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König von Spielzeugland

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18.08.2002
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König von Spielzeugland

In der Mitte des Strobühler Weihnachtsmarktes stand eine Losbude groß und prunkvoll und bunt. Ihr riesiger Leuchtbanner mit dem Schriftzug "My Toyland" und dem Logo des gleichnamigen Konzerns war quer über den ganzen Platz zu sehen. An der Lostrommel stand eine dicke ältere Frau mit langem, knotfransigem Wollrock, hohen Stiefeln und einer dicken blutroten Strickjacke, und verkaufte ihre Lose, das Stück für einen Taler.
Als gerade eine lange Schlange glitzernder und ungeduldiger Kinderaugen endlich ihrem Glück entgegen fiebern konnte, bemerkte sie, wie ein Junge von der gegenüberliegenden Geschäftsreihe her die Auslagen des Toylands mit großen Augen anstarrte. Sollte sie ihn herüber winken? Eigentlich war es ja die Aufgabe ihres Kollegen, der von oben die Aufmerksamkeit der Weihnachtsmarktsbesucher ergattern sollte. Das versuchte er zum Beispiel so:
"Ja kommt meine Kinder, hier in das riesige, nein: größte, aber nein: unendliche Land der Spielzeuge. My Toyland wartet auf euch und will euch nicht den kleinsten Wunsch verwehren. My Toyland erfüllt euch aber auch das, was der Weihnachtsmann nicht tragen kann. Wie den mannshohen Eisbären hier, für vierzigtausend Punkte ist es Eurer; für fünfundsiebzigtausend kriegt ihr diese superstarke Spielekonsole von 'Playa'."

Mit einer einladenden Handbewegung hieß die alte Frau den Jungen rüberkommen.
"Guten Abend!", sagte er.
"Guten Abend."
"Ich möchte ein Los. Nein, am besten gleich mehrere."
Der Junge streckte der Frau fünf Taler hin.
"Schön, da nimm fünf Lose, ja?"
Er griff in die Trommel, wühlte ein bisschen und nahm eines nach dem anderen fünf Lose heraus.
"Danke!", sagte er und verschwand.
Er setzte sich auf den Treppenabsatz an der Seite der Losbude und riss die Perforierungen auf, was sich mit kälteträgen zittrigen Fingern recht schwierig gestaltete.

"Na Kleiner, woll'n wa doch ma seh'n!" sagte der eine Mann auf der Bühne, bei dem man seine Hoffnungsträger einlösen musste, und der die minderen Gewinne austeilte, zum Beispiel einen langen Bleistift für eintausend Punkte. Der Junge streckte ihm seine Zettelchen entgegen, und der Assistent beugte sich hinunter und nahm sie.

" ...Eintausend... oh! wow, einundsiebzigtausend", sagte er und pfiff sich eins vor Anerkennung, "vierundsiebzig, fünfundsiebzig", zog die Brauen hoch, "und hohohunderttaus- Hey Steve! Steve! Steve, ich glaub ... unser erster heute! Mensch Junge, bist ja 'n richtiger Glückspilz!"

Der Mann stürmte auf den Moderator zu, unten folgte ihm der Junge, mit glitzernden Augen und roten Wangen. Der Moderator fächerte die Zettel auf, und schrie euphorisch in sein Mikrophon:

"Leute, schaut her! Auch heute wieder gibt es einen Hauptgewinn von hunderttausend Punkten. Kleiner King of Toyland, dürfen wir seinen Namen wissen?"

"Ich heiße Marius!", rief er fröhlich in das Mikrofon.

"Marius? Marius heißen wohl die Glückspilze der Welt. Du bist der Beste. Denn bei hunderttausend Punkte hat man freie Auswahl, ja, meine Damen und Herren. Also: Was lässt das Herz des Glückspilzes höher schlagen?"

"Eine Eisenbahn!", überschlug sich Marius' Stimme vor Aufregung.

"Eine Eisenbahn? Wie, das ist wirklich schon alles?", wunderte sich der Moderator etwas übertrieben.

Marius ließ nachdenklich den Blick über die vielen netten Spielmitmir-Teddybären, die Roboter, die Spielkonsolen, die Autorennbahnen, die Mini-HiFi-Anlagen und Eisenbahnen schweifen, und sagte schließlich: "Ja!"

