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Jahr 1945: Vertreibung aus der Heimat
Vertreibung aus der Heimat
Vertreibung aus der Heimat
Irgendwo in einem Dorf im Sudetenland.
Wir schrieben den 6./7. Mai 1945. Ganz in unserer Nähe hörten wir schweren Kanonendonner und Geschützeinschläge, die von der russischen Armee stammten. Die Truppen drangen immer weiter nach Westen vor.
Durch die vielen Flüchtlingstrecks aus Schlesien, die ein bis zwei Tage in unserem Ort Station machten, hatten wir bereits von den unmenschlichen Behandlungsmethoden der Russen erfahren. Von Plünderung, Verwüstung, Besetzung und Vergewaltigung war die Rede. Keiner von uns konnte die Grausamkeiten so recht glauben. Doch seit diesem Tag lebte die Angst mit unter unserem Dach.
Sollte jetzt alles auch hier Wirklichkeit werden?
Die Schlesier, die durch unseren Ort gezogen waren, kamen wieder zurück. Sämtliche Straßen gen Westen waren verstopft. Es gab kein Weiterkommen mehr für sie. Es blieb ihnen nur noch der Rückweg in ihre Heimat, auf dem sie allerdings von den Russen gestoppt, ihrer wenigen Habseligkeiten beraubt und geschändet wurden.
Was aus den Menschen geworden ist haben wir nie erfahren.
Zwei Tage später, am 08.05.1945, befand ich mich gerade bei Verwandten, die am anderen Ende des Ortes wohnten, als russische Kradmelder mit großem Lärm die Landstraße entlang fuhren.
Nun hieß es für mich auf dem schnellsten Weg nach Hause zu laufen. Würde ich es noch schaffe, unseren Hof zu erreichen, bevor die Panzer in unserem Ortsteil einfielen? Oder waren sie etwa schon dort? Was war mit meinen Eltern und meiner Schwester, die zu dieser Zeit auf dem Hof sein mussten?
Viele Fragen schossen mir durch den Kopf. Getrieben von der Sorge um meine Familie schlug ich im Laufschritt die Richtung zu unserem Haus ein.
Doch bereits an der Flussbrücke, die gesprengt war und von Fußgängern nur unter Mühe überklettert werden konnte, wimmelte es auf beiden Uferseiten von russischen Soldaten.
Kurz bevor ich unseren Hof erreichte, sah ich, dass einige Russen meinen Schulkameraden in die Zange nahmen. Mir blieb vor Schreck fast das Herz stehen.
Verborgen hinter einem Baum beobachtete ich aus sicherer Entfernung, wie er seine Lederjacke auszog und einem der Soldaten übergab.
Was sollte das Bedeuten? Was hatten sie mit ihm vor? Und wie konnte ich ihm helfen, ohne selbst in Gefahr zu geraten?
Während ich noch zögerte, ob ich meine Deckung verlassen sollte, sah ich, wie einer der Männer meinem Freund die Uhr vom Handgelenk riss und ihn dann laufen ließ.
Erleichtert atmete ich auf und setzte meinen Weg nach Hause fort, ständig mit der Angst im Nacken, von den Russen angehalten zu werden.
Wie ich mich durch die Ansammlung von Soldaten schlängeln konnte, ohne weiter belästigt zu werden, ist mir heute noch ein Rätsel. Wahrscheinlich hat mein Schutzengel besonders gut auf mich aufgepasst.
Kaum hatte ich die Soldaten passiert, merkte ich, dass ich verfolgt wurde. Ein kurzer Blick zurück gab mir die Bestätigung. Die Männer holten stetig auf.
‚Jetzt aber die Beine in die Hand nehmen’, sagte ich mir und jagte nach Hause. Um den Verfolgern nicht zu zeigen, in welchem Haus ich wohnte, begann ich einen Zickzacklauf. Auch dies schaffte ich ohne einen Kratzer. Meine Todesangst hatte mir unsagbare Kräfte verliehen.
Zu Hause angekommen, schlüpfte ich schnell in die Wohnung. Vom Fenster aus konnten wir beobachten, wie ein Trupp russischer Soldaten langsam unseren Berg hinauf marschierte. Alle waren zu Fuß.
