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Ich halte dich für mein Gegenüber

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09.04.2018
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Ich halte dich für mein Gegenüber

Schwerfällig schleppe ich mich die letzten Meter nach oben. Dafür, dass ich zum ersten Mal seit Jahren richtig Urlaub mache, schone ich meinen Körper viel zu wenig. Ich weiß ja selber nicht, was mich dazu gebracht hat, ausgerechnet nach Südtirol zu fahren. Urlaubsparadies. Bald brauche ich eine Pause. Noch unterhalb der Baumgrenze stehen längs des Weges, dicht an dicht, dunkelgrüne Tannen. Wo Sonnenlicht auf Stein trifft, fällt der Berg so steil ab, dass kein Grün mehr dort Halt findet. Wanderweg 561, Markierung rot-weiß-rot, schlängelt sich schroff in Serpentinen hoch. Ein Fehltritt und man ist am Ende. Endlich erreiche ich die Markierung auf meiner Karte.

Ich sitze auf der Bank, wische den Schweiß von den Brillengläsern, da trifft mich ein Stein an der Schulter. „He!“, rufe ich und sehe mich um, doch da steht niemand. Die Sonne steht so tief, dass meine Sichtweite talwärts stark eingeschränkt ist. Und ich Dummkopf dachte, eine Sonnenbrille würde helfen. Ich schaue nach oben, mein Blick gilt dem Gipfelkreuz, welches weitere 1000 Höhenmeter über mir thront. Plötzlich erregt ein Zappeln an der Felswand meine Aufmerksamkeit. Ich entdecke dich, wie du, beim Steilwandklettern oder abgerutscht, bloß noch an einer Hand über dem Abgrund hängst. Ich ziehe mein Handy hervor. Kein Netz.

Halte dich fest!“, rufe ich, so unnötig diese Aufforderung auch ist. Du sollst wissen, dass du nicht allein bist. Ich mache mich auf den Weg, obwohl ich am liebsten die glatte Felswand zu dir hochgeflogen wäre. Als Wanderer folge ich den markierten Pfaden durch das Skigebiet, welches jetzt im August vor Hitze dampft und die weißen Hüte auf den Gipfeln verliert. An der Kreuzung muss ich kurz überlegen, welcher der rechte Weg ist. Für mich sehen die farbigen Zeichen alle gleich aus. Ich erhöhe das Tempo.

Dich hängen zu lassen kommt nicht in Frage. Du bist mein Ebenbild, mein Nächster. Nichts ist so stark wie die Bindung zweier sich gegenüberstehender Menschen. Wenn sich die Blicke fangen und fassen, passt kein Blatt Papier mehr zwischen uns. Wir sind unzertrennlich, könnte man sagen. Die meiste Steigung habe ich überwunden, die Strecke ist kurz. Halte durch!

Für einen Wanderer bin ich ziemlich flott unterwegs. Schließlich will ich zu dir. Die Stöcke aufzusetzen lohnt sich nicht, denn schon haben mich meine Beine weitergetragen. Trotz der kühlen Abendfrische tropft der Schweiß mir aus den Haaren und vom Kinn, brennt in den Augen. Es spornt mich weiter an. Ich muss dich einfach retten. Was wäre ich denn ohne dich? Ein Nichts! Der Mensch braucht Familie, ich brauche Freunde, du brauchst Hilfe.

Mein Rucksack liegt zurückgelassen neben dem Stein auf der Bank. Was nützen mir Verbandssachen, wenn ich nicht rechtzeitig komme? Meine Füße schlagen im wilden Takt meines Herzens über den Boden, meine Lunge brennt. Wann kühlt endlich der Schweiß? Ab jetzt geht es wieder leicht bergab, da gerate ich richtig in Fahrt. Die Sonne blitzt zwischen den Bäumen durch. Ich bin ganz in deiner Nähe.

Gegen das Zittern hilft nur Hoffnung. Deine Finger werden dir nicht ewig gehorchen. Dein ganzer Körper schreit nach Überleben, nach Liebe. Doch dich verlässt der Mut. Du kennst mich nicht und willst mir nicht zur Last fallen. Christlich erzogen – menschlich betrogen. Weder du noch ich waren in den letzten Jahren bei einem Gottesdienst. Wieso? Weil man erst dann zu glauben beginnt, wenn es bereits zu spät ist.