"Na, wenn's weiter nichts ist", sagte der Moderator und räusperte sich. "Tja, 's halt eine Perle von Bescheidenheit, meine Damen und Herren!" Emsig wandte sich der Moderator an seine Hilfe: "MeMeMeMickey! Allez!"

Mickey, der Assistent, stieg drei Auslagestufen hoch und hob ein buntes Paket hoch. Sodann sprach der Moderator feierlich ins Mikro:

"Du bist nun stolzer Gewinner eines Original-Playa Electronics-SP12Xtreme-Eisenbahnmodells. Das neuartige Silizium-Modellschienensystem, der Super-12V-Spirallager-Motor, die dreifache Titanverkleidung und zweieinhalb Meter Gesamtstrecke garantieren Ih-...dir atemberaubenden Fahrspaß. Dieses Vergnügen ist schon mal seine neunhundert Tälerchen wert. Na, Kleiner, da staunste, wa?"

Kopfschütteln.
"Na, das will ich doch mei... - Wie bitte?"
"Nein. Ich möchte eine Eisenbahn ohne Strom", sagte Marius mit schüchternem Nachdruck.

Der Moderator räusperte sich. "Meine Damen und Herren!", grinste er etwas nervös. "Da ist sich wohl einer nicht bewusst, was ihm gerade entgeht."

Marius schüttelt den Kopf mit aller Bestimmtheit.
"Nein, ich möchte keine elektrische Eisenbahn. Ich möchte eine zum Anschieben."

Aufgesetztes Grinsen.
"Ach, mein Sohn, als ob wir das nicht hätten. Ja meine Damen und Herren, Toyland befriedigt selbstverständlich auch solche Wünsche. Trauen Sie sich; jedes Los gewinnt!"

Mittlerweile hatten sich viele Leute um das unendliche Toyland herum versammelt, und die Neugierde von fünf hundert siebenunddreißig Augen tronte auf dem Kinde, das trotzig vor dem Geländer des Podestes stand und zu dem glatzköpfigen Herrn emporsah. Dieser wischte sich jetzt mit einem zerknitterten Zellstofftaschentuch die Stirn ab, während der Assistent mit einem kleineren Paket die Stufen hinabstieg.

"So, Junge, welcher deiner Freunde würde nicht vor Neid erblassen vor dir," sagte der Moderator mit lauter, aber unsicher stolpernder Stimme, "der du jetzt eine superstabile, ähm, bissfeste, und vor allem vielseitige Eisenbahn besitzt, selbstverständlich aus Kunststoff."

"Ach aus Kunststoff?", fragte Marius enttäuscht, "Ich dachte aus ...Holz?"
"Aus Holz? Mein lieber Mannomann, wir sind hier doch nicht mehr im Mittelalter."
"Ich will aber eine aus Holz!", lehnte sich Marius auf.

Seine Ratlosigkeit konnte der Moderator nun nicht mehr leugnen. Aber dann wurden seine Gesichtszüge härter. Der Mann griff mit zitternder Hand aus dem Wühlkasten neben ihm eine Zehntausend-Punkte-Holzpuppe und rief mit enger Stimme:
"So: Willst Holz, gut ... hier, tausendmal interessanter als eine Eisenbahn, hast du eine Voodoo-Puppe aus Holz, die Nadeln liegen bei."

"Nein, nein, nein!", Marius stampfte wütend mit dem Fuß auf, "Ich will keine Holzpuppe! Ich will eine Eisenbahn aus Holz. Eine Eisenbahn aus Holz, zum Anschieben."

Das war zu viel. Den Moderator verließ jede Beherrschung und er brüllte:
"Menschenskind, mich trifft der Donnerschlag! ... Hey, wir verschenken hier Sachen, die toll sind! Sachen, die alle Welt haben will! Aber du, ich glaub es nicht, suchst die Müllkippe!". Dann brüllte er vollends: "Himmelherrgott, nimm das und scher dich fort!"