Bereits am Tag vorher hatten wir in unserem Viertel weiße Bettlaken an den Dachfenstern aufgehängt, zum Zeichen, dass wir uns ergeben und keinen Widerstand leisteten. Wir hatten Angst, die Eindringlinge könnten jeden erschießen, der ihnen in die Quere kam.
In unserer Nähe wohnte ein alter Mann. Er war schwerhörig und verstand nicht sofort, was die Eindringlinge von ihm wollten. Diese hatten es nur auf seine goldene Uhr abgesehen, die er am Handgelenk trug. Da der Mann zu lange zögerte, wurde kurzer Hand auf ihn geschossen. Die Russen nahmen seine Uhr und verließen gleich darauf das Haus.
Eine Stunde später wurde der alte Mann von seiner Nachbarin entdeckt. Er war elendig verblutet, nur weil er schlecht hörte.
So geschah es auch mit anderen Bewohnern, die nicht sofort die geforderten Utensilien, wie Uhren, Ketten und Ähnliches herausrücken wollten. Die neuen Machthaber verfehlten selten ihr Ziel.
Gegen Abend desselben Tages kamen die ersten Russen in die Nähe unseres Hauses. Meine Eltern und ich waren in der Küche, als sie uns überfielen. Sie wollten nach Herzenslust essen und trinken. Mutter musste sofort anfangen zu kochen. Während dessen flüsterte Vater uns Mädchen zu, ein paar Straßen weiter in das Haus von Bekannten zu fliehen. Dies waren alte Leute, und es war unwahrscheinlich, dass die Russen, die auf der Suche nach jungen Mädchen waren, dort so genau nachschauen würden.
Leise schlich ich hinaus und schlug mich bis zu ihnen durch. Kaum war ich in der Stube angekommen, polterte es schon an die Tür und vier russische Soldaten standen im Zimmer, Maschinenpistolen im Anschlag. So hielten sie uns in Schach, um in Ruhe alles durchsuchen zu können. Zusammengedrängt standen wir in der Ecke des Zimmers. In meiner Verzweiflung schrie ich: „Ich will zu meiner Mutti!“. Doch als einer der Russen seine Maschinenpistole anlegte und mich anschrie, verstummte ich sofort vor lauter Angst.
Nachdem sie alles auf den Kopf gestellt hatten, zogen sie wieder ab. Ich nahm allen Mut zusammen und ging über die Straße in das Nachbarhaus zu einer jungen polnischen Familie, die schon lange in unserem Ort wohnte.
Dort sollte ich mich verstecken. Die Frau half mir in einen Verschlag, der mit lauter Gerstengrannen gefüllt war. Hier musste ich hineinkriechen und mich ruhig verhalten, bis die Russengefahr für heute vorüber war.
Wer etwas von der Landwirtschaft versteht, wird wissen, wie unangenehm das ist, sich in den juckenden und stechenden Grannen einzugraben und auch noch still zu sein.
Plötzlich tauchte auch Mutter bei mir auf. Vater hatte sie zu uns geschickt, da auch sie zu Hause vor den russischen Vergewaltigern nicht mehr sicher war.
Wir hofften, abends wieder aus dem juckenden Haufen von Grannen befreit zu werden. Doch wir wurden enttäuscht. Drei Tage und drei Nächte mussten wir in dem Verschlag verbringen. Die Polin brachte uns, wenn es möglich war, etwas Milch und ein Stück trockenes Brot, damit wir nicht verdursteten.
Ihrem Mann gelang es durch Verhandlungen mit den russischen Soldaten, dass sein Haus von weiteren Durchsuchungen verschont wurde. So konnten wir wenigsten unser Versteck verlassen und zogen im Dachgeschoss in ein kleines Stübchen. Doch mussten wir uns dort leise verhalten, denn jeglicher Krach hätte unser Versteck verraten. Daher nutzen wir die Zeit, um Pläne für die Zukunft zu schmieden.
Abends hörten wir russische Stimmen auf dem Vorplatz. Schweißgebadet krochen wir hinter die Möbel, um ungeschoren davon zu kommen. Auch dieses Mal war es wieder dem polnischen Landsmann zu verdanken, dass die Männer abzogen, nachdem sie seine Wohnung durchsucht hatten.