Über dein ganzes Leben hinweg hast du geglaubt, du würdest nie in eine solche Situation geraten. In der du fremde Hilfe brauchst. Und deshalb entschließt du dich nun ganz bewusst, dass du es nicht verdient hast. Wärst du deiner Pflicht als guter Christ nachgekommen, hätte dir Gott sicher längst einen Engel geschickt. Deine Finger lösen sich von ihrem Griff, du hast Angst, die Augen dabei zuzumachen. Da ergreift plötzlich jemand dein Handgelenk. Ich habe es tatsächlich noch geschafft. Bäuchlings liege ich an der Kante und ziehe dich mit letzter Kraft zu mir herauf. Du hast längst zu denken aufgehört. Sonst hättest du mich warnen können, dass der sandige Fels rutschig und die Latschenkiefer, welcher ich unser Schicksal anvertraute, trocken und brüchig ist. Und mit einem Mal sind wir auf dem Weg nach unten. Gemeinsam. Still.

Ich halte dich für mein Gegenüber. Denn ohne dich habe ich niemanden. Deine Hand liegt in meiner. Unsere Schweiße werden eins. Endlich traust du dich, deine Augen zu schließen. Ich tue es dir gleich. Hätten wir als Christen unsere Pflicht getan, würden jetzt sicher die Engel ein Sprungtuch unter uns ausbreiten. In Gedanken schaue ich dich an. Du bist ganz das Geschenk, das ich mir immer gewünscht habe. Ich halte dich für mein Gegenüber.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo,
mir gefällt deine Kurzgeschichte sehr gut. Sie entwickelt einen guten Sog, ist kurzweilig zu lesen und der Lesefluss wird meiner Auffassung nach nicht gestört. Die Unzertrennlichkeit der beiden hast du in eine schöne Form gegossen, stellenweise wirst du sogar poetisch. Beide Personen scheinen männlich zu sein, das wurde mir jedoch erst beim zweiten, genaueren Lesen klar. In meinen Augen hätte es dem Text jedoch besser getan, wäre das Geschlecht der zweiten Person unklar geblieben. Auf diese Weise hätte man schön spekulieren können, ob er von Brüderlichkeit oder Liebe handelt. Aber das ist bloß eine persönliche Präferenz. Im ersten Absatz schreibst du, dass das lyrische Ich von einem Stein getroffen wird. Der Stein, der die Geschichte ins Rollen bringt, sozusagen. Das hätte er sein können, ein Symbol für die innere Verbundenheit beider Charaktere, die ersteren auf letzteren aufmerksam macht. Als würde er spüren, dass etwas mit seinem Nächsten passiert ist und deshalb intuitiv ins Handeln übergeht. Leider schreibst du sofort, dass der Stein nicht eingebildet ist. In Ordnung, aber von selbst suchen Steine keine Schultern auf. Und weil er nur im ersten Absatz vorkommt, verliert er an Relevanz. Kommt mir vor wie ein Rudiment aus einer vorherigen Textidee, die sich dann zu einer Hymne der Brüderlichkeit entwickelt hat.

Die Sonne steht so tief, dass meine Sichtweite talwärts stark ein eingeschränkt ist.
Da ist ein kleines Wörtchen zu viel. Ansonsten hast du da eine sehr runde Kurzgeschichte gezimmert! Kurzweilig, poetisch und sehr rund!

 

Danke @N. Ostrich für deine Kritik!
Ich freue mich, dass sie dir gefällt. Ich hatte tatsächlich zwei männliche Personen im Kopf, habe das aber absichtlich noch offen gelassen. Da es für die Handlung keine Rolle spielt, welche Geschlechter die Charaktere haben, sind meiner Ansicht nach geschlechtstypische Merkmale fehl am Platz. Von den Formulierungen her ist es natürlich recht eindeutig, aber Spekulationen sind immer gerne gesehen.
Der Stein wird mir mit Sicherheit noch einige schlaflose Nächte bereiten, auf die Idee bin ich gar nicht gekommen, ihn zum Dingsymbol zu machen. Übrigens ist der Anfang so gemeint, dass er von oben runterfällt und so auf der Schulter landet.

Hast mir sehr geholfen. Viele Grüße,
Jonathan

 

Rappi schreibt:
Da es für die Handlung keine Rolle spielt, welche Geschlechter die Charaktere haben, sind meiner Ansicht nach geschlechtstypische Merkmale fehl am Platz.

Klassischer Fehlstart,

liebe/r Rappi,

sicherlich ist es zunächst mal uninteressant, wessen Geschlechts der Autor oder das Personal einer Geschichte ist, nicht aber, welchem grammatischen Geschlecht ein Wort zugerechnet wird – und da springt einem der Titel

Ich halte dich für meinen Gegenüber
in seiner jetzigen Form, direkt ins Gesicht: Das (Substantiv) „Gegenüber“ ist sächlich und da sind Nominativ und Akkusativ – den die Präposition „für“ erzwingt - identisch, „das“ Gegenüber und mit unbestimmten Artikel „ein“ Gegenüber.

Nach dem ersten Schreck mal erst

herzlich willkommen hierorts!

Deine Berggeschichte (Leben als Bergwanderung?) zeugt von großem und naivem Glauben, den ich Dir nicht nehmen kann, schon gar nicht will. Aber der Schutzengel ist eher ein Mythos oder sogar ein Werbegag einer Versicherungsgsellschaft (was mich dann wieder an den Ablass denken lässt), und ansonste Zufall und Glück-Sache, wie in diesem von Dir geschilderten Fall, dass der/die/das Andere zum Ich-Erzähler passt. So sehr auch die Liebe auf den ersten Blick eine Mythe ist – so schlägt der Blitz gelegentlich dann doch ein – jenseits unseres animalischen Erbes. Und sei‘s mit Hilfe eines Steines (Steinschlag wäre daher zu viel gesagt)

Aber neben dem Fehlstart fällt mir auf, dass Du statt der zumeist verwendeteten Relativpronomen ein „welche/-r/-s“ verwendest. Bei der zwoten Verwendung erfüllt es zugleich seine zwote Funktion als Fragefürwort

An der Kreuzung muss ich kurz überlegen, welcher der rechte Weg ist.
Aber in der Verwendung zuvor bringt es keinen Gewinn gegenüber dem herkömmlichen schlichten „das“
Als Wanderer folge ich den markierten Pfaden durch das Skigebiet, welches jetzt im August vor Hitze dampft und die weißen Hüte auf den Gipfeln verliert.

Triviales jenseits von Nomina- und Akkusativ:

Hier ist m. E. Ein Komma nachzutragen

Dich zu retten[,] ist Ehrensache.
Warum? Das Peronalpronomen „dich“ verweist auf eine Person und die Infinitivgruppe ist somit von einem Substantiv (Nomen) abhängig

Nichts ist so stark wie die Bindung zweier [sich] gegenüberstehender Menschen.
Hier steht nicht nur A dem/der B gegenüber, sie stehen „sich“ gegenüber – jeder als je eigenes Selbst.

Trotz der kühlen Abendfrische tropft der Schweiß mir aus den Haaren und vom Kinn, brennt in den Augen.
Mag sein, dass der Schweiß aus dem Haar rinnt – aber zunächst auf und über die Stirn und anschließend tropft der Schweiß von der Stirn – behaupte ich mal.

Die Formulierung

… du hast Angst, die Augen dabei zuzumachen.
zeugt von einer gewissen Kindlichkeit und Naivität, denn einfacher und kürzer wäre die Formulierung „die Augen dabei zu schließen“

Und das wird hier

Und deshalb entschließt du dich nun ganz bewusst, dass du es nicht verdient hast.
und dem Gipfel
Wärst du deiner Pflicht als guter Christ nachgekommen, hätte dir Gott sicher längst einen Engel geschickt.

Das klingt nach nacktem Calvinismus und Betriebswirtschaftslehre: Erfülle Deine Pflicht - ob in der Firma oder dem Glauben, "auf dass es dir gut gehe". Aber Gott ist was anderes als ein Finanzhai oder Unternehmensberater. Irgendwie fehlt mir in dem Bild das Wörtchen Gnade – oder sollte der Icherzähler sich als Gesandter Gottes wähnen?

Wie dem auch sei

ein schönes Wochende wünscht der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke Friedel für die Verbesserungen,
manchmal tue ich mich eben „noch“ schwer mit dem Deutschen ;). Und natürlich ist das Gegenüber sächlich, in diesem Fall nur personifiziert. Daher denke ich, dass man das noch als künstlerische Freiheit durchgehen lassen kann.
Zum religiösen Aspekt: So einfach, wie du dir das vorstellst, ist es nicht. Der Glaube, so naiv er sein mag, ist immerhin das, was uns zu Menschen macht. Nicht die Entdeckung des Feuers. Ein Jeder glaubt etwas anders, auch an Erkenntnis, Wissenschaft und Vernunft lässt sich glauben, obwohl mir letzteres sehr schwer fiele. Jeder Mensch glaubt, umso wichtiger ist es also, sich konstruktiv damit auseinanderzusetzen. Einfach zu behaupten, der Schutzengel sei ein Werbegag, gehört nicht dazu. Wenn, dann bitte richtig.

Viele und freundliche Grüße
wünscht der Jonathan

 

Hi @Rappi,

die Idee finde ich an sich ganz nett. Aber die Darstellung ist mir zu schnulzig. Sie klingt an einigen stellen ziemlich verliebt, aber zum einen kennen sich die beiden ja gar nicht. Zum andern wird schon auch klar, dass es dir nicht um Verliebtheit geht, sondern um eine andere Nähe.

