Was ist neu

Käfig

Empfehlung

Bas

Mitglied
Beitritt
16.09.2018
Beiträge
237
Zuletzt bearbeitet:

Käfig

Das ist jetzt nicht mehr mein Hund, nicht mehr mein Freund, das ist ein Zerrbild. Es fing an, als er nicht mehr schlafen wollte, als er stundenlang durch die Wohnung tappte, als er so lange im Kreis lief, bis er irgendwann vor der Wand stehenblieb und ins Leere starrte. Da ging ich behutsam, ganz langsam zu ihm hin, legte ihm die Hand auf den schweren Kopf, die Hand, die ihn am liebsten gepackt hätte, die Hand, die ganz genau Bescheid wusste um die eigenen schlaflosen Nächte, um das In-die-Matratze-krallen, die sich erinnerte an die kühle Keramik, wenn ich mich, auf das Waschbecken gestützt, übermüdet, überreizt, im Spiegel ansah und dann schnell wieder weg, weil ich den Gedanken, der sich mir da aufdrängte, nicht ertragen wollte.

Einschläfern, sagen die Leute, schläfer ihn doch ein, und dabei bemerken sie nicht, dass ihnen Sand in die Augen gestreut wurde, von den Wortverdrehern, den Beschönigern, denen, die die Wahrheit nicht wahrhaben wollen. Er wird nicht einschlafen, er wird sterben, und darüber möchte ich nicht diskutieren, und ich will auch nicht von meinem Opa sprechen, der tagelang, wochenlang durch seine Wohnung irrte, der mich nicht schlafen ließ, als die Oma im Krankenhaus lag mit ihrem Schlaganfall. Mein Opa, dessen Füße sich bei jedem Auftreten in die Hausschlappen saugten und dann bei jedem Anheben dieses Geräusch machten, dieses fischige, schlammige Krötengeräusch, schmatz schmatz, schmatz schmatz. Mein Opa, der sich bei der Oma am Telefon beschwerte. Über den Hermann. Dass der ja nur schlafe, und was der eigentlich hier zu suchen habe, der Hermann. Der Hermann, das bin ich, obwohl ich gar nicht der Hermann bin, der Hermann war sein Bruder, der an einer Hirnhautentzündung starb, als mein Opa noch ein Kind war.

Und trotzdem sagte da keiner, schläfer ihn doch ein, den Opa. Da wäre keiner drauf gekommen, das zu sagen, vor allem nicht, wenn sie ihn gesehen hätten, spät nachts, als wir zusammen vor dem Fernseher saßen, weil wir beide nicht schlafen konnten. Der Opa, weil die Zeit für ihn keinen Sinn mehr ergab, und ich, weil ich keine Wahl hatte. Denn da lachte der Opa, lachte mit Tränen in den Augen, lachte mit Rotz aus der Nase, sagte, guck, Hermann, guck hin, der Bud Spencer, der haut dem Kerl in die Schnauze, dass es pfeift. Guck doch mal hin, Hermann. Penn nicht bloß rum.

Als ich meine Hand auf seinen schweren Kopf lege, auf den Kopf meines Freundes, da zuckt er zusammen, und im nächsten Augenblick zucke auch ich zusammen und spüre die Zähne und den Schmerz und haue ihm eine in die Schnauze, haue ihm in die Schnauze, dass es pfeift. Und im übernächsten Augenblick tut es mir leid. Aber da ist es zu spät, da ist er weg, verschwunden in der Dunkelheit der Wohnung, und als ich vor dem Spiegel stehe und das Blut in das Waschbecken tropft, weiß ich, dass ich mich noch lange daran erinnern werde. Nicht wegen der Narbe, die zurückbleibt, sondern weil ich meinen Freund geschlagen habe. Weil die Zeit für ihn keinen Sinn mehr ergab.

Und ich weiß auch, dass er mir in drei, vier Stunden, wenn ich zur Arbeit muss, wo ich immer nur halb da bin, halb da, halb bei ihm, ihm dabei zusehe, wie er vor der Wand steht, wie er umherirrt und seine Geräusche macht, tapp tapp, Geräusche, die mich wachhalten, stumpfe Krallen auf kaltem Parkett, dass er mir dann überall hin folgen wird. In die Küche, ins Bad. Mit raushängender Zunge, sodass es aussieht, als würde er lächeln, und dass er dann nicht mehr wissen wird, was passiert ist, dass ich dann immer noch sein Freund sein werde. Aber leichter macht es das nicht.

Leichter macht es das nicht, wenn die anderen sagen, das ist das Alter, und sei doch froh, dass es da einen Ausweg gibt. Sei doch froh, dass du nicht mehr jedes Mal Scheiße aufsammeln musst, wenn du von der Arbeit kommst, und sei doch froh, dass du dir keine Sorgen machen musst, dass dein Parkett aufquillt wegen der Pisse.

Froh sollst du sein. Dass du dich nicht mehr freuen musst, wenn ich von der Arbeit komme, sei froh, dass du dein Futter nicht mehr essen musst, mit wegrutschenden Beinen, weil dir die Kraft fehlt. Sei froh, dass du dich nicht mehr kraulen lassen musst, unter der Schnauze, wo es dir so gut gefällt, und sei froh, dass der kleine weiße Nachbarshund, der noch nicht weiß, wie müde du bist, dich nicht mehr anspringen kann, nicht mehr mit dir spielen kann, während du dastehst, stoisch, gelassen, zu mir aufschaust, mir vertraust. Sei froh. Dass dann alles schwarz ist, alles vorbei, dass dein Leben zu Ende ist, weil ich das so will.

 

Hallo @Bas,

ich muss sagen, dass ich noch unentschlossen bin, ob mir deine Geschichte gefällt oder nicht. Einerseits hat mir der sprachliche Rhythmus gefallen. Da steckt auf jeden Fall Potential drin. Andererseits sitze ich hier gerade etwas verwirrt vor meinem PC. Das liegt wohl daran, dass mir der rote Faden am Ende abhanden gekommen ist: Du erzählst die Geschichte eines traurigen Hundebesitzers, dessen Hund im Sterben liegt. Er leidet stark darunter und ist nicht wirklich präsent wegen all des Leids. Dann schlägt er seinen Hund und ich als Leser dachte, dass er ihn damit vor weiteren Schmerzen bewahrt und ihn tötet. Das ist jedoch nicht so und ich wusste als Leser nicht genau, warum er dann seinen Hund geschlagen hat? Konnte hier nicht folgen. Auch das Ende hat mich dann etwas ratlos zurückgelassen, plötzlich schilderst du die Perspektive des Hundes?

Ich gehe im Folgenden auf meine subjektiven Leseeindrücke ein, hoffe, es hilft dir weiter:

Das fing schon an, als er nicht mehr schlafen wollte, als er stundenlang durch die Wohnung tapste, als er so lange im Kreis lief, bis er irgendwann vor der Wand stehenblieb und ins Leere starrte.
Mir hat dieser Satz gut gefallen. Du bist meiner Meinung nach auf einem schmalen Grad unterwegs zwischen Poesie und Kitsch. An dieser Stelle war es für mich Poesie.

Mein Opa, dessen Füße sich bei jedem Auftreten in die Hausschlappen saugten und dann bei jedem Anheben dieses Geräusch verursachten, dieses fischige, schlammige Krötengeräusch, schmatz schmatz, schmatz schmatz.
Die wissen nicht, dass ich bei der Arbeit nur halb da bin und dass die andere Hälfte zuhause ist, dass sie meinem Freund angespannt dabei zusieht, wie er vor den Wänden steht, wie er durch die Wohnung irrt und dabei seine Geräusche macht, tapp tapp, tapp tapp. Geräusche, die mich nachts wachhalten.
Das finde ich zwei ganz starke Stellen, weil das Bild jeweils so plastisch wird und ich mir als Leser die Geräusche gut vorstellen kann.

Als ich meine Hand auf seinen schweren Kopf lege, auf den Kopf meines Freundes, da zuckt er zusammen, und im nächsten Augenblick zucke auch ich zusammen und haue ihm eine in die Schnauze mit meiner blutverschmierten Hand. So, wie ich noch nie einem in die Schnauze gehauen habe.
Ich dachte wirklich, dass er seinem Hund den Gnadenstoß verpasst. "So, wie ich noch nie einem in die Schnauze gehauen habe", hat bei mir diesen Eindruck hinterlassen.

Aber nichts im Kopf haben und zu wissen, dass man nichts im Kopf hat, ist ein Käfig, und diese Wohnung ist ein Käfig und diese Wände sind die Gitterstäbe, sagte er, als wir zusammen am Küchentisch saßen. Bildete ich mir ein, zu hören, zu sehen, in seinem Blick. Ob es mir nicht schmecke, fragte er in Wahrheit.
Hier finde ich, dass es zu kitschig wird und die Stelle hat mir persönlich nicht so gut gefallen. Es wirkt für mich zu künstlich, als würdest du mir das aufzwängen wollen. Vielleicht kannst du das dichter schreiben, ist allerdings nur mein eigene Eindruck.