Inzwischen wurde meinem Vater von einer Gruppe Polen befohlen, unsere herrlichen Pferde, es waren Hannoveraner, vor den Wagen zu spannen, um Kriegsbeute nach Polen zu fahren. Der Wagen war voll geladen mit geklauten Sachen, die deutsche Polen, oder polnische Deutsche, keine Ahnung wie man sagen sollte, mit zurück in ihre Heimat nehmen wollten.
Sie waren damals aus Polen nach Deutschland gekommen, da sie angaben Deutsche zu sein. Jetzt, nachdem sich die Lage für die Deutschen verschlechtert hatte, waren sie auf einmal wieder Polen, die in ihre polnische Heimat zurück wollten.
So mussten unsere beiden Pferde „Lisa“ und „Fux“ den beladenen Wagen mit Beutegut kilometerweit Richtung Polen ziehen. Wie Vater uns später erzählte, versuchte er unterwegs mehrmals auf die Polen einzureden, damit sie sich andere Pferde besorgten und ihn wieder nach Hause ließen. Die Tiere wurden immer schlapper, und das Futter war auch knapp geworden.
Doch die Antwort, die er von ihnen bekam, lautete: „Wir waren nun schon so lange in Deutschland. Jetzt kannst du auch mal mit uns nach Polen kommen.“ Dabei lachten sie unverschämt und bedrohten ihn mit dem Revolver, wenn er versuchte, mit ihnen zu verhandeln.
Nach einiger Zeit machte einer der Polen den Vorschlag, wenn Vater auf seine Pferde verzichtete, dann wollten sie selbst fahren, und er konnte abhauen. Sie hatten wahrscheinlich gedacht, dass Vater den Rückweg nicht lebend überstehen könne, da schon die Russen auf ihn lauern und ihn als Partisan erschießen würden.
Schweren Herzens und in Gedanken bei seiner Familie, für deren Schutz er verantwortlich war, verzichtete er auf unsere Pferde. Ohne Nahrung, immer auf der Hut vor den Rebellen, trat er seinen Rückmarsch an.
Wir, Mutter und ich, erfuhren von dem gefährlichen „Ausflug“ unseres Vaters erst nach einigen Tagen, als er erschöpft bei dem polnischen Ehepaar auftauchte.
Nach etwa vierzehn Tagen waren die Russen aus unserem Haus abgezogen, so konnten wir wieder zurück.
Aber, oh Schreck! Mutter stieß einen spitzen Schrei aus.
Was uns da erwartete, kann ich kaum beschreiben. Wir erkannten unser Wohnung nicht wieder. Alles war auf den Fußboden geworfen, Essensreste, Hühnerfedern, Knochen, Brot, Eier. Dies vermischte sich mit Bettfedern aus den zerrissenen Daunendecken. Die ganze Wohnung stank fürchterlich.
Sie hatten Hühner geschlachtet, und nur die besten Stücke gegessen. Die Überreste waren zum Teil schon verschimmelt und lagen überall herum. Es stank zum Himmel. Zum Glück hatten sie wenigstens unsere Schweine, Kühe und Hasen am Leben gelassen. Dafür gab es keine Eier, keinen Speck und kein Räucherfleisch mehr. Auch waren die Hälfte der eingekochten Wurstgläser hatten sie leer gegessen.
Wir durchsuchten unsere Schränke und stellten fest, dass die gute Kleidung geplündert und Wäsche und Geschirr mitgenommen worden waren.
Ganze Lastwagen voll Beutegut transportierten die Russen aus den Häusern ab. Nur Unrat, Dreck und Lumpen ließen sie zurück. Sogar schwere Möbelstücke wurden verladen.
Sie machten auch vor den Tieren keinen Halt und gaben Befehl, dass alle Kühe auf eine große Wiese gebracht werden sollten. Doch die Bauern waren schlauer. Viele, darunter auch unsere Familie, trieben das Vieh in die näheren Wälder, um nicht alles zu verlieren.
Doch das hört sich einfacher an, als es war. Die Tiere hatten keine Erfahrung im Almauf- und Almabtrieb. Sie wurden für gewöhnlich nur im Herbst auf die Weide gelassen. Den Mist, den sie lieferten, brauchten wir für unsere kargen Böden zum Düngen.