Solche Formulierungen:
-- "Dich zu retten ist Ehrensache."
-- "Für einen Wanderer bin ich ziemlich flott unterwegs. Schließlich will ich zu dir."
und ähnliche drücken eigentlich nur das Selbstverständliche aus. Ich denke mir schon selbst, dass er nebenbei nicht Blumen pflücken geht, wenn er den Typ am Berg retten will.

Einzelheiten erscheinen mir unüberlegt, z.B.:
-- "An der Kreuzung muss ich kurz überlegen, welcher der rechte Weg ist. Für mich sehen die farbigen Zeichen alle gleich aus."
Ja wie - gibt es eine Wegmarkierung direkt zu dem Typ im Hang?
Oder:
-- "Ab jetzt geht es wieder leicht bergab, da gerate ich richtig in Fahrt."
In schwierigem Gelände würde ich abwärts lieber nicht in Fahrt kommen wollen. Aber er möchte den Mensch retten, kann sein, dass er da unüberlegt handelt. Insgesamt habe ich eigentlich einen regt bequemen Weg vor Augen, so wie du das beschreibst. Es ist nicht unmöglich, dass da trotzdem jemand in Not gerät, aber gibst mir jedenfalls auch keine Hilfestellung, zu verstehen, dass das geschehen konnte. Abgesehen von dem trockenen Hinweis: Beim Klettern oder abgerutscht. Behaupten kann man das leicht ... Aber ich seh's nicht vor mir.

An dieser Stelle:
"Über dein ganzes Leben hinweg hast du geglaubt, du würdest nie in eine solche Situation geraten. In der du fremde Hilfe brauchst." usw,
Das klingt ziemlich bevormundend. Woher weiß der Ich-Erzähler denn, dass der Kerl das geglaubt hat? Woher weiß er all das, was er im Anschluss behauptet? Wenigstens ein "Vielleicht" oder so zur Abschwächung würde ich mir wünschen.

Soweit für heute.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo @erdbeerschorsch,
danke für deine Rückmeldung.

"Für einen Wanderer bin ich ziemlich flott unterwegs. Schließlich will ich zu dir."
und ähnliche drücken eigentlich nur das Selbstverständliche aus. Ich denke mir schon selbst, dass er nebenbei nicht Blumen pflücken geht, wenn er den Typ am Berg retten will.

Ja, da muss ich noch mal drüber schauen, dass es nicht zu albern wird. Sollte ursprünglich eine Zeitdehnung werden, in welche die Monologe gepflanzt werden. Und da komme ich gleich zu deinem letzten Punkt: Die Art der Formulierung soll die innere Verbundenheit der Personen darstellen, also keine Bevormundung. Der Erzähler ist nicht allwissend, nur kann er sich in "seinen" Gegenüber hineinversetzen.

Ja wie - gibt es eine Wegmarkierung direkt zu dem Typ im Hang?

Naja, die Wege muss er ja schon benutzen, wenn er möglichst schnell vorankommen will. Schade, dass du da kein Bild vor Augen hast, es ist halt mit Absicht so geschildert, dass sich jeder etwas anderes darunter vorstellt. Wenn ich will, dass jeder Leser das gleiche sieht, hänge ich ein Foto an.

Viele Grüße,
Jonathan

 

Hi @Rappi,

ich hak mal ganz kurz nach:
"Naja, die Wege muss er ja schon benutzen, wenn er möglichst schnell vorankommen will."
-- Stimmt, aber alle Markierungen zeichnen einen Weg aus, egal welche Farbe. Wie kann er an der Farbe erkennen, welcher Weg zu der Stelle führt?