Und ich weiß nicht, wo der Mensch ist und was der Mensch von mir will, aber jetzt sehe ich das Licht aufleuchten und der Mensch ist wieder da, und er krault meinen Kopf und ich weiß noch nicht mal, warum.
Das Ende hat mich irgendwie etwas enttäuscht zurück gelassen. Nach dem für mich starken Anfang, hat die Geschichte dann doch merklich abgebaut. Ich hätte mir gewünscht, dass du die Beziehung zwischen dem Besitzer und dem Hund weiter ausbaust. Vielleicht eine Szene schilderst, l woran sich mir als Leser die tiefe Liebe zeigt - ganz fein, leise und subtil. Nur um dann am Ende das Tod des Hundes zu zeichnen und all die Trauer bei mir als Leser zu erwecken. Genau das waren jedenfalls für mich die Erwartungen nach dem Anfang, die vor allem auch durch den sprachlichen Stil geweckt wurden.

Insgesamt sehe ich da eine Menge Potential und würde da gerne eine überarbeitete Version lesen.


Beste Grüße,
MRG

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Bas

dein Text vermittelt sehr eindrücklich die Hilflosigkeit angesichts des Unabwendbaren. Gerade die Wiederholung des Ereignisses aus der Kindheit verstärkt den Effekt deutlich. An anderen Tagen hätte ich das als zu konstruiert empfunden. Heute nicht. Der Sprachstil bildet das ziellose Kreisen im Käfig der äußeren Zwänge passend ab. Wenn mir etwas negativ auffällt, dann dass ich den Eindruck habe, als würden die Stilmittel nach einem Plan verwendet und weniger nach Gefühl. Der Spannungsbogen könnte deutlicher ausgebaut werden. Ein bisschen mehr Dynamik würde nicht schaden.
Das ist natürlich Meckern auf hohem Niveau.
Die Geschichte löst Emotionen aus, ist sprachlich sehr gut gestaltet und behandelt ein großes Thema.
Hat mir gut gefallen.

Schönen Gruß!
Kellerkind

 

Aber leichter macht es das nicht.
[...]
Aber wie gern wär ich frei. Und stattdessen irre ich umher. Renne im Kreis und gegen Wände, weiß nicht, ob Tag ist oder Nacht, weiß nicht, was richtig ist und was falsch.

Vor vier Jahren „musste“ Willi" eingeschläfert werden, denn auf unserem gemeinsamen „letzten“ Gang zeigte er ein merkwürdiges – zumindest für mich, weil es das erste Mal in meinem Hundeleben i. S. von Rudelbildung (Hunde sind soziale Tiere und wenn α- und auch β-Tier acht und mehr Stunden außer Haus sind, sollte zumindest nach meiner Auffassung ein Anderer in Hundebau/Wohnung sein) – er kotzte am Waldrand (soviel Disziplin brachte er noch auf, nicht schon zuvor auf den Wegen zu kotzen und Herrchen zur Sammlung zu zwingen) und – da hatte selbst ich gestaunt, als er das schaumige, grünliche Erbrochene „einscharrte“, was sich kurz darauf wiederholte.

Krebs war am folgenden Tag die Diagnose …
Ein Hund kann alles kriegen, was auch den Menschen heimsucht. Nur wissen wir nicht, ob er weiß, dass es zu Ende geht ...

Warum erzähl ich das? Weil Hunde seit der Steinzeit alle kulturellen Änderungen mitvollzogen und sich der menschlichen Lebensweise angepasst haben - und umgekehrt (manchmal stinkt Herrchen eben auch wie ein Hund, nur dass er sich zur Tarnung nicht in Schafscheiße wälzen muss, um buchstäblich ein Wolf im Schafspelz zu werden, wobei ich den Frevel der Überzüchtung mal außenvor lass). Und so kann ich Deine kleine Erzählung – ob sie nun Teil einer Selberlebensbeschreibung [so nannte Jean Paul seine autobiografischen „Notizen“] oder Fiktion sind, Jacke wie Hose,

lieber Bas,

incl. des Titels nachvollziehen, denn für den Hund ist die Nähe zum Menschen zu mehr als einem „Käfig“ geworden (in der extremsten nach außengekehrten und sichtbaren Form des Zwingers, aber auch der Ankettung an Wänden), nämlich einem unsichtbaren Band (veräußerlicht in der grundsätzlichen Leinenpflicht und neuerdings der an Absurdität klingenden Pinkelrundenpflicht, m. E. eine legalisierte Vergewaltigung im Hundeleben). Ähnlich dem technologischen „Fortschritt“, dem man im Alter nicht mehr unbedingt folgen kann oder will. Anders ausgedrückt: Der Mensch brauchte 100 und mehr Generationen, den aufrechten Gang zu üben, und kann den aufrechten Gang in einer Generation wieder durch freiwilliges Buckeln verlernen.

Eine kleine Korrektur erscheint mir notwendig, hier nämlich:

Und ich weiß auch, dass er mir in drei, vier Stunden, wenn ich los muss, zur Arbeit, dass er mir dann überall hin folgen wird.
a) warum so gequirlt mit kommabesetzten Einschüben, wenn's der Zeichenreduzierung einer winzigen Umstellung bedarf: "Und ich weiß auch, dass er mir in drei, vier Stunden, wenn ich zur Arbeit muss, dass er mir dann überall hin folgen wird." Oder noch kürzer entsubstantivierter "Und ich weiß auch, dass er mir in drei, vier Stunden überall hin folgen wird, wenn ich arbeiten muss" - wobei der Indikativ "wird" besser durch den Konjunktiv ersetzt wird, es sei denn, der Erzähler dürfte den Hund mit zur Arbeit nehmen (gibt's tatsächlich gelegentlich ... Hunde sind nicht einfach in Kindertagestätten abzuladen).

Hoppela, da hab ich mir ja eini:
ges von der Seele geschrieben ...

Kurz, sofern man es beim Thema so sagen kann, oder besser, ich setz ne Negation ein:

nicht ungern gelesen vom

Friedel

 

Hey Bas

Das ist jetzt nicht mehr mein Hund, nicht mehr mein Freund, das ist ein Zerrbild. Das fing schon an
Vielleicht das dritte "das" durch ein "es" ersetzen? "schon" = Füllwort
als er so lange im Kreis lief, bis er irgendwann vor der Wand stehenblieb
Das klingt, als wäre er vorher jeweils durch die Wand gelaufen.
ganz langsam zu ihm hin, legte ihm meine Hand auf den schweren Kopf,
Ich würde hier "die" schreiben.
die Hand, die ihn am liebsten gepackt hätte,
Das konnte ich hier nicht so ganz nachvollziehen, diese Wut.
die eigenen, schlaflosen Nächte,
Kein Komma, würde ich sagen. Seine schlaflosen Nächte und meine eigenen schlaflosen Nächte.
an das kühle Keramik
die Keramik
der sich mir da aufdrängte,
würde ich hier streichen, du hast einige "da" im Text.
Einschläfern, sagen die Leute, schläfer ihn doch ein, und dabei bemerken sie gar nicht,
Füllwort
und ich will auch nicht von meinem Opa sprechen, der tagelang, wochenlang, durch seine Wohnung irrte,
Kein Komma nach wochenlang, würde ich sagen.
der Hermann war sein Bruder, der Bruder, der an einer
Diese Wiederholung fand ich unnötig.
Und trotzdem sagte da keiner, schläfer ihn doch ein, den Opa. Da wäre keiner drauf gekommen,
Hier vielleicht statt dem ersten "da" ein "damals".
Denn da lachte der Opa selbst wie ein Kind,
Wieso selbst? Von einem Kind ist vorher nicht die Rede.
So, wie ich noch nie einem in die Schnauze gehauen habe, haue ihm den Brassel auf die Birne, dass es pfeift.
Ach, es ist immer schön, etwas aufzugreifen, aber ich finde das etwas deplaziert. Du arbeitest so hart und so gut daran, dem Text eine gewisse Gravität zu geben und dieses Sterben ist tragisch und dass er ihn schlägt, ist tragisch, und dann wird genau dieser Höhepunkt mit einer Szene aus einem Bud-Spencer-Film verglichen mit diesem Vokabular. Ja, kann man geltend machen, dass gerade dieses Vokabular die Sache noch tragischer macht. Hat bei mir aber nicht funktioniert.
Und ich weiß auch, dass er mir in drei, vier Stunden, wenn ich los muss, zur Arbeit, dass er mir dann überall hin folgen wird.
Unnötig komplizierte Syntax
Die anderen haben keine Ahnung. Die wissen nicht, dass ich bei der Arbeit nur halb da bin und dass die andere Hälfte zuhause ist, dass sie meinem Freund dabei zusieht, wie er vor den Wänden steht, wie er durch die Wohnung irrt und dabei seine Geräusche macht, tapp tapp, tapp tapp. Geräusche, die mich nachts wachhalten. Die sich so tief in mein Hirn eingebrannt haben, dass sie mich auch beim Einkaufen noch verfolgen, die dafür sorgen, dass ich nur halb da bin und die Hälfte von der Einkaufsliste vergesse, die Hälfte, die für mich gedacht war. Geräusche, die mich davon abhalten, neue Bekanntschaften zu knüpfen. Davon, neue Freunde zu finden. Die große Liebe. Weil oben, ganz oben auf meiner Prioritätenliste, da steht mein Freund, und deshalb will ich gar nicht erst hören, was die anderen dazu sagen.
Dieser Abschnitt hat mir nicht mehr so viel gegeben, da wiederholt es sich ein Stück weit und da wird im letzten Satz auch noch mal der Kern der Geschichte zusammengefasst. Würde ich nicht machen, der Leser weiss das doch längst.
weiß nicht, was richtig ist und was falsch.
Das ist eine Thematik, die sich bisher nicht aufgedrängt hat.

