken, denn:
Ich bin Autor, ja, ich schreibe. In Reinschrift, in Normseiten.

Der Verlag kann sich Kosten sparen, dazu gleich noch die Marketingabteilung und den Lektor! Manuskript annehmen, durchreichen, drucken, verteilen, fertig.

Mein letztes Werk zum Beispiel.
Es war der Brecher des Jahres 1988!
„Die Mücke und der Elefant“, ein Roman.
„Ein Elefant in der Serengeti verliert den Anschluss an seine Herde und irrt tagelang in der heißen Steppe umher. Da stößt er auf einen kleinen Tümpel. Er will seinen Durst stillen, doch eine kleine mutige Mücke macht ihm zu schaffen: Sie hält den Tümpel besetzt. Es entbrennt ein hitziges Wortgefecht zwischen beiden, währenddessen ihnen die Gefahr um sie herum aus den Augen gerät. Kann der Elefant die Mücke zum Freigeben des Tümpels bewegen? Erkennen sie die lauernde Gefahr?“

Ich habe die Schlagzeilen gelesen: „Ein überaus fröhlich geschriebener Roman, in dem sich der Autor auf die Seite der Mücke schlägt und den Elefanten quatschen lässt! Weiter so!“
Oder: „Der Autor besitzt die seltene Gabe, sich gedanklich in die winzige Mücke hineinzuversetzen. Man gewinnt den Eindruck, als würde der Elefant die winzige Mücke mit seinen klobigen Gedankenbrocken erschlagen. Doch die kann immer wieder ausweichen und ihre Stiche ansetzen....“

Bestseller – weltweit!

Anfragen von Industrie (Mückenspray/-schutz) und Umweltschutzorganisationen, Reisen und Lesungen in Dorfschulen verschiedener Länder Afrikas, Projekte wie „Beschilderung für Elefanten“ oder „Megaphone für Mücken“ folgten.
Und: ich verdiente Geld!
Und: der Verlag verdiente Geld!

Der Verlag verdiente so viel Geld!
Es war nicht mehr einfach nur „Geld“, nein, es war „Schotter“!
„Ihr Roman hat hingeschottert, abgeschottert und wir wurden zugeschottert!“
Das sagte mir der Geschäftsführer des Verlags, als er seinen Laden absperrte und nie wieder auftauchte.

Ich war zwanzig Jahre in der gesamten Welt vorlesend unterwegs und brauchte mir nie wieder Sorgen darum zu machen, wie ich diese Reise finanzieren sollte!

Ich las und las und las, was das Zeug hielt!
Nach zwanzig Jahren, 2008, dann die große Sinnkrise:
War ich noch Autor und schrieb?
Nein! Zum Teufel nochmal, nein!
Ich war Vorleser!
Autogrammverteiler, Geldeinsammler, Geldverteiler, Projekteaufsteller!
Ich brauchte wieder Zeit zum Schreiben!

Meine nächsten 80 Romane hatte ich bereits im Kopf.
Überdies hatte ich schon Vorahnungen weiterer 250 Romane.
Und 345 Ideen, die ihnen folgen würden.
Die nächsten Brecher standen an!

Doch mein Leben ist zu kurz.
Lesungen muss ich streichen, kann nur noch Titel und kurze Inhaltsangabe schreiben.
Mein Werk von 1988 hat mir das eingebrockt, mein Roman „Die Mücke und der Elefant“, 150.000 Seiten!

Ich hoffe, es gibt mehr und mehr Leser, die sich nur noch durch die Titel und Inhaltsangaben der Bücherwelt zappen. Wie ich als Autor, der sich schreibend durch seine Werke zappt.

Ich bin Autor, ja, ich schreibzappe. In Reinschrift. In Normseiten.

 

Hallo Achim,

die Geschichte fand ich ganz okay. Nicht wirklich rasend komisch, aber durchaus unterhaltsam geschrieben. Sie läßt sich locker und gut runterlesen, was für den durchgängigen Stil spricht und gegen grobe Holperer in Logik oder Grammati. Wobei, es erscheint mir etwas unrealistisch dass ein Autor mit seinem Werk 20 Jahre lang vorlesenderweise durch die Gegend pilgert. Aber okay, Übertreibungen sind durchaus zulässig.

Nette, kleine Geschichte für zwischendurch ...

Gruß
Lemmi

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom