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Ich hab's nicht kommen sehen

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Monster-WG
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20.08.2019
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Ich hab's nicht kommen sehen

Ich ziehe die Küchenschürze aus, lege sie zusammen und verstaue sie im Schränkchen unter der Spüle. Die Lasagne für Alexander steht im Ofen, der Salat im Kühlschrank. Der Duft von Rosmarin, Oregano und Basilikum umhüllt mich. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn, gieße Weißwein ins Glas, trinke einen Schluck und reiße das Fenster auf. Der Wind kühlt meine Wangen, lindert die innere Hitze. Ich starre hinab in die Tiefe, fünf Stockwerke, ich hab schon mal überlegt, zu springen. Es ist zweiundzwanzig Uhr dreißig. Wenn ich Glück hab, übernachtet Alex heute Nacht bei einem Kumpel. Hastig prüfe ich die Geschirrtücher, alle akkurat gefaltet. Nirgends Staubflusen, keine Fettflecken auf dem Herd. Alles blitzt und blinkt.
Ich gehe unter die Dusche, rasiere mich akribisch. Alexander hasst Körperbehaarung. Das Wasser prasselt auf meinen Rücken, Dampf erfüllt das Badezimmer. Ich drehe den Hahn zu, wickle mich in den Bademantel, lehne den Kopf gegen die gekachelte Wand, warte, bis der Schwindel sich legt. Über das Waschbecken gebeugt, spritze ich mir Wasser ins Gesicht, hab immer noch das Gefühl, förmlich zu glühen. Ich wische den Spiegel sauber. Eine bleiche, verängstigte Frau starrt mir entgegen. Sorgenfalten auf der Stirn, feine Krähenfüße um die Augen, dunkle Schatten darunter. Die Schwellung an der rechten Wange klingt langsam ab.
Ein Seufzer, ich mache weiter mit meiner Routine, greife nach der Schminktasche. Eine halbe Stunde später sitzt das Make-up perfekt. Ein paar Spritzer Parfum. Lancôme Hypnose. Er hat es mir zu Weihnachten geschenkt, weil er den Duft mag. Ich nehme die Bürste von der Ablage, kämme mechanisch mein Haar, während mein Blick zur Uhr huscht, die auf der Waschmaschine steht. Viertel nach eins. Falls er heimkommt, wird er nicht mehr nüchtern sein. Ein leises Stöhnen. Bin ich das? Ich kralle meine Nägel in die Oberarme. Mein Magen fühlt sich an wie ein Klumpen, die Muskeln sind verspannt, die Knie zittern. Bitte, lass ihn wegbleiben, flüstere ich, während ich auf die Waage steige. Nur noch knapp fünfundvierzig Kilo. Bin ein Knochengerüst, hab einfach keinen Appetit mehr.
Ich gehe ins Schlafzimmer, setze mich aufs Bett, öffne die Nachttischschublade, ziehe den kleinen Stoffengel heraus. Das Einzige, was mir von meiner Mutter geblieben ist. Behutsam streiche ich über die goldenen Flügel. Hätte ich doch selbst welche. Einfach fortfliegen, in ein anderes Leben, eine andere Realität. Ach Mama, wenn du mich sehen könntest. Du wolltest immer nur, dass ich glücklich bin. Ich halte den Engel fest, betrachte das Hochzeitsfoto an der Wand.

Plötzlich befinde ich mich wieder mit Alexander in der italienischen Trattoria Milano. Wir sitzen uns gegenüber an dem runden Tisch, feiern meinen Abschluss zur Erzieherin. Ich erinnere mich an jenen lauen Sommerabend, an die Wärme, die der Pizzaofen verströmt, den Duft nach Tomaten, Käse und Wein, an die Klänge von Eros Ramazotti, die den Raum erfüllen, an Alexanders Lachen, die Grübchen in seinen Wangen. Wie er mir schelmisch zuzwinkert, seine Hand über den Tisch zu meiner schiebt, mit meinen Fingern spielt. Dieser durch und durch goldene Mann. Dichtes, dunkelblondes Haar, der Teint, der immer leicht gebräunt aussieht, die Augen, deren Farbe an Eistee erinnern. Die Strähnen, die ihm in die Stirn fallen, die langen Wimpern, die weiche Haut, der Duft seines Aftershaves. Ich sehe mich selbst, wie ich dasitze, wie ich einen Schluck von dem Rotwein nehme, den er ausgewählt hat. Warm und weich und schwer. Honig und Sommerbeeren. Er erfüllt meinen Körper mit einem Prickeln, macht mich übermütig. Ich lege den Kopf schief, genieße seine Aufmerksamkeit, die Komplimente. Alex ist der erste Mann, der ernsthaft an mir interessiert ist. Er begleitet mich bis zur Haustür, gibt mir einen zarten Abschiedskuss auf die Stirn. „Schlaf gut, Denise. Bis morgen achtzehn Uhr. Soll ich dich abholen?“
Ein Nicken, eine Umarmung, dann ist er weg.

Ein paar Monate später: intensive Küsse, Streicheleinheiten, Zärtlichkeit. Schmetterlinge im Bauch. Alexander geht behutsam vor, bedrängt mich nicht, lässt mir Zeit, Vertrauen zu fassen. Er weiß, dass ich noch Jungfrau bin, macht mir keinen Druck. Schritt für Schritt bauen wir Nähe auf. Ich denke an das Glücksgefühl, als ich ihn das erste Mal in mir spüre. Unsere Körper, wie füreinander gemacht, Haut an Haut, die Berührungen. Die erste Nacht werde ich nie vergessen. Wie ich auf seinen Atem lausche. Ein, aus. Ein, aus. Regelmäßig, langsam, friedlich. Wie ich mich an ihn kuschle, die Augen schließe, seinen Geruch nach Sandelholz, Wind und Regen einatme. Ich bin angekommen.

Die Bilder verblassen, ich sitze wieder im Schlafzimmer, starre noch immer auf das Hochzeitsfoto. Der Traum aus weißer Seide, die wallende Schleppe, Blumen im Haar. Alexander im schwarzen Smoking und weinroter Fliege. Ich sehe ihn vor mir, wie er mir den Ring an den Finger steckt, mir sagt, wie sehr er mich liebt. In guten, wie in schlechten Zeiten. Meine beste Freundin und Trauzeugin, Anna, wie sie mich umarmt, mir ins Ohr flüstert. „Ich freu mich so für euch, Liebes. Ihr seid ein tolles Paar. Ich wünsch euch alles Glück der Welt.“
Was ist nur passiert?, denke ich. Das Foto hat keine Antwort. Ich wende meinen Blick ab, lehne mich zurück. Der Regen prasselt gegen die Scheiben. Viertel vor Zwei. Die Nacht liegt auf mir wie eine alles erstickende Decke. Ich kriege kaum Luft. So oft hab ich mir vorgenommen, diese Ehe zu beenden. Ich bin ein Feigling. Tränen laufen mir übers Gesicht. Ich schiebe den Engel zurück in die Schublade, schließe sie, bevor ich den Bademantel zu Boden gleiten lasse und das schwarze Spitzennachthemd aus dem Schrank nehme, das er so gerne an mir sieht. Es stört ihn nicht, dass es die blauen Flecke nicht verdeckt. Ich betrachte sie, als würden sie nicht zu mir gehören. Noch immer spüre ich Alexanders Fäuste auf mir, seine Stimme dröhnt in meinem Ohr: „Warum hast du meine Hemden nicht aus der Reinigung geholt?“ Sein Keuchen, während er erneut ausholt. „Ich habe morgen ein wichtiges Meeting.“ Er trifft mich brutal in den Magen. „Es geht um meine Beförderung.“ Ein Schlag gegen das Schlüsselbein. „Was wird mein Chef wohl denken, wenn ich kein ordentliches Hemd trage?“ Er schlägt mich zu Boden.

Die Bilder in meinem Kopf wüten, während ich an die Anfänge der Gewalt denke. Ich fühle seinen Zeigefinger auf meiner Brust. Ein Rempler, aus Versehen. Die Entschuldigung: „Sorry! Kommt nicht wieder vor.“ Ich glaube ihm. Immer seltener Blumen, stattdessen Anweisungen: „Tu dies, tu das!“ Und wehe, ich mache einen Fehler. Der grobe Griff, wie er meine Arme umklammert, mich schüttelt, als wäre ich eine Stoffpuppe. Dann die erste Ohrfeige, die Hämatome, verzweifelte Tränen in der Einsamkeit des Badezimmers. Seine Beteuerungen, dass er es nie wieder tun wird. Wie er mich auf seinen Schoß zieht, zerknirscht: „Bitte entschuldige. Ich habe die Kontrolle verloren. Jedes Paar hat mal eine Krise, wir kriegen das hin. Es ist der Job, der Stress, der Druck. Das verstehst du doch, oder?“
Wie ich dastehe und nicke. Mich frage, was ich tun könnte, damit es ihm besser geht. Ich strenge mich an, koche seine Lieblingsgerichte, poliere seine Schuhe, bis sie glänzen. Er legt Wert auf gutes Schuhwerk.
Irgendwann die ersten richtigen Prügel. Seine Fäuste, die auf mich einprasseln, die Tritte in meine Seiten. Meine Erschütterung. Das kann nicht sein, denke ich. Das ist nicht Alex. Mein Alex. Warum tut er das? Wie ich dastehe, die Hand an die Wange gepresst. Sie brennt. Meine Augen fassungslos aufgerissen. Für einen Moment lang erstarrt die Welt um mich herum zu Eis. Wie er mich anschaut, den Kopf neigt. Ich löse mich aus dem paralysierten Zustand, weiche vor ihm zurück. Wie er die Hände hebt zum Zeichen der Kapitulation: „Das hätte ich nicht tun sollen, Denise. Ich weiß. Keine Ahnung, was in mich gefahren ist. Habe mich mit meinem Vater gestritten. Das hat mich wohl mehr mitgenommen, als ich dachte.“ Er redet mit sanfter Stimme auf mich ein, versucht mich einzulullen. Wenig später steht er am Herd, kocht Pasta mit Pesto. Wir sitzen am Küchentisch. Zwanghafter Smalltalk. Ich überlege, wie ich darüber hinwegkommen soll. Die Schmetterlinge sind längst bleischwer geworden, sind kurz vor dem Absterben.

Nach der Prügelattacke hab ich’s versucht. Ich wollte raus, hab meine Tasche gepackt, als er bei der Arbeit war. Bin durch das Treppenhaus, hab mich am Geländer festgekrallt. Raus durch die Tür, auf die Straße, nach rechts schauen, dann nach links. Die Panik, die mich aus heiterem Himmel überfällt. Die Klammer um meine Brust. Die Atemlosigkeit. Wie ich die Blusenknöpfe öffne, um besser Luft zu kriegen. Es hilft nicht. Der Schweiß perlt von meiner Stirn. Ich kann keinen Fuß vor den anderen setzen. Alles dreht sich, der Boden unter mir flimmert, schwankt. Ein Blick zurück, die rettende Haustür hinter mir. Ich renne in die Wohnung, schließe die Tür hinter mir, rolle mich auf dem Teppich zusammen und heule.

Es bleibt nicht bei dem einen Mal. Ausgerissene Haare, geprellte Rippen, ein angeschlagener Zahn. Und immer wieder seine Erklärungsversuche: „Man hat mir die Beförderung verweigert. Hat mir nen Jüngeren vor die Nase gesetzt. Der Typ sagt mir jetzt, wo’s langgeht. Weißt du, was das bedeutet? Nee, du hast ja keine Ahnung. Hockst daheim, gibst mein Geld aus und musst dir über nichts Sorgen machen.“ Wie es durch meinen Schädel rast: Das war deine Idee! Du wolltest, dass ich mich ganz auf den Haushalt konzentriere, auf unsere Ehe, wolltest für mich sorgen, hast es mir verboten.
Wie er sich mit der Hand übers Gesicht fährt, hektisch blinzelt. Ich kann ihm ansehen, wie sehr er kämpft, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Schließlich stößt er es hervor, presst es zwischen seinen Zähnen hindurch: „Es tut mir leid.“
Ich kann den Mist nicht mehr hören, kauf’s ihm nicht mehr ab. Sein Lächeln erreicht mich nicht mehr. Die Schmetterlinge sind tot.
Ich traue mich nicht mehr aus dem Haus, bin es leid, die Sonnenbrille zu tragen, obwohl es bewölkt ist, obwohl es regnet. Bin es leid, den Leuten etwas vorzumachen: Ich bin gegen den Türrahmen gelaufen. Oh, ich bin so ungeschickt, bin gestolpert, es hat mich ordentlich hingehauen. Hatte einen Fahrradunfall, hab mich am Herd verbrüht.
Eine Welle der Scham durchflutet mich. Von meinen Freunden hab ich mich längst zurückgezogen. Markiere die Gestresste: Muss mit Alexander zum Geschäftsdinner, hab einen Termin beim Friseur, muss mich um den Haushalt kümmern … Irgendwann hab ich aufgehört, zurückzurufen. Kostet mich zu viel Kraft, immer zu lügen. Die Wahrheit auszusprechen, das pack ich nicht.
Ich kann mir vorstellen, was die Leute sagen werden: Guck dir die Dumme an, lässt sich von ihrem Macker verprügeln. Irgendwas muss die falschmachen. Alexander ist so ein toller Kerl, fleißig, ehrgeizig, dieses charmante Lächeln. Die sollte sich glücklich schätzen.
Oh Mann! Die haben keine Ahnung.
Ich presse die Lippen zusammen, muss daran denken, wie ich früher den Kopf geschüttelt hab über Frauen, die sich verprügeln lassen, kein eigenes Ich mehr haben. Warum geht ihr nicht zur Polizei? Sucht euch nen Therapeuten? Flüchtet ins Frauenhaus?
Es erscheint so einfach. „Es ist aus. Ich will die Scheidung!“ So oft hab ich die Worte vor dem Spiegel geübt. Zu ihm gesagt hab ich sie nie. Ja, ich könnte sie aussprechen, entweder sachlich, ruhig – oder sie ihm ins Gesicht speien. Aber was würde das bringen? Noch mehr Prügel? Knochenbrüche?
Wenn ich ehrlich bin, ist es nicht nur die Angst vor den Schlägen, die mich davon abhält. Da ist die Ungewissheit. Was kommt danach? Schaff ich es ohne Alex? Wird er mich stalken, mir etwas antun? Mich büßen lassen? Finde ich einen Job, nach drei Jahren nur zuhause sein? Kann ich mich selbst versorgen?
Allein bei den Gedanken schaudert es mich. Also harre ich aus, warte. Hoffe, dass er meiner überdrüssig wird, seinen Fokus auf eine Andere richtet. Mir ist klar, dass der Moment vielleicht nie kommen wird, dass ich mein Leben selbst in die Hand nehmen sollte, doch ich bin wie gelähmt, ein Nichts, versunken im Sumpf der Resignation. Hab mich irgendwie an diesen Zustand gewöhnt. Es gibt auch bessere Tage. Nicht alles ist schlecht. Alexander kann so liebevoll sein, so fürsorglich. Vielleicht wird alles wieder gut.
Was red ich mir da eigentlich ein? Die Abstände zwischen den Prügeln werden kürzer.
Es gab eine Zeit, in der ich glücklich war. Eine lebenslustige junge Frau in bauschigen Blumenkleidern, stets mit einem Lächeln auf den Lippen. Wo ist sie geblieben?

Ich hab’s probiert. Vor ein paar Wochen hab ich meinen Mut zusammengenommen und versucht, ihm klarzumachen, wie’s mir geht. Dass ich nicht mehr kann, mir alles zu viel wird.
Alexander, wie er den Zeigefinger erhebt: „Du willst eine harmonische Ehe? Dann reiß dich zusammen. Du bist schuld“, sagt er immer wieder. „Warum provozierst du mich? Lass es einfach.“
Und ich, wie ich den Blick senke und flüstere: „Es tut mir so leid, Alex. Passiert nicht noch einmal.“
All die Schuldgefühle. Ich bin nichts wert, schaff’s nicht einmal, meinen Mann zufriedenzustellen. Bin ne jämmerliche Versagerin. Ein Nichts.

Ich stehe auf, gehe erneut durchs Haus, schließe die geöffneten Fenster. Es ist eine unwirtliche Nacht, nicht gemacht, um sich draußen herumzutreiben. Der Nebel kriecht durch die Ritzen, beschlägt die Scheiben. Ich lasse die Jalousien herunter und sperre den Nebel aus, den Sturm, den Regen. Doch meine Dämonen kann ich nicht aussperren. Sie sitzen tief in meinen Eingeweiden, fressen mich langsam von innen her auf. Der Wind frischt auf, wirft sich in unregelmäßigen Abständen gegen das Gebäude, wie ein blindwütiger Angreifer. Es ist Punkt vier. Ich werde immer kribbeliger. Wenn nicht jetzt, wann dann? Pack deine Tasche, Denise! Hau endlich ab!
Vor zwei Tagen hat er mich in die Mangel genommen. Da hab ich’s zum ersten Mal bemerkt. Dieses Funkeln in seinen Augen, die Gier in seinem Blick. Da hab ich’s begriffen. Es macht ihm Spaß, turnt ihn an, mich zu quälen, zu erniedrigen. Er geilt sich an meinen Tränen auf, genießt die Macht, ist wie im Rausch. Hab mir gedacht: Denise, du musst da weg. Das kann übel enden. Im Krankenhaus. Der Leichenhalle. Da ist mir klar geworden, dass ich was tun muss. Ich schaff’s nur irgendwie nicht, mich aus dieser Lethargie zu lösen.

Ich setze mich an den Küchentisch, drehe das Handy in meinen Fingern hin und her, bin kurz davor, Anna zu schreiben, dass sie mich abholen soll. Gestern haben wir miteinander telefoniert. Ich hab mich nicht getraut, ihr zu sagen, dass Alex mich schlägt, hab nur vage Andeutung gemacht.
„Du weißt, egal, was ist, ich bin für dich da, Denise. Immer!“
Mir ist klar, dass sie sich Sorgen macht. Will sie nicht belasten, sie hat genug an der Backe.
Ich greife nach dem Handy, fange an zu tippen, lege es beiseite, stehe auf, tigere durch die Wohnung, lande im Badezimmer, drehe den Wasserhahn auf, spritze mir Wasser ins Gesicht. Für einen Moment lang schließe ich die Augen, gehe zurück in die Küche, nehme das Handy erneut und schreibe: Anna, kannst du mich abholen? Jetzt gleich?
Ich starre auf das Display. Ob sie noch wach ist? Da — die blauen Häkchen. Sie hat die Nachricht gelesen.
Bin in ner Stunde bei dir. Ich beeil mich. Ist Alex da?
Nein, glaub nicht, dass er heute Nacht wiederkommt. Denke, der pennt auswärts. Ich trenn mich von ihm. Geht nicht mehr.
Okay. Wir reden später.

Ich gehe ins Schlafzimmer, ziehe meine Sporttasche unter dem Bett hervor und packe. Stopfe alles wahllos rein, was mir etwas bedeutet. Ich will einfach nur weg.

Und dann plötzlich – Poltern auf der Treppe. Derbe Schuhe, er trägt die mit den Stahlkappen. Der Schlüssel im Schloss. Scheiße! Bitte nicht! Warum kommt er heim? Ich hab so gehofft, dass er wegbleibt. Geistesgegenwärtig kicke ich die Tasche unter die Couch. Sei kein Feigling, Denise! Steh für dich ein, sag ihm, was Sache ist. Anna ist unterwegs, lass dich nicht unterkriegen!
Mehrere Anläufe, ehe er die Tür aufstößt, beinahe aus den Angeln hebt. Meine Nerven zum Zerreißen gespannt, die Sinne auf Anschlag gedreht. Er donnert die Tür hinter sich zu. Sein Blick versengt mich wie ein elektrischer Schlag, während er auf mich zuwankt, die Zähne zusammengebissen, so heftig, dass die Kiefermuskeln hervortreten. „Essen!“, presst er hervor.
Ich spüre, wie meine Schultern beben, fixiere einen Punkt an der Wand, mache den Mund auf, um etwas zu sagen.
Er gibt mir einen leichten Schubser. „Ich habe Hunger. Essen!“
Ich gehe in die Küche, schalte den Ofen ein. Teller, Glas und Besteck liegen schon auf dem Tisch. Während ich den Salat aus dem Kühlschrank hole, zittere ich so sehr, dass ein wenig von dem Dressing überschwappt.
„Was bist du für ein Trampel!“, zischt er angewidert. Sein Blick schnellt umher, er geht rüber ins Wohnzimmer, zieht die Tasche unter der Couch hervor, kommt zurück, wirft sie mir vor die Füße, baut sich drohend vor mir auf. Er schüttelt mich so heftig, dass meine Zähne aufeinanderschlagen, lässt jäh wieder von mir ab. „Hexe! Du und deine scheiß Provokationen. Findest du das witzig? Was soll die verdammte Tasche?“
Ich starre zu Boden, Tränen schießen mir aus den Augen und landen auf meinen Füßen.
„Willst du abhauen? Mich verlassen?“ Er schnellt nach vorn, legt mir die rechte Hand an die Kehle. Ich spüre den Druck. Sein Gesicht so dicht vor meinem. Seine Finger drücken fester zu. „Du wirst mich nicht sitzenlassen, verstanden?“ Er spuckt die Worte hasserfüllt aus. „Wo kommen wir da hin? Mein Ansehen, mein Ruf, hast du daran mal gedacht, Miststück!“
Unter dem Druck seiner Finger beginne ich zu röcheln. Seine Miene gefriert, die Ader auf seiner Stirn schwillt an, ich kann sehen, wie sie pocht.

Und dann geht alles ganz schnell. Seine Faust rast auf mich zu. Ich knalle auf den Boden. Die Salatschüssel zerschmettert, überall Scherben, Rucola, Öl. Ein harter Tritt in die Magengrube. Die Luft weicht aus meinen Lungen, ich stöhne laut auf. In Panik robbe ich rückwärts an die Wand, er folgt mir. Hiebe, die auf mich niederprasseln. Ich versuche, mein Gesicht mit den Händen zu schützen. Die Stahlkappen rammen mich in die Seite, etwas knirscht. Er sagt kein Wort. Ich spüre seinen Hass. Und die Schmerzen. Sie sind überall, brennen auf meiner Haut, dröhnen hinter der Stirn, zerren an meinen Gelenken. Mein Hals wird eng, ich keuche. Meine Brust droht zu zerbersten, mein Herz schlägt wie ein Hammer gegen die Rippen. Ich will schreien: Hau ab! Lass mich in Ruhe! Verpiss dich! Doch da kommt nur ein Krächzen. Mein Mund ist trocken, die Lippen aufgerissen, es schmeckt nach Blut. Warum werde ich nicht ohnmächtig? Einfach vergessen, abdriften, diese grausame Welt verlassen. Ich löse mich los von meinem Körper, nur diese Schmerzen, die sind immer noch da. Und dann … Dann verstummt die Welt, gefriert, während die Finsternis von allen Seiten herantobt, mich ummantelt, festhält. Eine Sekunde lang hab ich das Gefühl zu schweben. Denise, gib nicht auf! Kämpf! Ich beiße mir auf die Unterlippe, der jähe Schmerz verschafft mir ein wenig Klarheit.
Er lässt von mir ab, nestelt an seinen Klamotten, sie landen auf dem Teppich. „Ab ins Bett! Wir gehen schlafen.“
Ich rapple mich hoch, das Nachthemd ist zerrissen, ich falte es, lege es auf die Couch. Mir ist flau im Magen, ich kralle meine Nägel in die Sofalehne, atme tief durch. Ich weiß, was jetzt kommt. Alex, der mir zeigt, dass ich ihm gehöre. Alex, der mir demonstriert, dass ich nichts zu melden habe. Er trommelt mit den Fingerspitzen gegen die Wand, mustert mich. Ich kann die Rädchen in seinem Schädel förmlich rattern hören. Er wippt nervös mit dem Fuß. „Worauf wartest du? Jetzt komm!“
Ich gehe mit hängenden Schultern hinter ihm ins Schlafzimmer, öffne den Schrank, ziehe den Pyjama hervor.
„Den brauchst du nicht!“ Ein hämisches Grinsen, bevor er mich aufs Bett wirft. Ich liege unter ihm, seine Finger verhaken sich in meinen Haaren, dann ballt er eine Hand zur Faust. Wie gerne würde ich ihn von mir runterstoßen. Doch ich liege da, steif wie ein Brett, denn ich weiß – jede Gegenwehr würde ihn nur noch mehr anturnen.
Mit einem Lächeln öffnet er die Faust und streichelt über meine Wange. „Wer hat hier das Sagen? Wer hat hier das Sagen?“, wiederholt er mehrmals. Dann nimmt er mich brutal, drückt meine Arme nach hinten, beißt mir in den Hals, in die Brustwarzen. Kurz bevor er kommt, schlägt er mich ins Gesicht. Dann ist es vorbei.

Ich liege neben ihm, starre an die Decke. Sein Atem, die kurzen Schnarcher zwischendurch – all das verursacht mir Gänsehaut. Jedes Mal, wenn er sich bewegt, zieht sich mein Magen zusammen. Bitte nicht! Wach nicht auf! Alexander hat einen leichten Schlaf. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, aber Anna hat noch nicht geklingelt. Ich blinzle, die Tränen hören auf zu fließen. Ich kann nicht mehr. Die Erschöpfung droht, mich zu übermannen, ich kämpfe dagegen an. Obwohl die Schmerzen mich schier wahnsinnig machen, gleite ich mit letzter Willenskraft über die Bettkante und richte mich auf. Ich mache kein Licht. Der Schrank ist noch offen, ich suche nach meinen Klamotten, streife sie mir über. Egal was. Wo ist mein Handy? Mir wird schwindlig, alarmiert stütze ich mich an der Wand ab. Mein Körper darf mir jetzt nicht den Dienst versagen. Ich schleiche in die Küche. Aua! Ein heftiger Schmerz in der rechten Fußsohle. Ich schwanke, stoße gegen einen Stuhl, der mit einem lauten Poltern auf die Fliesen kracht. Oh nein! Jetzt nichts wie weg. In meinem Kopf dröhnt es, das Blut rauscht in meinen Ohren. Ich ziehe die Scherbe aus dem Fuß, ignoriere das Blut, ein kurzer Blick auf das Display. Anna wird in etwa zwanzig Minuten da sein. Ich humple in den Flur. Scheiß auf die Schuhe! Ich muss hier raus. Der Griff zur Türklinke. Mach auf, Denise! Geh endlich! Nur noch ein paar Schritte.
„Was hast du vor, Schlampe?“
Das darf nicht wahr sein! Ich hab ihn nicht kommen hören. Mein Körper versteift sich. Er packt mich am Arm, ich reiße mich los, öffne die Tür. Da ist plötzlich Kraft in mir, Adrenalin durchströmt mich. Ich mache einen Schritt hinaus ins Treppenhaus. Er hinterher. Seine Hände an meinen Haaren, er reißt daran.
„Bleib hier! Du bewegst dich nicht! Du atmest nicht mal ohne meine Erlaubnis“, brüllt er.
Er drückt mich gegen die Wand. Ich recke mein Kinn nach vorn, hebe den Blick, sehe ihm in die Augen. „Lass mich endlich in Ruhe!“
Er lacht, ein spöttisches Lachen, voller Hohn. Sein Gesicht zu einer Grimasse verzogen, eine Wolke Alkohol wabert mir entgegen. Ich würge. Dann der Schlag, er trifft mich an der rechten Schläfe.
„Nein!“, schreie ich mit aller Kraft.
Fassungslos glotzt er mich an. Ich weiche ihm aus. Wohin? Flüchten, die Treppe runter? Kann ich es schaffen? Soll ich bei den Nachbarn klopfen? Warum ruft niemand die Polizei? Ich starre in das leere Treppenhaus, nähere mich der Brüstung. Er nimmt Anlauf. In letzter Sekunde schaffe ich es auszuweichen. Er stolpert. Seine Hände am Geländer, seine Gesichtszüge entgleisen, als er den Halt verliert. Ich presse meinen Rücken gegen die Wand. Er brüllt. Ich kann es nicht hören, sehe nur den weit aufgerissenen Mund. Meine Ohren dröhnen, mein Schädel gleicht einem Wattebausch. Dann kippt er. Kopfüber in den Abgrund. Fünf Stockwerke. Jetzt höre ich den Schrei. Gellend. Der Schrei eines Wahnsinnigen.
Stirb!, denke ich für eine Sekunde.

An das, was danach passiert ist, kann ich mich kaum erinnern. Da sind nur Bruchstücke, winzige Splitter. Die Sirenen, der Krankenwagen. Wie sie ihn wegbringen.
Der Sanitäter, der meine Wunden versorgt, mir eine Infusion legt. Anna, die im Krankenwagen mitfährt, beruhigend auf mich einredet. Das Krankenzimmer, der penetrante Geruch nach Desinfektionsmittel, die Schwester, die mich mit Brei füttert. Wie es mir nach und nach wieder besser geht, ich selbstständig essen kann, der Geschmack von Wackelpudding auf meiner Zunge.
Die Polizistin, die ihre Hand auf meinen Arm legt. „Ihr Mann wird den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen. Durch den Unfall ist er querschnittsgelähmt. Er hat außerdem eine schwere Kopfverletzung erlitten, kann sich an nichts erinnern. Er weiß weder, dass er verheiratet ist, noch wer Sie sind. Auf Fotos hat er nicht reagiert. Er kann Ihnen nichts mehr tun. Seine Schwester hat ihn zu sich nach Hamburg geholt.“
„Und was passiert mit mir?“
Sie lächelt. „Rein rechtlich gesehen nichts. Ihre Nachbarin, Frau Degenhart hat uns alles erzählt. Wir wissen von den Schreien, dem Krach, den Schlägen. Frau Degenhart hat durch den Spion geschaut und die Polizei gerufen.“
„Ich kann es nicht fassen. Niemals hätte ich gedacht, dass es einen Zeugen gibt. Ich war mir sicher, dass mir niemand glauben würde.“
Sie drückt meinen Arm. „Wollen Sie Anzeige erstatten?“
„Ich weiß nicht.“
„Denken Sie darüber nach. Sie brauchen das nicht sofort zu entscheiden.“
Ich nicke. „Das mache ich.“
„Da ist Besuch für Sie. Ich lasse Sie jetzt alleine.“
Die Polizistin geht aus dem Zimmer, eine blonde Frau mit wilden Ringellocken kommt herein.
„Anna!“ Ich schluchze, krampfe mich an der Bettdecke fest. „Ich bin so froh, dass du da bist.“

Zwei Wochen später stehe ich in der Wohnung, in der ich mit Alexander gelebt hab. Sie ist fast leer. Ich hab alles gepackt. Alexanders Schwester hat seine Sachen abholen lassen. Mein Blick gleitet zu dem hellen Quadrat an der Wand, an der unser Hochzeitsfoto hing. Meine Gedanken driften ab.
Warum? Diese verdammte Frage stell ich mir jeden Tag. Ich kann’s mir nicht erklären. Finde keine Antwort darauf. Ich sehe meine Eltern vor mir. Wie Mama am Herd steht und für uns kocht. „Das ist mein Leben. Für meine Familie da zu sein füllt mich aus.“ Sie lächelt, trocknet sich die Hände am Geschirrtuch, ihre Wangen gerötet, ihre Augen funkeln.
Sie haben mich nie geschlagen. Es gab mal Hausarrest, aber höchstens ein paar Stunden lang. Oder das Taschengeld wurde gestrichen. Mein Vater hat nicht gesoffen, ich wurde nie missbraucht. Ich erinnere mich an Harmonie, hab die beiden nie streiten gehört. Gesund ist das auch nicht, schießt es mir durch den Kopf. Meine Kindheit, so normal, so behütet. Vielleicht hat Alexander mich deswegen überrumpelt. Ich hab’s nicht kommen sehen.
Warum?
Ich wünsch mir so sehr eine Antwort auf diese verdammte Frage.

Wenn ich jetzt an unsere Zeit zurückdenke, kommt’s mir so vor, als wäre das gar nicht mir passiert. Als hätte ich die letzten Jahre nicht selbst erlebt. Jedenfalls nicht bei vollem Bewusstsein.
Mit einem Mal fröstle ich, schlinge meine Arme um den Oberkörper, atme tief durch.
„Es ist vorbei, Denise. Alles wird gut. Wirst schon sehen.“ Anna reißt mich aus dem Gedankenwirrwarr. Sie lehnt am Türrahmen, den Wischmopp in der Hand.
„Ich frag mich warum. Es macht mich ganz kirre, dass ich’s mir nicht erklären kann.“
„Ach, Süße. Ich kann dich so gut verstehen. Ich frag mich das auch. Aber vielleicht gibt’s auf manche Fragen keine Antworten. Wichtig ist, dass du raus bist aus dem Albtraum. Dein Selbsterhaltungstrieb hat sich gemeldet. Nur das zählt. Du musst das alles erst mal verarbeiten. Lass dir Zeit.“
„Ich hab so Angst. So Angst, dass mir das wieder passiert.“
Anne legt den Wischmopp beiseite, kommt auf mich zu, schließt mich in ihre Arme. Ich lehne meinen Kopf an ihre Schultern, der Duft von ihrem Haarshampoo in meiner Nase. Lavendel. Sie ist da, gibt mir Kraft. Ihre ruhige Stimme, ihre Sanftmut. Ich bin froh, dass sie zu mir hält. Lange stehen wir beieinander, Seite an Seite.
Es tut weh, ihr alles anzuvertrauen, was in den letzten Jahren geschehen ist, doch es muss sein. Zum ersten Mal spreche ich es laut aus: Ich bin ein Opfer.
Anna hält mich fest, bis ich mich aus der Umarmung löse. Die Abendsonne lässt ihr blondes Haar aufleuchten. „Hier, ich hab was für dich.“ Sie öffnet die Hand. Ein tiefblauer Stein liegt darin, glattgeschliffen, glänzende Oberfläche.
Ich lasse mich zu Boden sinken, umschlinge meine Knie, weiß nicht, was ich erwidern soll.
Sie setzt sich neben mich, streckt mir den Stein entgegen. „Das ist ein Lapislazuli. Er hat eine ganz besondere Bedeutung.“
„Welche?“
„Man sagt, dass er das Selbstvertrauen stärkt und hilft, das wahrhaftige Wesen eines Menschen zu erkennen.“
Ein bitteres Lachen. „Das kann ich gut gebrauchen. Was hab ich mich getäuscht.“
„Wir alle. Keiner hat hinter seine Fassade geblickt. Ich dachte, ihr wärt glücklich.“
„Ich hab dir allen Grund gegeben, dass zu denken. All die Ausreden, die Absagen.“ Meine Stimme bricht, ich hole tief Luft, reibe mir über die Augen, fahre fort: „Ich hab mich geschämt, hab mir die Schuld gegeben, dachte, alles wird wieder gut.“
„Mach dir keinen Kopf. Es gibt nichts, wofür du dich bei mir rechtfertigen müsstest. Du kannst nichts dafür.“ Anna lächelt, streichelt mir übers Haar.
Sie richtet sich auf, reicht mir die Hand. Wir stehen voreinander. Sie hält mir den Stein hin, ich nehme ihn. „Lapislazuli“, raune ich.
Sie nickt, verschließt meine Finger über dem glitzernden Blau. „Er wird immer bei dir sein, genau wie ich. Und jetzt komm …“
Ich ziehe die Schultern ein. Aus jeder Ritze des Gebäudes sickert er – der faulige Geruch des Bösen, der Niedertracht, des Leids. Trauer klebt wie dicker Teer an den Wänden. Ein letzter Blick. Stille überall. Wir verlassen diesen Ort. Ich ziehe die Tür hinter mir zu.

 

Liebe Silvita,

hier ist er, mein Gegenbesuch. In einer Art schwer erträglich, was du schreibst, weil die Gewalt, die Angst und die Verzweiflung so anschaulich ist. Auf der anderen Seite sind die Verhältnisse in dieser Geschichte sehr klar. Er ist ein Monster, sie ist das Opfer, sie wird gerettet, er bekommt seine gerechte Strafe und kann ihr nicht mehr gefährlich werden. Er ist als Figur recht flach, sie komplexer. Ich lese das so, wie einen Krimi. Es scheint noch unsichtbare Mitspieler zu geben. Etwas, was sie hindert, sich zu retten und was ihn dazu bringt, immer extremer zu werden. Was mich als Leserin herausfordert, ist der Schrecken, festzustellen, dass sie mich zwischendurch aggressiver macht als er, den ich dann schon gar nicht mehr richtig als Mensch wahrnehme. Und das Ringen um die Frage, wie es soweit kommen kann.

„Warum hast du meine Hemden nicht aus der Reinigung geholt? Ich habe morgen ein wichtiges Meeting, es geht um meine Beförderung. Was wird mein Chef wohl denken, wenn ich kein ordentliches Hemd trage?“
Das finde ich sehr gewählt ausgedrückt, wenn er gleichzeitig auf sie einschlägt. Ich würde etwas Irres erwarten, keine vollständigen Sätze haltlose Beschuldigungen, oder ein Wort pro Schlag.
Ich weiß nicht, wie ich darüber hinwegkommen soll.
Wird sie nicht. Sie wird es wegpacken und weitermachen, solange, bis fast nichts mehr übrig ist von ihr.
Nach der Prügelattacke hab ich’s versucht. Ich wollte raus, hab meine Tasche gepackt, als er bei der Arbeit war. Bin durch das Treppenhaus, hab mich am Geländer festgekrallt. Raus durch die Tür, auf die Straße, nach rechts schauen, dann nach links. Das Grauen, das aus heiterem Himmel über mich herfällt. Die Klammer um meine Brust.
Ein Teufelskreis aus traumatisierenden Situationen, die sie immer mehr schwächen.
Ich hab’s probiert. Vor ein paar Wochen hab ich meinen Mut zusammengenommen und versucht, ihm klarzumachen, wie’s mir geht. Dass ich nicht mehr kann, mir alles zu viel wird.
Alexander, wie er den Zeigefinger erhebt: „Du willst eine harmonische Ehe? Dann reiß dich zusammen. Du bist schuld“, sagt er immer wieder. „Warum provozierst du mich? Lass es einfach.“ Und ich, wie ich den Blick senke und flüstere: „Es tut mir so leid, Alex. Passiert nicht noch einmal.“
All die Schuldgefühle. Ich bin nichts wert, schaff’s nicht einmal, meinen Mann zufriedenzustellen. Bin ne jämmerliche Versagerin. Ein Nichts.
Hier ist er auf dem Gipfel der Bösartigkeit und sie maximal unterwürfig. Es ist, als driftet da etwas in ihr auseinander, die Erkenntnis, wie es steht und das Gefühl der eigenen Wert -und Hilflosigkeit.
Die Polizistin, die ihre Hand auf meinen Arm legt. „Ihr Mann wird den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen. Durch den Unfall ist er querschnittsgelähmt. Er hat außerdem eine schwere Kopfverletzung erlitten, kann sich an nichts erinnern. Er weiß weder, dass er verheiratet ist, noch wer Sie sind. Auf Fotos hat er nicht reagiert. Er kann Ihnen nichts mehr tun. Seine Schwester hat ihn zu sich nach Hamburg geholt.“
Das ist jetzt wirklich ein Happy end wie aus dem Märchen. Damit lässt du die LeserInnen befriedigt zurück.
Sie haben mich nie geschlagen. Es gab mal Hausarrest, aber höchstens ein paar Stunden lang. Oder das Taschengeld wurde gestrichen. Mein Vater hat nicht gesoffen, ich wurde nie missbraucht. Ich erinnere mich an Harmonie, hab die beiden nie streiten gehört. Gesund ist das auch nicht, schießt es mir durch den Kopf. Meine Kindheit, so normal, so behütet. Vielleicht hat Alexander mich deswegen überrumpelt. Ich hab’s nicht kommen sehen.
Beeindruckend, wie intensiv du an der Geschichte gearbeitet hast. Die Frage, die sich immer in so einer Situation stellt, warum sie das mit sich machen lässt, da gibt es wahrscheinlich viele Gründe, da reinzurutschen, wobei der Verlauf von verbalen Abwertungen bis hin zu extremer Gewalt oft einem Muster zu folgen scheint.
Ich finde es total gruselig, dass die Zahl der Aufnahmen in Frauenhäusern während der letzten Monate gesunken sind, während die Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt gestiegen sind.
Hut ab für die Auseinandersetzung mit diesem Thema, Silvita.

Herzliche Grüße von Chutney

 

Liebe @Chutney

vielen Dank für Deinen Gegenbesuch und das tolle Feedback, über das ich mich sehr freue.

hier ist er, mein Gegenbesuch. In einer Art schwer erträglich, was du schreibst, weil die Gewalt, die Angst und die Verzweiflung so anschaulich ist. Auf der anderen Seite sind die Verhältnisse in dieser Geschichte sehr klar. Er ist ein Monster, sie ist das Opfer, sie wird gerettet, er bekommt seine gerechte Strafe und kann ihr nicht mehr gefährlich werden. Er ist als Figur recht flach, sie komplexer. Ich lese das so, wie einen Krimi.

Ja, eine krasse Thematik, die nahe geht. Ich bin froh, dass die Verzweiflung anschaulich bei Dir ankommt.

Es scheint noch unsichtbare Mitspieler zu geben. Etwas, was sie hindert, sich zu retten und was ihn dazu bringt, immer extremer zu werden. Was mich als Leserin herausfordert, ist der Schrecken, festzustellen, dass sie mich zwischendurch aggressiver macht als er, den ich dann schon gar nicht mehr richtig als Mensch wahrnehme. Und das Ringen um die Frage, wie es soweit kommen kann.

Das kann ich total nachvollziehen. Mir geht es auch so beim Lesen solcher Bücher/ Texte. Ich krieg da immer die Krise, würd am liebsten in die Geschichte reinspringen, die Protagonistin schütteln und aus dem Albtraum rausziehen.

„Warum hast du meine Hemden nicht aus der Reinigung geholt? Ich habe morgen ein wichtiges Meeting, es geht um meine Beförderung. Was wird mein Chef wohl denken, wenn ich kein ordentliches Hemd trage?“
Das finde ich sehr gewählt ausgedrückt, wenn er gleichzeitig auf sie einschlägt. Ich würde etwas Irres erwarten, keine vollständigen Sätze haltlose Beschuldigungen, oder ein Wort pro Schlag.

Danke für diesen wertvollen Hinweis. Hab ich direkt umgesetzt.

Die Polizistin, die ihre Hand auf meinen Arm legt. „Ihr Mann wird den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen. Durch den Unfall ist er querschnittsgelähmt. Er hat außerdem eine schwere Kopfverletzung erlitten, kann sich an nichts erinnern. Er weiß weder, dass er verheiratet ist, noch wer Sie sind. Auf Fotos hat er nicht reagiert. Er kann Ihnen nichts mehr tun. Seine Schwester hat ihn zu sich nach Hamburg geholt.“
Das ist jetzt wirklich ein Happy end wie aus dem Märchen. Damit lässt du die LeserInnen befriedigt zurück.

Ja, das war mir irgendwie wichtig bei dieser Geschichte. Ist eh alles so hart und krass. Da wollte ich das Ende als Happy End gestalten.

Sie haben mich nie geschlagen. Es gab mal Hausarrest, aber höchstens ein paar Stunden lang. Oder das Taschengeld wurde gestrichen. Mein Vater hat nicht gesoffen, ich wurde nie missbraucht. Ich erinnere mich an Harmonie, hab die beiden nie streiten gehört. Gesund ist das auch nicht, schießt es mir durch den Kopf. Meine Kindheit, so normal, so behütet. Vielleicht hat Alexander mich deswegen überrumpelt. Ich hab’s nicht kommen sehen.
Beeindruckend, wie intensiv du an der Geschichte gearbeitet hast. Die Frage, die sich immer in so einer Situation stellt, warum sie das mit sich machen lässt, da gibt es wahrscheinlich viele Gründe, da reinzurutschen, wobei der Verlauf von verbalen Abwertungen bis hin zu extremer Gewalt oft einem Muster zu folgen scheint.

Vielen Dank. Ich freu mich sehr über Dein Lob.
Es hat mir Spaß gemacht, an der Geschichte zu arbeiten und ich bin allen Wortkriegern dankbar, die mir mit ihren konstruktiven Kommentaren geholfen haben, an der Geschichte zu feilen.

Ich finde es total gruselig, dass die Zahl der Aufnahmen in Frauenhäusern während der letzten Monate gesunken sind, während die Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt gestiegen sind.
Hut ab für die Auseinandersetzung mit diesem Thema, Silvita.

Ja, da hast Du Recht. Gibt immer wieder Berichte in den Medien, auch, dass häusliche Gewalt an Kindern seit Corona so stark zugenommen hat. Einfach schrecklich :(

Ganz liebe Grüße und einen schönen Tag,
Silvita

 

Ich hab's nicht kommen sehen
könnte für die meisten Ehen gelten, denn Liebe macht bekanntlich blind erst einmal und nutzt sich - wie alles - im alltäglichen Kampf ab. Ob ich das so bis ins Kleinste eigentlich wissen will, – naja, hab ja durchgehalten und find’s auch jetzt in Ordnung und gelungen,

liebe Silvita -

aber ich hätt’ dann noch ein paar Flusen anzubieten – in der Reihenfolge ihres Auftritts und auch direkt zu Anfang

Ich nehme die Bürste von der Ablage[KOMMA] kämme mechanisch mein Haar, …
Bin ich mir hier sicher gewesen in der Getrenntschreibung,
so hier nicht unbedingt, denke aber, dass es auseinander zu schreiben ist
Die Nacht liegt auf mir wie eine alles[...]erstickende Decke.

Wie er mich auf seinen Schoss zieht, zerknirscht:
wer schießt denn da? Das ß stand zwar zur Debatte während der Rechtschreibreform - hat sich aber hlten können und es ist auch sinnvoll, kurze Silben mit doppel-s und gedehnte mit ß schreiben zu lassen.
Besser „Schoß“

Er redet mit sanfter Stimme auf mich ein, versucht, mich einzulullen.
Hier meine ich, muss das zwote Komma weg, es zerschlägt sonst das komplexe Prädikat „einzulullen versuchen“

I. d. R. klappt’s doch – wie gleich hier beim zu sagen traue

Wie ich mich nicht traue ihr zu sagen, dass Alex mich schlägt.

Es scheint so einfach [zu sein]
Mein Realschullehrer erzählte immer, nur die Sonne scheine und selbst der Mond habe sich nur sein Licht geliehen, darum müsse „scheinen“ oft genug wie brauchen verwndet werden, von dem gesagt wird, wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen. Und er hat recht, selten – und i. d. R. mit Licht – ist „scheinen“ schlichtes Vollverb.
Die Dudenredaktion erspart sich die Konstellation oft, indem sie das Präfix „er“ voransetzt, dass etwas erscheint.

Ich weiß nicht, wie[...]viel Zeit vergeht.

Du musst das alles erst[...]mal verarbeiten. Lass dir Zeit.“
auseinander, weil eigentlich ein verkürztes „erst einmal“.

Tot ziens!

Friedel

 

Guten Morgen lieber @Friedel

ganz herzlichen Dank für Deinen Besuch und die Korrekturen. Hab alles ausgebessert.

Ich hab' nicht kommen sehen - könnte für die meisten Ehen gelten, denn Liebe macht bekanntlich blind erst einmal und nutzt sich - wie alles - im alltäglichen Kampf ab. Ob ich das so bis ins Kleinste eigentlich wissen will, – naja, hab ja durchgehalten und find’s auch jetzt in Ordnung und gelungen,

Da stimme ich zu. Kenne selbst nur ganz wenige Ausnahmen.
Ich kann dich verstehen. Ist natürlich keine schöne Thematik. Umso mehr freue ich mich, dass Du durchgehalten hast und den Text gelungen findest. Das ist schön.

aber ich hätt’ dann noch ein paar Flusen anzubieten – in der Reihenfolge ihres Auftritts und auch direkt zu Anfang

Vielen Dank für Deine Aufmerksamkeit. Ich hab alles korrigiert.

Es scheint so einfach [zu sein]
Mein Realschullehrer erzählte immer, nur die Sonne scheine und selbst der Mond habe sich nur sein Licht geliehen, darum müsse „scheinen“ oft genug wie brauchen verwndet werden, von dem gesagt wird, wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen. Und er hat recht, selten – und i. d. R. mit Licht – ist „scheinen“ schlichtes Vollverb.
Die Dudenredaktion erspart sich die Konstellation oft, indem sie das Präfix „er“ voransetzt, dass etwas erscheint.

Und auch hier danke für die Aufklärung. Das hilft weiter.

Ich wünsche Dir einen wundervollen Tag und sende ganz liebe Grüße,
Silvita

 

Hallo @Silvita,
Du zeichnest eine Art Psychogramm einer Frau, die versucht, sich aus der häuslichen Gewalt durch ihren Ehemann zu befreien und es schließlich in einem Moment der von beiden - ihr und dem Mann - wohl nicht für möglich gehaltenen Stärke schafft.
Es ist ein sensibles Thema, ich finde, du zeichnest den Verlauf, die Zuspitzung, ihre Gedanken und Gefühle ganz gut. Wenn ich schreiben würde, ich konnte mich in sie reinfühlen, wäre das übertrieben. Was aber sicher daran liegt, dass es für Außenstehende so unbegreiflich ist, dass jemand eine Beziehung weiterführt, in der er (also hier natürlich sie) verprügelt wird, misshandelt. Was bringt einen dazu, das so lange zu ertragen? Ich finde, du bietest hier durch die Rückblenden einen Erklärungsansatz. Aber ich bin da zu wenig in der Thematik drin, um sagen zu können, ob es so sein kann. Denke aber, ja. Dieses Fehler bei sich suchen, es immer besser machen wollen, um den anderen zufrieden zu stellen, wenn ich mich nur mehr anstrenge, wird es schon klappen. Diese grundsätzlichen Verhaltenweisen sind sicherlich in vielen Menschen angelegt.

Zum Text selbst, hm, ich finde, dass du die Protagonistin und den Alexander ein wenig, tja, stereotyp darstellst. Wie gesagt, ich bin da kein Fachmann, aber ich vermisse in ihm ein wenig die Feinheiten, er ist halt der prügelnde Ehemann. Immer kurz vorm Durchdrehen und hinterher tut es ihm leid. Sie ist das Opfer. Natürlich ist sie das ja auch, aber ein wenig mehr Grau wäre sicherlich reizvoll gewesen.

Plötzlich befinde ich mich wieder mit Alexander in der italienischen Trattoria Milano. Wir sitzen uns gegenüber an dem runden Tisch, feiern meinen Abschluss zur Erzieherin.
Das fand ich seltsam, sie feiern ihren Abschluss zur Erzieherin, sind aber offensichtlich noch kein Paar, denn er gibt ihr nur einen Kuss auf die Stirn. Warum sollten sie dann zu zweit ihren Abschluss feiern?

Ein paar Monate später: intensive Küsse, Streicheleinheiten, Zärtlichkeit. Schmetterlinge im Bauch. Alexander geht behutsam vor, bedrängt mich nicht, lässt mir Zeit, Vertrauen zu fassen. Ich denke an das Glücksgefühl, als ich ihn das erste Mal in mir spüre. Unsere Körper, wie füreinander gemacht, Haut an Haut, die Berührungen. Schritt für Schritt bauen wir Nähe auf.
Das solltest du vielleicht umstellen? Du schreibst erst vom Glücksgefühl des Sex mit ihm, und danach dann von "Schritt für Schritt bauen wir Nähe auf". Passt für mich nicht.
Was ist nur passiert?, denke ich.
Stellt sie sich die Frage an dem Punkt, an dem sie bereits angekommen ist, wirklich noch?

Noch immer spüre ich Alexanders Fäuste auf mir, seine Stimme dröhnt in meinem Ohr: „Warum hast du meine Hemden nicht aus der Reinigung geholt?“ Sein Keuchen, während er erneut ausholt. „Ich habe morgen ein wichtiges Meeting.“ Er trifft mich brutal in den Magen. „Es geht um meine Beförderung.“ Ein Schlag gegen das Schlüsselbein. „Was wird mein Chef wohl denken, wenn ich kein ordentliches Hemd trage?“ Er schlägt mich zu Boden.
Einfach unvorstellbar, dass Menschen wegen so was ausrasten. Krass.

Irgendwann die ersten richtigen Prügel. Seine Fäuste, die auf mich einprasseln, die Tritte in meine Seiten.
Bedrückend.

Nach der Prügelattacke hab ich’s versucht. Ich wollte raus, hab meine Tasche gepackt, als er bei der Arbeit war. Bin durch das Treppenhaus, hab mich am Geländer festgekrallt. Raus durch die Tür, auf die Straße, nach rechts schauen, dann nach links. Das Grauen, das aus heiterem Himmel über mich herfällt. Die Klammer um meine Brust. Die Atemlosigkeit. Wie ich die Blusenknöpfe öffne, um besser Luft zu kriegen. Es hilft nicht. Der Schweiß perlt von meiner Stirn. Ich kann keinen Fuß vor den anderen setzen. Alles dreht sich, der Boden unter mir flimmert, schwankt. Ein Blick zurück, die rettende Haustür hinter mir. Ich renne in die Wohnung, schließe die Tür hinter mir, rolle mich auf dem Teppich zusammen und heule.
Hier hätte ich gern gewusst, oder eine Andeutung bekommen, warum sie nicht weg kann. Was ist es, dass sie zurückhält? Rettende Haustür, das muss man sich mal vorstellen.

Ich kann den Mist nicht mehr hören, kauf’s ihm nicht mehr ab. Sein Lächeln erreicht mich nicht mehr. Die Schmetterlinge sind tot.
Das würde ich aber auch sagen.

Oh Mann! Die haben keine Ahnung. Ich presse die Lippen zusammen, muss daran denken, wie ich früher den Kopf geschüttelt hab über Frauen, die sich verprügeln lassen, kein eigenes Ich mehr haben. Warum geht ihr nicht zur Polizei? Sucht euch nen Therapeuten? Flüchtet ins Frauenhaus?
Hat sie wirklich so gedacht? Oder war vielleicht doch ein Teil von ihr verständnisvoll, weil es in ihr auch "angelegt" war? Keine Ahnung, aber ich würde mir da irgendwie ein gemeinsame psychologische "Veranlagung" vorstellen. Etwas, was diese Frauen vereint. Hm, oder geschehen solche Dinge urplötzlich?

„Nein!“, schreie ich mit aller Kraft. Es tut gut, meine Stimme zu hören. Zu lange hab ich die Klappe gehalten. Aber nicht heute Nacht.
Richtig so.

Dann kippt er. Kopfüber in den Abgrund. Fünf Stockwerke. Jetzt höre ich den Schrei. Gellend. Der Schrei eines Wahnsinnigen.
Stirb! Stirb! Stirb!, denke ich für eine Sekunde.
Weiß nicht, dieses Ende finde ich ein wenig zu Thriller-mäßig. Hollywood.

Ein letzter Blick. Stille überall. Wir verlassen diesen Ort. Ich ziehe die Tür hinter mir zu.
Gutes Schlussbild.

Trotz der Thematik, die nicht so meine ist, finde ich, dass du eine guten Text eingestellt hast. Du führst den Leser entlang des Leids der Protagonistin mit einem befreienden Ende, das vielleicht einen Hauch zu sehr hollywood-mäßig ist. Aber verdient hat sie es.

Beste Grüße,
Fraser

 

Hallo @Fraser

vielen herzlichen Dank für Deinen Besuch und Dein hilfreiches Feedback, über das ich mich sehr freue.

Du zeichnest eine Art Psychogramm einer Frau, die versucht, sich aus der häuslichen Gewalt durch ihren Ehemann zu befreien und es schließlich in einem Moment der von beiden - ihr und dem Mann - wohl nicht für möglich gehaltenen Stärke schafft.
Es ist ein sensibles Thema, ich finde, du zeichnest den Verlauf, die Zuspitzung, ihre Gedanken und Gefühle ganz gut.

Vielen Dank für Deine Worte. Ich freu mich sehr darüber. :)

Wenn ich schreiben würde, ich konnte mich in sie reinfühlen, wäre das übertrieben. Was aber sicher daran liegt, dass es für Außenstehende so unbegreiflich ist, dass jemand eine Beziehung weiterführt, in der er (also hier natürlich sie) verprügelt wird, misshandelt. Was bringt einen dazu, das so lange zu ertragen? Ich finde, du bietest hier durch die Rückblenden einen Erklärungsansatz. Aber ich bin da zu wenig in der Thematik drin, um sagen zu können, ob es so sein kann. Denke aber, ja.

Das kann ich total nachvollziehen. Ich bin froh, dass ich Dir mit den Rückblenden einen Erklärungsansatz bieten konnten. Natürlich kann man sich als Person, die das selbst nie erlebt hat, nicht wirklich 100% reinfühlen, das ist mir klar.

Dieses Fehler bei sich suchen, es immer besser machen wollen, um den anderen zufrieden zu stellen, wenn ich mich nur mehr anstrenge, wird es schon klappen. Diese grundsätzlichen Verhaltenweisen sind sicherlich in vielen Menschen angelegt.

Ja, das ist leider so.

Zum Text selbst, hm, ich finde, dass du die Protagonistin und den Alexander ein wenig, tja, stereotyp darstellst. Wie gesagt, ich bin da kein Fachmann, aber ich vermisse in ihm ein wenig die Feinheiten, er ist halt der prügelnde Ehemann. Immer kurz vorm Durchdrehen und hinterher tut es ihm leid. Sie ist das Opfer. Natürlich ist sie das ja auch, aber ein wenig mehr Grau wäre sicherlich reizvoll gewesen.

Wie hättest Du es Dir denn gewünscht?

Plötzlich befinde ich mich wieder mit Alexander in der italienischen Trattoria Milano. Wir sitzen uns gegenüber an dem runden Tisch, feiern meinen Abschluss zur Erzieherin.
Das fand ich seltsam, sie feiern ihren Abschluss zur Erzieherin, sind aber offensichtlich noch kein Paar, denn er gibt ihr nur einen Kuss auf die Stirn. Warum sollten sie dann zu zweit ihren Abschluss feiern?

Du bist die erste Person, die das anmerkt. Ich behalte es mal im Hinterkopf.
Man kann sich ja kennenlernen, er erfährt, dass sie ihren Abschluss geschafft hat und beim Date feiern sie das. Warum sollte man das nur als Paar zusammen feiern?

Ein paar Monate später: intensive Küsse, Streicheleinheiten, Zärtlichkeit. Schmetterlinge im Bauch. Alexander geht behutsam vor, bedrängt mich nicht, lässt mir Zeit, Vertrauen zu fassen. Ich denke an das Glücksgefühl, als ich ihn das erste Mal in mir spüre. Unsere Körper, wie füreinander gemacht, Haut an Haut, die Berührungen. Schritt für Schritt bauen wir Nähe auf.
Das solltest du vielleicht umstellen? Du schreibst erst vom Glücksgefühl des Sex mit ihm, und danach dann von "Schritt für Schritt bauen wir Nähe auf". Passt für mich nicht.

Danke für den Tipp. Ich habe es umgestellt.

Was ist nur passiert?, denke ich.
Stellt sie sich die Frage an dem Punkt, an dem sie bereits angekommen ist, wirklich noch?

Ja, die stellt sie sich auf jeden Fall noch und wird sie sich sicherlich noch lange Zeit stellen.

Noch immer spüre ich Alexanders Fäuste auf mir, seine Stimme dröhnt in meinem Ohr: „Warum hast du meine Hemden nicht aus der Reinigung geholt?“ Sein Keuchen, während er erneut ausholt. „Ich habe morgen ein wichtiges Meeting.“ Er trifft mich brutal in den Magen. „Es geht um meine Beförderung.“ Ein Schlag gegen das Schlüsselbein. „Was wird mein Chef wohl denken, wenn ich kein ordentliches Hemd trage?“ Er schlägt mich zu Boden.
Einfach unvorstellbar, dass Menschen wegen so was ausrasten. Krass.

Das ist es leider. Sind oft Kleinigkeiten, die das auslösen. Schrecklich.

Irgendwann die ersten richtigen Prügel. Seine Fäuste, die auf mich einprasseln, die Tritte in meine Seiten.
Bedrückend.

Ich bin froh, dass ich das Bedrückende rüberbringen konnte.

Nach der Prügelattacke hab ich’s versucht. Ich wollte raus, hab meine Tasche gepackt, als er bei der Arbeit war. Bin durch das Treppenhaus, hab mich am Geländer festgekrallt. Raus durch die Tür, auf die Straße, nach rechts schauen, dann nach links. Das Grauen, das aus heiterem Himmel über mich herfällt. Die Klammer um meine Brust. Die Atemlosigkeit. Wie ich die Blusenknöpfe öffne, um besser Luft zu kriegen. Es hilft nicht. Der Schweiß perlt von meiner Stirn. Ich kann keinen Fuß vor den anderen setzen. Alles dreht sich, der Boden unter mir flimmert, schwankt. Ein Blick zurück, die rettende Haustür hinter mir. Ich renne in die Wohnung, schließe die Tür hinter mir, rolle mich auf dem Teppich zusammen und heule.
Hier hätte ich gern gewusst, oder eine Andeutung bekommen, warum sie nicht weg kann. Was ist es, dass sie zurückhält? Rettende Haustür, das muss man sich mal vorstellen.

Mmmh. Also die Erklärung steht doch in der Szene. Sie hat eine Panikattacke und kann nur zurück in die Wohnung. Alles andere geht nicht.

Oh Mann! Die haben keine Ahnung. Ich presse die Lippen zusammen, muss daran denken, wie ich früher den Kopf geschüttelt hab über Frauen, die sich verprügeln lassen, kein eigenes Ich mehr haben. Warum geht ihr nicht zur Polizei? Sucht euch nen Therapeuten? Flüchtet ins Frauenhaus?
Hat sie wirklich so gedacht? Oder war vielleicht doch ein Teil von ihr verständnisvoll, weil es in ihr auch "angelegt" war? Keine Ahnung, aber ich würde mir da irgendwie ein gemeinsame psychologische "Veranlagung" vorstellen. Etwas, was diese Frauen vereint. Hm, oder geschehen solche Dinge urplötzlich?

Sie hat das wirklich so gedacht, bevor sie selbst betroffen war.
Auch das ist leider sehr oft Realität.

Dann kippt er. Kopfüber in den Abgrund. Fünf Stockwerke. Jetzt höre ich den Schrei. Gellend. Der Schrei eines Wahnsinnigen.
Stirb! Stirb! Stirb!, denke ich für eine Sekunde.
Weiß nicht, dieses Ende finde ich ein wenig zu Thriller-mäßig. Hollywood.

Liegt vielleicht daran, dass ich hauptsächlich Thriller/Krimi-geprägt bin. Ich lese viel in dem Genre und auch mein Schreiben ist darauf ausgelegt.

Ein letzter Blick. Stille überall. Wir verlassen diesen Ort. Ich ziehe die Tür hinter mir zu.
Gutes Schlussbild.

Vielen Dank :)

Trotz der Thematik, die nicht so meine ist, finde ich, dass du eine guten Text eingestellt hast. Du führst den Leser entlang des Leids der Protagonistin mit einem befreienden Ende, das vielleicht einen Hauch zu sehr hollywood-mäßig ist. Aber verdient hat sie es.

Ich freue mich sehr, dass Du Dir die Mühe gemacht hast, meine Geschichte zu lesen und zu kommentieren, obwohl die Thematik nicht so Deins ist. Vielen Dank für Dein Lob. Ich freue mich riesig darüber.
Ja, das Ende ist auf jeden Fall etwas Hollywood-Happy-End mäßig, da stimme ich zu. Aber wegen der ganzen Grausamkeit und dem Leid, wollte ich Denise das gönnen.
Schön, dass Du das so siehst.

Ganz herlzlichen Dank für Zeit und Mühe.

Ich wünsche Dir einen wundervollen Tag und sende ganz liebe Grüße,
Silvita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Silvita,

ich habe deine Geschichte mehrfach durchgelesen und mit mir ein wenig gerungen, ob ich dir einfach so meinen Gesamteindruck hinterlassen soll, ohne weiter etwas zu zitieren oder ob ich ein weniger konkreter werden soll.
Für meine Begriffe, aber ich kann mich natürlich auch sehr täuschen, stehst du genau zwischen der Frage als Autorin, in welche Richtung deine Texte gehen sollen. Ich habe den Eindruck, dass du eine irre Lust hast, zu schreiben. Aber mir stellt sich die Frage, ob du auf dieser Ebene der oberflächlichen seichten Unterhaltung oder aber richtig intensive ernste Literatur zustande bringen möchtest.
Das, was ich nämlich hier lese ist zu einem Teil richtig gut gemacht, da blitzt immer wieder jemand hervor, dem ich echt sehr gute Texte zutraue, um dann wieder in billige Effektheischereischreibe geworfen zu werden. Davon ist nämlich auch viel in diesem Text drin.

Ich werde vermutlich nicht alles jetzt in diesem Kommentar hinbekommen, weil ich gleich zu Freunden fahre, aber ich fange einfach mal an, die Zeit bis dahin so weit es geht, zu nutzen.

Das Thema ist für meine Begriffe ein wenig schon in Literatur und Film ausgenutzt worden, es ist also kein Thema, das irgendwie völlig neu ist, da sind wir uns sicherlich einig. In solchen Fällen, natürlich darf man als Autor auch das hunderste Mal denselben Plot verwenden, ist aber die besondere Aufgabe des Autors, aus einem allbekannten Plot, etwas wirklich Besonderes zu machen.
Daran fehlt es mir in deiner Geschichte. Deine Protagonistin tut nichts Überraschendes, Ungewöhnliches, der gesamte Plot läuft nach einem bekannten Schema ab. Verliebtsein, Heirat, Große Träume, Alltag, erste miese Erkenntnisse über den Partner, die sich immer schlimmer verdichten, dann die Ablösung.

Was ich dir aber bescheinigen kann ist, dass du eine Protagonistin gezeichnet hast, wie es sie in der Realitiät so nicht geben wird. Nur, das ist von mir ein Kritikpunkt, kein Lob.

Bevor ich dir aufzeige, was ich genau meine, möchte ich aber zu dem Thema kurz etwas schreiben:
Was Ausssenstehende und der Leser ist ja ein Aussenstehender dieser Geschichte, immer wieder verunsichert, irritiert, ist die Tatsache, dass viele Frauen (und das gilt auch übrigens für Männer, die Quote der Geprügelten ist verflucht hoch) nicht auf der Stelle , spätetens aber beim dritten sozusagen Gewaltakt des Ehemannes gehen.
Wieso bleiben sie?
Wieso kommt ein hoher Prozentsatz derjenigen Frauen, die dann sich doch entschließen, ins z.B. Frauenhaus zu gehen, wieder zurück zu ihren Ehemännern. Obwohl sie genau wissen, dass er es wieder tun wird?
Wieso suchen sich diese Frauen, wenn sie ihren Ehemann doch endgültig verlassen haben, neue Ehemänner, mit denen alles von vorne los geht?

DAS sind für mich die Fragen, die ich mir stellen würde.
Und ein kleines Bisschen hatte ich zwischendrin immer den Eindruck, dass du sie dir auch gestellt hast, jedenfalls tauchen ab und zu mal Momente bei deiner Protagonistin auf, wo ich denke, ja jetzt macht die Autorin es richtig, jetzt geht sie an diese Frage geschickt heran.
Aber du stößt es alles immer wieder mit anderen seltsamen Verhaltensweisen deiner Prota um.
Schade.
Nachfolgend meine Aufstellung inklusive meiner Bemerkungen dazu:

Ich wische mir den Schweiß von der Stirn, gieße Weißwein ins Glas, trinke einen Schluck und reiße das Fenster auf. Der Wind kühlt meine Wangen, lindert die innere Hitze. Ich starre hinab in die Tiefe, fünf Stockwerke, ich hab schon mal überlegt, zu springen.
Ihr ist offensichtlich heiß, heiße Wangen, aber auch innere Hitze. Woher kommt die?
Wenn sie sich ernsthaft jemand überlegt hat zu springen, dann frage ich mich, wieso sie, da sie es nicht getan hat, noch da ist. Ausstieg heißt hier das Wort.
Wenn jemand ernsthafte Selbstmordgedanken hat, dass ist es keine Angelegenheit, die man mit einem Nebensatz erwähnt. Das sind wuchtige Gedanken im Kopf eines Menschen und du gibst deiner Prota dafür keinen Raum? Wieso nicht? Wenn sie wirklich diese Gedanken hatte, musst du dich damit intensiver beschäftigen. Der Leser muss verstehen, weshalb sie es ursprünglich wollte und weshalb ihr Überlebenswille dann doch gesiegt hat.
Mit dieser Art, es so darzustellen, nimmst du dir die Möglichkeit von Lesern wie mir ernst genommen zu werden.
Ich lese das und denke: hoppla, schon wieder so eine, die nur trivial über etwas berichtet. Leider.
Hastig prüfe ich die
Hastig? Wieso?
lehne den Kopf gegen die gekachelte Wand, warte, bis der Schwindel sich legt.
Woher kommt der Schwindel?
hab immer noch das Gefühl, förmlich zu glühen. I
Also glüht sie nun oder nicht? Jetzt relativierst du es.
Eine bleiche, verängstigte Frau starrt mir entgegen.
Wie kann sie bleich sein, wenn ihre Wange(n) glühen? Wieso starrt sie? Was denkt jemand, der sich selbst anstarrt?
Die Schwellung an der rechten Wange klingt langsam ab.
Ok, hier erfahre ich, dass die Wange durchaus Grund hatte, heiß zu sein.
Ein Seufzer, ich mache weiter mit meiner Routine, greife nach der Schminktasche. Eine halbe Stunde später sitzt das Make-up perfekt.
Sie fährt wieder runter mit ihren Gefühlen. Wieso hat sie diese Ruhe weg, wenn er doch jede Sekunde betrunken heimkehren könnte? Ich hätte mich beeilt an ihrer Stelle.
Ein leises Stöhnen. Bin ich das? Ich kralle meine Nägel in die Oberarme. Mein Magen fühlt sich an wie ein Klumpen, die Muskeln sind verspannt, die Knie zittern.
Panikattacke? So sieht es jedenfalls aus. Übrigens, wenn es eine sein soll, recht gut beschrieben.
Bitte, lass ihn wegbleiben, flüstere ich, während ich auf die Waage steige.
Klar und ganz cool auf die Waage? Ist das gefühlslogisch?
Dazu die Schlaflosigkeit, die ständige Angst, die mich zermürbt. Einerseits fürchte ich mich vor der Gegenwart, andererseits vor der Zukunft.
Hier erschlägst du mit Allgemeinplätzen, die Prota wird zu einer mir sich entfernenden Figur. Wie äussert sich Schlaflosigkeit? Ständige Angst? Hält kein Mensch am lebendigen Leibe aus! Wie fühlt man sich zermürbt? Gegenwart, was genau versteht sie darunter, Zukunft, was ist das für sie? Hier bist du auf dem Niveau, dass es eindeutig zu verlassen gilt, wenn es ein wirklich guter Text werden soll.
goldenen Flügel. Hätte ich doch selbst welche. Einfach fortfliegen, in ein anderes Leben, eine andere Realität.
Selbstmitleid, finde ich gar nicht mal so schlecht dargestellt und nachvollziebar.
Ach Mama, wenn du mich sehen könntest. Du wolltest immer nur, dass ich glücklich bin.

Die Nacht liegt auf mir wie eine alles erstickende Decke. Ich kriege kaum Luft. So oft hab ich mir vorgenommen, einen Schlussstrich zu ziehen.
Ich kriege kaum Luft ist die Aussage, wieso so dramatisch theatralisch mit der Nacht, die wie eine erschwerende Decke liegt. Und Schlussstriche kann man auf 1000 verschiedene Arten ziehen. Welchen meint sie? Das ist hier zu platt.
Ich bin ein Feigling. Tränen laufen mir übers Gesicht. Ich schiebe den Engel zurück in die Schublade,
Ok, Selbstmitleid und Selbstvorwürfe.
bevor ich aufstehe, das Nachthemd hochziehe, die blauen Flecke betrachte, als würden sie nicht zu mir gehören.
Jetzt betrachtet sie die körperlichen Schäden? Welchen Hintergrund soll das an dieser Stelle haben bis auf den, dass du an ungeschickter Stelle meinst, es dem Leser mitteilen zu müssen?
Würde eine Frau an dieser Stelle erstmal ihre blauen Flecken betrachten? Ja, wenn sie was vorhat. Aber deine ...?
Die Bilder in meinem Kopf wüten, die Schmetterlinge sind längst bleischwer geworden, sind kurz vor dem Absterben.
also noch nicht tot, warauf genau hofft sie denn?
verzweifelte Tränen in der Einsamkeit des Badezimmers.
Wieder dieses Theatralische. Wie sehen verzweifelte Tränen aus? Und bitte sei so gut und streiche die Einsamkeit, das klingt an dieser Stelle wirklich lächerlich.
Wie ich dastehe und nicke. Mich frage, was ich tun könnte, damit es ihm besser geht. Ich strenge mich an, koche seine Lieblingsgerichte, poliere seine Schuhe, bis sie glänzen. Er legt Wert auf gutes Schuhwerk.
Sie probiert die devote Haltung, in der Hoffnung, dass sie auf diese Weise ihren Ehemann wieder ins Boot holen kann. Nachvollziehbar bei unerfahrenen Frauen. Glaubwürdig bei deiner Protagonistin.
Meine Erschütterung. Das kann nicht sein, denke ich. Das ist nicht Alex. Mein Alex. Warum tut er das?
Ja, diese Gedanken hat man am Anfang ganz gewiss.
Zwanghafter Smalltalk. Ich weiß nicht, wie ich darüber hinwegkommen soll.
Hier hat sie offensichtlich mit ihm abgeschlossen. Klingt jedenfalls so.
Nach der Prügelattacke hab ich’s versucht. Ich wollte raus, hab meine Tasche gepackt, als er bei der Arbeit war.
Nachvollziehbar.
Bin durch das Treppenhaus, hab mich am Geländer festgekrallt. Raus durch die Tür, auf die Straße, nach rechts schauen, dann nach links. Das Grauen, das aus heiterem Himmel über mich herfällt.
Das Grauen? Du hast echt den Hang zum maßlosen übertreiben. Wie sieht dieses Grauen aus?

Die Klammer um meine Brust. Die Atemlosigkeit. Wie ich die Blusenknöpfe öffne, um besser Luft zu kriegen. Es hilft nicht. Der Schweiß perlt von meiner Stirn. Ich kann keinen Fuß vor den anderen setzen.
Hier beschreibst du es plastisch und gut.
Alles dreht sich, der Boden unter mir flimmert, schwankt. Ein Blick zurück, die rettende Haustür hinter mir. Ich renne in die Wohnung, schließe die Tür hinter mir, rolle mich auf dem Teppich zusammen und heule.
Gut beschrieben. Wozu also vorher diese Dramaworte "Grauen"? Das meine ich, wenn ich mich frage, in welche Richtung du dich entwickeln möchtest. Du kannst es. Du kannst richtig gut beschreiben. Aber du tust es nur sehr wenige Male.
Ich kann den Mist nicht mehr hören, kauf’s ihm nicht mehr ab. Sein Lächeln erreicht mich nicht mehr. Die Schmetterlinge sind tot.
Hier weiß man nicht, ob sie nur so tut als ob oder ob sie immer noch in der Ablösephase ist.
ch traue mich nicht mehr aus dem Haus, bin es leid, die Sonnenbrille zu tragen, obwohl es bewölkt ist, obwohl es regnet. Bin es leid, den Leuten etwas vorzumachen: Ich bin gegen den Türrahmen gelaufen. Oh, ich bin so ungeschickt, bin gestolpert, es hat mich ordentlich hingehauen. Hatte einen Fahrradunfall, hab mich am Herd verbrüht.
Eine Form der Rückkehr, des Bleibenwollens ist das Leugnen gegenüber anderen.
Eine Welle der Scham durchflutet mich. Von meinen Freunden hab ich mich längst zurückgezogen.
Gut beschrieben.
Die Wahrheit auszusprechen, das pack ich nicht.
klar
Guck dir die Dumme an, lässt sich von ihrem Macker verprügeln. Irgendwas muss die falschmachen.
Absolut gut nachvollziehbare Gedanken.
„Es ist aus. Ich verschwinde!“ So oft hab ich die Worte vor dem Spiegel geübt.
Nein, das nehm ich ihr nicht ab. So läuft es meiner Meinung nach nicht. Sie weiß, dass sie keine Showtreppe aufbauen darf, um abzuhauen, es sei denn, sie will an dieser Stelle mitteilen, dass sie nie gehen wird.
Wenn ich ehrlich bin, ist es nicht nur die Angst vor den Schlägen, die mich davon abhält. Da ist die Ungewissheit. Was kommt danach? Schaff ich es ohne Mann?
Das sind wieder diese Allgemeinplätze. Schaff ich es ohne Mann? Was genau würde ihr fehlen, was stellt sie sich an dieser Stelle als Katastrophe ohne Mann denn vor? Was ist für sie ungewiss?
Wird er mich stalken, mir etwas antun? Mich büßen lassen?
Gut, hier wirst du dann etwas konkreter.
Allein bei den Gedanken schaudert es mich. Also harre ich aus, warte. Hoffe, dass er meiner überdrüssig wird, seinen Fokus auf eine Andere richtet.
Kann man irgendwie auch noch nachvollziehen, aber das hieße ja, sie will bleiben, obwohl es nicht lebenswert ist, in der Beziehung zu bleiben. Wieso ist dieses Übel für sie das geringere?
Ich warte auf eine Chance. Bin wie gelähmt, ein Nichts, versunken im Sumpf der Resignation. Hab mich irgendwie an diesen Zustand gewöhnt.
Entweder oder! Ich bin entweder gelähmt, versunken in Resignation oder ich warte auf eine Chance, denn dass jemand gelähmt ist und resigniert hat, nur um, wenn sich ihm die Chance bietet, dann dieses wahrzunehmen, würde ja implizieren, dass eine Aufmerksamkeit, Gespanntheit existiert in ihm, um überhaupt diese Chance erkennen zu können.
Du bist also an dieser Stelle ungenau und zeichnest eine Prota, die es so nicht geben kann.
Vielleicht wird alles wieder gut.
Hoffnung, die wird es fatalerweise in jedem Stadium einer Beziehung geben. Glaubwürdig.
Was red ich mir da eigentlich ein? Die Abstände zwischen den Prügeln werden kürzer, die Panikattacken schlimmer.
Gut überlegt von ihr, man erkennt in deiner Prota langsam herankeimendes Wachsen an der Situation. Aber wozu musste jetzt noch der Erwähnung der Panikattacken folgen? Und mal ehrlich, eine fette Panikattacke ist nichts, was in einen derart Nebensatz gehört.
Ich stecke in Treibsand fest, kann nicht vor, nicht zurück.
Ein Bild, wie es ausgelutschter nicht sein könnte. So etwas langweilt den Leser und wenn ich nicht den Eindruck hätte, du könntest es echt besser, würde ich spätestens hier endlich aufgegeben haben, deinen Text weiter zu lesen. Der Leser und natürlich erst recht hier die Leser bei uns Wortkriegern sind überwiegend aufmerksam. Denen kannst du nicht einfach solche Plattitüden unterjubeln.
Obendrein frage ich mich auch inhaltlich, nicht nur stilistisch, weshalb, wo sie doch soeben noch eigene gute Erkenntnisse für sich hatte, weshalb sie jetzt wieder meint, im Treibsand fest zu stecken? Deine Prota wechselt ihre extremen Ansichten innerhalb von Sekunden, man könnte fast meinen, dass dies schon hochpathologische Züge hat. Genau DAS willst du ja aber gar nicht darstellen, nicht wahr?
Die ist nicht durchgeknallt, die ist einfach nur seelisch fertig von ihren Erlebnissen mit dem Ehemann. Aber das stellst du nicht so dar. Wenn jemand für ein paar Augenblicke in seinem Leben nicht mehr weiß, was los ist, dann kann man das z.B. dadurch darstellen, indem man all die diffusen und verqueren und richtigen und falschen Gedanken und Gefühle auf einen Punkt bringt, so dass der Leser merkt, was da im Kopf der Prota los ist.
So wirkt es auf mich, dass dir die Dosis an Drama noch nicht hoch genug vorkam und du eben noch hie und da was dazwischen gepackt hast, was schön wuchtig klingen soll.
Genau das Gegenteil bewirkt dies aber.
Man beginnt, deine Prota nicht mehr ernst zu nehmen!

Ich hab’s probiert. Vor ein paar Wochen hab ich meinen Mut zusammengenommen und versucht, ihm klarzumachen, wie’s mir geht.
Mal ehrlich, wenn sie so naiv ist, zu glauben, mit so einem Mann, könne man auch nur drei Sätze ehrlich reden, diskutieren, offen sein, dann hat sie noch nicht viel vom Leben mitbekommen.
Sie scheint also, unterstellt, du willst genau dieses Gefühl bei mir als Leser auslösen, entweder jung und komplett unerfahren zu sein oder schwer unterbelichtet. Nur, dann musst du mir Leser doch auch die Chance geben, es vorher zu erfahren.
Und zwar so, dass ich entweder tiefe Empathie für dieses arme Geschöpf empfinde, weil sie leider so wenig Waffen gegen diesen fiesen Ehemann hat oder aber ich wütend auf sie bin, weil sie so wenig ihren eigenen Kopf benutzt, obwohl sie es könnte.
Das ist dann deine Regie, was für eine Person sie sein soll.
Zum Beispiel macht es durchaus Sinn, auf irgendeine Weise zu erfahren, wie alt sie ist. Es geht nicht exakt um die Jahreszahl, sondern um das Dahinterstehende eine 40jährige, der so etwas widerfährt steht anders da als eine 20jährige. Hatte sie schon andere Männer mit denen sie zusammen gelebt hat? Oder ist dies ihre erste echte Beziehung? Solche Dinge sind doch überhaupt nicht unwichtig in so einem Zusammenhang. Da wo es wichtig ist, gibst du als Autorin nichts preis über deine Prota, sondern versteigst dich in jede Menge dramatische Äusserungen, die aber leider in ihrer Wirkung hohl bleiben.
Dabei zeigst du an vielen Stellen, dass du das Zeugs dazu hast, es richtig treffend zielgenau zu setzen.