Er schleuderte ihm, der eigentlich nur eine Eisenbahn aus Holz haben wollte, aus den Weiten des Spielzeuglandes die Puppe entgegen.
Die verfehlte zwar ihr Ziel, landete direkt vor Marius' Füßen im Schnee. Doch eine Bombe bitterer Enttäuschung traf ihn hart, explodierte in seiner Brust, zerfetzte gute Erinnerungen an frühere Weihnachtsfeste. Angst erfasste ihn. Er wich zurück, weg vom Geländer, starrte einen Moment lang still auf die Puppe hinunter, auf die beiden Männer, auf die Auslagen, auf die umstehenden Leute.
Dann machte er kehrt und rannte schreiend davon.

[highlight]Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE (s. Profil)[/highlight]​

 

Hallo Floh!

Diese zweite Geschichte von mir handelt zwar von einem Kind, [...], ist aber für Ältere geschrieben.

Sehe ich auch so und denke, dass "Gesellschaft" wegen dem Ende der Story wirklich passender ist.

Also, die Geschichte finde ich inhaltlich sehr schön.
Ist 'ne interessante Thematik und die Idee, dass im Zeitalter der Elektronik jemand an einem altbewährten Holzspielzeug mehr Freude hat als an irgendwelche elektronischen Spielwaren, hat mir gut gefallen. Interessant auch das Verhalten des Moderators, der am Ende die Geduld verloren und das Verhalten des Jungen nicht verstanden hat.

Etwas unpassend fand ich den Weihnachtsmarkt.

Marktschreier-Worte wie z. B.

"Me-Me-Me-Mickey! Allez!"
"und he-he-he...hundert tau...- Hey Steve! Steve!"
passen eher zu einem typischen Volksfest mit Fahrattraktionen wie zu einem besinnlichen und ruhigen Weihnachtsmarkt.

vierzig tausend
Zahlen unter einer Millionen schreibt man zusammen.

Ozeanischen Taler
Wo spielt die Geschichte eigentlich? Irgendeine Phantasiewelt mit Phantasiewährung?

Jedenfalls kommt die Geschichte gut rüber, schon allein durch das Werbegeschrei des Moderatoren, das sich der Leser m. E. gut vorstellen kann.

Schön fand ich auch beispielsweise die präzise Personenbeschreibung der Losverkäuferin:

An der Lostrommel stand eine dicke ältere Frau mit langem knotfransigen Wollrock, hohen Stiefeln und einer dicken blutroten Strickjacke

So wirkt die Person für den Leser lebendig.

Einige Kleinigkeiten könntest du noch verbessern, insgesamt aber wirklich nicht schlecht.

Viele Grüße,
Michael

 
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Hallo Michael,

Herzlichen Dank für deine Kritik. Sie gibt mir Hoffnung: Ein gewisses Talent zur Schriftstellerei, die mich wahrlich gefangen hat, ist da.

Diese Geschichte entstand aus einem realem Weihnachtsbesuch in Potsdam, ich glaube 2001. Nun, ruhige und besinnliche Weihnachtsmärkte gab es einmal. Heute werden sie IMHO ebenso kommerziell ausgequetscht wie Leichtathleten.

Zur Währung: Wenn ich vom Euro rede, sage ich manchmal rein aus Witz (na gut, und um aufzufallen) "Europäischer Taler". Und im Angesicht der immer weiter schreitenden Globalisierung liegt die Bezeichnung "Ozeanischer Taler" doch nicht fern. Außerdem fiel mir just beim Schreiben Orwells 1984 ein. Solche "easter eggs", wie es so schön neudeutsch heißt, frischen die Geschichte auf; wirst sie sicher noch in weiteren Werken von mir finden (Oder auch nicht; vielleicht stiften sie ja doch nur Verwirrung.).

Und die Themen stapeln sich in meinem Kopf...

MfG, FLoH.

 
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Hi floh,

Du liest so fleißig meine Mipsmaps-Geschichten und ich kannte noch gar nichts von Dir... :)
Das musste ich ändern.
Ich habe Deine Geschichte aus der Weihnachtsrubrik gewählt, weil ich glaubte, hoffte, vermutete, dass sie meiner Lieblingsrubrik "Kinder" am nächsten käme und ich habe richtig gewählt.