In seiner Kürze ein dichter Text, der mich emotional erreicht hat. Der Mensch-Tier-Vergleich gibt Futter fürs Nachdenken und ist gut eingebettet. Die sprachliche Gestaltung ist gelungen. Ich glaube, du hattest in einer früheren Version noch zur Perspektive des Hundes gewechselt. Gut, dass du das gestrichen hast, der Text ist jetzt fokussierter, eindringlicher. Ist ein guter Text, lieber Bas.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo,

ich kann mich dem Lob nicht so ganz anschließen. Der Text ist nicht schlecht, aber es fehlen wesentliche Teile, um für mich wirklich zu funktionieren. Er ist ein bisschen eine Blendgranate insofern, dass er an eigenen Erfahrungen und allgemein in der Gesellschaft verankernden Vorstellungen von Trauer operiert. Im Grunde ein langgezogener Seufzer. Mir ist das, ganz im Gegenteil zu Friedels Urteil, vie zu sentimental, weil der Text sich auch nie von der Stelle bewegt - das ist ein Betrauern, ein Angst vor dem Nicht-abschließen können, vor einer etwaigen Leere, das schwingt da alles mit. Aber es bleibt ein Raunen, vage und unkonkret. Viel konkreter bleibt mir da der Opa im Kopf, der fungiert ja so als Spiegelbild, der lebt und macht Geräusch, den hätte man aber nie eingeschläfert!, das steckt da ja als Gleichung drin, aber mir fehlt die Fallhöhe. Warum wird er um den Hund trauern? Oder um den Opa? Oder eben um den gerade nicht? Oder um beide? Was macht die Beziehung zu diesem Hund so spezifisch, so individuell, wo ist da etwas Gemeinsames, so dass ich als Leser verstehe: Die beiden haben etwas durchgemacht, sie sind einen großen Weg gegangen, Seite an Seite, und deswegen wird es hart, die Trauer und die Angst vor dem unausweichlichen Schicksal ist verdient; das würde ich als Leser begreifen. So bleibt da aber nur eine Leerstelle, und am Ende denke ich mehr über den Opa und Bud Spencer nach. Vielleicht ist aber ja auch das gewollt. So bleibt da nur dieser unbeholfene Akt des Zubeißens, vielleicht weil das Tier nichts mehr zuordnen kann, Tumor im Kopf oder wasweißich, und dann dieser, aus dem sonstigen Text heraus, vollkommen unmotivierte Schlag, diese versehentliche Gewalttätigkeit, das bleibt die einzige echte Interaktion zwischen den beiden. Für was steht die? Die hat ja kein Gegengewicht, es gibt keine echte Zärtlichkeit, kein vertrauliches Verhältnis, keine Innigkeit, keine Gemeinsamkeit - die passiert wenn, off page. Das ist auch die einzige Erinnerung, die ihm bleiben wird, so steht es zumindest im Text. Finde ich für die Dramaturgie schon etwas ungeschickt, weil was soll ich denn von diesen beiden halten?

Mir ist auch das Ende viel zu sentimental. Er findet keine neue Freunde, keine neue große Liebe - weil sein Hund stirbt, oder der Gedanke an den nahenden Tod ihn so erfasst, dass er lebensuntüchtig wird. Für mich ist das etwas dick aufgetragen. Vielleicht auch der Perspektive geschuldet, denn er sagt das ja zu sich selbst ... schwierig, das klingt dann so weinerlich und unentschlossen, und auch sehr egoistisch, denn er denkt ja im Grunde an sich, er beweint hier permanent seine Position, seinen Verlust - um den Hund geht es ja gar nicht wirklich. Es wird nie gefragt, ob der Hund vielleicht auch Schmerzen empfindet, wie er sie empfindet, wie er den nahenden Tod erwartet, ob es da Anzeichen für eine andere Art der Kommunikation gibt, das hört man oft, dass Hunde sich dann plötzlich anders verhalten, das sie seltsam werden - der Text bleibt eigentlich nur bei diesem sich ständig beklagenden Erzähler.

Ich habe vor kurzem einen siebzigjährigen Jäger wie ein Kleinkind weinen gesehen, weil sein Deutsch-Drahthaar nach einer Erntejagd auf einer Landstraße angefahren wurde, und der Veterinär das Tier tatsächlich einschläfern musste. Der Hund war alt, aber das spielte keine Rolle - man hat dem Mann angesehen, wie sehr ihn das alles mitnahm, dass der Hund ein Teil der Familie war. Er hat ihm die Hand vor die Schnauze gehalten, damit er ein letztes Mal Witterung aufnimmt, bevor er die Spritze bekommt. Ich war natürlich nicht dabei, aber ich glaube das. Und so eine Geste, so eine Intimität fehlt mir in deinem Text vollkommen.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bas,
zunächst einmal herzlichen Glückwunsch für die Empfehlung.
Das ist ein guter Text mit einem guten Thema. Das Zubeißen des Hundes und der Schlag danach, das ist schon sehr sehr eindrücklich. Allein dafür kriegst du schon von mir eine Empfehlung. Das ist sprachlich eindrücklich präsentiert.

Aber irgendwie fehlt mir da auch was: Der Erzähler hört ja gar nicht auf zu klagen, sich um sich selbst zu drehen. Die Betroffenheit ist so hoch, der Erzähler mäandert durch seine Gefühle, aber das Gegengewicht fehlt: das, was der Hund für ihn ist. Warum ist der Hund denn so wichtig für ihn wie der Opa? Oder gar noch viel mehr? Wo ist denn da die intensive Bedeutung des Tieres, die ihn schier aus der Bahn wirft? So dass das nachfolgende seine Logik entfalten kann. Ich will nicht bezweifeln, dass ein Tier für einen diesen hohen Stellenwert einnehmen kann, aber ich will es als Leser sehen können. Sonst dreht sich der Text nicht um die Beziehung eines Menschen zu seinem Tier, und um die Gefühle und die Trauer, die den Verlust dieses Gefährten auslöst, sondern nur um die Empfindlichkeit eines Erzählers.

Geräusche, die mich nachts wachhalten. Die sich so tief in mein Hirn eingebrannt haben, dass sie mich auch beim Einkaufen noch verfolgen, die dafür sorgen, dass ich nur halb da bin und die Hälfte von der Einkaufsliste vergesse, die Hälfte, die für mich gedacht war. Geräusche, die mich davon abhalten, neue Bekanntschaften zu knüpfen. Davon, neue Freunde zu finden. Die große Liebe. Weil oben, ganz oben auf meiner Prioritätenliste, da steht mein Freund, und deshalb will ich gar nicht erst hören, was die anderen dazu sagen.

Aber wie gern wär ich frei. Und stattdessen irre ich umher. Renne im Kreis und gegen Wände, weiß nicht, ob Tag ist oder Nacht, weiß nicht, was richtig ist und was falsch.
Vielleicht hast du es beabsichtigt. Wenn ja, dann ist es mir aber unklar, was es bringen soll.
Ich sehe nur: Das wirkt alles sehr larmoyant, sehr um sich selbst kreisend, der Hund kommt doch gar nicht mehr vor in der Besonderheit, die er offensichtlich für den Erzähler hatte und noch immer haben soll.

So, dass es aussieht, als würde er lächeln, und dass er dann nichts mehr davon wissen wird, was passiert ist, dass ich immer noch sein Freund bin und es auch immer bleiben werde. Aber leichter macht es das nicht.
Fast meine ich, du hättest hier aufhören können, wenn du das Nachfolgende (also die Trauer, das Wachbleiben, die Schritte des Tieres) vorher im Text untergebracht hättest. Und nicht nur das, sondern eben auch eine nachvollziehbare Erinnerung an den Hund, eine tiefe innere Verbindung zwischen den beiden Gefährten.

Viele Grüße von Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Bas,

Glückwunsch zur Empfehlung und doch mag ich nicht in Jubelstürme ausbrechen, sondern schließe mich (leider) meinen beiden Vorkommentatoren an.

Der Text ist schon gut, weil er eine Stimmung, eine Betroffenheit auslöst, die nicht nur oberflächlich ist, sondern auch noch sprachlich sehr gut umgesetzt ist (und daher auch eine Empfehlung wert), aber mir ist das zu egozentrisch. Der Protagonist kreist um sich selbst, um seine eigenen Empfindungen, um seine eigene Toleranzschwelle, um seine eigene Last, die er zu tragen hat, weil er nicht schlafen kann und weil seine Priorität bei seinem Freund ist, die ihn davon abhält zu leben und zu lieben.

Insofern trifft es die Blendgranate von Jimmy schon sehr gut. Der erste Blitz erzeugt Emotion, aber dann, wenn die Augen wieder sehen können, dann entwickelt sich eine Antipathie gegen den Protagonisten, der nur sich selbst sieht und sein eigenes Leid. An der Stelle setzt dann auch eine gewisse Inkonsequenz ein: wenn ich schon gegen das Einschläfern bin - aus welchen Gründen auch immer -, dann muss man die Konsequenzen eben auch tragen und ertragen, aber dann über die Konsequenzen der eigenen Entscheidung zu lamentieren, löst bei mir eine Gegenreaktion aus und ich frage mich, was für ein Jammerlappen ist das eigentlich?