Und ich, wie ich den Blick senke und flüstere: „Es tut mir so leid, Alex. Passiert nicht noch einmal.“
All die Schuldgefühle. Ich bin nichts wert, schaff’s nicht einmal, meinen Mann zufriedenzustellen. Bin ne jämmerliche Versagerin. Ein Nichts.
Da ich ja aus der Satireabteilung komme, hätte ich null Probleme, wenn das jetzt hier eine wäre.
Eben noch hat deine Prota so etwas wie Hoffnung und Erkenntnisse gehabt, um jetzt so klein wie ein Wurm zu werden? Das Problem ist, wenn jemand von sich behauptet, er sei ein jämmerlicher Versager, Schuld an allem und nichts wert, dann schaut man auf, weil man wissen will, ob jetzt hier Widerspruch erwartet wird, so nach dem Motto: "Nein, denke das nur nicht von dir, das bist du nicht!" oder soll man sich das Würmchen anschauen und sich sagen: "Ja, stimmt, so mickrik wie diese Person da steht, ist sie nichts wert?"
Mir erschließt sich nicht, was das jetzt soll. Da spricht die Autorin direkt mit Hilfe der Prota anstatt die Prota genau das sagen zu lassen, was sie empfindet.
Doch meine Dämonen kann ich nicht aussperren. Sie sitzen tief in meinen Eingeweiden, fressen mich langsam von innen her auf.
Ich ernenne dich hiermit zur verbalen Dramaqueen. :dozey: Diese beiden Sätze sind nur Effektmacherei ohne Aussagekraft. Wieso? Du hast das gar nicht nötig. Schildere einfach nur, was die Prota tut und empfindet, denkt. Mehr nicht. Dann entsteht schon von ganz allein ein Szenario das den Leser mitnimmt und beeindruckt.
Wenn nicht jetzt, wann dann? Pack deine Tasche, Denise! Hau endlich ab!
Ja! Nur frage ich mich, wieso jetzt wieder und zwischendrin so selbstvernichtend?
Da hab ich’s begriffen. Es macht ihm Spaß, turnt ihn an, mich zu quälen, zu erniedrigen. Er geilt sich an meinen Tränen auf, genießt die Macht, ist wie im Rausch.
Wichtigster Satz in deiner Geschichte! Und mir wäre es durchaus recht, wenn der Titel nicht hieße "Ich hab's nicht kommen sehen", sondern "Ich wusste es von Anfang an", denn mal ehrlich, kein Mann (Frau) der sich so verhält, hat dies nicht in irgendeiner irritierenden Form bereits während der Zeit des Verliebtseins durchblitzen lassen?
Ich wage zu behaupten, dass jeder Partner eines solchen Ungeheuers schon sehr sehr früh etwas geahnt hat. Mehr nicht, nur geahnt, denn bei der allerersten Erkenntnis schaltet sich natürlich das ganze Programm ein, wie "aber ich liebe ihn ja doch und er auch mich", "da hab ich jetzt nicht das Recht, es so hoch anzusiedeln, der ist nur unsicher" "das gibt sich", "ich war eigentlich gar nicht gemeint" und so weiter. Schön wäre es gewesen und auch tatsächlich, um die Spannung noch etwas zu steigern, wenn du beim Bericht, wie man sich kennenlernte da so einen Moment seiner Bösartigkeit aufblitzen ließest. Als Leser erkenne ich dann, dass da was lauert und zittere mit der Prota, dass sie diese Erkenntnisse endlich auch bekommen möge.
Du verschenkst gute Möglichkeiten.
Hab mir gedacht: Denise, du musst da weg. Das kann übel enden. Im Krankenhaus. Bleibende Schäden. Rollstuhl. Da ist mir klar geworden, dass ich was tun muss.
Den Rollstuhl hast du doch dann am Ende eingebaut, hier wirkt er auf mich, als sei dir grad eingefallen, dass er ein Challenge-Wort gewesen ist. Und denkt man wirklich so? Das kann übel enden, ja richtig. Aber wieso nach der Gefahr der bleibenden Schäden der Rollstuhl automatisch als nächster Gedanke kommt, ist etwas arg gedanklich gesprungen.
Ich schaff’s nur irgendwie nicht, mich aus dieser Lethargie zu lösen.
Zu erkennen, dass man lethargisch ist, ist der erste Schritt, sie zu beseitigen.
Mein Gott, wie tief bin ich gesunken! Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen, wimmere vor mich hin, denke an das Telefonat mit ihr.
Jetzt wird deine Prota von dir zur Dramaqueen vergewaltigt. Selbstanklagen ja! Gar keine Fragen, die sind garantiert bei deiner Prota vorhanden. Aber man schlägt eigentlich die Hände vors Gesicht, wenn jemand anderer da ist und das Wimmern macht irgendwie auch nur Sinn, wenn noch ein Paar Ohren wo sind. Es sei denn, sie zerfließt in Selbstmitleid, aber das kann sie auch lautlos gut tun. Verstehst du was ich meine? Ich empfinde ihr Verhalten an dieser Stelle als nicht authentisch und damit erzielst du den gegenteiligen Effekt bei mir. Ich glaube deiner Prota die Show nicht.
Aber genau das willst du ja nicht erreichen, weil wir ja eben nicht in einer Satire sind.
Aber scheiße! Allein krieg ich das nicht hin. Ich schaff es nicht, brauch dringend Hilfe. Meine Gedanken rasen.
Hier resümiert die Autorin und bedient sich dazu der Prota, die besser einfach nur zeigen sollte, was los ist. Zum Beispiel könnte sie das Handy in die Hand nehmen, anfangen die tippen, dann legt sie das Ding wieder weg, steht auf, geht in die Küche, dreht wieder um, geht zum Kleiderschrank und holt die Tasche raus, stellt sie aufs Bett, und setzt sich aufs Bett und kommt nicht weiter, dann das Handy wieder, sie tippt erneut, tippt aber nicht auf die grüne Taste, wieder raus aus dem Zimmer oder ran ans Fenster in die Ferne geschaut, ab ins Bad, sich nochmals die Wangen gekühlt und so weiter. Verstehst du? Du erzählst hier nicht wie ein Erzähler, was sie fühlt, sondern der Leser begleitet sie durch dieses Hin und Her und ihre Wuschigkeit und merkt, was mit ihr los ist.
Ich trenn mich von ihm. Geht nicht mehr.
s.o.
Ich gehe ins Schlafzimmer, ziehe meine Sporttasche unter dem Bett hervor und packe. So schnell war ich noch nie. Stopfe alles wahllos rein, was mir etwas bedeutet. Es kann mir nicht schnell genug gehen. Ich kenn mich, will‘s mir nicht anders überlegen. Will es jetzt durchziehen. Will einfach nur weg.
Sie will es sich nicht anders überlegen? Dieses ewige Ja Nein Ja Nein verlangt von mir als Leser viel ab, ich soll ihr das alles abnehmen zum jeweiligen Zeitpunkt. Das kann ich aber an dieser Stelle schon nicht mehr.
Sei kein Feigling, Denise! Steh für dich ein, sag ihm, was Sache ist. Anna ist unterwegs, lass dich nicht unterkriegen!
Gute Methode sich zu motivieren. Sie ist also wieder auf dem richtigen Weg.
Ich fixiere ihn, die Hände im Schoß gefaltet, den Rücken gerade.
Bist du sicher, dass man jemanden mit den Augen fixieren! kann, vor dem man noch vor Minuten bereit war zu Kreuze zu kriechen? Fixieren heißt Machtkampf mit den Augen. Das macht man nur, wenn man für sich selbst Chancen sieht, zu siegen. Sieht sie die wirklich? Wenn ja, dann schildere sie bitte dem Leser. Was macht sie im Moment denn so stark, dass sie ihn mit den Augen fixiert?
Sein Blick versengt mich wie ein elektrischer Schlag,
Den Orden habe ich dir ja schon verliehen. Drama, Drama!:shy:
Ich spüre, wie meine Schultern beben, fixiere einen Punkt an der Wand. „Alex, ich muss mit dir reden. Es ist wichtig.“
Tja, an dieser Stelle habe ich gedacht, wie schade, dass ich immer noch nicht weiß, was die Prota für eine Person ist. Was machte sie denn beruflich? Wie alt ist sie? Ist sie vielleicht furchtbar schlicht gestrickt? Hat ihr vielleicht irgendwer eingebläut, man muss sich immer redend um die Dinge kümmern?
Ich komme mir so ein wenig vor wie in diesen furchtbar niveaulosen Fernsehsendungen, in denen z.B. die absoluten Auswandererloser ohne Geld, ohne Sprachkenntnisse, aber mir vielen Rosinen im Kopf ins Ausland begeben. Die sind so doof, da muss ich mich unweigerlich hoch überlegen fühlen. Genau diese Stimmung erzeugst du jetzt bei mir. Kein Leser wird dir an dieser Stelle bescheinigen, dass es Sinn macht mit diesem Mann noch ein Wörtchen zu reden. Reißverschlusstasche zu und ab aus der Wohnung ist die Devise. Ich werde gerade durch diese Szene zur hoch Überlegenen. Das will ich aber gar nicht. Ich verliere Achtung vor deiner Prota.
Das ist nicht gut.
Demütig senke ich den Kopf, gehe in die Küche,
Eben noch hat sie ihn fixiert, eben noch will sie hirnlos eine Diskussion mit ihm, um binnen einer Sekunde devot zu werden. Deine Prota wechselt mir zu schnell ihre Kleider.
Ich unterdrücke ein Würgen, beiße mir auf die Lippen, um sie zu befeuchten. Mein Herz pocht wild und am liebsten würde ich ihn zur Seite stoßen und davonrennen. Ach, scheiß drauf! Ich will’s einfach nur hinter mich bringen.
Und jetzt kommt ihr ihr eigenes Verhalten selbst hoch? Mir gefallen diese eigenen Wertungen, die die Prota mitteilt, nicht. Wie wäre es, wenn du einfach darstellst, was sie tut. Show! Nicht tell!
Der Leser erfährt, dass sie in die Küche geht und muss sich selbst darauf einen Reim machen.
Das wäre allemal spannender als diese Äusserungen der Prota dazu.
Mir stockt der Atem. Jetzt kann ich mich nicht mehr rausreden. „Alex, bitte nicht. Nicht heute Nacht. Das muss ein Ende haben.“ Meine Stimme nur ein Wispern.
Eben noch wollte sie mit ihm drüber reden, dass sie ihn verlassen will, nun kann sie sich nicht mehr rausreden? Und warum, wenn sie doch weiß, wie das alles abläuft und wie unweigerlich hart er vorgeht und wie wenig er jemals von seinem Schema abweichen wird und im Gegenteil, je mehr es ihn anmacht, dass sie sich so schlecht und wertlos fühlt, wieso fleht sie ihn noch an?
Was geht da grad im Kopf der Prota vor?
Was für eine Person ist sie?
Tränen schießen mir aus den Augen und landen auf meinen Füßen.
s.o.
Mein Hals wird eng, ich keuche. Meine Brust droht zu zerbersten, mein Herz schlägt wie ein Hammer gegen die Rippen. Ich will schreien: Hau ab! Lass mich in Ruhe! Verpiss dich! Doch da kommt nur ein Krächzen. Mein Mund ist trocken, die Lippen aufgerissen, es schmeckt nach Blut.
Endlich Wut!
Warum werde ich nicht ohnmächtig? Einfach vergessen, abdriften, diese grausame Welt verlassen.
Aus der sie raus will? Wozu, genau diese Wut gäbe ihr Kraft. Deine Prota verhält sich eindeutig hochgradig merkwürdig.
Dann verstummt die Welt, gefriert, während die Finsternis von allen Seiten herantobt, mich ummantelt, festhält. Eine Sekunde lang hab ich das Gefühl zu schweben.
Verzeih meine Wiederholungen, aber hier bist du wieder in Hochform als Dramaqueen. Der Leser weiß doch schon, was passiert ist, das muss doch jetzt nicht noch mit Theaterdonner untermalt werden. Das wirkt an dieser Stelle auch schon schwülstig. Ein Effekt, den du sicherlich nicht hervorbringen willst.
. Denise, gib nicht auf! Kämpf! Ich beiße mir auf die Unterlippe, der jähe Schmerz verschafft mir ein wenig Klarheit.
Gut. Nachvollziehbar und knapp beschrieben.
Ich rapple mich hoch, das Nachthemd ist zerrissen, ich falte es, lege es auf die Couch.
Sie fasst sich also.
Mir ist flau im Magen, ich kralle meine Nägel in die Sofalehne, atme tief durch.
Sie arbeitet dran, sich zu fassen.
Ich, grüble, was ich dem entgegensetzen kann, betrachte meine dünnen Arme. Wie ich diesen ausgemergelten Körper hasse.
Wieso grübelt sie jetzt? Und dass ihr jetzt an dieser Stelle der Gedanke kommt, sie könnte mir kräftigerem Körper etwas ausrichten, halte ich für sehr fragwürdig. Eine Magersüchtige sieht diese Mängel eigentlich nicht. Der sind die Arme nicht zu dünn, ganz im Gegenteil. Die ist auch nicht in der Lage, ihren Körper als ausgemergelt zu betrachten, es sei denn, sie ist bereits auf dem Weg der Genesung von dieser Erkrankung. Dann wird sie es so können,.
Aber genau dazu schilderst du in der ganzen Geschichte nichts, dass sie ihre Erkrankung als Magersüchtige erkannt hat und dagegen vor gehen möchte.

Ich gehe mit hängenden Schultern hinter ihm ins Schlafzimmer
Klar. Anders wäre es überraschend. Muss es dann noch geschildert werden? Du kannst auch straflos schreiben: Ich gehe hinter ihm ins Schlafzimmer.
Zitternd liege ich unter ihm,
Dass sie nicht freudestrahlend da liegt, weiß der Leser. Zitternd ist so eine Aufdopplung mit der Keule, damit der dumme Leser auch ja nicht vergisst, wie dramatisch schlecht es ihr geht.
Verzweifelt drehe ich den Kopf in dem Kissen hin und her, winde mich unter ihm. Hätte ich doch mehr Kraft. Wie gerne würde ich ihn von mir runterstoßen.
Dass sie ihn gern herunterstoßen würde, kauf ich sofort. Aber würde sie wirklich in Anbetracht seiner Brutalität ihm laufend Signale dazu geben, dass sie sich weigert, indem sie den Kopf hin und her dreht? Könnte es nicht eher so sein, dass sie wie ein Brett unter ihm liegt? Erstarrt ist vor Angst?
Ich liege neben ihm, die Augen weit aufgerissen, starre an die Decke.
Ich frage mich, wozu sie die Augen weit aufreißt. "Ich liege neben ihm, starre an die Decke"
all das verursacht mir Gänsehaut. Jedes Mal, wenn er sich bewegt, zieht sich mein Magen zusammen. Bitte nicht! Wach nicht auf!
Du schilderst ununterbrochen etwas zu ihrer mentalen Einstellung und körperlichen Verfassung. Wie wäre es mal anders herum. Du schilderst, was sie tut. Was würde so jemand tun, wenn sich der Mann bewegt. Man erstarrt, versucht immer weiter ganz vorsichtig auszuweichen, um auf keinen Fall durch den Körperkontakt diesen Menschen zu wecken. Man rückt mit steifem Körper in Slowmotion ab, hält vielleicht unwillkürlich den Atem dabei an, presst die Lippen aufeinander, weil man befürchtet, dass selbst das Geräusch des Atmens ihn wecken könnte. So in etwa würde/könnte es aussehen.
Ich blinzle, die Tränen hören auf zu fließen. Ich kann nicht mehr. Die Erschöpfung droht, mich zu übermannen, ich kämpfe dagegen an. Obwohl die Schmerzen mich schier wahnsinnig machen, gleite ich mit letzter Willenskraft über die Bettkante und richte mich auf.

Mir wird schwindlig, alarmiert stütze ich mich an der Wand ab. Mein Körper darf mir jetzt nicht den Dienst versagen. Ich laufe in die Küche.
Sicherlich merkst du es jetzt selbst schon, nach all meiner Kritik. Wenn ihr eben noch schwindelig war, was ja eine durchaus adäquate Reaktion sein kann, dann kann sie eigentlich nicht eine Sekunde später in die Küche laufen. Wanken vielleicht, sich abstützen, wo es nur geht. Aber laufen?
Oh nein! Jetzt nichts wie weg. In meinem Kopf dröhnt es, das Blut rauscht in meinen Ohren.
Was passiert genau, wenn die Ohren wegen Bluthochdrucks zu sehr durchblutet werden?
Man hört seinen eigenen Herzschlag im Ohr. Rauschen tut es im Wald mit Laubbäumen.
Scheiß auf die Schuhe! Ich muss hier raus. Der Griff zur Türklinke. Mach auf, Denise! Geh endlich! Nur noch ein paar Schritte.
Hier könntest du vielleicht mal eine andere Art der Darstellung wählen. Sie gibt sich ja innerhalb deiner Geschichte ganz oft selbst sozusagen Befehle, stellt sich Fragen, macht sich Vorwürfe. Der innere Dialog oder gar Selbstgespräche. Hier könntest du zeigen, was sie tut. "Ich habe die Türklinke fest im Griff, nur noch einen winzigen Schritt, meine Hand umschließt sie..."
Mein Körper versteift sich.
Du willst damit darstellen, dass sie bewegungsunfähig ist?
Da ist plötzlich Kraft in mir, Adrenalin durchströmt mich. Ich mache einen Schritt hinaus ins Treppenhaus. Er hinterher. Ich spüre kaum, wie er mich an den Haaren packt, daran reißt.
Und wieder der komplette Stimmungswechsel im Sekundentakt.
Die Szene mit den Haaren ist ungenau. Sie spürt es oder sie spürt es nicht. Kaum ist bedeutungslos. Wie wäre es, wenn du darstellst, wie er ihre Haare packt, sie daran zurückreißt und sie sich wundert: "Müsste es nicht jetzt wie sonst höllisch weh tun? Ich spüre keinen Schmerz". und der Leser weiß nun, ah, sie ist auf dem Weg ihrer Befreiung.

Hört das denn nie auf?
Und schon wieder retour mit den Gedanken. Sie erzagt? Oder ist das die Vorstufe zu ihrer Wut?
Hier fehlt was.
Ich recke mein Kinn nach vorn, hebe den Blick, sehe ihm in die Augen. „Lass mich in Frieden! Bitte!“ Bin das wirklich ich, die das sagt?
Lass mich in Frieden, schön und gut, ich würde sie das nicht sagen lassen, aber das ist gewiss jetzt Geschmackssache und darüber lässt sich nicht streiten. Aber wieso schiebt sie noch ein "Bitte" hinterher? Hier wankt sie also wieder in ihrem Gemüt? Ich übertreib es mal, was würdest du erkennen, wenn sie dreimal, viermal bitte, bitte, bitte, bitte sagt? Dann steht der Satz davor, dass sie ihr Kinn nach vorne schiebt und ihm in die Augen blickt, was ja Selbstbewusstsein andeuten soll, unglaubwürdig im Raum.
Dann der Schlag, er trifft mich an der rechten Schläfe.
„Nein!“, schreie ich mit aller Kraft. Es tut gut, meine Stimme zu hören. Zu lange hab ich die Klappe gehalten. Aber nicht heute Nacht. Mein Entschluss steht fest. Es ist aus! Anna ist unterwegs. Ich kann jetzt keinen Rückzieher machen. Auch wenn ein Teil von mir kleinbeigeben möchte, sich zu seinen Füßen werfen, ihn um Verzeihung bitten. Der neu erwachte Teil ist stärker. Ich bin verwundert über die Aggression, die meinen Körper flutet. Sie bringt mich aus dem Konzept. Das kenne ich nicht. Diese Wut, die in mir aufwallt, die so explosiv ist. Ich zwinge mich, die schwache Seite zu ignorieren, egal, was das für Konsequenzen nach sich zieht. Ich hab’s satt!
Hier hat die Autorin die Prota verlassen und es spricht nur noch der Erzähler aus ihr. Das ist ungeschickt. Er schlägt also zu. Und dann fängt sie an in epiloghafter Weise zu berichten, was jetzt alles abläuft? Bleib doch einfach bei ihr. Sie hat eins abbekommen und was genau macht sie nun? Ihre Bewegungen sind jetzt gefragt, nicht Teile ihrer Autobiographie.
Ich weiche ihm aus. Wohin? Flüchten, die Treppe runter? Kann ich es schaffen? Soll ich bei den Nachbarn klopfen? Warum ruft niemand die Polizei?
Genau, das könnten sie sein, die Gedanken. Noch besser, du schilderst ihre körperlichen Bewegungen in rasantem Tempo.
Mein Blut gefriert zu Eis.
Drama und somit überflüssig.
Meine Ohren dröhnen, mein Schädel gleicht einem Wattebausch.
Drama und somit überflüssig.
Stirb! Stirb! Stirb!, denke ich für eine Sekunde.
Es reicht und wirkt wuchtiger, wenn er nur einmal stirbt.
„Ich weiß nicht. Dann muss ich mich vor Gericht mit ihm auseinandersetzen. Keine Ahnung, ob ich das packe. Besser einen Schlussstrich ziehen, ich brauche einen Neuanfang.“
Wozu muss sie das jetzt mit all ihren diffusen Gedankengängen ausbreiten? Lass sie doch einfach sagen, dass sie drüber nachdenken wirkt. Das wirkt viel seriöser, gefährlicher, authentischer.
Ich schluchze, krampfe mich an der Bettdecke fest. „Ich bin so froh, dass du da bist.“
Drama. Es reicht: "Ich bin so froh..."
Warum? Diese verdammte Frage stell ich mir jeden Tag. Ich kann’s mir nicht erklären. Finde keine Antwort darauf.
Da spricht die Autorin. Nicht die Prota.
Meine Kindheit, so normal, so behütet. Vielleicht hat Alexander mich deswegen überrumpelt. Ich hab’s nicht kommen sehen.
Warum?
Ich wünsch mir so sehr eine Antwort auf diese verdammte Frage.
Ich wage zu behaupten, dass fast alle geprügelten Ehegatten in ihrer Vorgeschichte ähnliche Erfahrungen durch das Tun ihrer Eltern oder anderer Personen erleiden/erleben durften. Ich würde schon deswegen, weil das ein neues Fass aufmachen würde, weglassen, dass die Prota eine behütete Kindheit hatte.
Wenn ich jetzt an unsere Zeit zurückdenke, kommt’s mir so vor, als wäre das gar nicht mir passiert. Als hätte ich die letzten Jahre nicht selbst erlebt.
Sondern wer?
Mit einem Mal fröstle ich, schlinge meine Arme um den Oberkörper, atme tief durch. Ich war mit Alex zusammen, und hab mich doch so einsam gefühlt. Wie abgeschnitten von der Welt. War so beschäftigt damit, nicht zusammenzuklappen, damit, eine gute Ehefrau zu sein. Wollte alles richtig machen.
Das hat sie alles schon innerhalb der Geschichte berichtet und der Leser weiß das.
Für welchen Leser soll das dann hier noch sein?
„Ich frag mich warum. Es macht mich krank, dass ich’s mir nicht erklären kann. Treibt mich schier in den Wahnsinn.“
Drama. Jetzt wird sie also deswegen wahnsinnig? Damit nimmst du ihr jegliche Glaubwürdigkeit.
„Ich hab so Angst. So Angst, dass mir das wieder passiert.“
Eigentlich zeigst du am Ende, dass sie sich nicht weiterentwickelt hat.
Ein bitteres Lachen. „Das kann ich gut gebrauchen. Was hab ich mich getäuscht.“
Sie bleibt irgendwie hängen, denn wie ich schon mittendrin erwähnte, bin ich mir sicher, dass sie sich nicht getäuscht hat. Es ist halt nur ein verflucht langer Weg von einer Ent-Täuschung hinaus in ein neues Leben zu gehen.

(Tut mir leid, dass ich jetzt los muss, ich werde das selbstverständlich morgen weiter bearbeiten und dich dann informieren, wenn ich damit fertig bin. Schicke es aber jetzt schon mal ab, damit es nicht verloren geht.)

Ich denke, dass du aus deiner Figur noch etwas richtig Authentisches machen könntest.

Ich hoffe, ich konnte dir aufzeigen, wo überall ich die Probleme gesehen habe.

Da ist auch noch so ein Punkt, der mir immer wieder im Kopf herumspukt und zwar ist es dieser Satz, den man oftmals hört, dass Liebe und Hass ganz nah beieinander liegen.
Ich habe das in meinem Beruf sehr oft so erlebt. Ehegatten haben sich nicht mal mehr das schwarze unterm Fingernagel gegönnt, so sehr hassten sie sich, wollten sich weh tun und erleben, wie es dem anderen schlecht geht und jede Mittel war denen recht.
Aus Liebe wurde Hass.

Mit ihren konstruktive Ergebnisse erzielen, also mit ihnen vernünftig zusammen arbeiten konnte man immer erst, wenn dieser Zustand aufhörte und sie mental voneinander Abstand nehmen konnten.

Ich frage mich bei diesen Fällen, in denen Gewalt in der Beziehung regelmäßig ausgeübt wird, ob nicht dieser Hass von den Opfern als weniger furchtbar empfunden wird als eine gnadenlose Trennung mit absoluter Kontaktsperre. Das Gefühl, ein Nichts zu sein, weil man noch nicht einmal mehr gesehen, wahrgenommen wird, muss für viele Menschen so grausam sein, dass sie lieber, wenn auch natürlich nicht freiwillig, diese Torturen der Gewalt ertragen mögen.
Darüber wäre mir eine Geschichte spannend gewesen.
Diese Abhängigkeit, die dadurch entsteht, indem man sich beachtet fühlen möchte und dafür sogar bereit ist, sein Selbst und seine körperliche Gesundheit aufzugeben.
Für mich ist dies die vorläufige Erklärung dafür, dass so viele Partner wie an einem Bindfaden gezogen, sofort wieder hineingleiten in die alten Gewaltverhältnisse.
Das sind oftmals keine dummen Leute. Das wäre mir auch viel zu billig, um es mit dem Geisteszustand erklären zu wollen, dass jemand, der eben noch im Krankenhaus lag, weil er brutalst zusammen geschlagen wurde, wieder in diesen Gewaltraum zurück kehrt.
Vielleicht lese ich irgendwann mal von dir eine Geschichte, die just ihren Fokus auf dieses Thema legt.
Wäre sehr gespannt darauf.

Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @lakita

ich habe deine Geschichte mehrfach durchgelesen und mit mir ein wenig gerungen, ob ich dir einfach so meinen Gesamteindruck hinterlassen soll, ohne weiter etwas zu zitieren oder ob ich ein weniger konkreter werden soll.

Vielen Dank für Deinen Besuch und das ausführliche Kommentar. Du hast viel Zeit investiert, dafür bin ich dankbar. Schön, dass Du konkret geworden bist. Das ist hilfreich.

Ich fange mal an, Deinen Kommentar zu beantworten. Mal sehen, wie weit ich kommen.

Für meine Begriffe, aber ich kann mich natürlich auch sehr täuschen, stehst du genau zwischen der Frage als Autorin, in welche Richtung deine Texte gehen sollen. Ich habe den Eindruck, dass du eine irre Lust hast, zu schreiben. Aber mir stellt sich die Frage, ob du auf dieser Ebene der oberflächlichen seichten Unterhaltung oder aber richtig intensive ernste Literatur zustande bringen möchtest.
Das, was ich nämlich hier lese ist zu einem Teil richtig gut gemacht, da blitzt immer wieder jemand hervor, dem ich echt sehr gute Texte zutraue, um dann wieder in billige Effektheischereischreibe geworfen zu werden. Davon ist nämlich auch viel in diesem Text drin.

Ich denke das Schreiben ist ein stetiger Entwicklungsprozess. Wenn ich heute Texte von mir lese, die ich vor ein paar Jahren verfasst habe, dann muss ich teilweise echt Schmunzeln. Der Eindruck, dass ich total Bock hab zu schreiben, der ist richtig. :) Ich habe zwar immer wieder auch mit Blockaden zu kämpfen, aber wenn die richtigen Impulse kommen (hier waren es die Challenge-Wörter), dann sprudelt es nur so aus mir heraus.
Ich bin definitiv noch dabei mich zu finden, das merke ich z.B. auch an meinem Romanprojekt. Wohin ich will? Ich bin eine begeisterte Krimi/ Thriller-Leserin und das wäre so mein Traum vom Schreiben.
Nun hab ich keine Ahnung, ob dieses Genre für Dich zur "seichten" Unterhaltungsliteratur gehört. Wir kennen uns ja nicht und ich weiß nicht, was Du für Literatur bevorzugst.

Ich mag Autoren wie Bernhard Aichner, Sebastian Fitzek, Arno Strobel, Karen Rose (große Dramaqueen), Charlotte Link, Andreas Gruber, Stephan Ludwig, Tana French und noch viele Krimiautoren mehr. Ab und an mag ich auch Philosophisches, wie Hesse, Coelho, Suter.

Ich freue mich, dass zumindest Teile meines Textes bei Dir gut rüberkamen. Das ist doch schon mal ein Anfang. :)

Das Thema ist für meine Begriffe ein wenig schon in Literatur und Film ausgenutzt worden, es ist also kein Thema, das irgendwie völlig neu ist, da sind wir uns sicherlich einig. In solchen Fällen, natürlich darf man als Autor auch das hunderste Mal denselben Plot verwenden, ist aber die besondere Aufgabe des Autors, aus einem allbekannten Plot, etwas wirklich Besonderes zu machen.

Da sind wir auf jeden Falle einer Meinung. Über das Thema wurde bereits viel berichtet, sowohl in Büchern, als auch in Filmen.

Daran fehlt es mir in deiner Geschichte. Deine Protagonistin tut nichts Überraschendes, Ungewöhnliches, der gesamte Plot läuft nach einem bekannten Schema ab. Verliebtsein, Heirat, Große Träume, Alltag, erste miese Erkenntnisse über den Partner, die sich immer schlimmer verdichten, dann die Ablösung.

Es war nicht mein Ziel, etwas Überraschendes/ Ungewöhnliches zu schreiben. Vielmehr wollte ich ein Portrait einer jungen Frau zeichnen, die häusliche Gewalt erlebt.

Was ich dir aber bescheinigen kann ist, dass du eine Protagonistin gezeichnet hast, wie es sie in der Realitiät so nicht geben wird. Nur, das ist von mir ein Kritikpunkt, kein Lob.

Das ist interessant. Viele Kommentatoren haben mir die Prota abgenommen, haben mitgefühlt, teilweise Aggressionen gegen sie empfunden, weil sie bei Alex bleibt, aber alles in allem war es stimmig. Ich schau mir mal an, was Deine Kritikpunkte sind.