Inhaltlich gefiel mir die Geschichte sehr! Genau das, was dem kleinen Marius passiert, das tun wir unseren Kinder heutzutage sehr oft an. Wir übersehen und wollen nicht wahrhaben, dass sie mit einfachen, schlichten Dingen viel begeisterter und kreativer spielen können und wollen, als mit irgend welchem ferngesteuerten, elektronischen Schnickschnack.

Beim Lesen hatte ich, wohl wegen der ozeanischen Taler, das Gefühl mich in einer etwas entfernteren Zukunft zu befinden. Vielleicht war das ja beabsichtigt.

Das Ende der Geschichte stimmt mich traurig. Niemand in der Nähe, der Marius schlichten Wunsch verstand. Schade...

Was das Sprachliche in Deiner Geschichte angeht, bin ich über einige Formulierungen gestolpert, von denen ich glaube, dass Du sie verbessern könntest. Ich liste sie Dir jetzt hier nicht auf, weil ich schon gesehen habe, dass Du auch Michaels Anmerkungen nicht in Deinen Text übernommen hast. Vielleicht ist Dir diese Geschichte ja gar nicht mehr so wichtig, sie ist ja auch schon älter und ich möchte mir nicht gerne vergebens Mühe machen.

Auf jeden Fall gefällt mir die Idee und ich habe die Geschichte gerne gelesen!

Liebe Grüße
Barbara

 

Barbara, beinahe wäre mir gar nicht aufgefallen, dass eine meiner älteren Geschichten noch kommentiert wurde. Für die Suche nach Kommentaren benutze ich immer noch die Suche (nach Beiträgen von "floh"), und verlasse mich da auf die blauen Pfeile. ...Die leider nicht immer erscheinen und so ist mir auch deine Kritik beinah durch die Lappen gegangen, naja.

Ich freue mich jedenfalls sehr über Deinen Kommentar, und darüber dass Du diese Geschichte überhaupt aus der Versenkung geholt hast ;). Ich sehe, dass Du die Geschichte so aufgeschnappt hast, wie ich sie geschrieben habe. Das mit "Ozeanien" kann ich heute verstehen und habe die Handlung kurzerhand nach Europa umziehen lassen. Verzeih mir bitte die Bezeichnung "Europäischer Taler", "Euro" finde ich ein grottenhafter Term und so immelodiös und unpassend für eine nicht gewinnorientierte Geschichte.

Bzgl. Ende: Ursprünglich hatte die Geschichte einen zweiten Teil, wo Marius des Abends nochmal zurückkommt, um den Schal zu holen, welchen er bei seiner Flucht verloren hatte, und da spricht die Losfrau ihn drauf an, verschwindet kurz im Fahrerhaus des Wagens und bringt zum Vorschein... Den Rest kannst Du dir sicherlich denken.
Diese Fassung kennt eigentlich nur meine Schwester und ist auch nicht mehr existent.
Naja, irgendwann bekam ich Abscheu gegen Kitsch, und da habe ich den zweiten Teil gelöscht. Zweifelsohne scheint diese, die Einteilvariante die bessere zu sein, wenn sie die Moral so gut rüberbringt.

Du hast natürlich Recht, dass du dich unter dieser Warte mit deiner Fehlerliste zurückgehalten hast. Dazu muss ich sagen, dass ich Michaels Vorschläge nicht alle mit meiner Geschichte vereinbaren konnte. Beispielsweise sind die städtischen Weihnachtsmärkte wirklich zu profitorientierten Jahrmärkten mutiert - den Rest bin ich versucht, Ausnahmen zu nennen. Aber soviele habe ich ja noch nicht gesehen, als dass ich das behauptungsfrei beurteilen könnte.
Jetzt bin ich aber wirklich auf deine Fehler ( *gg* ich mein doch die, die Du in der Geschichte gefunden hast...) neugierig geworden ;). Werde natürlich nicht alle unbedingt umsetzen, aber das liegt dann an meiner Geschichte, nicht an deinen Fehlererkennungskünsten.

Habe das Layout einmal überholt, dabei sind mir noch ein paar minore Fehler aufgefallen. Wie ich mich kenne werden es nicht alle sein ;).


FLoH.

 

Hallo Floh,

ich mag den Marius, meine kleinen Brüder haben letztes Weinachten dieses "Wischi Waschi, Sport vor Playstaition" bekommen. Ich konnte nur Kopfschütteln. Mir wurde nicht mal ein GameBoy vergönnt. Im Nachhinein bin ich froh drumm.

