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Ich, Er, Es und Sie
Wie konnte mir das nur passieren?
Die Erinnerungen sind ganz frisch, ich fühle noch die Wärme ihrer Haut, der Geruch ihres Haares: ein Hauch von Ebenholz mit einem Anflug von süsslichem Mango. Zwei Tage ist es her, und die Sehnsucht stellt sich schon ein: Ich will ganz nah bei dir sein, dich festhalten, deine feinen Glieder will ich umspannen. Du nimmst mich mit, Hand in Hand gehen wir nach... Moment mal, wer ist denn da?
„Ich bin es.“
Ach, Er wieder.
Bevor ich sie traf, dachte Er da unten an nichts anderes als an ihren schönen Körper, er nörgelte auch während der ganzen Zugfahrt das er schon so lange nicht mehr... -aber ich kannte diese Melodie schon und sagte ihm: „Pass mal auf: Wir gehen hier zu einer verheirateten Frau. Wir kennen uns von früher,sie hat Vertrauen in mich, und das schätze ich. Ich will sie sie jetzt kennenlernen,und da kann ich dein Gequengel nicht gebrauchen. Also nimm dich zusammen bis Montag, dann gehe ich mit dir auch ins Rotlichtviertel, Ok?“
Gesagt, getan, aber dann kam doch alles ganz anders. Wir hatten ein unheimlich schönes Wochenende zusammen, ich bin total verliebt und durcheinander. Kann an nichts anderes mehr denken dann an Sie- eine Erektion, einfach so? Ruhe da unten, ich muss nachdenken! Hallo, wer ist das denn jetzt?
„Ich bin Es.“
„Oh. An dich habe ich gar nicht gedacht!“
„Du denkst normalerweise nie an mich. Solltest du aber, wenigstens ab und zu.“
„Ach, dann warst du das auch, als wir bei Ihr waren? Warum hast du denn mir so die Zügel aus den Händen genommen?“
Es antwortet mir:
„Du hast mich nicht gehört. Mit deinen Zigaretten und deinen restlichen Ablenkungen hast du mich zum Schweigen gebracht. Du hast nicht für mich gesorgt und mich eingesperrt, aber sie hat die Tür aufgemacht. Du wolltest Sie kennenlernen, ich aber kannte sie schon lange.“
„So, so. Du beklagst dich also, daß ich dich eingesperrt habe. Man soll einfach immer alles machen, worauf man gerade Bock hat, und dann kommt auch alles gut- das ist doch, was du mir erzählen willst? Also eins will ich dir mal sagen: Eine Dame in ihrem eigenen Haus flachzulegen, wenn der Ehemann gerade nicht da ist, das verdient nicht gerade einen Schönheitspreis! Auch wenn ich zugeben muss, das ich in der Bahnhofshalle dann eben doch noch Kondome gekauft hatte, aber halt nur für den Fall, daß sie die Initiative ergreift.“
„Wir sahen uns ruhig an, als wir uns gegenübersaßen, ohne das unser Blick zur Seite abschweifte. Sie gab mir ihr Lächeln ohne jegliche Verlegenheit, und wir brauchten keine Worte mehr.“
„Als wir da gegenüber im Vorortszug saßen und sie mich fragte, was denn sei? -sagte ich einfach das ich mich freute, sie zu sehen. Dann waren wir noch einkaufen auf dem Markt, anschliessend gingen wir noch ins Theater. Alles eigentlich ganz normal. Aber dann hast du ihre Hand genommen, und-“
„-Ich durfte ihre Fingerspitzen berühren. Sie erwiderte die Zärtlichkeit mit ihren herrlichen Händen, und der elektrische Strom, kroch durch meine Unterarme.“ „Ja, das war ganz toll!“ plärrte Er dazwischen. "Ich werd noch jetzt geil davon!“
„Und von diesem Moment an hab ich nichts mehr zu melden gehabt! Ihr beide habt euch dann ja prima verstanden. Auf euren Befehl habe ich, als sie nach dem Abendessen kurz rausging, die Weingläser vom Esstisch genommen und neben die Knutschkautsch gestellt.“
„Ihre sanften Lippen öffneten sich bei der ersten Berührung, und sogleich umtänzelten sich unsere Zungen, die rauen Oberflächen rieben sich, als wir uns verschlungen. Geschmack, Geruch, Gefühl? Genuss.“
„Jetzt fängt er auch noch an zu reimen... Übrigens, daß sie überhaupt keinen Mundgeruch hatte nach dem Essen? Oder hatte sie sich heimlich kurz vorher die Zähne geputzt? Nee, dann hätte ich ja Pfefferminze geschmeckt. Sehr lustig übrigens, als sie (noch angezogen) in der Verschnaufpause sagte, ich soll doch mal mein T-Shirt ausziehen, zur Begutachtung meines Oberkörpers. Naja, man will halt nicht die Katze im Sack kaufen, und das sie mir mein Bauchfett verziehen hat, ehrt sie. Überhaupt hat sie unheimlich schöne Gesichtszüge.“