Bevor ich dir aufzeige, was ich genau meine, möchte ich aber zu dem Thema kurz etwas schreiben:
Was Ausssenstehende und der Leser ist ja ein Aussenstehender dieser Geschichte, immer wieder verunsichert, irritiert, ist die Tatsache, dass viele Frauen (und das gilt auch übrigens für Männer, die Quote der Geprügelten ist verflucht hoch) nicht auf der Stelle , spätetens aber beim dritten sozusagen Gewaltakt des Ehemannes gehen.
Wieso bleiben sie?
Wieso kommt ein hoher Prozentsatz derjenigen Frauen, die dann sich doch entschließen, ins z.B. Frauenhaus zu gehen, wieder zurück zu ihren Ehemännern. Obwohl sie genau wissen, dass er es wieder tun wird?
Wieso suchen sich diese Frauen, wenn sie ihren Ehemann doch endgültig verlassen haben, neue Ehemänner, mit denen alles von vorne los eht?

Genau um diese Fragen geht es in meinem Text und ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, das dem Leser nahezubringen. In meiner ersten Fassung war es zu oberflächlich, dank hilfreicher Kommentare hat sich die Geschichte entwickelt. Und mit der überarbeiteten Version bin ich weitgehend zufrieden (verbessern kann man natürlich immer).

AS sind für mich die Fragen, die ich mir stellen würde.
Und ein kleines Bisschen hatte ich zwischendrin immer den Eindruck, dass du sie dir auch gestellt hast, jedenfalls tauchen ab und zu mal Momente bei deiner Protagonistin auf, wo ich denke, ja jetzt macht die Autorin es richtig, jetzt geht sie an diese Frage geschickt heran.
Aber du stößt es alles immer wieder mit anderen seltsamen Verhaltensweisen deiner Prota um.
Schade.
Nachfolgend meine Aufstellung inklusive meiner Bemerkungen dazu:

Schade, dass Du nur den Eindruck hast, ich hätte mich "ein bisschen" damit beschäftigt. Das war nämlich sehr intensiv und hat mir auch beim Schreiben einiges abverlangt.

Ich wische mir den Schweiß von der Stirn, gieße Weißwein ins Glas, trinke einen Schluck und reiße das Fenster auf. Der Wind kühlt meine Wangen, lindert die innere Hitze. Ich starre hinab in die Tiefe, fünf Stockwerke, ich hab schon mal überlegt, zu springen.
Ihr ist offensichtlich heiß, heiße Wangen, aber auch innere Hitze. Woher kommt die?
Wenn sie sich ernsthaft jemand überlegt hat zu springen, dann frage ich mich, wieso sie, da sie es nicht getan hat, noch da ist. Ausstieg heißt hier das Wort.
Wenn jemand ernsthafte Selbstmordgedanken hat, dass ist es keine Angelegenheit, die man mit einem Nebensatz erwähnt. Das sind wuchtige Gedanken im Kopf eines Menschen und du gibst deiner Prota dafür keinen Raum? Wieso nicht? Wenn sie wirklich diese Gedanken hatte, musst du dich damit intensiver beschäftigen. Der Leser muss verstehen, weshalb sie es ursprünglich wollte und weshalb ihr Überlebenswille dann doch gesiegt hat.
Mit dieser Art, es so darzustellen, nimmst du dir die Möglichkeit von Lesern wie mir ernst genommen zu werden.
Ich lese das und denke: hoppla, schon wieder so eine, die nur trivial über etwas berichtet. Leider.

Hattest Du noch nie innere Hitze? Das Gefühl, von innen her zu glühen (ohne dabei einen roten Kopf zu haben)? Ich kenn das von mir selbst. Das hat außer Dir auch niemand angemeckert. Hat für die anderen gepasst. Ich lass das erstmal so stehen.

Was die Selbstmordgedanken angeht kann ich Dir versichern, das es Menschen gibt, denen ab und an zwischen allen möglichen alltäglichen Gedanken plötzlich im Kopf rumschwirrt "ich will nicht mehr leben" "ich kann nicht mehr" oder wenn sie an Bahngleisen vorbeilaufen "hab schon oft überlegt zu springen". Das heißt noch nicht, dass sie das gleich tun.

Einige Kommentatoren fanden gerade diesen eingeschobenen Nebensatz klasse. Ich lass ihn so stehen.

Hastig prüfe ich die
Hastig? Wieso?
lehne den Kopf gegen die gekachelte Wand, warte, bis der Schwindel sich legt.
Woher kommt der Schwindel?
hab immer noch das Gefühl, förmlich zu glühen. I
Also glüht sie nun oder nicht? Jetzt relativierst du es.
Eine bleiche, verängstigte Frau starrt mir entgegen.
Wie kann sie bleich sein, wenn ihre Wange(n) glühen? Wieso starrt sie? Was denkt jemand, der sich selbst anstarrt?

Hastig weil sie ständig unter innerem Druck steht. Bei den anderen Lesern hat das funktioniert.
Woher kommt der Schwindel? Menschen, die mit Angst/ Panik zu tun haben, haben ganz oft kurze (oder längere) Schwindelattacken. Ich denke, aus der Geschichte geht klar hervor, dass meine Prota mit Angst/ Panik zu tun hat.
Das Glühen ist mehr aufs Innere bezogen. Man kann durchaus bleich sein, wenn man innerlich glüht. Was sie denkt, während sie in den Spiegel schaut, das beschreib ich ja.

Die Schwellung an der rechten Wange klingt langsam ab.
Ok, hier erfahre ich, dass die Wange durchaus Grund hatte, heiß zu sein.

Die Hitze, die ich beschreibe hat in dem Fall nichts mit der Verletzung zu tun.

Ein Seufzer, ich mache weiter mit meiner Routine, greife nach der Schminktasche. Eine halbe Stunde später sitzt das Make-up perfekt.
Sie fährt wieder runter mit ihren Gefühlen. Wieso hat sie diese Ruhe weg, wenn er doch jede Sekunde betrunken heimkehren könnte? Ich hätte mich beeilt an ihrer Stelle.

Anfangs hatte ich das mit der "halben Stunde" nicht drin. Einer Leserin war das zu ungenau. Ihre Anmerkung war, das Denise es perfekt machen möchte und eine Frau dafür Zeit braucht.
Es ist schwer, wenn man auf die Kommenare verschiedener Leser eingeht. Irgendwie kann man es nicht allen Recht machen und man muss sich beim Schreiben ja auch treu bleiben. Ich lasse es mal so stehen.

Ein leises Stöhnen. Bin ich das? Ich kralle meine Nägel in die Oberarme. Mein Magen fühlt sich an wie ein Klumpen, die Muskeln sind verspannt, die Knie zittern.
Panikattacke? So sieht es jedenfalls aus. Übrigens, wenn es eine sein soll, recht gut beschrieben.

Klar, die Gedanken lösen Panik auf. Schön, dass das bei Dir angekommen ist :thumbsup:

Bitte, lass ihn wegbleiben, flüstere ich, während ich auf die Waage steige.
Klar und ganz cool auf die Waage? Ist das gefühlslogisch?

Das ist ihr Ritual und gefühlslogisch ist die Prota ohnehin nicht. Sie ist ja in einem psychischen Ausnahmezustand.

Dazu die Schlaflosigkeit, die ständige Angst, die mich zermürbt. Einerseits fürchte ich mich vor der Gegenwart, andererseits vor der Zukunft.
Hier erschlägst du mit Allgemeinplätzen, die Prota wird zu einer mir sich entfernenden Figur. Wie äussert sich Schlaflosigkeit? Ständige Angst? Hält kein Mensch am lebendigen Leibe aus! Wie fühlt man sich zermürbt? Gegenwart, was genau versteht sie darunter, Zukunft, was ist das für sie? Hier bist du auf dem Niveau, dass es eindeutig zu verlassen gilt, wenn es ein wirklich guter Text werden soll.

Es ist halt nur ne KG und sie ist schon sehr lange geraten. Würd ich ein Buch über das Thema schreiben, dann würd ich natürlich viel mehr auf die einzelnen Punkte eingehen. Ich denke, die meisten Leser begreifen sofort, wie sich eine Person zermürbt fühlt. Und ich gehe davon aus, dass die meisten sich auch vorstellen können, dass man sich nicht gut fühlt, wenn man nicht mehr schlafen kann. Jetzt beim nochmaligen Lesen, hab ich entschieden, diesen Satz zu streichen. Ich denke, in der Geschichte kommt die Angst auch so deutlich genug rüber.

goldenen Flügel. Hätte ich doch selbst welche. Einfach fortfliegen, in ein anderes Leben, eine andere Realität.
Selbstmitleid, finde ich gar nicht mal so schlecht dargestellt und nachvollziebar.

Das ist schön. Danke!

Die Nacht liegt auf mir wie eine alles erstickende Decke. Ich kriege kaum Luft. So oft hab ich mir vorgenommen, einen Schlussstrich zu ziehen.
Ich kriege kaum Luft ist die Aussage, wieso so dramatisch theatralisch mit der Nacht, die wie eine erschwerende Decke liegt. Und Schlussstriche kann man auf 1000 verschiedene Arten ziehen. Welchen meint sie? Das ist hier zu platt.

Was Du Drama/ Theatralisch nennst, das find ich persönlich richtig geil :D. Ich liebe solche Ausdrücke, wenn ich Bücher lese. Daher lass ich das auf jeden Fall stehen.
Den Schlussstrich hab ich jetzt konkretisiert in: diese Ehe zu beenden.

bevor ich aufstehe, das Nachthemd hochziehe, die blauen Flecke betrachte, als würden sie nicht zu mir gehören.
Jetzt betrachtet sie die körperlichen Schäden? Welchen Hintergrund soll das an dieser Stelle haben bis auf den, dass du an ungeschickter Stelle meinst, es dem Leser mitteilen zu müssen?
Würde eine Frau an dieser Stelle erstmal ihre blauen Flecken betrachten? Ja, wenn sie was vorhat. Aber deine ...?

Andere Leser fanden diese Szene gut. Sie ist in Gedanken versunken, denkt über ihre Ehe nach, die Anfänge, die Entwicklung. Warum sollte sie sich nicht die blauen Flecke anschauen? Ich habe die Szene aber etwas umformuliert. Sie wechselt jetzt erst im Schlafzimmer den Bademantel gegen das Nachthemd. Somit sollte die Betrachtung der blauen Flecke nachvollziehbarer sein.

Die Bilder in meinem Kopf wüten, die Schmetterlinge sind längst bleischwer geworden, sind kurz vor dem Absterben.
also noch nicht tot, warauf genau hofft sie denn?

Ich habe den Satz etwas später eingesetzt.
Zu dem Zeitpunkt hofft sie noch, dass sich alles zum Guten wendet. Sie hat die Realität noch nicht akzeptiert.

verzweifelte Tränen in der Einsamkeit des Badezimmers.
Wieder dieses Theatralische. Wie sehen verzweifelte Tränen aus? Und bitte sei so gut und streiche die Einsamkeit, das klingt an dieser Stelle wirklich lächerlich.

Da viele andere Leser diesen Satz toll fanden und ich ihn auch sehr mag, lasse ich ihn stehen, auch wenn Du ihn lächerlich findest.

Wie ich dastehe und nicke. Mich frage, was ich tun könnte, damit es ihm besser geht. Ich strenge mich an, koche seine Lieblingsgerichte, poliere seine Schuhe, bis sie glänzen. Er legt Wert auf gutes Schuhwerk.
Sie probiert die devote Haltung, in der Hoffnung, dass sie auf diese Weise ihren Ehemann wieder ins Boot holen kann. Nachvollziehbar bei unerfahrenen Frauen. Glaubwürdig bei deiner Protagonistin.

Schön, dass das für Dich glaubwürdig ist.

Zwanghafter Smalltalk. Ich weiß nicht, wie ich darüber hinwegkommen soll.
Hier hat sie offensichtlich mit ihm abgeschlossen. Klingt jedenfalls so.

Nein. Sie möchte darüber hinwegkommen, hat immer noch Hoffnung. Ich habe den Satz umformuliert: Ich überlege, wie ich darüber hinwegkommen soll.

Bin durch das Treppenhaus, hab mich am Geländer festgekrallt. Raus durch die Tür, auf die Straße, nach rechts schauen, dann nach links. Das Grauen, das aus heiterem Himmel über mich herfällt.
Das Grauen? Du hast echt den Hang zum maßlosen übertreiben. Wie sieht dieses Grauen aus?

Für Denise sind die Panikattacken "das Grauen". Verstehe nicht ganz, was Dich an diesem Wort so sehr stört. Wie sieht dieses Grauen aus? Das hab ich in den nachfolgenden Sätzen beschrieben.
Hab die Stelle jetzt umformuliert: Die Panik, die mich aus heiterem Himmel überfällt.

Die Klammer um meine Brust. Die Atemlosigkeit. Wie ich die Blusenknöpfe öffne, um besser Luft zu kriegen. Es hilft nicht. Der Schweiß perlt von meiner Stirn. Ich kann keinen Fuß vor den anderen setzen.
Hier beschreibst du es plastisch und gut.

Schön! Danke!

Alles dreht sich, der Boden unter mir flimmert, schwankt. Ein Blick zurück, die rettende Haustür hinter mir. Ich renne in die Wohnung, schließe die Tür hinter mir, rolle mich auf dem Teppich zusammen und heule.
Gut beschrieben. Wozu also vorher diese Dramaworte "Grauen"? Das meine ich, wenn ich mich frage, in welche Richtung du dich entwickeln möchtest. Du kannst es. Du kannst richtig gut beschreiben. Aber du tust es nur sehr wenige Male.

Schade, dass das bei Dir so ankommt.
Vielleicht haben wir einfach einen total unterschiedlichen Geschmack. Würde mich sehr interessieren, was Du gerne liest. Ich glaub, bei Karen Rose oder Tana French würdest Du die Krise kriegen, wenn Du Dramaqueens nicht magst. :)

Ich kann den Mist nicht mehr hören, kauf’s ihm nicht mehr ab. Sein Lächeln erreicht mich nicht mehr. Die Schmetterlinge sind tot.
Hier weiß man nicht, ob sie nur so tut als ob oder ob sie immer noch in der Ablösephase ist.

Sie wird sich immer klarer, ist aber noch nicht soweit, sich zu lösen. Das ist ein langer Prozess.

ch traue mich nicht mehr aus dem Haus, bin es leid, die Sonnenbrille zu tragen, obwohl es bewölkt ist, obwohl es regnet. Bin es leid, den Leuten etwas vorzumachen: Ich bin gegen den Türrahmen gelaufen. Oh, ich bin so ungeschickt, bin gestolpert, es hat mich ordentlich hingehauen. Hatte einen Fahrradunfall, hab mich am Herd verbrüht.
Eine Form der Rückkehr, des Bleibenwollens ist das Leugnen gegenüber anderen.

Da sind wir einer Meinung.

Eine Welle der Scham durchflutet mich. Von meinen Freunden hab ich mich längst zurückgezogen.
Gut beschrieben.

Vielen Dank!

Guck dir die Dumme an, lässt sich von ihrem Macker verprügeln. Irgendwas muss die falschmachen.
Absolut gut nachvollziehbare Gedanken.

Schön! Danke!

„Es ist aus. Ich verschwinde!“ So oft hab ich die Worte vor dem Spiegel geübt.
Nein, das nehm ich ihr nicht ab. So läuft es meiner Meinung nach nicht. Sie weiß, dass sie keine Showtreppe aufbauen darf, um abzuhauen, es sei denn, sie will an dieser Stelle mitteilen, dass sie nie gehen wird.

Sie übt diese Worte nur für sich. Natürlich spricht sie sie nicht aus. Sie versucht sich selbst Mut zu machen. Wünscht sich, sie könnte die Worte aussprechen, würde sich nicht trauen. Das sind Tagträume.
Hab den Satz umformuliert in: "Es ist aus. Ich will die Scheidung!"

Wenn ich ehrlich bin, ist es nicht nur die Angst vor den Schlägen, die mich davon abhält. Da ist die Ungewissheit. Was kommt danach? Schaff ich es ohne Mann?
Das sind wieder diese Allgemeinplätze. Schaff ich es ohne Mann? Was genau würde ihr fehlen, was stellt sie sich an dieser Stelle als Katastrophe ohne Mann denn vor? Was ist für sie ungewiss?

Genau. Weiter unten hab ich es konkretisiert.

Wird er mich stalken, mir etwas antun? Mich büßen lassen?
Gut, hier wirst du dann etwas konkreter.

Ja.
Und ich hab noch hinzugefügt: Finde ich einen Job, nach drei Jahren nur zuhause sein? Kann ich mich selbst versorgen?

Allein bei den Gedanken schaudert es mich. Also harre ich aus, warte. Hoffe, dass er meiner überdrüssig wird, seinen Fokus auf eine Andere richtet.
Kann man irgendwie auch noch nachvollziehen, aber das hieße ja, sie will bleiben, obwohl es nicht lebenswert ist, in der Beziehung zu bleiben. Wieso ist dieses Übel für sie das geringere?

Schön, dass das nachvollziehbar ist.
Sie will nicht bewusst bleiben, aber zu dem Zeitpunkt kann sie einfach nicht anders.

Ich warte auf eine Chance. Bin wie gelähmt, ein Nichts, versunken im Sumpf der Resignation. Hab mich irgendwie an diesen Zustand gewöhnt.
Entweder oder! Ich bin entweder gelähmt, versunken in Resignation oder ich warte auf eine Chance, denn dass jemand gelähmt ist und resigniert hat, nur um, wenn sich ihm die Chance bietet, dann dieses wahrzunehmen, würde ja implizieren, dass eine Aufmerksamkeit, Gespanntheit existiert in ihm, um überhaupt diese Chance erkennen zu können.
Du bist also an dieser Stelle ungenau und zeichnest eine Prota, die es so nicht geben kann.

Hab ich umformuliert in: Also harre ich aus, warte. Hoffe, dass er meiner überdrüssig wird, seinen Fokus auf eine Andere richtet. Mir ist klar, dass der Moment vielleicht nie kommen wird, dass ich mein Leben selbst in die Hand nehmen sollte, doch ich bin wie gelähmt, ein Nichts, versunken im Sumpf der Resignation.

Vielleicht wird alles wieder gut.
Hoffnung, die wird es fatalerweise in jedem Stadium einer Beziehung geben. Glaubwürdig.

Schön! Danke!

Was red ich mir da eigentlich ein? Die Abstände zwischen den Prügeln werden kürzer, die Panikattacken schlimmer.
Gut überlegt von ihr, man erkennt in deiner Prota langsam herankeimendes Wachsen an der Situation. Aber wozu musste jetzt noch der Erwähnung der Panikattacken folgen? Und mal ehrlich, eine fette Panikattacke ist nichts, was in einen derart Nebensatz gehört.

Hab ich gestrichen.

Ich stecke in Treibsand fest, kann nicht vor, nicht zurück.
Ein Bild, wie es ausgelutschter nicht sein könnte. So etwas langweilt den Leser und wenn ich nicht den Eindruck hätte, du könntest es echt besser, würde ich spätestens hier endlich aufgegeben haben, deinen Text weiter zu lesen. Der Leser und natürlich erst recht hier die Leser bei uns Wortkriegern sind überwiegend aufmerksam. Denen kannst du nicht einfach solche Plattitüden unterjubeln.
Obendrein frage ich mich auch inhaltlich, nicht nur stilistisch, weshalb, wo sie doch soeben noch eigene gute Erkenntnisse für sich hatte, weshalb sie jetzt wieder meint, im Treibsand fest zu stecken? Deine Prota wechselt ihre extremen Ansichten innerhalb von Sekunden, man könnte fast meinen, dass dies schon hochpathologische Züge hat. Genau DAS willst du ja aber gar nicht darstellen, nicht wahr?

Du nennst das Plattitüden, für mich entstehen durch solche Ausdrücke sofort Bilder im Kopf. Mich persönlich langweilt es nicht, wenn ich solche Ausdrücke lese. Ist vielleicht Geschmackssache.
Natürlich wechselt sie innerhalb von Sekunden ihre Ansichten. Psychologischer Ausnahmezustand. Ambivalenz. Der Wunsch auszubrechen, dann wieder die Angst, die es verhindert.
Ich möchte die Ambivalenz darstellen, die Zerrissenheit.
Den Satz mit den Treibsand hab ich mal gestrichen.

Die ist nicht durchgeknallt, die ist einfach nur seelisch fertig von ihren Erlebnissen mit dem Ehemann. Aber das stellst du nicht so dar. Wenn jemand für ein paar Augenblicke in seinem Leben nicht mehr weiß, was los ist, dann kann man das z.B. dadurch darstellen, indem man all die diffusen und verqueren und richtigen und falschen Gedanken und Gefühle auf einen Punkt bringt, so dass der Leser merkt, was da im Kopf der Prota los ist.
So wirkt es auf mich, dass dir die Dosis an Drama noch nicht hoch genug vorkam und du eben noch hie und da was dazwischen gepackt hast, was schön wuchtig klingen soll.
Genau das Gegenteil bewirkt dies aber.
Man beginnt, deine Prota nicht mehr ernst zu nehmen!

Schade, dass Du meine Prota nicht ernst nehmen kannst. Du bist die Einzige, die das bei der überarbeiteten Version anmerkt. Für andere hat es funktoniert. Ich denke, es ist ein Ding der Unmöglichkeit allen Lesern/ Kommentatoren gerecht zu werden.
Mir ging es auf keinen Fall darum, immer noch mehr Drama zu produzieren - im Gegenteil. Vielmehr wollte ich dem Leser eben diese Ambivalenz aufzeigen. Schade, dass es bei Dir nicht funktioniert. :(

Ich hab’s probiert. Vor ein paar Wochen hab ich meinen Mut zusammengenommen und versucht, ihm klarzumachen, wie’s mir geht.
Mal ehrlich, wenn sie so naiv ist, zu glauben, mit so einem Mann, könne man auch nur drei Sätze ehrlich reden, diskutieren, offen sein, dann hat sie noch nicht viel vom Leben mitbekommen.
Sie scheint also, unterstellt, du willst genau dieses Gefühl bei mir als Leser auslösen, entweder jung und komplett unerfahren zu sein oder schwer unterbelichtet. Nur, dann musst du mir Leser doch auch die Chance geben, es vorher zu erfahren.

Sie ist mit ihm verheiratet. Es gab auch schöne Zeiten, bzw. ab und zu gibt es die immer noch. Ich finde es glaubwürdig, dass sie zumindest den Versuch startet. Natürlich ist sie ein Stück weit naiv und auch jung. Ich hatte beim Anfang der Beziehung geschrieben, dass sie gemeinsam ihren Abschluss zur Erzieherin feiern und hab nun später noch eingefügt, dass sie 3 Jahre nicht mehr arbeitet. Somit sollte klar sein, dass sie jung ist. Hab auch noch eingefügt, dass er der erste Mann ist, der ernsthaft an ihr interessiert ist. Und auch, dass sie noch Jungfrau ist, als sie mit ihm zusammenkommt. Somit sollte der Punkt jetzt klarer sein.

Und zwar so, dass ich entweder tiefe Empathie für dieses arme Geschöpf empfinde, weil sie leider so wenig Waffen gegen diesen fiesen Ehemann hat oder aber ich wütend auf sie bin, weil sie so wenig ihren eigenen Kopf benutzt, obwohl sie es könnte.
Das ist dann deine Regie, was für eine Person sie sein soll.
Zum Beispiel macht es durchaus Sinn, auf irgendeine Weise zu erfahren, wie alt sie ist. Es geht nicht exakt um die Jahreszahl, sondern um das Dahinterstehende eine 40jährige, der so etwas widerfährt steht anders da als eine 20jährige. Hatte sie schon andere Männer mit denen sie zusammen gelebt hat? Oder ist dies ihre erste echte Beziehung? Solche Dinge sind doch überhaupt nicht unwichtig in so einem Zusammenhang. Da wo es wichtig ist, gibst du als Autorin nichts preis über deine Prota, sondern versteigst dich in jede Menge dramatische Äusserungen, die aber leider in ihrer Wirkung hohl bleiben.
Dabei zeigst du an vielen Stellen, dass du das Zeugs dazu hast, es richtig treffend zielgenau zu setzen.

Klar, der Leser soll Empathie empfinden, aber es ist durchaus auch erlaubt/ bzw. gewollt, dass er ein Stück weit Aggressionen ihr gegenüber findet, sie schütteln will, da rausholen will, sie nicht verstehen kann. Das Ziel ist nicht, sie durchweg sympathisch zu zeichnen.

Danke für Deine Überlegungen . Ich habe entsprechende Hinweise eingestreut (s.o.)

Weiter komme ich jetzt leider nicht, ich bearbeite später weiter und schicke Dir eine Nachricht, wenn ich fertig bin.

Und ich, wie ich den Blick senke und flüstere: „Es tut mir so leid, Alex. Passiert nicht noch einmal.“
All die Schuldgefühle. Ich bin nichts wert, schaff’s nicht einmal, meinen Mann zufriedenzustellen. Bin ne jämmerliche Versagerin. Ein Nichts.
Da ich ja aus der Satireabteilung komme, hätte ich null Probleme, wenn das jetzt hier eine wäre.
Eben noch hat deine Prota so etwas wie Hoffnung und Erkenntnisse gehabt, um jetzt so klein wie ein Wurm zu werden? Das Problem ist, wenn jemand von sich behauptet, er sei ein jämmerlicher Versager, Schuld an allem und nichts wert, dann schaut man auf, weil man wissen will, ob jetzt hier Widerspruch erwartet wird, so nach dem Motto: "Nein, denke das nur nicht von dir, das bist du nicht!" oder soll man sich das Würmchen anschauen und sich sagen: "Ja, stimmt, so mickrik wie diese Person da steht, ist sie nichts wert?"
Mir erschließt sich nicht, was das jetzt soll. Da spricht die Autorin direkt mit Hilfe der Prota anstatt die Prota genau das sagen zu lassen, was sie empfindet.

Auch hier verstehe ich Deine Einwände nicht.
Denise fühlt sich als Nichts, als Versagerin. Ich schildere hier ihre Gedanken.
Es geht nicht darum, dass der Leser nun bewertet, ob sie das tatsächlich ist oder ihr zurufen will: "Mensch, Mädel. Natürlich bist Du etwas wert."
Mir geht es lediglich darum, ihre Gedanken zu vermitteln.

Doch meine Dämonen kann ich nicht aussperren. Sie sitzen tief in meinen Eingeweiden, fressen mich langsam von innen her auf.
Ich ernenne dich hiermit zur verbalen Dramaqueen. :dozey: Diese beiden Sätze sind nur Effektmacherei ohne Aussagekraft. Wieso? Du hast das gar nicht nötig. Schildere einfach nur, was die Prota tut und empfindet, denkt. Mehr nicht. Dann entsteht schon von ganz allein ein Szenario das den Leser mitnimmt und beeindruckt.

Grins :D Du darfst mich gerne zur verbalen Dramaqueen ernennen. Da hab ich kein Problem mit. Ich stehe einfach total auf solche Sätze. Ich mag das beim Lesen von Büchern und ich mag das beim Schreiben. Daher lasse ich es so stehen.

Wenn nicht jetzt, wann dann? Pack deine Tasche, Denise! Hau endlich ab!
Ja! Nur frage ich mich, wieso jetzt wieder und zwischendrin so selbstvernichtend?

Weil das im Gehirn im Sekundentakt so hin und hergeht.

Da hab ich’s begriffen. Es macht ihm Spaß, turnt ihn an, mich zu quälen, zu erniedrigen. Er geilt sich an meinen Tränen auf, genießt die Macht, ist wie im Rausch.
Wichtigster Satz in deiner Geschichte! Und mir wäre es durchaus recht, wenn der Titel nicht hieße "Ich hab's nicht kommen sehen", sondern "Ich wusste es von Anfang an", denn mal ehrlich, kein Mann (Frau) der sich so verhält, hat dies nicht in irgendeiner irritierenden Form bereits während der Zeit des Verliebtseins durchblitzen lassen?
Ich wage zu behaupten, dass jeder Partner eines solchen Ungeheuers schon sehr sehr früh etwas geahnt hat. Mehr nicht, nur geahnt, denn bei der allerersten Erkenntnis schaltet sich natürlich das ganze Programm ein, wie "aber ich liebe ihn ja doch und er auch mich", "da hab ich jetzt nicht das Recht, es so hoch anzusiedeln, der ist nur unsicher" "das gibt sich", "ich war eigentlich gar nicht gemeint" und so weiter. Schön wäre es gewesen und auch tatsächlich, um die Spannung noch etwas zu steigern, wenn du beim Bericht, wie man sich kennenlernte da so einen Moment seiner Bösartigkeit aufblitzen ließest. Als Leser erkenne ich dann, dass da was lauert und zittere mit der Prota, dass sie diese Erkenntnisse endlich auch bekommen möge.
Du verschenkst gute Möglichkeiten.