"Wenn ich will, dass jeder Leser das gleiche sieht, hänge ich ein Foto an."
-- Ich sag's mal schnippisch: Und wenn es dir egal ist, was er sieht, dann lässt du es so, wie es jetzt da steht ... Das gewünschte Ziel liegt doch vermutlich irgendwo dazwischen. Du möchtest - nehme ich mal an - den Leser schon dabei unterstützen, ein Bild zu entwerfen. Und du behauptest eine Steilwand. Wäre dir das wirklich schon ein zu großer Eingriff, wenn nun tatsächlich jeder Leser in deiner Erzählung sich eine Steilwand in dem Gelände vorstellen könnte? Warum möchtest du ihm offen halten, dass er sich statt dessen einen runden Hügel vorstelle?
Denn so geht es mir: Ich sehe einen relativ gemütlichen Hang, den man als Wanderer ohne echte Mühe aufsteigen kann, und wenn es bergab geht, kann man sogar einen Spurt einlegen. Dann gibt es Latschenkiefern. Der Ich-Erzähler vergleicht sich mit einem Wanderer, er klettert demnach nicht. Ich ergänze für mich: moderate Steigung, Wiese, niedriges Gebüsch, vielleicht ein paar lockere Steine. Wenn das alles so lieblich ist: Warum hängt sich die Figur dann so lebenbedrohlich an den Fels? Genau genommen habe ich also schon ein Bild, nur kein passendes. Es ist ja schön, wenn der Autor etwas zum Auffüllen offen lässt. Aber er muss dabei den Leser nicht unbedingt aktiv daran hindern, sich in eine Umgebung hineinzuversetzen, in der dieser Notfall eintreten könnte.
Und noch zugespitzter. Wenn du sagst: "bei Steilwandklettern oder abgerutscht", und wenn das dein einziger Hinweis auf die Widrigkeiten des Geländes ist, dann hast du im Prinzip ein Foto angehängt. Jetzt ist das Ding nur: das Foto passt nicht zum Text, der folgt.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo @Rappi,
"Einen" Gegenüber ist schlichtweg falsch, das hat nichts mit künstlerischer Freiheit zu tun.

Gruß,

Chai

 

@Rappi

liest sich wie eine Erbauungsgeschichte aus "Der Turm." Story des Monats in "Chrismon." Klingt bitterböse, ist auch so gemeint. Das Allerschlimmste ist, wenn ein Autor eine Agenda hat.

Nichts ist so stark wie die Bindung zweier sich gegenüberstehender Menschen

Das ist auch sicher der Grund, warum sich die Menschen seit Jahrtausenden die Schädel einschlagen. Und, ich vergaß - Religion, oder: Glauben. Übrigens kann man an Wissenschaft nicht glauben, denn das sind Fakten. Ich muss nicht an die Schwerkraft glauben, ich muss mich nur aus dem achten Stock fallen lassen. An ein übernatürliches Wesen glauben, das ist eine andere Nummer.

Wärst du deiner Pflicht als guter Christ nachgekommen, hätte dir Gott sicher längst einen Engel geschickt

Dieser einfältige, naive, demütige Ton - sorry, das ist so offensichtlich Propaganda, das ist ja kaum auszuhalten.

An diesem Text ist einfach alles falsch. Schnulzig, unbeholfen, es wird nichts erzählt, es soll wahrscheinlich eine Parabel sein auf den guten Christen oder wasweißich ... bitte, wenn du so etwas schreiben musst, tue es doch bitte in einem Blog oder reiche es tatsächlich bei den oben genannten Magazinen ein.

Gruss, Jimmy

 

Lieber @jimmysalaryman,
nicht böse werden. Niemand ist hier gezwungen, Texte zu lesen.

Dieser einfältige, naive, demütige Ton - sorry, das ist so offensichtlich Propaganda, das ist ja kaum auszuhalten.

Du als Senior-Mitglied solltest wissen, dass man so etwas nicht persönlich nehmen darf. Außerdem ist Wissenschaft auch eine Glaubenssache, schließlich glaubst du, dass du einen Sprung aus dem achten Stock nicht überleben wirst. Wissen tust du es erst, wenn es zu spät ist. Und wenn du dich von meinen Beiträgen belästigt fühlst, darfst du mir gerne eine PM schreiben :) .

Danke @Manlio für deine vollkommen berechtigte Kritik. Ja, ich habe noch etwas an mir zu arbeiten, was Beschreibungen und Erklärungen angeht. Ideenprosa klingt gut, nur will ich auf keinen Fall irgendwem eine Überzeugung vermitteln. Ich freue mich, dass du die Ironie am Ende bemerkt hast. Bei meinen Texten kann man normalerweise davon ausgehen, dass Widersprüche beabsichtigt sind und gegebenenfalls die eigentliche Intention enthalten.

Viele Grüße,
Jonathan

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Rappi,

Und natürlich ist das Gegenüber sächlich, in diesem Fall nur personifiziert. Daher denke ich, dass man das noch als künstlerische Freiheit durchgehen lassen kann.
Das wäre dann aber eine reichlich unnütze künstlerische Freiheit. Denn es sieht einfach nur falsch aus. Das Brechen von Regeln beim Schreiben setzt voraus, dass man die Regeln kennt und ihre Brechung irgendeinen künstlerischen Wert hat. Und dass man dem Text diese Entscheidung auch ansieht. Eine stilistische Entscheidung, eine Dekonstruierung eines Textes. Was auch immer. Wenn es aber einfach nur so aussieht, als könnte jemand nicht deklinieren, würde ich schon noch mal drüber nachdenken.
Manchmal hat man das, dass man unbedingt an einer Entscheidung festhalten will, aber vielleicht guckst du dir das mit ein bisschen Abstand doch noch mal mal etwas selbstkritischer an.