Für mich liest sich das auch momentan (zu) autobiographisch, als ob Du Deine eigenen Emotionen verarbeitet hast, dieses Kreisen und dieser Wunsch nach Freiheit, sich von der Last zu befreien und der Wunsch, endlich in der Lage zu sein, eine Entscheidung zu treffen:

Aber wie gern wär ich frei. Und stattdessen irre ich umher. Renne im Kreis und gegen Wände, weiß nicht, ob Tag ist oder Nacht, weiß nicht, was richtig ist und was falsch.

Außerdem ist mir noch eine Ungenauigkeit oder Widersprüchlichkeit aufgefallen:

und im nächsten Augenblick zucke auch ich zusammen und spüre die Zähne und den Schmerz und haue ihm eine in die Schnauze mit meiner blutverschmierten Hand.

Ich könnte dieses Verprügeln des Hundes nachvollziehen, wenn der sich in die Hand verbissen hätte. Aber der Protagonist schlägt mit der "blutverschmierten Hand", also mit der, in die der Hund gebissen hat. Das erscheint mir überzogen, denn so liest sich das so, als ob der Hund im Schrecken zugeschnappt und gleich wieder losgelassen hat, aber dann prügelt man doch nicht unvermittelt wie ein Irrer auf die Schnauze ein. Oder soll an der Stelle sich die ganze Wut und das ganze Unvermögen entladen, die Situation wegzustecken? Dann hätte der Protagonist eine herabgesetzte Hemmschwelle Gewalt auszuüben, was dann nicht so ganz zu dem Zwanghaften "nicht einschläfern lassen wollen, obwohl die Situation quasi unerträglich für ihn ist" passt.

Wenn man das zum ersten Mal liest, dann bildet sich natürlich an der Stelle ein Kloß im Hals, aber wenn ich anfange darüber nachzudenken, finde ich es nicht wirklich nachvollziehbar.

Ein weiterer Punkt, an dem aus meiner Sicht der Text zu kurz greift, ist die Parallele zwischen Hund und Opa. Da kann man jetzt viel hineinlesen, aber letztlich bleibt das alles im Vagen und ist mir daher zu unentschlossen und zu sehr Effekt:
"Den Opa schläfert man auch nicht ein", obwohl er auf ähnliche Weise genervt hat wie der Hund.

Liest sich gut, provoziert, da kann man anknüpfen, und dann? Dann ist da nur eine große Leerstelle.

Warum ist denn der Hund auf der gleichen Ebene wie der Opa, emotional gesehen? Warum hat der Protagonist bei dem Hund die Beherrschung verloren, aber beim Opa offensichtlich nicht?

Und dann komme ich wieder zurück, umkreise den Text und zitiere wieder das obige Zitat:

Aber wie gern wär ich frei. Und stattdessen irre ich umher. Renne im Kreis und gegen Wände, weiß nicht, ob Tag ist oder Nacht, weiß nicht, was richtig ist und was falsch.

Denn darum geht es doch gar nicht, was richtig ist und was falsch, ob das Einschläfern richtig oder falsch ist, sondern der Protagonist ist nur verzweifelt, weil seine eigene Leidensfähigkeit nicht mit seiner Ablehnung des Einschläferns in Einklang zu bringen ist und er eine Entscheidung über seine eigene Priorität treffen muss, nämlich ob er lieber seine Freiheit zurück möchte oder lieber an seiner Haltung, dass Einschläfern "falsch" ist, festhalten möchte.

Und an der Stelle wird die Egozentrik zum Egoismus.

Trotzdem ein guter Text!

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo,

@Friedrichard: Tausend Dank Dank für die Empfehlung, die mir unheimlich viel bedeutet. Die diese Geschichte hier aber auch ins Scheinwerferlicht geworfen hat, und das Scheinwerferlicht hat die ungeschminkten Schwächen zutage befördert. Das ist gut - nur leider fehlt mir die Zeit ... Deshalb habe ich mich vorerst auf eine erste Überarbeitung beschränkt, die Beantwortung der Kommentare muss ich leider noch aufscheiben. Vielen Dank schon mal für die zahlreichen Anregungen und bis hoffentlich bald!

Bas

 

Moin,

Bas,

nix zu danken - ich setz die Nachricht hier noch mal verkürzt rein - soll ja für alle Interessenten gelten - okay?

lso an alle Interessenten:

... Das ist gut - nur leider fehlt mir die Zeit ... Deshalb habe ich mich vorerst auf eine erste Überarbeitung beschränkt, die Beantwortung der Kommentare muss ich leider noch aufscheiben. Vielen Dank schon mal für die zahlreichen Anregungen und bis hoffentlich bald!

Tschüss und bis bald!, vor allem ein schönes Wochenende

FRiedel
(warum beim Tippen meines Namens neuerdings immer die "Federal Republic" abkürzt muss ich mal die drei bis vier maßgeblich beteiligten Finger fragen ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Kommentar gelöscht!

 

Hallo @MRG,

und vielen Dank für deinen Kommentar.

Dann schlägt er seinen Hund und ich als Leser dachte, dass er ihn damit vor weiteren Schmerzen bewahrt und ihn tötet. Das ist jedoch nicht so und ich wusste als Leser nicht genau, warum er dann seinen Hund geschlagen hat?

In der ersten Version war die Stelle wohl noch zu kryptisch, da konnte man das schnell mal überlesen bzw. gar nicht erst rauslesen, dass der Hund zugebissen hat. Das wurde mir erst durch deinen Kommentar bewusst. Sollte jetzt deutlich sein.

Ich dachte wirklich, dass er seinem Hund den Gnadenstoß verpasst. "So, wie ich noch nie einem in die Schnauze gehauen habe", hat bei mir diesen Eindruck hinterlassen.

Da habe ich jetzt einen Gang runtergeschaltet.

Hier finde ich, dass es zu kitschig wird und die Stelle hat mir persönlich nicht so gut gefallen. Es wirkt für mich zu künstlich, als würdest du mir das aufzwängen wollen.

Ja, brr, nicht gut, ist jetzt zum Glück Geschichte.

Das Ende hat mich irgendwie etwas enttäuscht zurück gelassen. Nach dem für mich starken Anfang, hat die Geschichte dann doch merklich abgebaut.

Wie du siehst, hat der zweite Teil mittlerweile nicht mehr viel mit dem von dir kommentierten gemein. Würde mich sehr interessieren, wie du das jetzt siehst, ob der Abfall noch immer so stark ist.

Ich hätte mir gewünscht, dass du die Beziehung zwischen dem Besitzer und dem Hund weiter ausbaust. Vielleicht eine Szene schilderst, l woran sich mir als Leser die tiefe Liebe zeigt - ganz fein, leise und subtil. Nur um dann am Ende das Tod des Hundes zu zeichnen und all die Trauer bei mir als Leser zu erwecken. Genau das waren jedenfalls für mich die Erwartungen nach dem Anfang, die vor allem auch durch den sprachlichen Stil geweckt wurden.

Hm, ja, damit hadere ich noch ein wenig. Die "Distanz", falls das hier das wichtige Wort ist, ist nicht unwesentlich für die Atmosphäre, vermute ich. Deshalb hätte ich eigentlich gerne, dass die Geschichte auch so funktioniert. Ich weiß aber gleichzeitig, dass so eine subtile ... Liebesbekundung, also etwas, was die Beziehung von Hund und Herrchen weniger generisch erscheinen lässt, so ein Pendant zu der Bud-Spencer-Passage, dass das noch mal eine neue, tiefere emotionale Ebene aufreißen könnte.

Ich tauche weiter ein und hoffe auf die ein oder andere Eingebung. Dabei helfen mir vor allem auch solche Anregungen wie die von dir - deshalb nochmal vielen Dank!

Bas

 

Hey @Bas,
erstmal ein Hurra zur Empfehlung! Die Geschichte lädt dazu ein, nicht nur über ethisch/moralische Werte, sondern auch über Einsamkeit, Freundschaft und den Umgang mit Verlust nachzudenken. Wo ist die Grenze des Erträglichen? Ist es egoistisch/selbstmitleidig, wenn man nicht 200% gibt, sich für andere aufzuopfern? Man vielleicht feststellt, dass es gar nicht um den Schmerz des anderen geht, sondern um den eigenen Verlust? Darf man das überhaupt?

Ich erfahre nichts Konkretes über das Leben des Protagonisten, aber die Art des Erzählens aktiviert sofort mein Kopfkino, und ich sehe den Zustand "nur" als Reaktion auf die jeweilige Situation, in der zudem Erlebnisse aus der Vergangenheit auftauchen, die dem Prota bewusst machen, dass es so nicht geht/nie gegangen ist, und dass ihm das jetzt bewusst wird. Zudem wird ihm bewusst, wie viel Verantwortung ihm (als Kind?) aufgedrückt würde, neben dem Opa Wache zu halten, während sein Hund schlichtweg eingeschläfert werden soll.