Ja, das ist der Point-of-no-return. Da bin ich Deiner Meinung.

Es gibt leider Männer, die die perfekte Fassade bis nach der Hochzeit aufrecht erhalten können. Da blitzt nichts durch, sie wollen die Frau an sich binden, Stück für Stück von sich abhängig machen. Wenn die Typen schon in den Anfängen ihre Boshaftigkeit zeigen würde, hätten die Frauen ja noch Gelegenheit, abzuhauen.

Bestimmt gibts auch Männer, bei denen das viellleicht so funktioniert, das mag ich Dir nicht absprechen.

Ich stimme Dir zu, dass man das ganze noch ausbauen könnte. In einem Buch, aber in einer KG sehe ich die Option nicht. Das würde viel zu ausufernd werden.

Hab mir gedacht: Denise, du musst da weg. Das kann übel enden. Im Krankenhaus. Bleibende Schäden. Rollstuhl. Da ist mir klar geworden, dass ich was tun muss.
Den Rollstuhl hast du doch dann am Ende eingebaut, hier wirkt er auf mich, als sei dir grad eingefallen, dass er ein Challenge-Wort gewesen ist. Und denkt man wirklich so? Das kann übel enden, ja richtig. Aber wieso nach der Gefahr der bleibenden Schäden der Rollstuhl automatisch als nächster Gedanke kommt, ist etwas arg gedanklich gesprungen.

Oh nee. Bei der Erwähnung des Rollstuhls hier in dem Satz hab ich gar nicht an die Challenge-Wörter gedacht. Das ist mir einfach so beim Schreiben eingefallen.
Habs jetzt umformuliert, damit da keine Doppelung ist.

Ich schaff’s nur irgendwie nicht, mich aus dieser Lethargie zu lösen.
Zu erkennen, dass man lethargisch ist, ist der erste Schritt, sie zu beseitigen.

Das stimmt.

Mein Gott, wie tief bin ich gesunken! Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen, wimmere vor mich hin, denke an das Telefonat mit ihr.
Jetzt wird deine Prota von dir zur Dramaqueen vergewaltigt. Selbstanklagen ja! Gar keine Fragen, die sind garantiert bei deiner Prota vorhanden. Aber man schlägt eigentlich die Hände vors Gesicht, wenn jemand anderer da ist und das Wimmern macht irgendwie auch nur Sinn, wenn noch ein Paar Ohren wo sind. Es sei denn, sie zerfließt in Selbstmitleid, aber das kann sie auch lautlos gut tun. Verstehst du was ich meine? Ich empfinde ihr Verhalten an dieser Stelle als nicht authentisch und damit erzielst du den gegenteiligen Effekt bei mir. Ich glaube deiner Prota die Show nicht.
Aber genau das willst du ja nicht erreichen, weil wir ja eben nicht in einer Satire sind.

Okay. Da stimme ich Dir jetzt zu, was das Drama angeht. Das war ungeschickt von mir.

Hab das gestrichen.

Aber scheiße! Allein krieg ich das nicht hin. Ich schaff es nicht, brauch dringend Hilfe. Meine Gedanken rasen.
Hier resümiert die Autorin und bedient sich dazu der Prota, die besser einfach nur zeigen sollte, was los ist. Zum Beispiel könnte sie das Handy in die Hand nehmen, anfangen die tippen, dann legt sie das Ding wieder weg, steht auf, geht in die Küche, dreht wieder um, geht zum Kleiderschrank und holt die Tasche raus, stellt sie aufs Bett, und setzt sich aufs Bett und kommt nicht weiter, dann das Handy wieder, sie tippt erneut, tippt aber nicht auf die grüne Taste, wieder raus aus dem Zimmer oder ran ans Fenster in die Ferne geschaut, ab ins Bad, sich nochmals die Wangen gekühlt und so weiter. Verstehst du? Du erzählst hier nicht wie ein Erzähler, was sie fühlt, sondern der Leser begleitet sie durch dieses Hin und Her und ihre Wuschigkeit und merkt, was mit ihr los ist.

Auch hier stimme ich Dir zu und habe den Vorschlag gerne aufgegriffen. Stelle ist umformuliert und angepasst.

Ich trenn mich von ihm. Geht nicht mehr.
s.o.

Das hab ich so gelassen. Das ist ja die Nachricht, die sie ihrer Freundin schreibt.

Ich gehe ins Schlafzimmer, ziehe meine Sporttasche unter dem Bett hervor und packe. So schnell war ich noch nie. Stopfe alles wahllos rein, was mir etwas bedeutet. Es kann mir nicht schnell genug gehen. Ich kenn mich, will‘s mir nicht anders überlegen. Will es jetzt durchziehen. Will einfach nur weg.
Sie will es sich nicht anders überlegen? Dieses ewige Ja Nein Ja Nein verlangt von mir als Leser viel ab, ich soll ihr das alles abnehmen zum jeweiligen Zeitpunkt. Das kann ich aber an dieser Stelle schon nicht mehr.

Sie kennt sich, weiß, dass sie schnell nen Rückzieher macht. Ich finde diese Gedanken in dem Moment absolut nachvollziehbar.
Hab dennoch einen Teil gestrichen.

Sei kein Feigling, Denise! Steh für dich ein, sag ihm, was Sache ist. Anna ist unterwegs, lass dich nicht unterkriegen!
Gute Methode sich zu motivieren. Sie ist also wieder auf dem richtigen Weg.

Das ist sie.

Ich fixiere ihn, die Hände im Schoß gefaltet, den Rücken gerade.
Bist du sicher, dass man jemanden mit den Augen fixieren! kann, vor dem man noch vor Minuten bereit war zu Kreuze zu kriechen? Fixieren heißt Machtkampf mit den Augen. Das macht man nur, wenn man für sich selbst Chancen sieht, zu siegen. Sieht sie die wirklich? Wenn ja, dann schildere sie bitte dem Leser. Was macht sie im Moment denn so stark, dass sie ihn mit den Augen fixiert?

Ich hab das gestrichen und die Szene weiterlaufen lassen.

Sein Blick versengt mich wie ein elektrischer Schlag,
Den Orden habe ich dir ja schon verliehen. Drama, Drama!

Grins :D Das passt schon mit dem Orden. Da ich den Satz mega mag, hab ich ihn stehen lassen.

:shy:
Ich spüre, wie meine Schultern beben, fixiere einen Punkt an der Wand. „Alex, ich muss mit dir reden. Es ist wichtig.“
Tja, an dieser Stelle habe ich gedacht, wie schade, dass ich immer noch nicht weiß, was die Prota für eine Person ist. Was machte sie denn beruflich? Wie alt ist sie? Ist sie vielleicht furchtbar schlicht gestrickt? Hat ihr vielleicht irgendwer eingebläut, man muss sich immer redend um die Dinge kümmern?
Ich komme mir so ein wenig vor wie in diesen furchtbar niveaulosen Fernsehsendungen, in denen z.B. die absoluten Auswandererloser ohne Geld, ohne Sprachkenntnisse, aber mir vielen Rosinen im Kopf ins Ausland begeben. Die sind so doof, da muss ich mich unweigerlich hoch überlegen fühlen. Genau diese Stimmung erzeugst du jetzt bei mir. Kein Leser wird dir an dieser Stelle bescheinigen, dass es Sinn macht mit diesem Mann noch ein Wörtchen zu reden. Reißverschlusstasche zu und ab aus der Wohnung ist die Devise. Ich werde gerade durch diese Szene zur hoch Überlegenen. Das will ich aber gar nicht. Ich verliere Achtung vor deiner Prota.
Das ist nicht gut.

Du fragst, was sie beruflich macht - steht in der Geschichte. Beim Kennenlernen wird erwähnt, dass die beiden ihren Abschluss zur Erzieherin feiern und im weiteren Verlauf wird erwähnt, dass sie nicht mehr arbeitet, weil er es ihr verboten hat. Das scheint bei Dir untergegangen zu sein. :)

Dass mit dem Alter, der Unerfahrenheit hab ich in der Überbeitung eingefügt.

Ich hab die Szene nun ein wenig abgeändert.
Sie versucht nicht mehr mit ihm zu reden.
Einfach die Tasche schnappen und raus, das wäre auch nicht realistisch. Der lässt sie doch nicht so einfach rausspazieren.

Demütig senke ich den Kopf, gehe in die Küche,
Eben noch hat sie ihn fixiert, eben noch will sie hirnlos eine Diskussion mit ihm, um binnen einer Sekunde devot zu werden. Deine Prota wechselt mir zu schnell ihre Kleider

Hab das demütig gestrichen.

Ich unterdrücke ein Würgen, beiße mir auf die Lippen, um sie zu befeuchten. Mein Herz pocht wild und am liebsten würde ich ihn zur Seite stoßen und davonrennen. Ach, scheiß drauf! Ich will’s einfach nur hinter mich bringen.
Und jetzt kommt ihr ihr eigenes Verhalten selbst hoch? Mir gefallen diese eigenen Wertungen, die die Prota mitteilt, nicht. Wie wäre es, wenn du einfach darstellst, was sie tut. Show! Nicht tell!
Der Leser erfährt, dass sie in die Küche geht und muss sich selbst darauf einen Reim machen.
Das wäre allemal spannender als diese Äusserungen der Prota dazu.

Danke für den Hinweis.
Ich hab die Stelle gestrichen.

Mir stockt der Atem. Jetzt kann ich mich nicht mehr rausreden. „Alex, bitte nicht. Nicht heute Nacht. Das muss ein Ende haben.“ Meine Stimme nur ein Wispern.
Eben noch wollte sie mit ihm drüber reden, dass sie ihn verlassen will, nun kann sie sich nicht mehr rausreden? Und warum, wenn sie doch weiß, wie das alles abläuft und wie unweigerlich hart er vorgeht und wie wenig er jemals von seinem Schema abweichen wird und im Gegenteil, je mehr es ihn anmacht, dass sie sich so schlecht und wertlos fühlt, wieso fleht sie ihn noch an?
Was geht da grad im Kopf der Prota vor?
Was für eine Person ist sie?

Auch diese Stelle hab ich gestrichen und die Szene laufen lassen.

Tränen schießen mir aus den Augen und landen auf meinen Füßen.
s.o.

Die Tränen hab ich gelassen, da ich das nachvollziehbar finde in ihrer Situation.

Mein Hals wird eng, ich keuche. Meine Brust droht zu zerbersten, mein Herz schlägt wie ein Hammer gegen die Rippen. Ich will schreien: Hau ab! Lass mich in Ruhe! Verpiss dich! Doch da kommt nur ein Krächzen. Mein Mund ist trocken, die Lippen aufgerissen, es schmeckt nach Blut.
Endlich Wut!

Ja :thumbsup:

Warum werde ich nicht ohnmächtig? Einfach vergessen, abdriften, diese grausame Welt verlassen.
Aus der sie raus will? Wozu, genau diese Wut gäbe ihr Kraft. Deine Prota verhält sich eindeutig hochgradig merkwürdig.

Findest Du das merkwürdig? Sie bezieht heftigst Prügel, hat ihrem Peiniger körperlich nichts entgegenzusetzen. Ich finds absolut glaubwürdig, dass sie sich bei den Schlägen und den Schmerzen nach der Ohmacht sehnt.
Hab ich gelassen.

Dann verstummt die Welt, gefriert, während die Finsternis von allen Seiten herantobt, mich ummantelt, festhält. Eine Sekunde lang hab ich das Gefühl zu schweben.
Verzeih meine Wiederholungen, aber hier bist du wieder in Hochform als Dramaqueen. Der Leser weiß doch schon, was passiert ist, das muss doch jetzt nicht noch mit Theaterdonner untermalt werden. Das wirkt an dieser Stelle auch schon schwülstig. Ein Effekt, den du sicherlich nicht hervorbringen willst.

Ich mag wie gesagt das Drama und ab und an mag ich es auch schwülstig.
Hab es stehen gelassen.

. Denise, gib nicht auf! Kämpf! Ich beiße mir auf die Unterlippe, der jähe Schmerz verschafft mir ein wenig Klarheit.
Gut. Nachvollziehbar und knapp beschrieben.

Schön! Danke!

Ich rapple mich hoch, das Nachthemd ist zerrissen, ich falte es, lege es auf die Couch.
Sie fasst sich also.

Ja.

Mir ist flau im Magen, ich kralle meine Nägel in die Sofalehne, atme tief durch.
Sie arbeitet dran, sich zu fassen.

Sie gibt sich Mühe.

Ich, grüble, was ich dem entgegensetzen kann, betrachte meine dünnen Arme. Wie ich diesen ausgemergelten Körper hasse.
Wieso grübelt sie jetzt? Und dass ihr jetzt an dieser Stelle der Gedanke kommt, sie könnte mir kräftigerem Körper etwas ausrichten, halte ich für sehr fragwürdig. Eine Magersüchtige sieht diese Mängel eigentlich nicht. Der sind die Arme nicht zu dünn, ganz im Gegenteil. Die ist auch nicht in der Lage, ihren Körper als ausgemergelt zu betrachten, es sei denn, sie ist bereits auf dem Weg der Genesung von dieser Erkrankung. Dann wird sie es so können,.
Aber genau dazu schilderst du in der ganzen Geschichte nichts, dass sie ihre Erkrankung als Magersüchtige erkannt hat und dagegen vor gehen möchte.

Ich hab die Stelle gestrichen.

Es ging an keinem Punkt in der Geschichte um Magersucht. Es wurde lediglich erwähnt, dass sie sehr dünn ist, weil sie keinen Appetit mehr hat.

Ich gehe mit hängenden Schultern hinter ihm ins Schlafzimmer
Klar. Anders wäre es überraschend. Muss es dann noch geschildert werden? Du kannst auch straflos schreiben: Ich gehe hinter ihm ins Schlafzimmer.

Ja, ich möchte es gerne schildern. Lasse es stehen.

Zitternd liege ich unter ihm,
Dass sie nicht freudestrahlend da liegt, weiß der Leser. Zitternd ist so eine Aufdopplung mit der Keule, damit der dumme Leser auch ja nicht vergisst, wie dramatisch schlecht es ihr geht.

Hab ich gestrichen.

Verzweifelt drehe ich den Kopf in dem Kissen hin und her, winde mich unter ihm. Hätte ich doch mehr Kraft. Wie gerne würde ich ihn von mir runterstoßen.
Dass sie ihn gern herunterstoßen würde, kauf ich sofort. Aber würde sie wirklich in Anbetracht seiner Brutalität ihm laufend Signale dazu geben, dass sie sich weigert, indem sie den Kopf hin und her dreht? Könnte es nicht eher so sein, dass sie wie ein Brett unter ihm liegt? Erstarrt ist vor Angst?

Den Vorschlag hab ich gerne übernommen. Szene ist umformuliert.

Ich liege neben ihm, die Augen weit aufgerissen, starre an die Decke.
Ich frage mich, wozu sie die Augen weit aufreißt. "Ich liege neben ihm, starre an die Decke"

Auch das hab ich gerne übernommen.

all das verursacht mir Gänsehaut. Jedes Mal, wenn er sich bewegt, zieht sich mein Magen zusammen. Bitte nicht! Wach nicht auf!
Du schilderst ununterbrochen etwas zu ihrer mentalen Einstellung und körperlichen Verfassung. Wie wäre es mal anders herum. Du schilderst, was sie tut. Was würde so jemand tun, wenn sich der Mann bewegt. Man erstarrt, versucht immer weiter ganz vorsichtig auszuweichen, um auf keinen Fall durch den Körperkontakt diesen Menschen zu wecken. Man rückt mit steifem Körper in Slowmotion ab, hält vielleicht unwillkürlich den Atem dabei an, presst die Lippen aufeinander, weil man befürchtet, dass selbst das Geräusch des Atmens ihn wecken könnte. So in etwa würde/könnte es aussehen.

In dem Fall tut sie ja nichts. Sie liegt einfach da und ich schildere, wie es ihr körperlich geht, wenn er sich bewegt.
Ich verstehe, was Du meinst, aber in dieser Szene möchte ich es lieber kurz und knapp halten.

Mir wird schwindlig, alarmiert stütze ich mich an der Wand ab. Mein Körper darf mir jetzt nicht den Dienst versagen. Ich laufe in die Küche.
Sicherlich merkst du es jetzt selbst schon, nach all meiner Kritik. Wenn ihr eben noch schwindelig war, was ja eine durchaus adäquate Reaktion sein kann, dann kann sie eigentlich nicht eine Sekunde später in die Küche laufen. Wanken vielleicht, sich abstützen, wo es nur geht. Aber laufen?

Oh doch. Und ob man das kann. Es gibt Schwindel, der dauert nur Sekunden und wenn der nachlässt, kann man ganz normal weitermachen.
Eigentlich wollte ich gehen schreiben, aber das hatte ich schon so oft im Text.
Ich habs jetzt in "schleichen" abgeändert.

Oh nein! Jetzt nichts wie weg. In meinem Kopf dröhnt es, das Blut rauscht in meinen Ohren.
Was passiert genau, wenn die Ohren wegen Bluthochdrucks zu sehr durchblutet werden?
Man hört seinen eigenen Herzschlag im Ohr. Rauschen tut es im Wald mit Laubbäumen.

Mmmh. Also ich hatte schon Rauschen im Ohr (hört sich genauso an, wie wenn Bäume rauschen). Ich lass das stehen.

Scheiß auf die Schuhe! Ich muss hier raus. Der Griff zur Türklinke. Mach auf, Denise! Geh endlich! Nur noch ein paar Schritte.
Hier könntest du vielleicht mal eine andere Art der Darstellung wählen. Sie gibt sich ja innerhalb deiner Geschichte ganz oft selbst sozusagen Befehle, stellt sich Fragen, macht sich Vorwürfe. Der innere Dialog oder gar Selbstgespräche. Hier könntest du zeigen, was sie tut. "Ich habe die Türklinke fest im Griff, nur noch einen winzigen Schritt, meine Hand umschließt sie..."

Das stellt ja ihre innere Stimme dar. Ich lass es so stehen.

Mein Körper versteift sich.
Du willst damit darstellen, dass sie bewegungsunfähig ist?

Genau.

Da ist plötzlich Kraft in mir, Adrenalin durchströmt mich. Ich mache einen Schritt hinaus ins Treppenhaus. Er hinterher. Ich spüre kaum, wie er mich an den Haaren packt, daran reißt.
Und wieder der komplette Stimmungswechsel im Sekundentakt.
Die Szene mit den Haaren ist ungenau. Sie spürt es oder sie spürt es nicht. Kaum ist bedeutungslos. Wie wäre es, wenn du darstellst, wie er ihre Haare packt, sie daran zurückreißt und sie sich wundert: "Müsste es nicht jetzt wie sonst höllisch weh tun? Ich spüre keinen Schmerz". und der Leser weiß nun, ah, sie ist auf dem Weg ihrer Befreiung.

Was die Haare angeht, stimme ich zu. Hab das umformuliert.

Hört das denn nie auf?
Und schon wieder retour mit den Gedanken. Sie erzagt? Oder ist das die Vorstufe zu ihrer Wut?
Hier fehlt was.

Ja, da ist irgendwas untergegangen beim Überarbeiten. Danke für den Hinweis.
Ich hab das gestrichen.

Ich recke mein Kinn nach vorn, hebe den Blick, sehe ihm in die Augen. „Lass mich in Frieden! Bitte!“ Bin das wirklich ich, die das sagt?
Lass mich in Frieden, schön und gut, ich würde sie das nicht sagen lassen, aber das ist gewiss jetzt Geschmackssache und darüber lässt sich nicht streiten. Aber wieso schiebt sie noch ein "Bitte" hinterher? Hier wankt sie also wieder in ihrem Gemüt? Ich übertreib es mal, was würdest du erkennen, wenn sie dreimal, viermal bitte, bitte, bitte, bitte sagt? Dann steht der Satz davor, dass sie ihr Kinn nach vorne schiebt und ihm in die Augen blickt, was ja Selbstbewusstsein andeuten soll, unglaubwürdig im Raum.

Danke für den Hinweis. Ich hab das bitte gestrichen und Frieden in Ruhe ausgetauscht.

Dann der Schlag, er trifft mich an der rechten Schläfe.
„Nein!“, schreie ich mit aller Kraft. Es tut gut, meine Stimme zu hören. Zu lange hab ich die Klappe gehalten. Aber nicht heute Nacht. Mein Entschluss steht fest. Es ist aus! Anna ist unterwegs. Ich kann jetzt keinen Rückzieher machen. Auch wenn ein Teil von mir kleinbeigeben möchte, sich zu seinen Füßen werfen, ihn um Verzeihung bitten. Der neu erwachte Teil ist stärker. Ich bin verwundert über die Aggression, die meinen Körper flutet. Sie bringt mich aus dem Konzept. Das kenne ich nicht. Diese Wut, die in mir aufwallt, die so explosiv ist. Ich zwinge mich, die schwache Seite zu ignorieren, egal, was das für Konsequenzen nach sich zieht. Ich hab’s satt!
Hier hat die Autorin die Prota verlassen und es spricht nur noch der Erzähler aus ihr. Das ist ungeschickt. Er schlägt also zu. Und dann fängt sie an in epiloghafter Weise zu berichten, was jetzt alles abläuft? Bleib doch einfach bei ihr. Sie hat eins abbekommen und was genau macht sie nun? Ihre Bewegungen sind jetzt gefragt, nicht Teile ihrer Autobiographie.

Hier stimme ich Dir zu. Ich hatte das so eingefügt, um eine Erklärung zu liefern, aber klar - show, dont tell.

Hab das entsprechend angepasst.

Ich weiche ihm aus. Wohin? Flüchten, die Treppe runter? Kann ich es schaffen? Soll ich bei den Nachbarn klopfen? Warum ruft niemand die Polizei?
Genau, das könnten sie sein, die Gedanken. Noch besser, du schilderst ihre körperlichen Bewegungen in rasantem Tempo.

Schön, dass die Gedanken für Dich passen. Ich lasse es mal so stehen, da das innerhalb von Sekunden durch ihren Kopf geht und sie sich während den Gedanken nicht bewegt.

Mein Blut gefriert zu Eis.
Drama und somit überflüssig.

Obwohl ich den Satz mag, hab ich ihn gestrichen.

Meine Ohren dröhnen, mein Schädel gleicht einem Wattebausch.
Drama und somit überflüssig.

Die Aussage ist mir wichtig. Ich lasse sie stehen.

Stirb! Stirb! Stirb!, denke ich für eine Sekunde.
Es reicht und wirkt wuchtiger, wenn er nur einmal stirbt.

Hab ich gerne übernommen.

„Ich weiß nicht. Dann muss ich mich vor Gericht mit ihm auseinandersetzen. Keine Ahnung, ob ich das packe. Besser einen Schlussstrich ziehen, ich brauche einen Neuanfang.“
Wozu muss sie das jetzt mit all ihren diffusen Gedankengängen ausbreiten? Lass sie doch einfach sagen, dass sie drüber nachdenken wirkt. Das wirkt viel seriöser, gefährlicher, authentischer.

Hab ich gerne übernommen.

Ich schluchze, krampfe mich an der Bettdecke fest. „Ich bin so froh, dass du da bist.“
Drama. Es reicht: "Ich bin so froh..."

Das lasse ich stehen.

Warum? Diese verdammte Frage stell ich mir jeden Tag. Ich kann’s mir nicht erklären. Finde keine Antwort darauf.
Da spricht die Autorin. Nicht die Prota.

Das sind die Gedanken der Prota.

Meine Kindheit, so normal, so behütet. Vielleicht hat Alexander mich deswegen überrumpelt. Ich hab’s nicht kommen sehen.
Warum?
Ich wünsch mir so sehr eine Antwort auf diese verdammte Frage.
Ich wage zu behaupten, dass fast alle geprügelten Ehegatten in ihrer Vorgeschichte ähnliche Erfahrungen durch das Tun ihrer Eltern oder anderer Personen erleiden/erleben durften. Ich würde schon deswegen, weil das ein neues Fass aufmachen würde, weglassen, dass die Prota eine behütete Kindheit hatte.

Das ist das Klischee, aber eben nicht alle Opfer häuslicher Gewalt kommen aus einem gewalttätigen Elternhaus und genau das wollte ich darstellen.
Daher lasse ich die Stelle so.

Wenn ich jetzt an unsere Zeit zurückdenke, kommt’s mir so vor, als wäre das gar nicht mir passiert. Als hätte ich die letzten Jahre nicht selbst erlebt.
Sondern wer?

Der Nachsatz fehlt im Kommentar. "Jedenfalls nicht bei vollem Bewusstsein".
Das ist genau die Aussage.

Mit einem Mal fröstle ich, schlinge meine Arme um den Oberkörper, atme tief durch. Ich war mit Alex zusammen, und hab mich doch so einsam gefühlt. Wie abgeschnitten von der Welt. War so beschäftigt damit, nicht zusammenzuklappen, damit, eine gute Ehefrau zu sein. Wollte alles richtig machen.
Das hat sie alles schon innerhalb der Geschichte berichtet und der Leser weiß das.
Für welchen Leser soll das dann hier noch sein?

Hab ich gestrichen.

„Ich frag mich warum. Es macht mich krank, dass ich’s mir nicht erklären kann. Treibt mich schier in den Wahnsinn.“
Drama. Jetzt wird sie also deswegen wahnsinnig? Damit nimmst du ihr jegliche Glaubwürdigkeit.

Hab das Drama abgespeckt :)

„Ich hab so Angst. So Angst, dass mir das wieder passiert.“
Eigentlich zeigst du am Ende, dass sie sich nicht weiterentwickelt hat.

Nee, find ich überhaupt nicht. Ich denke, die Angst ist absolut berechtigt. Sie ist erst vor kurzem aus dem Albtraum raus. Ich schreib ja nicht, dass sie sich den nächsten Schläger sucht, sondern nur, dass sie Angst hat.

Ein bitteres Lachen. „Das kann ich gut gebrauchen. Was hab ich mich getäuscht.“
Sie bleibt irgendwie hängen, denn wie ich schon mittendrin erwähnte, bin ich mir sicher, dass sie sich nicht getäuscht hat. Es ist halt nur ein verflucht langer Weg von einer Ent-Täuschung hinaus in ein neues Leben zu gehen.

Da sind wir unterschiedlicher Meinung.
Sie hat auf jeden Fall getäuscht, zumindest am Anfang/ beim Kennenlernen, in der Verliebtheitsphase.

Ich denke, dass du aus deiner Figur noch etwas richtig Authentisches machen könntest.

Ich hoffe, ich konnte dir aufzeigen, wo überall ich die Probleme gesehen habe.


Das hast Du gut aufgezeigt. Hab Dank dafür. Es waren einige interessante Punkte dabei. In manchen Dingen sind wir unterschiedlicher Meinung, aber es waren einige Denkansätze dabei, die mich dazu gebracht haben, noch mal über die Szenen nachzudenken und doch auch einiges zu ändern.

Da ist auch noch so ein Punkt, der mir immer wieder im Kopf herumspukt und zwar ist es dieser Satz, den man oftmals hört, dass Liebe und Hass ganz nah beieinander liegen.
Ich habe das in meinem Beruf sehr oft so erlebt. Ehegatten haben sich nicht mal mehr das schwarze unterm Fingernagel gegönnt, so sehr hassten sie sich, wollten sich weh tun und erleben, wie es dem anderen schlecht geht und jede Mittel war denen recht.
Aus Liebe wurde Hass.

Mit ihren konstruktive Ergebnisse erzielen, also mit ihnen vernünftig zusammen arbeiten konnte man immer erst, wenn dieser Zustand aufhörte und sie mental voneinander Abstand nehmen konnten.


Das ist ein sehr interessanter Aspekt.