Wie die Verrückten sprangen sie herum. Es war schwer, eine Ordnung hineinzubringen. Jedes einzelne Tier musste, an einem Strick gebunden, in die Wälder geführt werden, denn sonst wären sie rennend und springend in alle Richtungen davongelaufen. Das war ein Zerren, Stoßen und Ziehen, bis wir endlich schweißgebadet im Wald anlangten.
Morgens wurden wir von „Geheimagenten“ unterrichtet, ob wir das Vieh im Stall lassen konnten, oder die ganze Prozedur wieder von vorne beginnen mussten. Zeitweilig mussten wir jeden zweiten bis dritten Tag raus in die Wälder.
Eines Tages hatte Mutter ihr Malheur mit einer jungen Kuh namens „Linda“. Sie war so temperamentvoll, dass sie Mutter umschmiss und noch ein ganzes Stück hinter sich herzog. Dabei zog sie sich schwere Prellungen zu, die ihr noch längere Zeit zu schaffen machten. Obwohl sie uns allen Leid tat, konnte keiner so richtig Rücksicht darauf nehmen. Irgendwie musste es weitergehen.
Nach Pfingsten kam zu unserem Schrecken die nächste Gefahr, die Tschechen.
Sie besetzten sämtliche wichtigen Ämter im Rathaus und ordneten an, dass alles, was die Russen nicht verschont hatten, nun bei ihnen beim „Naristuy Vibor“ (Gemeinde) abgeliefert werden sollte.
Natürlich gab es auch hier wieder Ausnahmen bei der Enteignung, von uns die „Bonzen“ genannt. Sie waren der Kommunistischen Partei beigetreten und wollten sich dadurch Vorteile verschaffen.
Diese Individuen verrieten Landsleute, oft sogar die eigenen Nachbarn, nur um selbst keine Unannehmlichkeiten von den Tschechen zu erhalten. Leute, die früher der NSDAP angehört hatten, wurden von ihnen angezeigt. Die Tschechen trieben dann die Männer und Frauen auf einem Platz zusammen, ließen sie im Kreis gehen und prügelten mit Holzscheiten und anderen Folterinstrumenten auf sie ein, bis sie unter Stöhnen und Schreien auf dem Boden liegen blieben.
Es war eine Stimmung, als herrsche Bürgerkrieg in unserem Dorf. Keiner konnte mehr dem anderen trauen. Auch bei Gesprächen, die man ja sowieso nur noch gelegentlich führte, musste man bei der Wortwahl und Lautstärke vorsichtig sein, denn der Feind hörte mit.
Es kamen neue Anordnungen, die wir zu befolgen hatten.
So war es nicht mehr gestatten, dass mehr als zwei Personen auf der Straße zusammenstehen durften.
Alle Deutschen mussten auf der linken Brustseite einen 10 x 7 cm großen weißen Kreis mit den „N“ anstecken, und zwar gut sichtbar. Das sollte jedem zeigen, dass wir Deutsche waren. Später wurden diese Kreise durch Armbinden ersetzt, damit man die „Deutschen“ auch von hinten erkennen konnte.
Die Tschechen konnten sich jetzt alles erlauben. Häuser, die ihnen gefielen, wurden besetzt und die früheren Besitzer vertrieben. Aber wenn man genauer hinsah, dann konnte man erkennen, wer sich hinter den „vornehmen Tschechen“ verbarg. Es waren frühere Knechte, Zigeuner, Ringelspielmänner, Drahtbinder und Ähnliche. Sie kamen in ausgelatschten Militärschuhen und zerrissenen Uniformen daher, meistens nur mit einem Karton unter dem Arm und markierten den großen Mann.
So kam auch „unser Tscheche“ Mitte August 1945 in unser Haus. Er zeigte uns einen Zettel, auf dem stand, dass er jetzt der Eigentümer dieses Hauses und der Landwirtschaft sei.
So einfach war das damals.
Vierzehn Tage später trafen dann seine Frau, mit den drei Söhne und der Tochter ein. Der Kleinste war fünf Jahre alt. Sie hatten wie alle Einwanderer nur zwei kleine Kartons bei sich.