Frohe Weinachten und Rutsch
Mummenschanz

 

Herzlichen Dank für eure Kommentare. Freut mich sehr, wenn euch meine Geschichten gefallen hat. :) FLoH.

 

Lieber FLoH!

Nachdem Weihnachten wieder einmal vor der Tür steht, will ich Deinem, im Posting #5 zart angedeuteten Überarbeitungswillen ein bisschen unter die Arme greifen. ;)
Im Prinzip hat sie mir ja schon ganz gut gefallen, besonders Deine Intention dahinter. :)

Schade finde ich, daß Du das oben erwähnte alternative Ende, bzw. den zweiten Teil nicht mehr hast, was Du davon erzählst, hört sich nämlich sehr gut an. Ich vermute, daß deshalb auch die Beschreibung der Losverkäuferin am Beginn der Geschichte ausführlicher ausgefallen ist, als die des Moderators oder des Assistenten. Jedenfalls hatte ich bei der Beschreibung den Eindruck, es handle sich um eine nette, gutmütige Frau.
Durch diese ausführliche Vorstellung am Beginn der Geschichte – noch bevor wir den Protagonisten kennenlernen – entsteht der Eindruck, es ginge in der Geschichte um sie. Bei dem anderen Ende hätte das sicher seine Berechtigung, denn dann ginge sie ja quasi als »Weihnachtsengel« aus der Geschichte hervor. Ohne diesem alternativen Ende solltest Du meiner Meinung nach eher versuchen, zuerst Marius einzuführen. Überhaupt würde ich den Erzähler näher an ihm dran sein lassen, die Geschichte mehr aus seiner Perspektive erzählen.

Ehrlichgesagt gefällt mir das jetzige Ende, daß Marius schreiend davonläuft, nicht besonders. Es paßt auch nicht so richtig zu ihm, da er doch als ein bescheidenes Kind dargestellt wird – da fände ich es passender, wenn er einfach nur mit den Schultern zuckt und sagt, daß es ihm nichts ausmacht, wenn sie keine Holzeisenbahn haben, denn er hat jetzt ohnehin gelernt, selbst zu sägen und zu feilen, und bald wird er sich selbst eine basteln. (Das würde dem Moderator den Rest geben … :D)

"Ich möchte ein Los. Nein, am besten gleich mehrere."
Der Junge streckte der Frau fünf Taler hin.
Auch hier finde ich, Du könntest der Bescheidenheit treu bleiben und ihn nur ein Los kaufen lassen. Das hätte nebenbei den positiven Effekt, daß Du die Beschreibung mit dem Kleingewinnverteiler kürzen könntest: Er müßte dann nicht erst die Lose durchsehen und die einzelnen Gewinne aufzählen, sondern könnte gleich sagen, daß Marius den Hauptgewinn erwischt hat und auf die Bühne kommen soll.

Stilistisch finde ich sie noch nicht so ganz FLoH-typisch. Irgendwie vermischt Du ziemlich stark gehobenes Deutsch mit Umgangsprache – aber ich bin mir sicher, die betreffenden Stellen fallen Dir heutzutage auch schon selbst auf, es ist ja schon fast dreieinhalb Jahre her, daß Du die Geschichte geschrieb gepostet hast. ;)

Den Moderator verließ jede Beherrschung und er schrie in Rage
Eigentlich sollte einem Moderator sowas nicht passieren und es wirkt schon ziemlich übertrieben. Allerdings birgt die darauf folgende Sache mit der Voodoo-Puppe schon wieder Möglichkeiten für einen anderen Schluß in sich …