Ich frage mich bei diesen Fällen, in denen Gewalt in der Beziehung regelmäßig ausgeübt wird, ob nicht dieser Hass von den Opfern als weniger furchtbar empfunden wird als eine gnadenlose Trennung mit absoluter Kontaktsperre. Das Gefühl, ein Nichts zu sein, weil man noch nicht einmal mehr gesehen, wahrgenommen wird, muss für viele Menschen so grausam sein, dass sie lieber, wenn auch natürlich nicht freiwillig, diese Torturen der Gewalt ertragen mögen.
Darüber wäre mir eine Geschichte spannend gewesen.
Diese Abhängigkeit, die dadurch entsteht, indem man sich beachtet fühlen möchte und dafür sogar bereit ist, sein Selbst und seine körperliche Gesundheit aufzugeben.
Für mich ist dies die vorläufige Erklärung dafür, dass so viele Partner wie an einem Bindfaden gezogen, sofort wieder hineingleiten in die alten Gewaltverhältnisse.
Das sind oftmals keine dummen Leute. Das wäre mir auch viel zu billig, um es mit dem Geisteszustand erklären zu wollen, dass jemand, der eben noch im Krankenhaus lag, weil er brutalst zusammen geschlagen wurde, wieder in diesen Gewaltraum zurück kehrt.
Vielleicht lese ich irgendwann mal von dir eine Geschichte, die just ihren Fokus auf dieses Thema legt.
Wäre sehr gespannt darauf.

Vielen Dank für die Gedankengänge. Da stimme ich mit Dir überein, was die Abhängigkeiten angeht. Ja, das kann jeden treffen, egal, ob mit guter Schulbildung oder ohne. Häusliche Gewalt findet ja oft sogar in den höchsten Rängen der Gesellschaft statt.

Ja, mal sehen. Ich werde weiter an mir arbeiten und versuchen mich als Autorin zu finden (ein wenig Dramaqueen wird bestimmt bleiben :D - aber wer weiß - vielleicht nehm ich irgendwann Abstand davon).

Ich möchte mich ganz ganz herzlich bei Dir für Zeit und Mühe bedanken. Dein Kommentar hat mich zum Nachdenken angeregt. Danke für Deine Eindrücke und Gedanken.

Ganz liebe Grüße aus dem regnerischen Freiburg,
Silvita

 

Hallo @Silvita,

ich freue mich, dass mein Feedback bei dir mindestens zu einem Teil Veränderungen ausgelöst hat und du mit meinen Äusserungen auch was anfangen konntest. Dass du auf der anderen Seite bei einigen Stellen standhaft geblieben bist, ist völlig in Ordnung. Wir können schlicht nicht deckungsgleich einer Meinung sein wie eineiige Zwillinge. :)

Du hast viel Zeit investiert, dafür bin ich dankbar. Schön, dass Du konkret geworden bist. Das ist hilfreich.
Ja und mich freut, dass du es zu schätzten weißt. Das ist hier bei den Wortkriegern ja durchaus nicht bei jedem so. Spricht also nur für dich, dass du mich und mein Statement ausgehalten hast und nicht, wie so manch anderer beleidigt zurück schlägst. Denn ich hatte ja immerhin ganz schön viel zu meckern, nicht wahr?
Ich denke das Schreiben ist ein stetiger Entwicklungsprozess. Wenn ich heute Texte von mir lese, die ich vor ein paar Jahren verfasst habe, dann muss ich teilweise echt Schmunzeln.
Unterschreib ich sofort, geht mir übrigens mit uralten Texten genauso. Die würde ich heute ganz ganz anders anlegen und schreiben.
Wohin ich will? Ich bin eine begeisterte Krimi/ Thriller-Leserin und das wäre so mein Traum vom Schreiben.
Klingt nach einem guten Plan. Dazu wünsche ich dir allen nur erdenklichen Erfolg.
Nun hab ich keine Ahnung, ob dieses Genre für Dich zur "seichten" Unterhaltungsliteratur gehört. Wir kennen uns ja nicht und ich weiß nicht, was Du für Literatur bevorzugst.
Das ist fast eine rahmensprengende Frage, die du stellst, aber sie ist sehr berechtigt. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die meisten Romane für uns Frauen geschrieben werden, weil wir es sind, die viel lesen und somit sind wir diejenigen, die den Büchermarkt beherrschen.

Und dort befinden sich aus meiner Sicht (die keinesfalls wissenschaftlich untermauert ist) zwei oder sagen wir mindestens zwei Kategorien von Büchern. Die, die ich als seichte Unterhaltungsliteratur bezeichnen würde und die anderen, deutlich anspruchsvolleren Bücher.

Seicht ist es für mich, wenn egal, um welche Themen es sich handelt, diese in hoch schlichter Form dargestellt werden. Da gibt es feste Frauenprofile, leider meist immer an der Kante zu einem Frauenbild das ich für überholt halte, es gibt feste Männerprofile und die Figuren werden sehr grobklotzig gezeichnet, es gibt kaum Zwischentöne oder charakterliche Facetten und es gibt keine Brüchigkeiten in den Figuren, sondern sie sind klar und entwickeln sich dann auch so geradeaus, wie es im Leben eigentlich nie passiert.
Diese Figuren fordern kein besonderes Grübeln bei der Leserin heraus, man bekommt die Personen frei Haus "geliefert", da wird mir dann bereits mitgeteilt, wie schön oder wie hässlich jemand ist und ich muss mir gar nicht erst die Mühe machen, mir selbst eine Figur zu erlesen.
Diese Bücher enthalten sehr sehr viel "tell", da wird also bereits mitgeteilt, dass Marie in einem schäbigen verwitterten Steinhaus lebt, anstatt zu beschreiben, dass Marie es besonders im Herbst es nicht schafft, die Eingangstür zu ihrem Steinhäuschen zu öffnen, weil sie sich immer so klemmt und ihr der kaltfeuchte Rauch der schwarzgerußten Feuerstelle besonders intensiv entgegenschlägt.
Verstehst du den Unterschied? In dem einen Fall sage ich dem Leser, was er sehen soll, in dem anderen halte ich die Kamera drauf und zeige es dem Leser oder halte die Nase dran und er erfährt etwas über die Gerüche.
Gerüche ist ein gutes Stichwort, um es nochmals zu verdeutlichen: Sie tupft sich drei Tropfen Shalimar in den Ausschnitt (tell), statt dessen: sie öffnet den Parfümflakon und ihr strömt der leichte Duft von Orangen entgegen, sie setzt mit dem Stöpsel den ersten Tropfen zwischen ihre Brüste und bemerkt wie hinter dem verfliegenden Orangenduft, eine Lavendelnote folgt, in die sich ein Hauch Zimt gemischt hat. (show).

Ich habe es so begriffen, dass du die erste Variante, in der schon alles für den Leser festgelegt ist, für die bessere hältst. Das ist dein gutes Recht, es zu tun. Aber und das macht für mich gerade die Bezeichnung seichte Literatur aus, wenn du 100 Bücher gelesen hast, wo es so fertig zubereitet zu lesen ist, empfindest du die Alternative als wohltuend, weil dir da nichts mehr vorgekaut serviert wird. Du schmeckst alles selbst. DAS macht den Unterschied und natürlich musst du nicht zuvor 100 Bücher lesen, um es zu erkennen.
Bezeichnend für manche Autorinnen der sog. seichten Literatur ist, dass man als Leser nach bereits sehr kurzer Zeit den einen Band inhaltlich nicht von dem anderen unterscheiden kann.
Beispiel, das du vielleicht kennst Ildikó von Kürthy bei ihr ging es mir so, dass ich beim spätestens dritten Roman nicht mehr wusste, wie die anderen beiden zuvor sich vom Sachverhalt unterschieden. Muntere Romane, alle nett süffig erzählt, aber letztendlich ohne Inhalt. Fastfood, man wird zunächst satt, aber nicht nachhaltig.
Es gibt einige Krimiautoren, die ähnlich platt sind. Aber und das ist vielleicht, falls du später einmal davon leben möchtest, durchaus tröstlich, diese Sorte seichter Literatur bringt richtig gut Geld. Ich wage zu behaupten, sogar mehr als die andere Gattung.
Ich setze einmal, um dir zu verdeutlichen, was ich meine, dagegen die Literatur, die Elke Heidenreich schreibt. Du kannst im Grunde genommen zu jedem ihrer Bücher greifen, bis auf das vom Kater Nero Corleone, und wirst feststellen, dass sie feinpinselige Charaktere erschafft und zwar oft genug in allerkürzester Zeit, denn viele ihrer Bücher enthalten Kurzgeschichten.
Sie ist die klassische Vertreterin für das "show", man hat bei ihr das Gefühl, dass jedes Wort sehr wohlfeil abgewogen wurde, bevor sie es verwendet hat. Sie erschafft auch durch ihre genauere Zeichnung der Charaktere Erinnerungen an ihre Figuren.
Was beide Gattungen, wenn ich sie als solche bezeichnen darf, gemeinsam ist: sie verlangen keine akademische Ausbildung, um sie zu verstehen. Die Texte sind leicht und locker zugänglich, nur eben mit dem riesigen Unterschied, dass das eine eben recht schlichte Darstellungen mit viel Klischee und viel Schema sind und die anderen eben kleine Wunderwerke.


Ich mag Autoren wie Bernhard Aichner, Sebastian Fitzek, Arno Strobel, Karen Rose (große Dramaqueen), Charlotte Link, Andreas Gruber, Stephan Ludwig, Tana French und noch viele Krimiautoren mehr. Ab und an mag ich auch Philosophisches, wie Hesse, Coelho, Suter.
Dramaqueens sind für mich Autorinnen (aber auch Autoren), die masslos in ihren Formulierungen übertreiben. Vielleicht geht es anfänglich jedem von uns so, ich habe es nicht mitverfolgt, dass man immer denkt, dass das, was man schreibt, nicht klar und deutlich genug ist und man deswegen kräftig draufsattelt. Da weint eine Prota nicht einfach nur, nein sie heult sich die Augen aus dem Kopf, sie krümmt sich vor Schmerztränen, sie heult bis ihr der Kopf platzt,m sie weint Rotz und Wasser etc. Ich glaube mit zunehmender Selbstsicherheit vermag man sich weniger Drama zu erlauben.

Nun zu deiner Autorenliste. Von Aichner, Gruber und Ludwig hab ich noch nie etwas gelesen.
Fitzek ist wie Follett ein guter Unterhalter, also eher seicht, Strobel hat bei mir leider keine Erinnerung hinterlassen, Link ist für mich eine aus der absolut seichten Ecke, deren Hauptvertreterin übrigens Frau Pilcher ist, French bot mir nichts Neues, dass ich mehr von ihr lesen wollte. Hesse ist irgendwie zeitlos, ich wage zu behaupten, den kann man auch in 100 Jahren noch lesen und sich etwas davon mitnehmen, Coelho ist mir viel zu wischiwaschi (sorry, falls es arrogant klingen sollte, das soll es aber nicht) und verklärt, den halte ich kein drittes Buch lang aus und Herr Suter, der durchaus seine Höhen und Tiefen literarisch hat, ist immer eine gute Unterhaltung wert. Manchmal blitzt bei ihm eine punktlandende Brillanz hervor, die mich beeindruckt und manchmal denke ich, er musste einfach mal wieder was beim Verlag abliefern. Aber ich lese ihn gern, er weiß zu unterhalten und er wählt auch immer Themen, die nicht so ausgelutscht sind. Ich denke da an "Die dunkle Seite des Mondes", um nur ein Beispiel für gute Ideen zu nennen.

Meine Favoriten im Bereich Krimi, denn dahin soll ja deine Reise gehen, sind ohne, dass ich da eine bestimmte Reihenfolge gewählt habe: die Hamburger: Frank Göhre, Regula Venske, der Skaninavier Jussi Adler-Olsen, Nele Neuhaus, Rita Falk, Wolf Haas, Arne Dahl, Hakan Nesser, Jörg Maurer, Patricia Highsmith und ganz besonders möchte ich dir Petra Hammesfahr nennen, die sich mehr auf die psychologische Seite des Verbrechens kapriziert und das gefällt mir sehr gut. Bei den Skandinaviern hatte ich schnell die Schnauze voll von diesem ewigen Abschlachten, das ist auch für meine Begriffe ein viel zu billiges Effektheischen, wenn ich als Leser gleich zu Beginn erfahre, auf welche bestialische Weise da jemand umkommen soll, wenn nicht zuvor der Täter gefasst wird. Das ist Spannungsaufbau mit der Axt. Das hatte ich schnell über. Wolf Haas ist urkomisch und am lustigsten ist es, wenn du eines von ihm selbst vorgelesenes Werk ausprobierst, der kann sehr gut unterhalten.


Ganz ausgesucht besonders möchte ich dir Michael Connelly empfehlen.

In seinem Krimi/Thriller "Der Mandant" hat er auf hervorragende Weise einen sehr guten Plot mit so viel Spannung voll geladen, dass es sich um einen klassischen Pageturner-Roman handelt. Er hat seine Sprache derartig verdichtet, dass ich behaupten möchte, da ist kein einziger Satz zu viel in diesem Roman drin. Für mich hängt dieser Roman ganz weit hoch, da würde ich gerne einmal hingelangen und es schaffen mit wenigen Worten genau das auszudrücken, was ich mitteilen möchte. Leider sind nicht alle seine Romane ins Deutsche übersetzt worden, ich lese aber gerne in meiner Sprache, von daher kann ich dir nur diesen Roman als echten Tipp empfehlen, die anderen übersetzten sind längst nicht so effektiv wie dieser Roman.
(Bestimmt gibt es noch mehr Autoren, die derartig klasse perfekt verdichtet schreiben, aber mir ist halt der Connelly als allererster unter die Augen gekommen.)

Um meine Liste der Nichtseichten zu vollenden, nenne ich noch Nick Hornby, Ian McEwan, T.C.Boyle, John Irving, Sibylle Lewitscharoff alles Autoren, zu deren Romanen ich immer greifen würde.
Unter Garantie gibt es jede Menge saugute Autoren mit jeweils einem ebenso perfekten Roman, aber die führe ich dir hier nicht auf, ich habe mich mal auf die Mehrfachtäter in puncto perfektem Schreiben gestürzt, sonst sitze ich morgen früh noch hier.

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig einen Überblick verschaffen? Was ich unter niveauvoller Literatur verstehe.

Ich freue mich, dass zumindest Teile meines Textes bei Dir gut rüberkamen. Das ist doch schon mal ein Anfang. :)
Absolut, ich habe an vielen Stellen bei dir gute Formulierungen gefunden.
Da sind wir auf jeden Falle einer Meinung. Über das Thema wurde bereits viel berichtet, sowohl in Büchern, als auch in Filmen.

Es war nicht mein Ziel, etwas Überraschendes/ Ungewöhnliches zu schreiben. Vielmehr wollte ich ein Portrait einer jungen Frau zeichnen, die häusliche Gewalt erlebt.
Dann hast du mich missverstanden. Ich finde, man hat irgendwie auch die Aufgabe als Autor, bei ausgelutschten Themen, diesen eine neue Facette zu geben. Einfach im selben Pfad hinterher wie es alle zuvor getan haben, ist für mich keine Herausforderung. Altbekanntes Thema erfordert neue Verpackung. Neues Thema erfordert das nicht.
Was die Selbstmordgedanken angeht kann ich Dir versichern, das es Menschen gibt, denen ab und an zwischen allen möglichen alltäglichen Gedanken plötzlich im Kopf rumschwirrt "ich will nicht mehr leben" "ich kann nicht mehr" oder wenn sie an Bahngleisen vorbeilaufen "hab schon oft überlegt zu springen". Das heißt noch nicht, dass sie das gleich tun.

Einige Kommentatoren fanden gerade diesen eingeschobenen Nebensatz klasse. Ich lass ihn so stehen.
Es geht um den Selbstmord. Tja, ich beiß mich da doch noch einmal rein. Selbstmordgedanken sind wuchtig und sie gehören nicht in einen Nebensatz. Das kann man nur machen, wenn du eine Satire schreibst, in der du mitteilst, dass der Prota um 8.35 noch aus dem Fenster springen wollte, während er um 8.40 bereits Sex mit seiner Frau hat. Wenn du jemanden charakterisieren möchtest, der sich täglich mit Selbstmordgedanken beschäftigt, es also schon zu ihm gehört, wie sein tägliches Hemd, dann geht es im Nebensatz, aber dann muss die Figur auch so gezeichnet werden, dass man das auch so erkennt, dass das eine skurrile Seite an ihm ist.
Stell dir vor, deine beste Freundin erwähnt in einem Nebensatz, dass sie fast aus dem Fenster gesprungen wäre. Wie reagierst du da?

Die Hitze, die ich beschreibe hat in dem Fall nichts mit der Verletzung zu tun.
Jetzt verstehe ich es, nachdem du es erklärst. Im Text hab ich es so nicht erkennen können.
Es ist schwer, wenn man auf die Kommenare verschiedener Leser eingeht. Irgendwie kann man es nicht allen Recht machen und man muss sich beim Schreiben ja auch treu bleiben. Ich lasse es mal so stehen.
Oh ja, das ist schwer. Und ich nehme niemandem Standhaftigkeit übel. Ich verlange ja auch nichts, mag es auch noch so vehement klingen, ich schlage nur vor.
Was Du Drama/ Theatralisch nennst, das find ich persönlich richtig geil :D. Ich liebe solche Ausdrücke, wenn ich Bücher lese. Daher lass ich das auf jeden Fall stehen.
Den Schlussstrich hab ich jetzt konkretisiert in: diese Ehe zu beenden.
Und jetzt würde ich zu gerne 10 Jahre überspringen und dich dann nochmals fragen, ob du dann immer noch so einen Satz schreiben würdest. :D
Jede Wette, dass da was anderes steht.
Du nennst das Plattitüden, für mich entstehen durch solche Ausdrücke sofort Bilder im Kopf. Mich persönlich langweilt es nicht, wenn ich solche Ausdrücke lese. Ist vielleicht Geschmackssache.
Naja, wenn ich es Plattitüden nenne, dann meine ich damit, dass du Formulierungen wählst, die völlig ausgehöhlt sind, sozusagen nichtssagendes Füllmaterial. Für so etwas sollte man keine Bäume sterben lassen.:D
Grins :D Du darfst mich gerne zur verbalen Dramaqueen ernennen. Da hab ich kein Problem mit. Ich stehe einfach total auf solche Sätze. Ich mag das beim Lesen von Büchern und ich mag das beim Schreiben. Daher lasse ich es so stehen.
S.o.:dozey:
Es gibt leider Männer, die die perfekte Fassade bis nach der Hochzeit aufrecht erhalten können. Da blitzt nichts durch, sie wollen die Frau an sich binden, Stück für Stück von sich abhängig machen. Wenn die Typen schon in den Anfängen ihre Boshaftigkeit zeigen würde, hätten die Frauen ja noch Gelegenheit, abzuhauen.
Ich bin ehrlich gesagt, da gar nicht so sicher, ob es solche Männer gibt, wenn man mal die Heiratsschwindler aussen vor lässt. Denen allerdings unterstelle ich sofort, dass sie zielgerichtet nichts tun werden, was darauf hinweisen könnte, dass sie andere Absichten haben.
Aber im Normalfall bin ich mir sicher, dass man es erkennen kann. Es geht nicht um das brutale Verhalten ansich, das so glaube ich, dürfte sich erst nach der Hochzeit zeigen. Nein, ich meine solche kleinen versteckten Formulierungen aus denen frau erkennen kann, wieviel sie ihm Wert ist. Oder auch Verhalten gegenüber anderen Menschen. Man bringt doch immer dieses Beispiel mit dem neuen Date und seinem süsslichen Geraspel und Verliebtsein und dann ist man mit ihm in einem Restaurant und er benimmt sich gegenüber dem Servicepersonal arschlochig. Solche Hinweise meine ich. Dass dann jemand an diesen Stellen zeigt, dass er gewisse Menschengruppen nicht achten kann.
Wenn in deiner Geschichte da schon im Kern mal hie und da etwas aufblitzen würde, was der Leser sofort als Gefahr für die Prota erkennt, dann gäbe das deiner Geschichte ein zusätzliches Spannungsmoment. Und welcher Autor kann es sich schon leisten auf Spannungsmomente zu verzichten? :D


Lieben Gruß und schönen Sonntag

lakita

 

Guten Morgen @lakita

zuerstmal sorry, dass ich mich jetzt erst melde. Im Büro ist momentan die Hölle los und da bleibt leider wenig Zeit für anderes. Vielen Dank, dass Du nochmal reingeschaut hast. Das hat mich sehr gefreut :)

ich freue mich, dass mein Feedback bei dir mindestens zu einem Teil Veränderungen ausgelöst hat und du mit meinen Äusserungen auch was anfangen konntest. Dass du auf der anderen Seite bei einigen Stellen standhaft geblieben bist, ist völlig in Ordnung. Wir können schlicht nicht deckungsgleich einer Meinung sein wie eineiige Zwillinge.

Das ist schön :thumbsup:
Kicher ... Ja, das stimmt.

Du hast viel Zeit investiert, dafür bin ich dankbar. Schön, dass Du konkret geworden bist. Das ist hilfreich.
Ja und mich freut, dass du es zu schätzten weißt. Das ist hier bei den Wortkriegern ja durchaus nicht bei jedem so. Spricht also nur für dich, dass du mich und mein Statement ausgehalten hast und nicht, wie so manch anderer beleidigt zurück schlägst. Denn ich hatte ja immerhin ganz schön viel zu meckern, nicht wahr?

Vielen Dank für Deine Worte. Ich freu mich sehr darüber.
Grins. Ja, war schon einiges :) Aber ich finde es toll, dass Du Dich so mit meiner Geschichte auseinandergesetzt hast und für Zeit und Mühe.
Würde mir ja nichts bringen, mich beleidigt zurückzuziehen :D Ich möchte ja dazulernen und mich verbessern.

Ich denke das Schreiben ist ein stetiger Entwicklungsprozess. Wenn ich heute Texte von mir lese, die ich vor ein paar Jahren verfasst habe, dann muss ich teilweise echt Schmunzeln.
Unterschreib ich sofort, geht mir übrigens mit uralten Texten genauso. Die würde ich heute ganz ganz anders anlegen und schreiben.

Schön, dass Du das auch so siehst.


Wohin ich will? Ich bin eine begeisterte Krimi/ Thriller-Leserin und das wäre so mein Traum vom Schreiben.
Klingt nach einem guten Plan. Dazu wünsche ich dir allen nur erdenklichen Erfolg.

Ich danke Dir :herz:

Nun hab ich keine Ahnung, ob dieses Genre für Dich zur "seichten" Unterhaltungsliteratur gehört. Wir kennen uns ja nicht und ich weiß nicht, was Du für Literatur bevorzugst.
Das ist fast eine rahmensprengende Frage, die du stellst, aber sie ist sehr berechtigt. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die meisten Romane für uns Frauen geschrieben werden, weil wir es sind, die viel lesen und somit sind wir diejenigen, die den Büchermarkt beherrschen.

Das ist wahr.

Und dort befinden sich aus meiner Sicht (die keinesfalls wissenschaftlich untermauert ist) zwei oder sagen wir mindestens zwei Kategorien von Büchern. Die, die ich als seichte Unterhaltungsliteratur bezeichnen würde und die anderen, deutlich anspruchsvolleren Bücher.

Seicht ist es für mich, wenn egal, um welche Themen es sich handelt, diese in hoch schlichter Form dargestellt werden. Da gibt es feste Frauenprofile, leider meist immer an der Kante zu einem Frauenbild das ich für überholt halte, es gibt feste Männerprofile und die Figuren werden sehr grobklotzig gezeichnet, es gibt kaum Zwischentöne oder charakterliche Facetten und es gibt keine Brüchigkeiten in den Figuren, sondern sie sind klar und entwickeln sich dann auch so geradeaus, wie es im Leben eigentlich nie passiert.

Ok. Vielen Dank für Deine Definition von "seicht". Das ist hilfreich :)
Und ich kann nur sagen, dass ich das dann wohl nicht so sehr mag. Ich hab vor einigen Jahren ne Zeitlang viel New Adult gelesen und da war wirklich ein Buch wie das andere, egal, von welchem Autor. Die Frau war immer jung und naiv, der Mann immer ein gutaussehender reicher Kerl. Das ging mir relativ schnell total auf die Nerven und ich hab mich von diesem Genre dann verabschiedet. Ich mag kantige Figuren, nichts oberflächliches, und lass mich beim Lesen immer gerne überraschen.

Diese Figuren fordern kein besonderes Grübeln bei der Leserin heraus, man bekommt die Personen frei Haus "geliefert", da wird mir dann bereits mitgeteilt, wie schön oder wie hässlich jemand ist und ich muss mir gar nicht erst die Mühe machen, mir selbst eine Figur zu erlesen.

Und auch hier stimme ich zu. Ich hasse nichts mehr als Seitenweise Beschreibungen über Aussehen und Kleidung.

Diese Bücher enthalten sehr sehr viel "tell", da wird also bereits mitgeteilt, dass Marie in einem schäbigen verwitterten Steinhaus lebt, anstatt zu beschreiben, dass Marie es besonders im Herbst es nicht schafft, die Eingangstür zu ihrem Steinhäuschen zu öffnen, weil sie sich immer so klemmt und ihr der kaltfeuchte Rauch der schwarzgerußten Feuerstelle besonders intensiv entgegenschlägt.
Verstehst du den Unterschied? In dem einen Fall sage ich dem Leser, was er sehen soll, in dem anderen halte ich die Kamera drauf und zeige es dem Leser oder halte die Nase dran und er erfährt etwas über die Gerüche.

Vielen Dank. Oja, klar verstehe ich den Unterschied und ich bin ein großer Fan von "show". Je mehr man sich selbst mit dem Schreiben beschäftigt, desto mehr fallen einem solche Dinge dann auch beim Lesen auf.

erüche ist ein gutes Stichwort, um es nochmals zu verdeutlichen: Sie tupft sich drei Tropfen Shalimar in den Ausschnitt (tell), statt dessen: sie öffnet den Parfümflakon und ihr strömt der leichte Duft von Orangen entgegen, sie setzt mit dem Stöpsel den ersten Tropfen zwischen ihre Brüste und bemerkt wie hinter dem verfliegenden Orangenduft, eine Lavendelnote folgt, in die sich ein Hauch Zimt gemischt hat. (show).

Da würde ich mich definitiv für die zweite Beschreibung mit Orangenduft und Lavendelnote entscheiden. :)

Ich habe es so begriffen, dass du die erste Variante, in der schon alles für den Leser festgelegt ist, für die bessere hältst. Das ist dein gutes Recht, es zu tun. Aber und das macht für mich gerade die Bezeichnung seichte Literatur aus, wenn du 100 Bücher gelesen hast, wo es so fertig zubereitet zu lesen ist, empfindest du die Alternative als wohltuend, weil dir da nichts mehr vorgekaut serviert wird. Du schmeckst alles selbst. DAS macht den Unterschied und natürlich musst du nicht zuvor 100 Bücher lesen, um es zu erkennen.

Nicht unbedingt. Ich möchte beim Lesen auf jeden Fall auch etwas "tun", also nicht alles frei Haus geliefert bekommen. :)

Bezeichnend für manche Autorinnen der sog. seichten Literatur ist, dass man als Leser nach bereits sehr kurzer Zeit den einen Band inhaltlich nicht von dem anderen unterscheiden kann.
Beispiel, das du vielleicht kennst Ildikó von Kürthy bei ihr ging es mir so, dass ich beim spätestens dritten Roman nicht mehr wusste, wie die anderen beiden zuvor sich vom Sachverhalt unterschieden. Muntere Romane, alle nett süffig erzählt, aber letztendlich ohne Inhalt. Fastfood, man wird zunächst satt, aber nicht nachhaltig.

Das Buch / den Autor kenn ich leider nicht, aber ich weiß, was Du meinst. Wie oben beschrieben, ist mir das im New Adult Genre oft passiert. Das hat mich dann schnell gelangweilt. Ich stehe eher auf Krimireihen, in denen jeder neue Band ein Überraschungspaket ist.

Es gibt einige Krimiautoren, die ähnlich platt sind. Aber und das ist vielleicht, falls du später einmal davon leben möchtest, durchaus tröstlich, diese Sorte seichter Literatur bringt richtig gut Geld. Ich wage zu behaupten, sogar mehr als die andere Gattung.

Das ist ja gut zu wissen :D Wobei ich nicht davon ausgehe, dass ich jemals ein Buch veröffentlichen werde oder kann. Dafür fehlt mir schon mal die Zeit. Ist schwierig, wenn man Vollzeit arbeitet.