Ich finde, du hast diese Zerrissenheit zwischen da-sein-wollen, aber nicht können und der Wut, die dahintersteckt (ob nun auf sich selbst, weil er sich schuldig fühlt oder die Außenwelt, die ihm diese Schuldgefühle eingeredet hat), in eine runde Form gebracht.
Es gibt nichts, was mich rausgehauen oder mit Fragezeichen zurückgelassen hat.
Eine Geschichte, die nachwirkt. Zumindest bei mir. Chapeau :thumbsup:


Das ist jetzt nicht mehr mein Hund, nicht mehr mein Freund, das ist ein Zerrbild.
Das Zerrbild ist für mich ein schöner Hinweis auf den geistigen Zustand deines Protas. Er scheint sich selbst völlig verloren zu haben. Den Satz gab es in der Ursprungsversion nicht, oder? Wenn ich mich recht erinnere, fing die Geschichte mit dem zweiten Satz an. Der hat mich zwar erstmal neugieriger gemacht, aber ich denke, so ist es besser. Es hat nämlich vorher eine ganze Weile gedauert, bis ich begriffen habe, dass es um den Hund ging.


die Hand, die ganz genau Bescheid wusste um die eigenen schlaflosen Nächte, um das In-die-Matratze-krallen, die sich erinnerte an die kühle Keramik, wenn ich mich, auf das Waschbecken gestützt, übermüdet, überreizt, im Spiegel ansah und dann schnell wieder weg, weil ich den Gedanken, der sich mir da aufdrängte, nicht ertragen wollte.
Ja, diesen Zwiespalt zwischen Verlustschmerz, der größtenteils verdrängt wird, um weitermachen zu können, Fürsorge und gleichzeitigem Hass auf den Hund, weil er ihm die letzte Kraft raubt, hast du glaubhaft dargestellt. Ich sehe das nicht so eng, dass der Prota um sich selbst kreist, denn ich denke, dass ein Zustand, der einen weit über die Grenzen dauerhafter Übermüdung und Anspannung treibt, irgendwann darin mündet, sich nur noch nach Ruhe zu sehnen, weil man einfach keine Kraft mehr hat. Dann meldet sich aber wieder das schlechte Gewissen, weil der Hund/der Opa kann ja nichts dafür, dass er krank ist und dann sollte man doch ... Oder nicht? Aber man kann einfach nicht mehr.


Der Hermann, das bin ich, obwohl ich gar nicht der Hermann bin, der Hermann war sein Bruder, der an einer Hirnhautentzündung starb, als mein Opa noch ein Kind war.
Ich habe das bei meiner Oma erlebt. Die hat mich zwar nicht Hermann genannt, aber plötzlich wirres Zeug erzählt. Das ist schwer auszuhalten, wenn ein Mensch, der einen bis dahin begleitet hat, plötzlich so abbaut. Ich hab auch immer noch versucht, sie zu verstehen, obwohl ich wusste, dass es keinen Sinn macht.
Den Vergleich mit dem Opa finde ich insofern gelungen, weil ihm ja offenbar die Verantwortung für ihn übertragen wurde, er nicht schlafen durfte, und damit sichtlich überfordert war. Vielleicht hat er auch sehr an seinem Opa gehangen und ist nie über seinen Tod hinweggekommen.
Obwohl es nicht erzählt wird, stelle ich mir den Prota als einen Menschen vor, der nur noch seinen Hund hat, weil er von Menschen enttäuscht ist. Sein Leben kann also nicht allzu rosig verlaufen sein.

Als ich meine Hand auf seinen schweren Kopf lege, auf den Kopf meines Freundes, da zuckt er zusammen, und im nächsten Augenblick zucke auch ich zusammen und spüre die Zähne und den Schmerz und haue ihm eine in die Schnauze, haue ihm in die Schnauze, dass es pfeift. Und im übernächsten Augenblick tut es mir leid
Hier kommt seine Zerrissenheit sehr gut zum Ausdruck. Man spürt deutlich, dass dieser Schlag befreiend für ihn ist, vielleicht hat er sich ein Leben lang zu viel Verantwortung aufschwatzen lassen. Und selbst wenn nicht, ist er in dieser Situation schon zu lange über seine Grenzen gegangen. Aber dann meldet sich natürlich das schlechte Gewissen.

Sei doch froh, dass du nicht mehr jedes Mal Scheiße aufsammeln musst, wenn du von der Arbeit kommst, und sei doch froh, dass du dir keine Sorgen machen musst, dass dein Parkett aufquillt wegen der Pisse. Sei doch froh, dass du deinen Freund töten lassen kannst.
Das ist schon verdammt unsensibel, sowas zu sagen. Auch wenn es vielleicht "nett" gemeint ist.

Also ich kann den Protagonisten verstehen, obwohl mich selbstmitleidige Menschen normalerweise auch nerven. Aber hier habe ich den Eindruck, es beschreibt den momentanen Zustand, die Überforderung mit der Situation, durch die auch noch üble Erinnerungen hochkommen.

Auf mich wirkt dein Prota wie einer, der immer durchgehalten hat und jetzt durch den schleichenden Verlust seines Hundes an einen Punkt gekommen ist, an dem er nicht mehr kann. Das muss nicht so sein, wäre aber meine Interpretation.

Ich wünsche dir noch einen wundervollen Abend, lieber Bas.

Bis bald und liebe Grüße,
Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

“That old King was a friend of mine
Never knew a dog that was half as fine
I may find one, you never do know
Because I still got a long way to go
I had a dog and his name was King
I told the dog about everything
Old King sure meant a lot to me
But that hound dog is history“
aus: Neil Young “Old King“​

Er wird nicht einschlafen, er wird sterben, und darüber möchte ich nicht diskutieren, und ich will auch nicht von meinem Opa sprechen, der tagelang, wochenlang durch seine Wohnung irrte, der mich nicht schlafen ließ, als die Oma im Krankenhaus lag mit ihrem Schlaganfall.

Ich nochmal, wenn ich darf,

lieber Bas und
selbstverständlich - alle Interessenten!

Natürlich ist Kritik erlaubt und berechtigt – aber die sollte m. E, am Eingangszitat beginnen, das – sollte ich jemand übersehen haben, er möge mir verzeihen – allein von @AWM aufgegriffen wird. Und mal ehrlich – wer glaubt denn, dass Gevatter Hain mit sich diskutieren ließe (außer in Wallensteins Schlafzimmer – der Seitenhieb sei mir erlaubt).

Wer erörtete schon freiwillig „seine“ Trauer (in dem Wort schwingt die „Treue“ mit), wenn das Possessivpronomen eigentlich verrät, wessen Vergänglichkeit da gleich mit betrauert wird – und wer wollte im Trauerfall schon über die eigene Gefühlswelt diskutieren, wer sie vorweg begründen oder sich abschließend rechtfertigen wollen (da bestenfalls im Jubel nach einer Erlösung und/oder Befreiung, wenn ein Quälgeist oder Folterknecht endlich weg ist. Warten wir aktuell ab, wenn der Name Lukaschenko Geschichte ist).

Am Niederrhein – und sicherlich in anderen Gegenden unter anderer Bezeichnung – gibt‘s nach der traurigen Beisetzung des/der mehr oder weniger ge- oder beliebten Verstorbenen die Befreiung im Leichenschmaus – daselbst bezeichnet als „Raue“, in dem m. E. die „Reue“ mitschwingt. Die Raue läuft i. d. R. wie eine Art Karneval in dunklen Farben ab, wenn Dönekes (da steckt „Anekdote“ drin) erzählt werden und Lachen einstweilen vom Ernst der Lage befreit.

Das ist jetzt nicht mehr mein Hund, nicht mehr mein Freund, das ist ein Zerrbild.
Sagt schon alles über den Wechsel der gegenseitigen Gefühle und da fallen bedeutungsschwere Worte wie hier
Da ging ich behutsam, ganz langsam zu ihm hin, legte ihm die Hand auf den schweren Kopf, …,
das natürlichste menschliche Werkzeug überhaupt, die Hand, die greifen und schütteln und schlagen kann, aber auch pflegen, kitzeln und streicheln und auch kommunizieren (meine Köter wissen auch ohne Brille, was gilt, wenn der Zeigefinger der rechten Hand sich alleine in die Höhe streckt und sollte ich je die Theorie kommunikativen Handelns rezensieren, Hunde bildeten die Einleitung. Wer das Werk kennt, weiß was ich meine - zur Oientierung Anfang des zwoten Bandes).

Den Goten kam die Hand als „hunþs“ („þ“ ist der Buchtabe für das im Deutschen abhandengekommene berühmte “tea-aitsch“) klanglich der Genitivbildung des „Hund“s nahe und bedeutet wie das ahd. „herihunda“ zugleich die „Beute“. Und wieviele negative Bedeutungen Zusammensetzungen mit "hund" genutzt werden und tatsächlich, was als Freundschaftssymbol gemeint ist, wird missverstanden

Als ich meine Hand auf seinen schweren Kopf lege, auf den Kopf meines Freundes, da zuckt er zusammen, und im nächsten Augenblick zucke auch ich zusammen und spüre die Zähne und den Schmerz und haue ihm eine in die Schnauze, haue ihm in die Schnauze, dass es pfeift. Und im übernächsten Augenblick tut es mir leid. Aber da ist es zu spät, da ist er weg,

Es ist also eine symbolträchtige Erzählung mit einem zwoten Höhepunkt in der Wahl des Namens
Über den Hermann.
Was dem Ruhr(s)pöttler bei seinem aktuellen Landesvater, dem pipiniden Armin noch eine ganz andere Wirkung hat als bloß die des „Heermannen“, der in den Etymologien, die mir z. V. stehen, mit dem „Bock“ in Verbindung gebracht werden, der die Herde führt und dem Opa zum Widergänger wird.
Dass der Hermann ja nur schlafe, und was der eigentlich hier zu suchen habe, der Hermann. Der Hermann, das bin ich, obwohl ich gar nicht der Hermann bin, der Hermann war sein Bruder, der an einer Hirnhautentzündung starb, als mein Opa noch ein Kind war.
Was kein Vergnügen ist, wenn man dieses schwere Erbe ohne gefragt zu werden übernehmen muss.

