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Jagdglück
Als er das Messer herauszog und das Blut abwischte, empfand Robert erstmals seit langem wieder tiefe Befriedigung. Was hatte man ihm alles angetan und nun war die Sache endlich erledigt, endlich. Robert fühlte keine Reue, nur Genugtuung. Er schob das Messer an die Stelle zurück, wo es hingehörte. Schon seit ewiger Zeit hatte er es nicht mehr benutzt. Jetzt hatte es sein müssen, es gab keinen Ausweg. Die ständigen Demütigungen mussten endlich ein Ende haben. Das Messer hatte seinen Zweck erfüllt, er konnte es jetzt zurückstecken.
Robert wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und dachte über seine Situation nach. Am Nachmittag hatte er noch mit Fred Whiskey getrunken und alles war wie immer gewesen. Sie hatten über Emma geredet und er geriet mit zunehmender Gesprächsdauer mehr und mehr in Rage. Warum musste Fred auch immer mit dem alten Thema anfangen. Emma war für ihn gestorben, vergessen, abgehakt. Da war nichts mehr drüber zu sagen, aber Fred wollte ihn immer provozieren.
Langsam stand er vom Tisch auf, betrachtete nochmal sein Werk und wandte sich mit einer gewissen Abscheu ab. Er würde später sauber machen und alles beseitigen, jetzt hatte er nicht den Nerv dazu. Er ging in das kleine Wohnzimmer, suchte den Weg zum Sofa, schaltete das Fernsehgerät an und zappte ohne Interesse durch die Programme.
Erneut wische er sich über den Mund, verdammter Speichelfluss. Er dachte an heute Nachmittag, als Fred geläutet hatte und den Vorschlag gemacht hatte raus zu fahren mit dem Boot. Aber das Wetter war nicht danach und so hatte er abgelehnt. Die Hoffnung, dass Fred wieder verschwinden würde, konnte er gleich begraben.
Zuerst redeten sie belangloses Zeug, über das Bootfahren, über Freds neuen Wagen, über das Wetter und dass man eigentlich bei jedem Wetter rausfahren könne und dann kam die Rede plötzlich wieder auf Emma. Das war der Punkt, an dem die Stimmung sich merklich verschlechterte. Fred ging nochmal raus, um etwas am Wagen nachzusehen. Als er wieder reinkam, trug er einen Leinen-beutel mit irgendwas Schwerem drin und legte ihn wortlos, aber mit wissendem Lächeln, auf den Küchentisch.
Robert ahnte was sich in dem Sack befand, wollte aber momentan nichts dazu sagen. Sie saßen sich ein paar Minuten wortlos gegenüber, jeder schlürfte an seinem bernsteinfarbenen Getränk, dann fing Fred wieder von Emma an und fragte ihn direkt, warum er sich jahrelang von ihr bevormunden hatte lassen. Er wäre doch ein Kerl, der das gar nicht nötig hätte. Er hätte jederzeit jede Menge Weiber haben können. Warum ausgerechnet diese Öko-Tussi Emma. Dabei war Fred selbst scharf auf sie gewesen, wollte es aber nicht zugestehen.
Sie blickten sich an und Roberts Blick verdunkelte sich. Fred hatte im Prinzip recht, aber es ging ihn eigentlich nichts an und die Sache war ja auch vorbei. Sicher, er gab da noch gewisse Nachwirkungen aus der Beziehung und vor allem wenn er an den Leinenbeutel in der Küche dachte und über den vermuteten Inhalt sinnierte, kochte es wieder hoch in ihm. Einerseits sollte er Fred dankbar sein, er sah Fred an, dass er das von ihm erwartete. Andererseits hasste er ihn dafür, dass er immer wieder auf Emma und ihre Vorstellungen vom Zusammenleben zwischen Mann und Frau, die sie ihm, Robert, immer aufgezwungen hatte, zu sprechen kam.