Ansonsten finde ich, dass du flüssig schreibst.
Du merkst schon, jetzt kommt ein dickes Aber. Zu deinem Text möchte ich leider in eine ähnliche Richtung gehen, wie das einige andere schon getan oder zumindest angedeutet haben. Dein Text ist einfach nicht gut. Klar, er ist eine Art von Geschichte, denn er enthält eine Handlung und einen Fortgang. Aber eigentlich erzählst du nicht wirklich, du baust keinen Konflikt auf, der auch nur ansatzweise ausgestaltet und szenisch gezeigt würde. Die Figuren sind Schattenbilder für die Botschaft, die du loswerden willst. Ihre Motive fehlen oder sind nicht nachvollziehbar.
Deine Wünsche und Hoffnungen und Überzeugungen als Autor haust du in sehr unmittelbarer Weise als Sollensvorschrift raus. Und sowas wird dann schnell zur Moralkeule, die nur noch die anspricht, die gleichen Glaubens sind. Das merkt man dem Text selbst auch an, dass er von dieser Botschaft aus konzipiert ist. Da gibt es logische Brüche, Ungenauigkeiten in der Beschreibung, die ein anderes Bild entwerfen, als das, was du unterstellst und dem Leser nahelegst. Am Ende bricht die Latschenkiefer und die beiden Personen rutschen ab, natürlich ganz still und leise, und haben - natürlich - überaus erbauliche Gedanken beim Sturz:

Hätten wir als Christen unsere Pflicht getan, würden jetzt sicher die Engel ein Sprungtuch unter uns ausbreiten.
Mal davon abgesehen, dass das überhaupt nicht zu dem dramatischen Geschehen passt, das du unterstellst, (oder dass du schriftstellerisch nichts dafür tust, die Situation in deinem Sinne nachvollziehbar zu machen) sind sie dann also zu Recht abgestürzt? Selbst wenn ich deinen Text als reine Botschaft nehme, wen soll das denn bitte überzeugen?
Ich will nicht an deinem Glauben rumnörgeln, das muss jeder für sich entscheiden, wie er leben will, ich will dich lediglich darauf hinweisen., dass du in der Absicht, deine persönliche Botschaft zu schreiben, alles sehr direkt und mit einem riesigen Zeigefinger als Botschaft hinschreibst und dadurch unliterarisch wirst. Das ist nicht mehr erzählend, sondern wird zur Agitation.
Dasselbe hätte ich dir übrigens geschrieben, würdest du vom Gegenteil überzeugen wollen. Das ist das, was mir an deinem Text nicht gefällt. Er ist aus meiner Sicht grundsätzlich falsch angelegt.

Viele Grüße von Novak

 

Hi @Rappi,

bei aller Kritik habe ich dir noch gar nicht gesagt, was ich an der Idee gut finde. Ich habe ja geschrieben, ich finde die Idee an sich ganz nett. Jetzt will ich die Behauptung geschwind mal einlösen.
Gut finde ich die Umkehrung: Der an der Klippe sollte ja eigentlich derjenige sein, der ohne den anderen nicht sein kann. Und du drehst das um: der Retter kann ohne den in Not Geratenen nicht sein. Das ist im Grunde doch eine starke Sache. Das ist auch kein beliebiger Einfall - im Sinne von: einfach mal spaßeshalber die übliche Sicht auf den Kopf stellen -, sondern das macht in meinen Augen schon Sinn.
Es würde mir halt nur gefallen, wenn du diese Idee ein fette Ecke subtiler ausdrücken würdest ...

Inwiefern du dabei übrigens eine christliche Botschaft verbreiten willst, ist zumindest mir nicht so klar. Ich bin geneigt, dir die behauptete Ironie abzunehmen (Der Ich-Erzähler zählt sich offenbar selbst nicht unter die (guten?) Christen; das Sprungtuch kann eigentlich kaum unfreiwillig komisch sein).
Und trotzdem: Die Botschaft der Nächstenliebe, auch wenn sie freigeistig ausgelegt werden soll, schmierst du schon ziemlich dick aufs Butterbrot ...

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo Rappi

Der Titel ist falsch, das erklärt sich auch nicht mit künstlerischer Freiheit. Denn dann hätte es ja auch einen künstlerischen Aspekt, warum er falsch geschrieben wurde. Aber ausser dass der betroffene Absatz eben mit Meinen beginnt, tja das lässt sich lösen.