Und selbst die Außenwelt, die „andern“ kommen vor

... Sei doch froh, dass du deinen Freund töten lassen kannst.

Wenn ein Hund stirbt gibt‘s halt keine Raue und das im Gedanken den Freund an die Vorteile des Nicht(mehr)seins erinnert mit dem dreizehenten Gebot
Froh sollst du sein. Dass du dich nicht mehr freuen musst, …

Tschüss

Friedel

 

Hey @Bas

Ich gestehe zu beginn meines Kommentars zwei Dinge.
1. Ich habe keinen Kommentar gelesen und so verzeih mir falls es Dinge gibt die schon gesagt wurden.
2. Habe ich deine Geschichte gelesen, weil sie kurz ist. Ich muss meinen Weg Privat und auch hier im Forum neu definieren und finden und kurze Geschichten passen aktuell besser in meinen Tag als lange.
Ich bin froh das ich ihn gelesen habe und zu gleich von mir enttäuscht, das ich es nicht getan hätte, wenn er länger gewesen wäre (aber das steht auf einem anderen Blatt)
Jeden Tag eine Geschichte, so der Vorsatz für den neuen Monat und natürlich weiß ich das heute noch nicht Oktober ist.
So jetzt aber zum wesentlich.

Ich habe keinen Textkram für dich, denn da lag der Fokus heute nicht (und mir ist auch beim Lesen nichts aufgefallen, was mich stört)
Ich habe nur die Info, dass ich deinen Text mit geschmischten Gefühlen gelesen haben.
Zum einen mag ich den Rhythmus wahnsinnig gerne. Dieses Schnelle abgehackte durch die kurzen Sätze und die vielen Unterteilungen. Er würde sich hervorragend für eine Lesung eignen, meiner Meinung nach.
Zum Anderen, hat sie ein wahnsinnig beklemmendes Gefühl transportiert, welches mir Gänsehaut gemacht hat.
Das Gefühl ein geliebtes Familienmitglied zu verlieren (und nichts anderes ist ein Hund) hast du sehr gut rüber gebracht. Den Vergleich mit dem Opa, dass man ihn auch nicht einfach tötet, finde ich sehr gut, wenn auch für manche ein bisschen makaber. Aber für manche ist ein Hund auch "nur" ein Hund.

Ich habe sie sehr gerne gelesen. Laut, flüssig, an einem Stück.
Gefällt mir persönlich sehr gut und die Empfehlung ist auf jeden Fall berechtigt.

Liebe Grüße
Shey :-)

 

Hallo @AWM,

ich habe beinahe alle deine Verbesserungsvorschläge übernommen, vielen Dank dafür :thumbsup:

Inhaltlich war besonders der letzte Hinweis sehr hilfreich, dieser Perspektivwechsel hat eindeutig nicht funktioniert, hatte keinen Mehrwert, und ist deshalb auch rausgeflogen. Ich vermute und hoffe, dass das, was du im ersten Satz gesagt hast, dass du die Geschichte nicht ganz verstanden hast, in der aktuellen Fassung nicht mehr der Fall ist.

Wie gesagt, vielen Dank, hat der Geschichte gut getan, dein aufmerksamer Blick!

Hallo @Kellerkind,

Wenn mir etwas negativ auffällt, dann dass ich den Eindruck habe, als würden die Stilmittel nach einem Plan verwendet und weniger nach Gefühl. Der Spannungsbogen könnte deutlicher ausgebaut werden. Ein bisschen mehr Dynamik würde nicht schaden.

Hm ... Ich würde behaupten, sehr unverkrampft an das Schreiben dieses Textes gegangen zu sein, soll heißen: Planlos. Deshalb fiel es mir im ersten Augenblick auch nicht ganz einfach, die "nach Plan verwendeten Stilmittel" ausfindig zu machen, aber ja, dann, mit etwas Distanz, waren sie relativ offensichtlich.
Stellt sich mir nur noch die Frage, ob die jetzt eigentlich gut sind oder nicht. Sie machen einen Großteil der Atmosphäre aus, vermute ich, der Text würde in der Kürze anders nicht funktionieren. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr des "Wortgirlanden"-Effekts, wie @Manlio das nennt, Sprache um ihrer Selbst willen, scheiß auf den Inhalt. Und das finde ich persönlich gar nicht mal so gut.
Ja, keine Ahnung, die Geschichte bewegt sich da an der Grenze, glaube ich, und ich kann es nachvollziehen, wenn das für jemanden schon drüber ist.

Du sagst aber auch:

Die Geschichte löst Emotionen aus, ist sprachlich sehr gut gestaltet und behandelt ein großes Thema.
Hat mir gut gefallen.

Deshalb werde ich das zukünftig weiter im Blick habe, mich vielleicht auch zurückhalten, aber ja, "die Geschichte löst Emotionen aus", was will man als Autor eigentlich mehr?

Danke für deinen Kommentar!

Hallo @Friedrichard,

Fasse ich deine beiden Kommentare jetzt zusammen? Wie antworte ich überhaupt darauf? Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Geschichte dich beschäftigt, sie hat Erinnerungen an deinen Willi geweckt, hoffentlich nicht nur die schlechten. Vielleicht hast du ein ähnliches Gefühlwirrwarr durchgemacht, weißt wahrscheinlich, dass der Mensch sich eigentlich schämen sollte, Mensch zu sein, mit "seinem" Hund an der Leine umherspazierend, dass er sich eigentlich schämen sollte, an sich selbst zu denken, während sich da unten einer grünlich-schaumig die Seele aus dem Leib kotzt ...

Ich freue mich jedenfalls sehr, dass du einen Zugang zu dem Text gefunden hast und er dich zum Denken angeregt hat. Dass du ihm die einseitige Gewichtung des Leidens, d.h. vor allem das Leiden des "Besitzers", verzeihst, bzw. dahinter mehr siehst als ein Umsichselbstkreisen. Vollkommen in Ordnung, wenn jemand das anders sieht. Trauer kann und muss manchmal egoistisch sein, und Egoisten sind nur selten Sympathieträger.

Ich werde sie noch einige Male lesen, deine Kommentare, und sie mir gut merken. Danke dafür!

Hallo @Peeperkorn,

die Keramik

Da denkt man, man beherrscht eine Sprache ...

Ach, es ist immer schön, etwas aufzugreifen, aber ich finde das etwas deplaziert. Du arbeitest so hart und so gut daran, dem Text eine gewisse Gravität zu geben und dieses Sterben ist tragisch und dass er ihn schlägt, ist tragisch, und dann wird genau dieser Höhepunkt mit einer Szene aus einem Bud-Spencer-Film verglichen mit diesem Vokabular. Ja, kann man geltend machen, dass gerade dieses Vokabular die Sache noch tragischer macht. Hat bei mir aber nicht funktioniert.

Das war hart, einzusehen. Ich nehme an, du hast dich da vor allem auf "den Brassel auf die Birne" bezogen? Den habe ich jetzt gekillt, obwohl die Geschichte daraus so ein wenig entwachsen ist, das ist eine ganz und gar autobiographische Sache, die ich einfach gerne mal in einer Geschichte unterbringen wollte, aber ja, das fiel dann wohl auch auf. Die "pfeifende Schnauze" ist noch drin, ich hoffe, das ist kein ganz so krasser Fremdkörper.

Dieser Abschnitt hat mir nicht mehr so viel gegeben, da wiederholt es sich ein Stück weit und da wird im letzten Satz auch noch mal der Kern der Geschichte zusammengefasst. Würde ich nicht machen, der Leser weiss das doch längst.

Ja, danke vor allem auch für diesen Hinweis, wurde auch nicht nur einmal kritisiert, und vollkommen zurecht. Habe ich rausgeschmissen.

Das ist eine Thematik, die sich bisher nicht aufgedrängt hat.

Hier ebenso. Da wurde im letzten Satz ein Fass aufgemacht, das bis dahin nicht mal existiert hat.

In seiner Kürze ein dichter Text, der mich emotional erreicht hat.

Das freut mich sehr. Vielen Dank für deinen Kommentar! Habe noch einiges anderes daraus übernommen.

Bas

 

Hallo @Bas

ich habe den Text noch einmal überprüft, um zu ergründen, was bei mir den Eindruck der Konstruiertheit weckte. Ich denke, es wurde vor allem durch eine Passage ausgelöst:

und haue ihm eine in die Schnauze, haue ihm in die Schnauze, dass es pfeift.
Der elliptische Bezug zum Filmschauen mit Opa, war mir zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Im Übrigen kann ich die krasse Reaktion in dieser Situation nicht nachvollziehen. Ich würde im ersten Moment vielleicht die Hand erheben, aber dann schnell realisieren, dass es kein strafwürdiges Verhalten des Hundes war. Und ich denke, dass jeder Hundeliebhaber das so sieht. Man haut ja auch den dementen Opa nicht, wenn er Mist baut.
Ich würde das stark abmildern – vielleicht als Bezug zu einem Vorkommnis mit dem Opa, bei dem man den Impuls verspürte, ihn anzuschreien oder schlimmeres, aber diesem nicht folgte.

Davon abgesehen, gefällt mir der Text immer noch sehr.