Fred erzählte nun von ihrem Jagdausflug, damals vor zwei Jahren, als sie zu zweit hinter dem Hirsch her waren, gleich hier im Wald, quasi vor seinem Haus. Emma war stinksauer, er erinnerte sich genau. Doch Fred sprach jetzt nicht mehr von ihr, sondern nur von diesem Jagdausflug, der schließlich auch erfolgreich verlaufen war. Der Hirsch hatte wirklich ein prächtiges Geweih, das seither Freds Hütte schmückte. Robert hätte sich damals nie getraut, das Geweih selbst zu nehmen und sich an die Wand zu hängen. Zwar hatte er den entscheidenden Schuss abgegeben, aber um jeglichen Streit mit Emma zu vermeiden, hatte er zähneknirschend darauf verzichtet und es seinem Jagdkumpan Fred überlassen.
Kurz danach brach die Beziehung mit Emma auseinander. Eigentlich hätte er danach Fred ansprechen können und die Herausgabe des Zwölfenders fordern sollen. Doch das hätte ihn nur ständig an den Jagdausflug erinnert, aber eben auch an den Verlust von Emma, der er, auch wenn er es nie zugeben würde, immer noch nachtrauerte.
Fred war inzwischen aufgestanden und in Richtung Küche gegangen. Er begann unschlüssig an dem Leinensack zu hantieren, während er weitererzählte. Robert brummte ab und zu zum Zeichen seiner Zustimmung oder Ablehnung Freds Argumente. Ansonsten beobachtete er nur seinen Freund aus den Augenwinkeln, wie er sich an dem mitgebrachten Sack zu schaffen machte. Fred versuchte ihn aber offensichtlich nicht zu öffnen, denn er zerrte ziemlich motivationslos an dem Beutel rum, war vielmehr damit beschäftigt, auf Robert einzureden und Emma schlecht zu machen.
Irgendwann war es dann zu viel gewesen. Wutentbrannt rannte Robert an Fred vorbei zu seiner Anrichte, wo er die Messer aufhob, die eben für jenen Zweck gedacht waren, den er jetzt gedachte umzusetzen. Er rannte an dem entsetzten Fred vorbei, in die Küche, riss panisch an der Verschnürung des Leinenbeutels, schaffte es endlich ihn zu öffnen und zog den Gegenstand heraus. Es war, was er vermutet hatte. Fred stand nun direkt hinter ihm. Er wollte noch etwas sagen, doch da blitzte das Messer auf, bohrte sich in das Fleisch und mit geübten und schnellen Schnitten vollführte Robert sein Werk.
Fred stöhnte verzweifelt auf, doch er hatte überhaupt keine Chance. Zu schnell kam die Klinge zum Einsatz und vollführte ihr Werk mit kalter Präzision. Das hatte Fred nicht erwartet, er hatte gehofft, er würde etwas mehr Zeit bekommen. Laut aufjaulend, den ekelerregenden Geruch von Blut in der Nase, wandte er sich ab, stolperte zur Küchentür, die unmittelbar in den Hof führte und keine Minute später hörte man den Toyota aufheulen und den Hof verlassen.
Robert aber betrachtete nun versonnen lächelnd sein Werk - die Hirschlenden-Filets, die nun fein säuberlich vom Knochen getrennt auf dem Küchentisch lagen. Er wunderte sich nur kurz, dass Fred so schnell verschwunden war und auf das opulente Abendmahl verzichtete. Hirschlenden-Filets, gebratene Kartoffeln und vermutlich hatte er noch ein paar getrocknete Wildpilze in der Vorrats-kammer, die würden verdammt gut dazu passen.
Ein absolutes Festmahl, nach drei Jahren Zusammenleben mit einer eingefleischten Vegetarierin, war das ein absoluter Gaumenorgasmus für ihn, wie er ihn lange nicht erlebt hatte. Schade, dass Fred davongelaufen war, eigentlich war er ja auch ein Gourmet. Allerdings hasste Fred schon immer dieses Gemetzel beim Schlachten und Zubereiten des Bratens.
Robert würde das Mahl auch allein genießen. Er erinnerte sich jetzt auch noch an die gute Flasche Rotwein, die er im Keller hatte. Die würde das Fleisch hervorragend ergänzen. Während er durch das Fernsehprogramm zappte, schmurgelte in der Küche der Braten im Ofen, verbreitete einen herb-würzigen Geruch und Robert wartete entspannt darauf, endlich das Ergebnis von Freds Jagdglück zu vertilgen - allein.