„Ich fing an, sie mit den Fingern abzuzeichnen: Ihr wulstiger Mund der sich zu zwei kleinen Spitzen an der Oberlippe kräuselte. Eine scharfe Linien begrenzte die Nase, nach oben weich abfließend in den Punkt zwischen den funkelnde Augen. Du bist so schön! Ich strich über die Wimpern,und die Mimose klappte zu, geniessend aus vollen Zügen. Ich lippte ihre gerade gezeichneten Augenbrauen. Als sie sagte: »Ich will das du mich fickst« -
„-Da klang das eigentlich überhaupt nicht ordinär. Überhaupt toll, wie sie mit Deutsch als Fremdsprache umgehen kann, sie formuliert unheimlich präzise, trifft den Nagel auf den Kopf- eine beachtliche Leistung für jemand, der erst seit zweieinhalb Jahren Deutsch spricht.“
„Sie hat zu mir »Mein Lieber« gesagt, ganz beiläufig beim Kochen“
„Ich weiß. Wenn sie erzählte, dann konnte ich ihre Worte manchmal überhaupt nicht hören, und das lag nicht daran, das sie mich langweilte, sondern weil du-“
„Weil ich in dem Moment etwas ganz anderes gehört Habe. Etwas das nur ich hören kann. Wir saßen am Esstisch gegenüber, so als ob wir jeden Abend zusammen essen würden.“
„Du Arsch. Ganz tolles Gefühl, wenn man sich auf den Stuhl des Ehemannes setzt, gell? Immer einfach machen, wozu man selber gerade Lust hat, sollen die Anderen doch kucken wo sie bleiben..“
„Es geht nicht darum das man tut, worauf man Lust hat, sondern daß man das tut, was man will.“
„Und was ist da der Unterschied?“
„Sprich: Was man fühlt, und dafür bin Ich zuständig.“
„Pff... und was machen wir jetzt, du Es-el? Je höher man fliegt, desto tiefer fällt man. Es wird dir wieder wehtun, und dann muss ich wieder den ganzen Kram organisieren! Man muss doch auch an Morgen denken!“
„Morgen ist Mittwoch. Vertrau mir einfach, und hör mir in der Zukunft besser zu. Dann schaffst du das auch besser mit dem ganzen Kram.“
„Ich mache mir Sorgen.“
„Sie ist bei mir. Sie spricht zu mir. Sie sagt mir, das sie mir nicht wehtun wird, niemals“
„Wird Sie aber müssen. Eines ist doch ganz klar: Bei dieser Dreiergeschichte wird sie zwangsläufig entweder dir oder ihrem Mann wehtun. Das bedeutet, es werden in jedem Fall Sie und noch einer von uns beiden leiden müssen.
„Glaube mir, es ist nicht so schlimm für mich, wenn ein anderer mir wehtut, ohne es zu wollen. Leiden gehört eben zum Lieben wie der Tod zum Leben.“
„Na gut. Aber ich habe jetzt auch eine Verantwortung ihr gegenüber, ich will nämlich nicht, daß ihr Leben aus der Bahn fliegt wegen eurer Affäre. Deswegen: Lass mich vernünftig sein und lass sie jetzt mal in Ruhe. Keine Sms, keine Anrufe, keine Mails, sonst wird die Arme noch ganz schizo.“
„Ich liebe sie. Aber einverstanden, du wirst das schon gut machen.“
„Du liebst sie? Du kannst echt keine fünf Minuten im Voraus denken. Ist ja auch egal, das wird schon wieder verheilen.“
„Ich denke wirklich nicht im Voraus, und Liebe hat das eben an sich, das nicht alles geplant wird. Die Liebe ist ein Moment im Fluss der Zeit.“
„Ja ja, der Fluss der entsteht, wenn man Körpersäfte austauscht. So ein Quatsch, Liebe ist was ganz anderes. Liebe ist ein Gefühl der Loyalität, Freundschaft, Verbundenheit, was weiß ich- jedenfalls wenn man jemanden mag, auch wenn er weg oder unerreichbar ist. Etwas bleibendes, Herr Es Istmiregal! Lieben ist nicht über Leichen gehen, sondern loslassen können!
„Das eben auch. Lass uns nicht streiten und mach dir keine Sorgen.“
„Na schön, hast ja doch schon alles verkackt."
Und das war das Ende meiner Konversation mit dem Es, es hatte keinen Sinn, den Es tut ja im entscheidenden Moment doch, was es will. Und seinen Rat habe ich dann doch mal angenommen, denn:
"Who worry dies, who doesn't worry, also dies. So, why worry?"