Ja, was ich jetzt fast vergessen hätte: In der Liste unten steht auch eine Bemerkung zu den Europäischen Talern – ich bin aber mittlerweile der Ansicht, daß Du das Europäische überhaupt rausnehmen solltest (irgendwo steht mal »europäischer« vor »Konzern«), denn wenn die Geschichte so konkret in Europa spielt, müßte ich als Einwand bringen, daß es doch die sündhaft teure BRIO-Eisenbahn gibt. Somit wäre der Wunsch ja sicher kein Problem.
Also ist mein Rat: Weg vom Realismus, weg mit Europa, ich würde sogar die Aufzählung der angebotenen Spielsachen(Spielkonsolen etc.), durch ungefähre Beschreibungen wie z.B. »schwarze und silbergraue Gegenstände, die bunt blinken« ersetzen. Die Geschichte wäre dann ein bisschen märchenhafter, was Du auch stilistisch noch betonen könntest, und was Dich vielleicht zu einem ganz anderen, phantasievollen Ende (mit Voodoo-Puppe?) inspirieren könnte… ;)

So, jetzt halt ich aber meinen Mund.
Nur noch die üblichen Kleinigkeiten (die hab ich ja schon vorher geschrieben):

»An der Lostrommel stand eine dicke ältere Frau mit langem knotfransigen Wollrock, hohen Stiefeln und einer dicken blutroten Strickjacke, und verkaufte ihre Lose, das Stück einen Europäischen Taler.«
– bei »mit langem knotfransigen Wollrock« würde ich einen Beistrich dazwischen machen: mit langem, knotfransigem Wollrock«. Wobei mir »knotfransigen« nicht unbedingt gefällt, Du könntest vielleicht die Fransen extra erwähnen: »in einem langen Wollrock, der an der Unterkante verknotete Fransen hatte« zum Beispiel.
– wenn der Rock lang ist, wie sieht man dann, ob die Stiefel hoch oder niedrig sind? Ach so, ja, Ihr bezeichnet ja schon Schuhe, die nur über die Knöchel gehen als Stiefel (hatte mich mal über den Ausdruck Wanderstiefel gewundert, die dann ganz normale Wanderschuhe waren) … Vergiß den Punkt oder nimm trotzdem »hohen« raus, weil’s ja eigentlich egal ist. ;-)
– auf die Europäischen Taler trifft, finde ich, genau das zu, was Du weiter oben über die Euros sagst: »grottenhafter Term und so immelodiös«. Was jetzt nicht heißt, daß ich für die Verwendung von »Euro« plädiere. Warum nicht etwas ganz Einfaches, wie zum Beispiel »Silbermünzen« oder »Strobühler Blechtaler«?

»Mit einer einladenden Handbewegung hieß die alte Frau den Jungen rüberkommen.«
"Guten Abend!", sagte dieser.«
– »dieser« gefällt mir hier nicht sehr, aber vielleicht überlegst Du dir ja meinen oben gemachten Vorschlag, gleich dichter an ihm dranzubleiben, dann paßt die Formulierung ohnehin nicht mehr, Du könntest dann einfach »sagte Marius« schreiben.

»"Danke!" sagte er und verschwand.«
– "Danke!", sagte

»und riss die Perforierungen auf, was sich mit kälteträgen zittrigen Fingern recht schwierig gestaltete.«
– oder einfach: und riss mit kälteträgen, zittrigen Fingern die Perforierungen auf.

»"Na kleiner, woll'n wa doch ma sehen!" sagte der eine Mann«
Kleiner
– sehen!“, sagte

Von »bei dem man seine Hoffnungsträger einlösen musste, und der die minderen Gewinne austeilte,« bis »Der Moderator fächerte die Zettel auf, und schrie euphorisch in sein Mikrophon:« könntest Du ruhig etwas zusammenkürzen. Mehr »show, don’t tell« wäre obendrein, wenn Du von den minderen Gewinnen nicht bloß als Erzähler erzählen würdest, sondern vor Marius ein anderes Kind drankommen läßt, das den Bleistift für sein Los bekommt.

»"Leute, ich fass es nicht:«
– scheint mir eher unrealistisch, daß ein Moderator sowas sagt.

»"Ich heiße Marius!" rief er fröhlich in das Mikrofon.«
– Marius!“, rief

»Denn bei hundert tausend Punkte hat man freie Auswahl,«
– bei hunderttausend Punkten

»Marius ließ nachdenklich den Blick über die vielen netten Spielmitmir-Teddybären, die Roboter, die Spielkonsolen, die Autorennbahnen, die Mini-HiFi-Anlagen und Eisenbahnen schweifen,«
– ich würde den aufgezählten Spielsachen noch je ein Adjektiv geben; erstens, weil vor den Spielmitmir-Teddybären ja auch »netten« steht (oder meinst Du, daß »nett« auch zu den Spielkonsolen und Autobahnen gehört? Ich finde »nett« jedenfalls nicht für alles Aufgezählte passend. Zweitens aber, weil Du dann die Eisenbahnen zum Beispiel als »vollelektronisch« oder »funkgesteuert« bezeichnen könntest.