Ich mache dir einen Vorschlag:

Titel: Ich halte dich für mein Gegenüber
5.Absatz: Mein Rucksack bleibt zurück auf der Bank, ...

Gib Bescheid, wenn ich dir den Titel ändern soll.

Gruss dot

 

Hallo zusammen,

Das wäre dann aber eine reichlich unnütze künstlerische Freiheit. Denn es sieht einfach nur falsch aus.
Der Titel ist falsch, das erklärt sich auch nicht mit künstlerischer Freiheit. Denn dann hätte es ja auch einen künstlerischen Aspekt, warum er falsch geschrieben wurde.

Ich will es mal so ausdrücken: Da der Titel für sich überhaupt keinen Sinn ergibt, ist es doch völlig egal, ob da jetzt mein, meine oder meinen steht, es wird immer "falsch" aussehen. Warum ich diesen Titel dennoch gewählt habe? Ich möchte ein bestimmtes Bild vermitteln: zwei Männer, die Hand in Hand und im freien Fall sich ihre Gedanken machen. Das Gegenüber klingt viel zu kalt, um die Nähe und Verbundenheit ausdrücken zu können.

ich will dich lediglich darauf hinweisen., dass du in der Absicht, deine persönliche Botschaft zu schreiben, alles sehr direkt und mit einem riesigen Zeigefinger als Botschaft hinschreibst und dadurch unliterarisch wirst.

Ich weiß nicht, wie ich noch deutlicher hätte übertreiben können. Das hier trotzdem mehrere zu dem Schluss kommen, ich wolle euch missionieren, verwundert mich dann schon sehr.

@erdbeerschorsch und @Manlio:
Danke für eure Kritik, ihr scheint den Text mehr als zweimal gelesen zu haben :D. Und doch

Er dreht sich um und sieht in die Sonne. Müsste es nicht heißen "bergwärts"?

dreht er sich nicht sondern schaut sich lediglich um. Wär schon blöd, wenn er aus der Richtung des Berges geblendet würde... Hab mich auf jeden Fall über eure Kommentare gefreut. Und ja, der Hintergrund. Bin ich ehrlich gesagt gar nicht so der Freund von. Bei einem Roman - natürlich, aber für mich ist eben eine KG in erster Linie kurz. Wenn man da auf etwas verzichten kann, dann doch am ehesten auf Erklärungen und Hintergründe, oder?

Viele Grüße,
Jonathan

 

Das hier trotzdem mehrere zu dem Schluss kommen, ich wolle euch missionieren, verwundert mich dann schon sehr.
Vielleicht liegt es ja an deinem Text?
Ich glaube dir ja, wenn du behauptest, das hättest du nicht vorgehabt. Aber der Text muss das halt auch einlösen. Wie tut er das? Und wo?
Ich bin halt verblüfft, dass du doch sehr um den heißen Brei herumredest. Mal folgst du Manlios Ausführungen, dass dein Text eine Art Ideenprosa ist. Gleichzeitig sagst du, der Text wäre ironisch.
Ich würde es gerne verstehen, was du eigentlich willst oder vorhast mit deinem Text.
Und speis mich bitte nicht mit der Antwort ab, das sei jedem Leser selbst überlassen.

Ich verstehe auch nicht, was dich bewegt, an einem offensichtlich falschen Titel festzuhalten.

Da der Titel für sich überhaupt keinen Sinn ergibt, ist es doch völlig egal, ob da jetzt mein, meine oder meinen steht, es wird immer "falsch" aussehen. Warum ich diesen Titel dennoch gewählt habe? Ich möchte ein bestimmtes Bild vermitteln: zwei Männer, die Hand in Hand und im freien Fall sich ihre Gedanken machen. Das Gegenüber klingt viel zu kalt, um die Nähe und Verbundenheit ausdrücken zu können.
Der Titel ergibt ja einen Sinn. Semantisch gesehen. Jeder versteht, was du ausdrücken willst, aber es ist grammatikalisch falsch und beugt die Regel der Grammatik in keinem nachvollziehbaren stilistischen literarischen Sinn. Dadurch wirkt der Titel kindlich, ja, ungehobelt.
Würdest du schreiben wie dot das vorgeschlagen hat:
Ich halte dich für mein Gegenüber.
Dann hast du deinen alten Titel nur klingt er nicht mehr falsch

 