Schönen Gruß!
Kellerkind

 

Lieber @Bas ,

das ist wirklich ein sehr schöner Text. Da gibts nicht viel zu meckern, nur viel Lobenswertes. Habe ich wirklich sehr gerne gelesen.

Hausschlappen saugten und dann bei jedem Anheben dieses Geräusch verursachten, dieses fischige, schlammige Krötengeräusch, schmatz schmatz, schmatz schmatz. Mein Opa, der sich bei der Oma am Telefon beschwerte. Über den Hermann. Dass der Hermann ja nur schlafe,

Das Durchgestrichene braucht es, finde ich, nicht. Das Geräusch wird durch die saugenden Schuhe on the point hörbar. „Über den Hermann“ ist redundant und auch für die Erzählstimme entbehrlich.

Der Hermann, das bin ich, obwohl ich gar nicht der Hermann bin, der Hermann war sein Bruder, der an einer Hirnhautentzündung starb, als mein Opa noch ein Kind war.

Wirklich eine sehr starke Stelle.

Und trotzdem sagte da keiner, schläfer ihn doch ein, den Opa.

auch das. Einfach gut. Keine billige Küchenphilosophie. Weil du es so schreibst, dass man es wirklich verstehen kann. Keine leeren Worte.

Als ich meine Hand auf seinen schweren Kopf lege, auf den Kopf meines Freundes, da zuckt er zusammen, und im nächsten Augenblick zucke auch ich zusammen und spüre die Zähne und den Schmerz und haue ihm eine in die Schnauze, haue ihm in die Schnauze, dass es pfeift.

ich weiß auch nicht genau, wieso, aber die Stelle hat mir auch sehr gut gefallen. Vielleicht weil diese Handlung so eigen ist, ich mich davon distanziere und trotzdem die ganze Emotionspalette, die du dort bedienst, mitfühlen kann.

Sei doch froh, dass du deinen Freund töten lassen kannst.

wieder wahre Worte. Bitter und treffend.

Froh sollst du sein. Dass du dich nicht mehr freuen musst, wenn ich von der Arbeit komme, sei froh, dass du dein Futter nicht mehr essen musst, mit wegrutschenden Beinen, weil dir die Kraft fehlt. Sei froh, dass du dich nicht mehr kraulen lassen musst, unter der Schnauze, wo es dir so gut gefällt, und sei froh, dass der kleine weiße Nachbarshund, der noch nicht weiß, wie müde du bist, dich nicht mehr anspringen kann, nicht mehr mit dir spielen kann, während du dastehst, stoisch, gelassen, zu mir aufschaust, mir vertraust. Sei froh. Dass dann alles schwarz ist, alles vorbei, dass dein Leben zu Ende ist, weil ich das so will.

Und ein Ende mit sehr viel Herz.

Schöne Geschichte!

Viele Grüße
Carlo

 

Hallo @Sisorus,

Das ist nicht mehr mein Hund. Das ist nicht mehr mein Freund. Das ist nurmehr ein Zerrbild.

Mit dem nurmehr kann ich mich eher nicht anfreunden, das Wort existiert in meinem Wortschatz einfach nicht :schiel: Das dreifache Das lasse ich mir aber noch mal durch den Kopf gehen, hat was ...

Diesen letzten Satz möchte ich als Exemplar dessen heranziehen, was dem Text mMn. insgesamt abgeht, bzw. wo er mir zu kurz tritt.
Und zwar ist er mir in Anbetracht seiner Erzählhaltung und Perspektive zu konventionell und einförmig. Wir haben einen Ich-Erzähler, eher einen Ich-Zerbrecher und Ich-Zerfaller, wir beobachten hier doch, so scheint es mir, einen Menschen (zwei Menschen, drei Lebewesen) bei seinem (ihrem) letzten Schritt (nach dem es keine Schritte mehr geben kann, keinen Schreitenden mehr gibt) gen Selbstauflösung. Das Bild, das sich mir hier aufdrängt, ist das eines mit stumpfer Klinge gekappten Kabels, eines Bündels aus Drähten, welches zitternd einen letzten Moment, gehalten von der ihm ausfließenden Erinnerung an eine Statik, die Form behält, bevor es sich auflöst, aufblüht, halt- und sinnlos vergeht. Das würde ich persönlich gern in der Sprache wiederfinden. Du deutest es an, glaube ich, durch Lautmalerei und die schachtelnden Sätze, aber da geht mehr.

So, wie oft habe ich diesen Abschnitt jetzt gelesen? Zehn mal? Kommt hin. Hat auch Spaß gemacht, weils schön geschrieben ist, aber trotzdem bin ich nicht ganz auf den Trichter gekommen, wie ich das umgesetzt bekomme bzw. frage ich mich auch, ob diese Kritik in der überarbeiteten Version noch Gültigkeit hat ... Ich denke ja, der Erzähler ist jetzt ein bisschen weniger Ich-Zerbrecher als noch zuvor, während sich zuvor seine Gedankenwelt noch mit der des Opas/Hundes zu vermischen drohte, ist das ja jetzt nicht mehr der Fall. Falls du das anders siehst und deine Kritik nach wie vor Bestand hat, lass mich das gerne wissen! Ansonsten lasse ich es vorerst mal, wie es ist und danke dir vielmals für deine Auseinandersetzung mit der Geschichte!

Hallo @NoOne,

Ja, was soll ich dazu sagen? Hat mich sehr berührt, dein Kommentar. Für einen Moment habe ich mich sogar schuldig gefühlt, diese für dich/euch sicher alles andere als einfache Zeit nochmal aufleben gelassen zu haben. Mittlerweile denke ich aber, dass es auch helfen kann, zu sehen, dass es immer noch andere gibt, die irgendwo durch die selbe Scheiße waten. Und trotzdem irgendwie den Kopf oben halten. Und dass man deshalb vielleicht auch mit doppelt wachen Sinnen und griffbereitem Rettungsseil unterwegs sein sollte, wenn man gerade mal das Glück hat, nicht selbst im Scheißesumpf zu stecken.

Vielen Dank für deine Rückmeldung, die mir sehr nahe gegangen ist.

Hallo @jimmysalaryman,

schade, dass die Geschichte bei dir in ihrer Form nicht funktioniert hat. Der langgezogene Seufzer, wie du das nennst, den habe ich mit der Überarbeitung ein wenig zu ersticken versucht. Von der Stelle bewegen, tut sich das, was dort geschieht, nach wie vor nicht, vermute ich. Trotzdem glaube ich nicht, dass der Geschichte somit die Daseinsberechtigung abgeht, na klar, so eine Entwicklung wäre befriedigend, vielleicht kommt der Protagonist durch äußere Einflüsse zu neuen Erkenntnissen, halt, Moment, vielleicht haben die anderen Recht, vielleicht ist es jetzt an der Zeit, ihn einzuschläfern, vielleicht wäre das das Beste für den Hund, vielleicht war ich egoistisch ... Aber nein, hier tritt der Protagonist auf der Stelle, ist zu Anfang so schlau wie zum Schluss, und das ist das Gefühl, das ich vermitteln wollte. Ein unbefriedigendes Gefühl des Gefangenseins. Keinen Ausbruch aus dem Käfig.

So bleibt da nur dieser unbeholfene Akt des Zubeißens, vielleicht weil das Tier nichts mehr zuordnen kann, Tumor im Kopf oder wasweißich, und dann dieser, aus dem sonstigen Text heraus, vollkommen unmotivierte Schlag, diese versehentliche Gewalttätigkeit, das bleibt die einzige echte Interaktion zwischen den beiden. Für was steht die? Die hat ja kein Gegengewicht, es gibt keine echte Zärtlichkeit, kein vertrauliches Verhältnis, keine Innigkeit, keine Gemeinsamkeit - die passiert wenn, off page. Das ist auch die einzige Erinnerung, die ihm bleiben wird, so steht es zumindest im Text. Finde ich für die Dramaturgie schon etwas ungeschickt, weil was soll ich denn von diesen beiden halten?

Ich sehe den vertraulichen Akt da, als er ihm die Hand auf den Kopf legen möchte, ihn aus seiner ... Geisterwelt, wenn man das so will, zurück in die Realität bringen möchte. Zugegeben, das ist kein gemeinsames in vollkommener Glückseligkeit Auf-dem-Boden-wälzen und somit vielleicht nicht zuträglich für die Dramaturgie, die Fallhöhe ist eine andere - aber das ist eben das, was übrig geblieben ist.

Ich hoffe, das erscheint dir nicht wie ein großes Herausgerede. Ich möchte deinen Kommentar nicht abschmettern, im Gegenteil, ich habe vieles davon in die Überarbeitung einfließen lassen und bin der Ansicht, dass er dazu beigetragen hat, die Geschichte besser zu machen, zum Beispiel hier:

Mir ist auch das Ende viel zu sentimental. Er findet keine neue Freunde, keine neue große Liebe - weil sein Hund stirbt, oder der Gedanke an den nahenden Tod ihn so erfasst, dass er lebensuntüchtig wird. Für mich ist das etwas dick aufgetragen. Vielleicht auch der Perspektive geschuldet, denn er sagt das ja zu sich selbst ... schwierig, das klingt dann so weinerlich und unentschlossen, und auch sehr egoistisch, denn er denkt ja im Grunde an sich, er beweint hier permanent seine Position, seinen Verlust - um den Hund geht es ja gar nicht wirklich. Es wird nie gefragt, ob der Hund vielleicht auch Schmerzen empfindet, wie er sie empfindet, wie er den nahenden Tod erwartet, ob es da Anzeichen für eine andere Art der Kommunikation gibt, das hört man oft, dass Hunde sich dann plötzlich anders verhalten, das sie seltsam werden - der Text bleibt eigentlich nur bei diesem sich ständig beklagenden Erzähler.