Von nun an waren wir zehn Personen im Haushalt, für die Mutter alle kochen musste. Aber da war guter Rat teuer. Was sollte sie denn jeden Tag für so viele hungrige Mäuler auf den Tisch bringen? Schweine durften keine geschlachtet werden, Speck, Fett und Räucherfleisch waren vergraben und sind es noch bis heute. Das Mehl hatten wir in vielen Säcken oben in der Scheune hinter dem Stroh versteckt.
Doch alle Mühe war umsonst. Eines Abends kam Vater wütend aus der Scheune ins Haus.
„Jetzt haben sie auch noch unsere Mehlvorräte entdeckt. Bleibt nur noch das eine große Fass Sauerkraut für uns.“
Und das bedeutete, dass es von nun an jeden Tag Sauerkraut und Kartoffeln gab. Vater quetschte heimlich mit der elektrischen Schrotmühle Korn, Gerste und Weizen für Nachbarn, davon kochte Mutter „Reisbrei“. Was hatte das damals so gut geschmeckt. Dazu gab es eine Tasse Milch, und das war unser Mittagessen.
Obwohl es gefährlich war, holten wir uns trotzdem ab und zu eine Dose mit eingekochter Wurst aus dem Versteck. Dabei stand immer einer als Wache draußen. Diese Delikatesse wurde dann in unserem Zimmer, das wir mit Erlaubnis der Tschechen alle zusammen bewohnen durften, mit Genuss verspeist. Hier waren wir so gut wie sicher, denn die jetzigen Hausherren betraten diesen Raum nie offiziell.
Vater musste dem neuen „Besitzer“ sämtliche Felder zeigen. Doch wir glaubten nicht, dass er ihnen alle Wiesen und Äcker zeigte. Natürlich musste er für ihn arbeiten. Nebenbei bestellte er auch noch den Boden, von dem der Tscheche nichts wusste, damit die Felder nicht ganz verwahrlosen sollten, und wenn die Gefahr vorüber war, wieder von uns voll genutzt werden konnten. Denn zu dieser Zeit glaubte noch niemand den Unkenrufen, dass wir unsere Heimat auf Nimmerwiedersehen verlassen sollten.
Der Tscheche selbst wollte nur Geld machen. Den Viehverkauf tätigte er daher selbst. Die schwere Arbeit mussten wir für ihn erledigen.
An Weihnachten 1945 gibt es keine Erinnerungen mehr. Sicher waren es Tage wie alle andere auch, voll gepackt mit Arbeit.
Im Januar 1946 wurden in Dorf schon die ersten Transporte für die Vertreibung zusammengestellt. Es wurde also Ernst. Die Gerüchte bewahrheiteten sich.
Am 27.02.1946 abends gegen 18.00 Uhr wurde uns ein Zettel überreicht. Darauf stand der Befehl, dass wir uns morgen früh um 8.00 Uhr im katholischen Vereinshaus einzufinden hatten. Mitnahme von 50 kg Gepäck pro Person war erlaubt. Alles sollte mit einer großen „17“ beschriftet sein.
Vater war am Nachmittag bei unserer Nachbarin, um ihr eine Kiste zum Verstauen ihrer Sachen zu bauen, die sie bei einer eventuellen Vertreibung mitnehmen wollte. Schnell liefen wir hinüber, um ihn vom erhaltenen Befehl zu unterrichten.
„Vater komm schnell, wir müssen morgen früh fort.“
Das war ein Schock. Wir suchten zu Hause erst einmal große Säcke, in die wir unsere Sachen verstauen wollten. Säcke waren natürlich besser zu transportieren als Kisten und sie waren längst nicht so schwer. Handgepäck sollte frei sein. Also kamen noch Rucksäcke hinzu.
Mutter war kaum in der Lage an alles zu denken. Daher war es an mir, alle Vorkehrungen zu treffen. Kinder verkrafteten so etwas doch besser, obwohl wir wussten, dass es keine Abenteuerreise werden würde. Dafür hatten wir schon zu viele Gerüchte aufgeschnappt.
Bis abends um 20.00 Uhr blieb uns Zeit zum Packen, dann löschte der Tscheche das Licht und wir mussten aufhören und uns ruhig verhalten.
Am nächsten Morgen um 8.00 Uhr sollte die Reise ins Ungewisse beginnen.