Hej @Rappi ,

dein Text hat mich streckenweise geführt und dann wieder abgehängt, sprachlich und inhaltlich. Und weil ich nicht so recht mitkam und -kommen wollte, weil ich eben das Gefühl hatte, gehts um Gott, bin ich raus, so melde ich mich jetzt aber doch, weil der Titel tatsächlich ... unbehaglich ist. Ich will nur so ein Zünglein an der Waage sein, damit du weiter abwägen kannst, was du tun willst. Vielleicht helfen ja mehrere Hinweise und Empfindungen.
Dass du den Bruder als Gegenüber betrachtest, schafft zum einen eine Distanz, die ich im Text nicht wiederfinde, zum anderen ist das Halten eine schöne doppeldeutige Vorstellung.
Ich habe den Bruder als eine Art Spiegelbild gesehen und somit war es unerlässlich, jetzt mal die moralische Seite außer Acht gelassen, ihn zu retten.
Wenn man es auf diese Weise sieht, könnte der Titel in einer anderen Form schon beträchtlich darauf hinweisen, was die beiden verbindet und würde nicht eher in seiner grammatikalisch suspekten Schreibweise ... Widerwillen erregen. ;)

Für mich könnten die beiden auch eine Person sein oder eben das Gegenstück, obwohl das auch nicht sonderlich persönlich und liebevoll klingt.

Ich bin gespannt, wie du fortfahren wirst und lese immer mal wieder hinein.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Ok, die Sache mit dem Titel ist durch, habt mich überzeugt ;) . Gebt mir eine Woche Zeit und ihr bekommt ne neue Version, in der Sonne, Stein und Steigung mehr Sinn ergeben.

@Kanji, danke für deine Sicht der Dinge.

seiner grammatikalisch suspekten Schreibweise ... Widerwillen erregen. ;)
Wirklich ausgesprochen schön zusammengefasst. Deine Punkte werden sicher zu großen Teilen in meine Überarbeitung einfließen.

Viele Grüße,
Jonathan

 

So liebe Leute,
wie versprochen gibt es eine neue Version zum Kommentieren. Da mein Gegenüber nicht männlich sein darf, habe ich es jetzt weitgehend durchgezogen, dass sein Geschlecht unbekannt bleibt. Hoffe, es gibt genügend Hintergrund.

Viele Grüße,
Jonathan

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej @Rappi ,

ich bin dabei. Wie originell, den Titel in den Absätzen zu wiederholen. Das macht die Aussage eindrücklich, aber meinetwegen müsste sie nicht fettgedruckt sein.

Ich entdecke dich, wie du, beim Steilwandklettern oder abgerutscht, bloß noch an einer Hand über dem Abgrund hängst.

Das oder irritiert mich hier schon. Ist er nicht beim Steilwandklettern abegerutscht? Nur so beim Wandern oder ... :hmm:

Halte dich fest!“, rufe ich, so unnötig diese Aufforderung auch ist. Du sollst wissen, dass du nicht allein bist.

Das ist eine schöne Erklärung. Wenn ich nämlich Mütter den Satz sagen hören, verdrehe ich die Augen, weil ich sicher bin, dass das Kind erstens nicht fallen will und zweitens weiß, dass man sich dafür festhalten muss, egal wie klein es ist. Aber daran, dass die Mutter noch einmal deutlich machen wollte, das Kind kann mit ihr rechnen, hab ich nie gedacht. Nahm die Ansage wohl immer zu wörtlich. :shy:

An der Kreuzung muss ich kurz überlegen, welcher der rechte Weg ist. Für mich sehen die farbigen Zeichen alle gleich aus. Ich erhöhe das Tempo.

Ich mach mir schon Sorgen. Wie lange kann man das so an einer Hand hängen? :eek:

Unsere Schweiße werden eins.

Könntest du das bitte anders formulieren? Einswerden ist etwas so Wunderbares - nicht in Verbindung ausschließlich mit Schweiß. :shy:

Dieser Text ist für meinen Geschmack rasanter und eindrücklicher geworden. Du betonst, was dir wichtig ist und überträgst es geschickter in die Handlung. Du lässt keinen Zweifel mehr an der Eindeutigkeit der Kernaussage. Amüsant, bzw. interessant macht es für mich die Mischung der christlichen Gedanken und der Aktion des Gehens, der Wahrnehmung des Hier und Jetzt.

Deine Finger lösen sich von ihrem Griff, du hast Angst, die Augen dabei zuzumachen. Da ergreift plötzlich jemand dein Handgelenk.

Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Perspektivwechsel nötig ist, ob du das nicht vermeiden und beim Protagonisten bleiben könntest. :hmm:

Ich erachte diese Überarbeitung als genauer und erkenne jetzt besser den berühmt-berüchtigten Roten Faden.

Ein erneuter Eindruck und freundlicher Gruß, Kanji

 

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