Ich setze einmal, um dir zu verdeutlichen, was ich meine, dagegen die Literatur, die Elke Heidenreich schreibt. Du kannst im Grunde genommen zu jedem ihrer Bücher greifen, bis auf das vom Kater Nero Corleone, und wirst feststellen, dass sie feinpinselige Charaktere erschafft und zwar oft genug in allerkürzester Zeit, denn viele ihrer Bücher enthalten Kurzgeschichten.
Sie ist die klassische Vertreterin für das "show", man hat bei ihr das Gefühl, dass jedes Wort sehr wohlfeil abgewogen wurde, bevor sie es verwendet hat. Sie erschafft auch durch ihre genauere Zeichnung der Charaktere Erinnerungen an ihre Figuren.

Vielen Dank für den Tipp. Den Namen hab ich mir gleich mal notiert. Noch nie von ihr gehört.

Was beide Gattungen, wenn ich sie als solche bezeichnen darf, gemeinsam ist: sie verlangen keine akademische Ausbildung, um sie zu verstehen. Die Texte sind leicht und locker zugänglich, nur eben mit dem riesigen Unterschied, dass das eine eben recht schlichte Darstellungen mit viel Klischee und viel Schema sind und die anderen eben kleine Wunderwerke.

Das klingt toll.

Dramaqueens sind für mich Autorinnen (aber auch Autoren), die masslos in ihren Formulierungen übertreiben. Vielleicht geht es anfänglich jedem von uns so, ich habe es nicht mitverfolgt, dass man immer denkt, dass das, was man schreibt, nicht klar und deutlich genug ist und man deswegen kräftig draufsattelt. Da weint eine Prota nicht einfach nur, nein sie heult sich die Augen aus dem Kopf, sie krümmt sich vor Schmerztränen, sie heult bis ihr der Kopf platzt,m sie weint Rotz und Wasser etc. Ich glaube mit zunehmender Selbstsicherheit vermag man sich weniger Drama zu erlauben.

Das hast Du interessant beschrieben. Ja, das mag so sein. Kann ich mir gut vorstellen.

Nun zu deiner Autorenliste. Von Aichner, Gruber und Ludwig hab ich noch nie etwas gelesen.
Fitzek ist wie Follett ein guter Unterhalter, also eher seicht, Strobel hat bei mir leider keine Erinnerung hinterlassen, Link ist für mich eine aus der absolut seichten Ecke, deren Hauptvertreterin übrigens Frau Pilcher ist, French bot mir nichts Neues, dass ich mehr von ihr lesen wollte. Hesse ist irgendwie zeitlos, ich wage zu behaupten, den kann man auch in 100 Jahren noch lesen und sich etwas davon mitnehmen, Coelho ist mir viel zu wischiwaschi (sorry, falls es arrogant klingen sollte, das soll es aber nicht) und verklärt, den halte ich kein drittes Buch lang aus und Herr Suter, der durchaus seine Höhen und Tiefen literarisch hat, ist immer eine gute Unterhaltung wert. Manchmal blitzt bei ihm eine punktlandende Brillanz hervor, die mich beeindruckt und manchmal denke ich, er musste einfach mal wieder was beim Verlag abliefern. Aber ich lese ihn gern, er weiß zu unterhalten und er wählt auch immer Themen, die nicht so ausgelutscht sind. Ich denke da an "Die dunkle Seite des Mondes", um nur ein Beispiel für gute Ideen zu nennen.

Schade, dass Du von den 3 noch nichts gelesen hast. Gruber erschafft herrlich kantige Figuren weit ab von Klischees und seine Krimis haben tolle Plots mit vielen Überraschungen. Aichner hat einen ganz individuellen und tatsächlich eher schlichten Stil. Und Ludwig schreibt mit viel Humor und auch seine Figuren sind sehr individuell.

Lol :D Jetzt muss ich echt lachen. Rosamunde Pilcher würde ich nieeeemals lesen und von Charlotte Link lese ich nur die Kriminalromane, die anderen sind nicht mein Ding.
Was Hesse angeht sind wir ganz einer Meinung.
Von Coelho sind mir zwei Bücher hängen geblieben "Veronika beschließt zu sterben" und mein Favorit "11 Minuten", die anderen waren dann nicht so herausragend, aber trotzdem gern gelesen.
"Die dunkle Seite des Mondes" kenne ich nicht, ich fand "Lila Lila" toll.

Meine Favoriten im Bereich Krimi, denn dahin soll ja deine Reise gehen, sind ohne, dass ich da eine bestimmte Reihenfolge gewählt habe: die Hamburger: Frank Göhre, Regula Venske, der Skaninavier Jussi Adler-Olsen, Nele Neuhaus, Rita Falk, Wolf Haas, Arne Dahl, Hakan Nesser, Jörg Maurer, Patricia Highsmith und ganz besonders möchte ich dir Petra Hammesfahr nennen, die sich mehr auf die psychologische Seite des Verbrechens kapriziert und das gefällt mir sehr gut. Bei den Skandinaviern hatte ich schnell die Schnauze voll von diesem ewigen Abschlachten, das ist auch für meine Begriffe ein viel zu billiges Effektheischen, wenn ich als Leser gleich zu Beginn erfahre, auf welche bestialische Weise da jemand umkommen soll, wenn nicht zuvor der Täter gefasst wird. Das ist Spannungsaufbau mit der Axt. Das hatte ich schnell über. Wolf Haas ist urkomisch und am lustigsten ist es, wenn du eines von ihm selbst vorgelesenes Werk ausprobierst, der kann sehr gut unterhalten.

Vielen Dank für die Empfehlungen. Frank Göhre, Regula Venske, Rita Falk, Wolf Haas, Jörg Maurer kenne ich nicht. Sind auf der Liste :) Ich freu mich immer über Tipps und neue Bücher, die ich lesen kann.

Jussi Adler-Olsen kenn ich, hab aber nur einmal angefangen, was von ihm zu lesen. War allerdings ein Taschenbuch und die Schrift so winzig, dass ich es dann weggelegt hab.

Arne Dahl hab ich viel gelesen und find ich super.

Bei Nele Neuhaus und Hakan Nesser hab ich mal reingelesen, hat mich aber auf den ersten Blick nicht gefangen genommen.
Highsmith und Hammesfahr hab ich auch noch nicht ausprobiert. Alles auf der Liste :)

Was die "Abschlacht" Geschichten angeht, da geht es mir auch so. Ich mag das überhaupt nicht, mag lieber die psychologischen Abgründe.
Daher hab ich Chris Carter (der in Krimiforen einer der Favoriten ist) wieder weggelegt.

Urkomisch klingt gut :D Den werde ich auf jeden Fall testen.

Ganz ausgesucht besonders möchte ich dir Michael Connelly empfehlen.

In seinem Krimi/Thriller "Der Mandant" hat er auf hervorragende Weise einen sehr guten Plot mit so viel Spannung voll geladen, dass es sich um einen klassischen Pageturner-Roman handelt. Er hat seine Sprache derartig verdichtet, dass ich behaupten möchte, da ist kein einziger Satz zu viel in diesem Roman drin. Für mich hängt dieser Roman ganz weit hoch, da würde ich gerne einmal hingelangen und es schaffen mit wenigen Worten genau das auszudrücken, was ich mitteilen möchte. Leider sind nicht alle seine Romane ins Deutsche übersetzt worden, ich lese aber gerne in meiner Sprache, von daher kann ich dir nur diesen Roman als echten Tipp empfehlen, die anderen übersetzten sind längst nicht so effektiv wie dieser Roman.
(Bestimmt gibt es noch mehr Autoren, die derartig klasse perfekt verdichtet schreiben, aber mir ist halt der Connelly als allererster unter die Augen gekommen.)


Vielen Dank für diesen Tipp. Das klingt spitze und werde ich auf jeden Fall testen. Englisch lesen ist für mich eher schwierig, da muss ich viel nachschlagen, aber Deutsch oder Spanisch geht immer.

Um meine Liste der Nichtseichten zu vollenden, nenne ich noch Nick Hornby, Ian McEwan, T.C.Boyle, John Irving, Sibylle Lewitscharoff alles Autoren, zu deren Romanen ich immer greifen würde.
Unter Garantie gibt es jede Menge saugute Autoren mit jeweils einem ebenso perfekten Roman, aber die führe ich dir hier nicht auf, ich habe mich mal auf die Mehrfachtäter in puncto perfektem Schreiben gestürzt, sonst sitze ich morgen früh noch hier.

Und auch hier vielen Dank für die Empfehlungen. Bis auf John Irving (leider noch nichts gelesen) sagen mir die Autoren nichts. Sind alle auf meiner Liste :)

Oja. Da stimme ich zu. Als ich meinen Kommentar abgeschickt hatte, sind mir sofort noch etliche andere Bücher und Autoren eingefallen, die ich mag :)

Es war nicht mein Ziel, etwas Überraschendes/ Ungewöhnliches zu schreiben. Vielmehr wollte ich ein Portrait einer jungen Frau zeichnen, die häusliche Gewalt erlebt.
Dann hast du mich missverstanden. Ich finde, man hat irgendwie auch die Aufgabe als Autor, bei ausgelutschten Themen, diesen eine neue Facette zu geben. Einfach im selben Pfad hinterher wie es alle zuvor getan haben, ist für mich keine Herausforderung. Altbekanntes Thema erfordert neue Verpackung. Neues Thema erfordert das nicht.

Das kann ich verstehen. Vielleicht hab ich das nicht geschafft, weil es mir schon so viel abverlangt hat, überhaupt über das Thema zu schreiben und da so in die Tiefe zu gehen.

Es geht um den Selbstmord. Tja, ich beiß mich da doch noch einmal rein. Selbstmordgedanken sind wuchtig und sie gehören nicht in einen Nebensatz. Das kann man nur machen, wenn du eine Satire schreibst, in der du mitteilst, dass der Prota um 8.35 noch aus dem Fenster springen wollte, während er um 8.40 bereits Sex mit seiner Frau hat. Wenn du jemanden charakterisieren möchtest, der sich täglich mit Selbstmordgedanken beschäftigt, es also schon zu ihm gehört, wie sein tägliches Hemd, dann geht es im Nebensatz, aber dann muss die Figur auch so gezeichnet werden, dass man das auch so erkennt, dass das eine skurrile Seite an ihm ist.
Stell dir vor, deine beste Freundin erwähnt in einem Nebensatz, dass sie fast aus dem Fenster gesprungen wäre. Wie reagierst du da?

Ich verstehe, was Du meinst, aber es geht ja nicht darum, wie jemand darauf reagieren würde. Es sind nur die Gedanken der Prota. Sie teilt sie niemandem mit.

Die Hitze, die ich beschreibe hat in dem Fall nichts mit der Verletzung zu tun.
Jetzt verstehe ich es, nachdem du es erklärst. Im Text hab ich es so nicht erkennen können.

Gut, dass Du es jetzt verstehst. Und schade, dass ich es im Text bei Dir nicht rüberbringen konnte.

Es ist schwer, wenn man auf die Kommenare verschiedener Leser eingeht. Irgendwie kann man es nicht allen Recht machen und man muss sich beim Schreiben ja auch treu bleiben. Ich lasse es mal so stehen.
Oh ja, das ist schwer. Und ich nehme niemandem Standhaftigkeit übel. Ich verlange ja auch nichts, mag es auch noch so vehement klingen, ich schlage nur vor.

Das finde ich toll. Vorschläge sind immer gut und klar, der Schreiber muss dann überlegen, wo er ändern kann/ mag und wo es für ihn nicht geht. Auch hier lerne ich immer gerne dazu.

Was Du Drama/ Theatralisch nennst, das find ich persönlich richtig geil :D. Ich liebe solche Ausdrücke, wenn ich Bücher lese. Daher lass ich das auf jeden Fall stehen.
Den Schlussstrich hab ich jetzt konkretisiert in: diese Ehe zu beenden.
Und jetzt würde ich zu gerne 10 Jahre überspringen und dich dann nochmals fragen, ob du dann immer noch so einen Satz schreiben würdest. :D
Jede Wette, dass da was anderes steht.

Lol :D Das unterschreibe ich sofort.

Du nennst das Plattitüden, für mich entstehen durch solche Ausdrücke sofort Bilder im Kopf. Mich persönlich langweilt es nicht, wenn ich solche Ausdrücke lese. Ist vielleicht Geschmackssache.
Naja, wenn ich es Plattitüden nenne, dann meine ich damit, dass du Formulierungen wählst, die völlig ausgehöhlt sind, sozusagen nichtssagendes Füllmaterial. Für so etwas sollte man keine Bäume sterben lassen.

Ich weiß, was Du meinst. Mal sehen, ob ich mich in der Richtung weiterentwickeln kann.

:dozey:
Es gibt leider Männer, die die perfekte Fassade bis nach der Hochzeit aufrecht erhalten können. Da blitzt nichts durch, sie wollen die Frau an sich binden, Stück für Stück von sich abhängig machen. Wenn die Typen schon in den Anfängen ihre Boshaftigkeit zeigen würde, hätten die Frauen ja noch Gelegenheit, abzuhauen.
Ich bin ehrlich gesagt, da gar nicht so sicher, ob es solche Männer gibt, wenn man mal die Heiratsschwindler aussen vor lässt. Denen allerdings unterstelle ich sofort, dass sie zielgerichtet nichts tun werden, was darauf hinweisen könnte, dass sie andere Absichten haben.
Aber im Normalfall bin ich mir sicher, dass man es erkennen kann. Es geht nicht um das brutale Verhalten ansich, das so glaube ich, dürfte sich erst nach der Hochzeit zeigen. Nein, ich meine solche kleinen versteckten Formulierungen aus denen frau erkennen kann, wieviel sie ihm Wert ist. Oder auch Verhalten gegenüber anderen Menschen. Man bringt doch immer dieses Beispiel mit dem neuen Date und seinem süsslichen Geraspel und Verliebtsein und dann ist man mit ihm in einem Restaurant und er benimmt sich gegenüber dem Servicepersonal arschlochig. Solche Hinweise meine ich. Dass dann jemand an diesen Stellen zeigt, dass er gewisse Menschengruppen nicht achten kann.
Wenn in deiner Geschichte da schon im Kern mal hie und da etwas aufblitzen würde, was der Leser sofort als Gefahr für die Prota erkennt, dann gäbe das deiner Geschichte ein zusätzliches Spannungsmoment. Und welcher Autor kann es sich schon leisten auf Spannungsmomente zu verzichten?

Und auch hier verstehe ich, was Du meinst und klar, könnte man dadurch noch Spannung aufbauen. Die Idee finde ich sogar gut. Nur eben - in der KG sind da schon etwas die Hände gebunden. Darüber mache ich mir noch weiter Gedanken.

Nochmal vielen herzlichen Dank für Deine Zeit und die tollen Feedbacks.

Ich wünsche Dir einen gemütlichen Sonntag Abend und sende ganz liebe Grüße,
Silvita

 

Hallo Silvana,

du hast mit dem Thema Hörigkeit bei mir ins Schwarze getroffen. Wie sicher viele mache ich mir auch immer wieder Gedanken darüber, wie es Frauen (vielleicht auch vereinzelt Männer) bei Partnern aushalten, die sie quälen.
Richtig mitgenommen hast du mich bei direkten Szenen, so ab dem letzten Drittel, wo sie Anna angerufen hat und dann ihr Mann doch noch in der Nacht aufgetaucht ist. Davor war mir etwas zuviel Erzählen, ja fast zuviel Reflexion. Wobei du den Gemütszustand sehr gut beschrieben hast, in dem sich die Person befindet.
Jedoch habe ich sehr viele Stellen als Leser authentisch erlebt, wenn ich es auch kaum nachvollziehen kann, dass man sich so erniedrigen lassen kann, aber das ist ein anderes Thema.
Ein wenig schade fand ich dann die "einfache" Lösung mit dem Unfall von ihm, das hat für mich zuviel zu schnell aufgelöst. Der Protagonistin hat man es natürlich aus tiefstem Herzen gegönnt.

Dir ist eine sehr eindrückliche Geschichte gelungen und nur schon aus dem Grund, dass du den einen oder die andere ein wenig näher an das Thema Hörigkeit herangeführt hast, ist es für mich ein wichtiger Text hier auf WK.

Viele Grüße
bernadette

 

Liebe @bernadette

ich möchte mich ganz herzlich bei Dir für das schöne Feedback bedanken. Hab mich riesig darüber gefreut! :)

du hast mit dem Thema Hörigkeit bei mir ins Schwarze getroffen. Wie sicher viele mache ich mir auch immer wieder Gedanken darüber, wie es Frauen (vielleicht auch vereinzelt Männer) bei Partnern aushalten, die sie quälen.
Richtig mitgenommen hast du mich bei direkten Szenen, so ab dem letzten Drittel, wo sie Anna angerufen hat und dann ihr Mann doch noch in der Nacht aufgetaucht ist. Davor war mir etwas zuviel Erzählen, ja fast zuviel Reflexion. Wobei du den Gemütszustand sehr gut beschrieben hast, in dem sich die Person befindet.

Vielen Dank für Deine Worte. Es ist schön, dass ich Dich mitnehmen konnte und Du den Gemütszustand nachempfinden konntest. Ich kann verstehen, dass Dir der erste Teil etwas zu "Erzählig" war. Ist halt schwer, so viel Inhalt in eine KG zu packen.

Jedoch habe ich sehr viele Stellen als Leser authentisch erlebt, wenn ich es auch kaum nachvollziehen kann, dass man sich so erniedrigen lassen kann, aber das ist ein anderes Thema.
Ein wenig schade fand ich dann die "einfache" Lösung mit dem Unfall von ihm, das hat für mich zuviel zu schnell aufgelöst. Der Protagonistin hat man es natürlich aus tiefstem Herzen gegönnt.

Das ist schön und darüber freu ich mich sehr.
Ja, das stimmt - das ist wieder ein anderes Thema, das viele Menschen beschäftigt. Und es gibt leider so viele Menschen, die das mit sich machen lassen - egal, ob Frauen oder Männer.
Das kann ich verstehen. Hatte da auch überlegt, aber dachte mir, die Thematik an für sich ist schon so krass und grausam, da gibts ein Happy End. Schön, dass Du es meiner Prota gegönnt hast.

Dir ist eine sehr eindrückliche Geschichte gelungen und nur schon aus dem Grund, dass du den einen oder die andere ein wenig näher an das Thema Hörigkeit herangeführt hast, ist es für mich ein wichtiger Text hier auf WK.

Ich danke Dir von Herzen für dieses Lob. Es bedeutet mir sehr viel und ich bin happy damit.

Ganz liebe Grüße und einen schönen Pfingstmontag,
Silvita

 

Liebe @Silvita,

so, da braucht's nur eine klitzekleine Coronainfektion und schon hat man jede Menge Zeit.

Ich habe deine Geschichte noch einmal gründlicher gelesen, zum Glück! Es ist ein schwieriges Thema, und sie liest sich sehr gut. Schon der Anfang, wie schnell es klar wird, dass der (abwesende Mann) jedes Objekt im Haus, jede Handlung der Protagonistin bestimmt. Auch der Ablauf der Beziehung ist sehr genau und glaubwürdig. Zum Beispiel die wichtige Rolle, die die Scham spielt, das in der Abhängigkeit demolierte Selbstbewusstsein. Und die nie enden wollenden Versuche, die Situation zu lösen, indem sie es dem Mann recht macht. Sogar die Gewaltszenen konnte ich lesen, ohne mir die Augen zuhalten zu müssen. (Früher war ich cooler.)

Die verschiedenen Rhythmen der Haupterzählung und der Rückblenden greifen schön ineinander, es gibt nur zwei oder drei Stellen, an denen ich ein bisschen aus der Geschichte geglitten bin, aber dazu später.

Du hast geschrieben, du hieltest das "positive" Ende für nicht so realistisch. Es ist aber nun auch eher mittelpositiv. Denn sie schafft es ja nicht, sich aus eigener Kraft ganz zu befreien. Sein Unfall befreit sie letztlich. Und auch wenn es unwahrscheinlich ist, so gelingt es auch anderen immer wieder, sich zu befreien. Zumeist natürlich mit Hilfe von außen. Nun ist dein Thema ja nicht: wie kommt man da raus? Sondern: wie kommt man da rein? Und da ist es gut, am Ende noch kurz den Blick auf die Beziehung von der anderen Seite, hinterher, zu haben. Daher finde ich das zumindest nicht-schlechte Ende sehr passend.

Trotzdem steht das Ende doch ein bisschen kantig in der Gegend herum.
Zuerst musste ich das Treppenhaus umgestalten (ist ja inzwischen selten, dass die so groß sind, dass man da über die Brüstung komplett runterfallen kann. Bei 5. Stock hatte ich eher an Neubau gedacht. Aber der Umbau war flink geschehen.)
Sie schubst ihn nicht, das sehe ich auch so. Wenn er die Hand nach ihr ausstrecken würde, würde sie sich näher an die Wand drücken? Vielleicht.
Dass sie denkt: stirb. finde ich sehr stark und überzeugend.

Dann ein paar Fetzen und die Zusammenfassung der Krankenschwester. Und da, nachdem du mit allem, also allem wirklich so genau und liebevoll gewesen bist - da gibt's plötzlich einen Wutsch und ich denke - Moment, wie war das? Also. Er ist querschnittsgelähmt. Das ist gut. Seine Schwester nimmt ihn zu sich. Warum in aller Welt tut sie das? Er ist verheiratet. Seine Frau kann sich um ihn kümmern. Oder? Aber da müsste sie ja aktiv werden, ihn loswerden über Scheidung Anzeige etc. und es scheint nicht nur für die Protagonistin, sondern am Ende gar auch auch für die Autorin unvorstellbar zu sein, dass der Mann, Rollstuhl hin oder her, auf sich selbst gestellt ist, sei es nur für die letzten zwei Absätze der Erzählung. :)
Und diese sinistre Nachbarin, die sich so lange die Gewalttaten anhört, ohne irgendetwas zu unternehmen!
Die vielen Antworten, die die Krankenschwester da gibt, werfen für mich noch mehr Fragen auf. Vielleicht musst du das Ruinenfeld gar nicht so sehr aufräumen, wie du es versuchst. Irgendjemand hat in den Kommentaren geschrieben, dass deine Geschichte Stoff genug hat für einen Roman. Und das stimmt. Da darfst du gerne (gerade mit deiner Liebe zum Detail) eine einfache Lösung wählen. Er ist schwer verletzt. Sie liegt im Krankenhaus. Was ist der nächste Schritt? Ihr nächster Schritt? Mehr braucht es dann vielleicht nicht, nicht einmal das Treffen mit Anna in der Wohnung. Die Frage, wie es soweit kommen konnte, könnte Anna schon im Krankenhaus stellen. Wenn sie Denise seit langem kennt, dann kennt sie eine junge Frau, bei der alles beim ersten Mal klappt: coole Ursprungsfamilie, Ausbildung klappt, sie heiratet die erste große Liebe, der Mann verdient gut, sie musss nicht einmal arbeiten - "Ich hab's nicht kommen sehen" wäre dann Denise' Antwort. Und der Titel ist ja auch die Essenz der Geschichte, dass es eben letztlich jeder, bzw. jedem passieren kann. Dass es Mechanismen gibt, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, Dynamiken, die uns schleichend überrollen. Das nicht die guten und Starken ihr Leben unter Kontrolle haben, sondern einfach Leute, die eher Glück als Pech haben.
Das ist es für mich letztlich, was du mit deiner feinen und genauen Art nachzeichnest, und das macht den Text über ein schwieriges Thema auch so lesenswert. Wie es weitergeht: das ist dann vielleicht das nächste Kapitel im Roman.

Also so viel zum Allgemeinen, kurz ein paar Ausflüge ins Detail:

Ich gehe ins Schlafzimmer, setze mich aufs Bett, öffne die Nachttischschublade, ziehe den kleinen Stoffengel heraus. Das Einzige, was mir von meiner Mutter geblieben ist. Behutsam streiche ich über die goldenen Flügel. Hätte ich doch selbst welche. Einfach fortfliegen, in ein anderes Leben, eine andere Realität. Ach Mama, wenn du mich sehen könntest. Du wolltest immer nur, dass ich glücklich bin. Ich halte den Engel fest, betrachte das Hochzeitsfoto an der Wand.
Sehr bemerkenswert, wie wenig Tränendrüse im Text steckt. "Das Einzige, was mir von meiner Mutter geblieben ist." gehört für mich allerdings dazu. M.E. funktioniert der Text auch ohne diesen Satz. Bei "Ach Mama..." wissen wir ja, dass der Engel mit der Mutter verbunden ist. Oder du schmuggelst vorher einen kleinen Hinweis ein.
Die Nacht liegt auf mir wie eine alles erstickende Decke. Ich kriege kaum Luft.
Ich bin da vielleicht übergenau, aber "eine alles erstickende Decke" ist für mich ein etwas wie soll ich sagen, überbauter oder übergewichtiger Vergleich. Was genau ist eine alles erstickende Decke? Schlage vor: Die Nacht lastet auf mir wie eine (schwere) Decke. Ich kann kaum atmen.
„Tu dies, tu das!“
Gern konkreter.
Guck dir die Dumme an, lässt sich von ihrem Macker verprügeln. Irgendwas muss die falschmachen. Alexander ist so ein toller Kerl, fleißig, ehrgeizig, dieses charmante Lächeln. Die sollte sich glücklich schätzen.
Für mich stärker, wenn es nur den ersten Satz hat. Was Leute, die Alexander kennen, denken, wenn sie seine verprügelte Frau sehen - hm, ist vielleicht etwas komplizierter. Aber die Leute auf der Straße würden auf eine Frau mit blauen Flecken im Gesicht (bestenfalls mitleidig) heruntergucken. Und dass A. der Superknüllerschwiegersohn ist, ist schon klar.

So, und jetzt ganz abschließend zweidrei Stellen zum Rhythmus:
1. Rückblende glückliche Beziehung in drei Akten: da würde ich die Erinnerung an die Hochzeit kürzen. Ich bin nicht so kompetent, weil nie verheiratet, aber Ringichliebedich etc. das ist schon sehr weit im Klischee, während du die wirklich wichtigen Momente vorher viel feiner beschrieben hast.
2.

Es bleibt nicht bei dem einen Mal. Ausgerissene Haare, geprellte Rippen, ein angeschlagener Zahn. Und immer wieder seine Erklärungsversuche: „Man hat mir die Beförderung verweigert. Hat mir nen Jüngeren vor die Nase gesetzt.
(Ich habe nur die ersten Zeilen reinkopiert, meine aber den ganzen Absatz) Da hast du einen langen Absatz., der ein bisschen hin- und herspringt. Teilweise verständlich, weil die Protagonistin nach Erklärungen ringt. Teilweise scheint es mir aber auch, dass du auch dem letzten ungläubigen Leser vorrechnen möchtest, warum sie noch nicht weg ist. Das kannst du, mit Vertrauen in deine Leserschaft, gern ein wenig kürzen.
3.
Zwei Wochen später stehe ich in der Wohnung, in der ich mit Alexander gelebt hab. Sie ist fast leer. Ich hab alles gepackt. Alexanders Schwester hat seine Sachen abholen lassen. Mein Blick gleitet zu dem hellen Quadrat an der Wand, an der unser Hochzeitsfoto hing. Meine Gedanken driften ab.
Warum? Diese verdammte Frage stell ich mir jeden Tag. Ich kann’s mir nicht erklären. Finde keine Antwort darauf. Ich sehe meine Eltern vor mir. Wie Mama am Herd steht und für uns kocht. „Das ist mein Leben. Für meine Familie da zu sein füllt mich aus.“ Sie lächelt, trocknet sich die Hände am Geschirrtuch, ihre Wangen gerötet, ihre Augen funkeln.
(Auch hier nur die ersten Zeilen, gemeint ist die gesamte Szene)
Ja, das ist der eigentliche Knackpunkt. Was auch immer der Schluss ist, er müsste für mich etwas dichter gefasst sein. Da die schöne Challenge abgelaufen ist, musst du den Lapislazuli nicht unbedingt drin haben. Leere Wohnung ist natürlich immer ein tolles Bild für die Unbestimmtheit des Neuanfangs. Aber ist es nötig? Und inwieweit (siehe oben) ist der Neuanfang überhaupt noch das Thema der Geschichte?
Fragen über Fragen!
Hat Spaß gemacht, trotz der Schwere.
Die einen feinen Restsonntag
Placidus

 

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