»"Na, wenn's weiter nichts ist", sagte der Moderator und räusperte sich. "Tja, 's halt eine Perle von Bescheidenheit, meine Damen und Herren!" Emsig wandte sich der Moderator an seine Hilfe "MeMeMeMickey! Allez!"«
– die zweimalige Nennung des Moderators ist nicht notwendig, beim zweiten Mal kannst Du ruhig »wandte er sich an« schreiben.
– Hilfe: “ MeMeMeMickey!

»und 2,5m Gesamtstrecke garantieren Ih-...dir atemberaubenden Fahrspaß.«
:lol: – zweieinhalb Meter

»Na Kleiner da staunste, wie?"«
– Na, Kleiner, da

»"Na das will ich doch mei- ...Wie bitte?"
"Nein. Ich möchte eine Eisenbahn ohne Strom.", sagte Marius mit schüchternem Nachdruck.«
– Leertast nach den drei Punkten
– Strom“, sagte (ohne Punkt)

»"Meine Damen und Herren!", grinste er etwas nervös, "Da ist sich …«
– nervös. „Da

»"Ach mein Sohn, als ob wir das nicht hätten.«
– Ach, mein

»und die Neugierde von fünf hundert siebenunddreißig Augen tronte auf dem Kinde,«
– zusammen: fünfhundertsiebenunddreißig
– thronte

»während Mickey der Assistent mit einem kleineren Paket die Stufen hinabstieg.«
– Mickey, der Assistent, mit – wobei ich Dir aber rate, entweder »Mickey« oder »der Assistent« zu schreiben, da der Leser ja schon weiß, daß Mickey der Assistent ist.

»"So Junge, welcher deiner Freunde würde nicht vor Neid erblassen«
– So, Junge

»"Ach aus Kunststoff?", fragte Marius enttäuscht, "Ich dachte aus ...Holz?"«
– enttäuscht. “Ich dachte, aus …_Holz?“

»"Doch, 'will aber eine aus Holz!" versetzte Marius.«
– Ui, ui. Da gehört ein Beistrich hin: Holz!“, – Was aber soll »versetzte Marius« bedeuten? Ist das Berlinerisch? Würde sagen: bekräftigte Marius seinen Wunsch. Seine Aussage liest sich allerdings, was meiner Meinung nach an der Verwendung von sowohl »Doch« als auch »aber« liegt, sehr kleinkindhaft. »Doch« paßt auch aufgrund der Aussage davor nicht so ganz, die ja hieß: »… wir sind hier doch nicht mehr im Mittelalter.«
Wie wär’s zum Beispiel damit: »Ich wünsche mir schon so lange eine Eisenbahn aus Holz«, sagte Marius, und sein Blick wurde traurig.


Alles Liebe,
Susi :)

 

Hallo Susi,

vielen Dank für deine konstruktive Kritik. Deine Vorschläge finde ich so ziemlich alle gut. Ich will mir überlegen, ob und wie ich sie umsetze. Bin mir leider nicht sicher, ob das dies Jahr noch etwas wird.

Durch diese ausführliche Vorstellung am Beginn der Geschichte – noch bevor wir den Protagonisten kennenlernen – entsteht der Eindruck, es ginge in der Geschichte um sie. Bei dem anderen Ende hätte das sicher seine Berechtigung, denn dann ginge sie ja quasi als »Weihnachtsengel« aus der Geschichte hervor. Ohne diesem alternativen Ende solltest Du meiner Meinung nach eher versuchen, zuerst Marius einzuführen. Überhaupt würde ich den Erzähler näher an ihm dran sein lassen, die Geschichte mehr aus seiner Perspektive erzählen.
Weise Gedanken. Mit letzterem habe ich so meine Probleme. Mal schauen.

da fände ich es passender, wenn er einfach nur mit den Schultern zuckt und sagt, daß es ihm nichts ausmacht, wenn sie keine Holzeisenbahn haben,
Nachdem er vom Mann da oben eine Holzpuppe an den Kopf kriegt? Nein, das finde ich nicht. Vielleicht ist die Stärke seiner Reaktion nicht ganz angemessen und könnte gedämpft werden, werd mal sehen.

Also ist mein Rat: Weg vom Realismus, weg mit Europa, ich würde sogar die Aufzählung der angebotenen Spielsachen(Spielkonsolen etc.), durch ungefähre Beschreibungen wie z.B. »schwarze und silbergraue Gegenstände, die bunt blinken« ersetzen. Die Geschichte wäre dann ein bisschen märchenhafter, was Du auch stilistisch noch betonen könntest, und was Dich vielleicht zu einem ganz anderen, phantasievollen Ende (mit Voodoo-Puppe?) inspirieren könnte…
So würde ich die Geschichte gänzlich umformen, davor graut mir. Ich möchte nicht verklären, ich möchte nicht idealisieren, weder Marius noch sonst wen/was :). Der Sinn, den ich im Kopf hatte, als ich die Geschichte schrieb, soll weitgehend erhalten bleiben. Denkmalschutz, wenn du verstehst ;).

– Ui, ui. Da gehört ein Beistrich hin: Holz!“, – Was aber soll »versetzte Marius« bedeuten? Ist das Berlinerisch? Würde sagen: bekräftigte Marius seinen Wunsch.
"versetzen" finde ich in meinem Synonymwörterbuch mit der Bedeutung (empört/impulsiv/...) antworten. Ich dachte, das ist allgemein verständliches Bundesdeutsch, muss aber gerade zu meinem Schrecken gestehen, dass es selbst der Duden so nicht versteht. Vielleicht ist "kontern" geläufiger? Das jedoch würde, meinem Sprachempfinden nach, weniger in Bezug auf Kinder als auf Erwachsene passen. "insistieren" ginge auch, ist aber ein Fremdwort. Dein Vorschlag klingt mir zu rational und distanziert :shy:.


Liebe Grüße und schöne Adventstage,
FLoH.

 

Hallo Floh,

eine interessante Geschichte, erst der Spannungsaufbau, die überheblichen Versprechungen der Spielwarenindustrie, bis schließlich die Blase zerplatzt.
Für mich sagt die Geschichte, wie wichtig es ist, den Erwartungen der Umwelt zu entsprechen, aber auch, das die Umwelt vorgibt, wie wir zu funktionieren haben.
Zwar kein Text mit Happy End, aber auch das gehört zu Weihnachten.


"Na kleiner, woll'n wa doch ma sehen!" sagte der eine Mann auf der Bühne“

- warum der „eine“

"ich glaub' - unser erster von heute!"

"Aber du, ich glaub' es nicht, suchst die Müllkippe!"."

- Kein Auslassungszeichen in der ersten Pers. Sing. Bei Endung e, also glaub.


l G,

tschüß… Woltochinon

 
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Hi Woltochinon,

herzlichen Dank fürs Lesen, das Interessantfinden und die Anmerkungen :).

"Na kleiner, woll'n wa doch ma sehen!" sagte der eine Mann auf der Bühne“

- warum der „eine“

Ich weiß nicht. Das sollte eigentlich andeuten, dass mehrere auf dem Podest stehen. Ich werde die Sache anders, wohl in Häferls Sinne, schreiben.

- warum der „eine“

"ich glaub' - unser erster von heute!"

"Aber du, ich glaub' es nicht, suchst die Müllkippe!"."

- Kein Auslassungszeichen in der ersten Pers. Sing. Bei Endung e, also glaub.


Stimmt du hast recht, hab_ grad nochmal nachgeschaut. (Nicht, dass ich dir nicht glaubte, sondern um es mir dadurch vielleicht besser zu merken.)

Hab mir die Geschichte jetzt erstmal nur bzgl. des Formalen vorgenommen. Größere inhaltliche Änderungen schiebe ich einfach mal auf, will nichts verschlimmbessern :shy:. Das bisherige Ende kam mir aber zu schnulzig vor, darum habe ich es etwas "entschärft". Hoffentlich gefällt es immer noch.


FLoH.

 

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