Ja, das habe ich eingesehen, auch dank deutlicher Worte wie "weinerlich", das war es nämlich. Ich hoffe, dass das jetzt besser geworden ist.

Vielen Dank für deinen Kommentar!

Hallo @Novak,

und danke für die Glückwünsche! Wann kann man denn eigentlich mal mit einer neuen Geschichte von dir rechnen? Dieses Jahr noch, hoffe ich, denn deine letzte (nicht Copywrite-) Geschichte ist jetzt schon über 3 (!!!) Jahre her und war großartig. Also, los. Bitte.

Aber irgendwie fehlt mir da auch was: Der Erzähler hört ja gar nicht auf zu klagen, sich um sich selbst zu drehen. Die Betroffenheit ist so hoch, der Erzähler mäandert durch seine Gefühle, aber das Gegengewicht fehlt: das, was der Hund für ihn ist. Warum ist der Hund denn so wichtig für ihn wie der Opa? Oder gar noch viel mehr? Wo ist denn da die intensive Bedeutung des Tieres, die ihn schier aus der Bahn wirft? So dass das nachfolgende seine Logik entfalten kann. Ich will nicht bezweifeln, dass ein Tier für einen diesen hohen Stellenwert einnehmen kann, aber ich will es als Leser sehen können. Sonst dreht sich der Text nicht um die Beziehung eines Menschen zu seinem Tier, und um die Gefühle und die Trauer, die den Verlust dieses Gefährten auslöst, sondern nur um die Empfindlichkeit eines Erzählers.

Wie schon hier und da erwähnt: Etwas weniger Umsichselbstgekreise sollte durch die Überarbeitung gegeben sein. Und noch sage ich mir (noch, weil ich das in einem Monat vielleicht anders sehe, einsehe, dass das der Baustein ist, der fehlt, damit die Geschichte wirklich wirken kann): Ich möchte hier, in dieser kurzen Episode, nicht aufzeigen, was der Hund für ihn ist. Weil er gleich zu Anfang sagt, dass er das, was er war, nicht mehr ist. Weil die gegenwärtigen Eindrücke die möglicherweise schöne Vergangenheit überlagern.
Wenn ich Streit mit einem Menschen habe, der mir mal sehr nahe war, dann sage ich mir während des Streits nicht: Ach, aber damals, da haben wir uns so gut verstanden. Das wäre der Idealfall, weil es einen beschwichtigen könnte, einem die Sinnlosigkeit des Streitens deutlich machen könnte, aber in diesem kurzen Moment des emotionalen Ausnahmezustands, da verdränge man diesen Gedanken meist gekonnt.

Trotzdem:

Das wirkt alles sehr larmoyant, sehr um sich selbst kreisend, der Hund kommt doch gar nicht mehr vor in der Besonderheit, die er offensichtlich für den Erzähler hatte und noch immer haben soll.

Die hier von dir zitierten Passagen waren banane, nicht gewinnbringend, und sind deshalb rausgeflogen.

Vielen Dank für deine Auseinandersetzung mit dem Text!

Bas

 

Hallo @Bas!

Mir hat dein Text außergewöhnlich gut gefallen. Ich mag eben "solche" Texte, die sich nicht zu einer Folge von Wenn-Dann-Aktionen reduzieren lassen sondern die aus der Situation heraus wirken, einem Eindruck, einen kurzen Szene. Die Machart deines Textes ist ein wenig speziell, küchenpsychologisch ausgedrückt: Man mag's oder man mag's eben nicht. Ich mag's sehr.

Ich glaube, dass ein Text dieser Art, vielleicht sogar dein "natürlicher Schreibstil", immer der Gefahr läuft, zu entgleisen. Entgleisungen drohen durch den Schreibstil, der zu artifiziell und eigenartig wirkt und den Leser verschreckt oder durch einen moralischen Impuls, durch eine vorgefertigte philosophische Frage, die sich so extrem durch den Text paust, dass man keinen Bock mehr hat, dem Text zu folgen. Käfig hält diese Balance, es gibt keine Entgleisungen (oder sagen wir mal besser Schlenker, Entgleisungen sind ja immer ein bissl kritisch im Betriebsablauf), ohne dass ich genau erklären kann, warum. Beispielhaft nehme ich diesen Satz -

Da ging ich behutsam, ganz langsam zu ihm hin, legte ihm die Hand auf den schweren Kopf, die Hand, die ihn am liebsten gepackt hätte, die Hand, die ganz genau Bescheid wusste um die eigenen schlaflosen Nächte, um das In-die-Matratze-krallen, die sich erinnerte an die kühle Keramik, wenn ich mich, auf das Waschbecken gestützt, übermüdet, überreizt, im Spiegel ansah und dann schnell wieder weg, weil ich den Gedanken, der sich mir da aufdrängte, nicht ertragen wollte.

- der eine halbe Welt mit-erklärt. Stark finde ich, jetzt wird's sehr analytisch, dass sich die Hand erinnert, neben dem Mund das Werkzeug, mit dem der Mensch seine Gedanken eben in Realität umsetzen kann. Da lese ich das automatische Funktionieren in einer stressigen Situation, das Abschalten und Abstumpfen gegenüber der hohen Belastung heraus. Naja, ich denke jetzt gar nicht an den Rettungssanitäter beim Autounfall sondern an den alltäglichen Stress, den jeder von uns schon erlebt habt, an das Augen zu und durch und ich mache das jetzt so, wie ich es ohne Denken und Gefühl eben kann.

Ich finde, dass die Parallele Hund-Opa nur oberflächlich die Stärke deines Textes auszeichnet. Viel eindrucksvoller (Subjektivitätshinweis) halte ich diesen Satz:

Weil die Zeit für ihn keinen Sinn mehr ergab.

Denn hier geht es um Macht, um Interpretationsmacht, um Handlungsmacht und - beim Hund - um die Macht, ihn zu töten, aber ich entscheide, ob sein Leben lebenswert ist oder nicht. Hier könnte sich eine lange, durchphilosophierte Kette an ethischen Diskussionen anschließen, aber da fehlt mir das Wissen und die Denkfähigkeit für, das führt zu weit ab von deinem Text. Falls man aber versucht, einen Kern deines Textes zu finden: Hier ist er, glaube ich. Lasse mich aber gerne eines anderen überzeugen.

Mein Opa, dessen Füße sich bei jedem Auftreten in die Hausschlappen saugten

Ein seltsamer Satz, denn obwohl die Füße ja "aktiv" wirken, sind die Hausschlappen "aktiver", denn sie saugen die Füße an sich heran. Ich nenne das mal ganz hochtrabend den großen Graben zwischen der Syntax und Semantik (glaube ich^^). Falls du wünschst, den Text runder wirken zu lassen - "saugten" durch ein anderes Verb ersetzen, drücken, pressen, drängen, schieben. Aber ich mag es lieber, wenn er bleibt :-)

Und trotzdem sagte da keiner, schläfer ihn doch ein, den Opa.

Warum Vergangenheit?

Sei doch froh, dass du deinen Freund töten lassen kannst.

Hm Hm Hm. Hm Hm Hm. Nein, @Bas, mir gefällt der Satz nicht. Aus einem Grund: Er ist viel zu scharf, zu radikal, zu brutal für deinen Text. Töten ist Gewalt. Dein Text lebt aber nicht von Gewalt, dein Text drängt zu Fragen des ethischen, des guten Tötens, das Töten, das eben akzeptiert ist, weil ein Hund oder Mensch ein nicht lebenswertes Daseins führt. Ein Töten, nicht aus der Situation und Not heraus, sondern weil man rational nach ewigen Überlegungen zum Schluss gelangt, dass "einschläfern" eben Sinn macht. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine ... ich halte das Wort "töten" in Verbindung mit "Freund" und dem achselzuckenden "Sei doch froh" in deinem Text für unpassend. Dein Text besitzt eine ruhige Grundstimmung. Dein Text lebt nicht von objektiven So-isses-halt, Hund wird eingeschläfert, Hund wird eben getötet. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang, wie wenig du den Opa oder sein Umfeld beschreibt.

Froh sollst du sein.

Vorhin sprach ich das Thema Entgleisungen im Textalltag an, hier aber ein schönes Beispiel, warum du in diesem Text die Balance richtig perfekt einhältst: Ein fast schon religiöser Satz, ich sah hier das Bild eines Priesters bei einer Beerdigung, sozusagen als großartige Bilanz nach einem abgelebten Menschenleben.

***

Lieber @Bas, auch wenn mein Kommentar sehr spät auf deinen Text folgte, ich habe ihn sehr, sehr gerne gelesen. Mich freut es, dass dein Text eine Empfehlung erhalten hat. Ich mag deinen Schreibstil, er strebt nicht so offensichtlich nach Schema F des Storytellings (meine das nicht negativ, finde es großartig, wenn Menschen spannend erzählen können. Ich mag's nur nicht, wenn Geschichten ausschließlich darauf reduziert werden) und verbleibe mit frühherbstlichen Grüßen aus Leipzig-Zentrum,

kiroly

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom