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Kein zweites Versehen

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13.01.2005
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Kein zweites Versehen

Zwischen seinen Füßen und dem Bürgersteig hatte sich in kürzester Zeit eine dichte Eisdecke gebildet. Krampfhaft versuchte er das Gleichgewicht zu halten, doch rutschte er aus und fiel in die Kälte. Unter dem transparenten Boden meinte er sein Spiegelbild erkennen zu können und drehte sofort seinen Kopf angewidert zur Seite. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, blieb er einen Moment auf der Stelle stehen, bestrebt Halt zu finden. Kurz schaute er zurück und verfolgte dann doch zielstrebig seinen ursprünglichen Weg,
Wenige Minuten später bog er in den Vorgarten eines kleinen Einfamilienhauses ein. Durch ein Fenster sah er schon sie in der hellerleuchteten Küche stehen. Erstmals seitdem er seine Wohnung verlassen hatte, gab es für ihn kein hinten mehr. Er klopfte an die Haustür, sie öffnete, sah ihn erschrocken an und begann kopfschüttelnd ihre Lippen zu bewegen, die er aber leidenschaftlich mit den seinen umschloss. Er ließ nicht mehr von ihr los, ließ sie ihn nicht wegstoßen, bis sie sich schließlich hingab und wollend seinen Körper an sich band.
Eine Weile später lagen sie nackt auf dem Fußboden, nur wenige Meter von der Haustür entfernt. Er beugte sich mit geschlossenen Augen über sie und küsste ihre Wange. Als er den salzigen Geschmack einer Träne schmeckte, öffnete er seine Augen und fragte beschämt: „Wie geht es Thomas?“ Sie antwortete nicht, sondern starrte mit leerem Blick an die Decke. „Es hätte nicht noch mal passieren dürfen. Nicht ein zweites Mal!“, brachte sie schließlich zitternd hervor. Ihr Atem war stockend. In immer Kürzeren Abständen zuckte ihr Körper zusammen. „ Er stirbt und ich...“. Sie brachte den Satz nicht zu Ende, stand auf, löschte das Licht und ging ins Badezimmer. Bevor sie die Tür schloss, vernahm er noch ein schwaches Flüstern: „Warum bist du nur gekommen?“.
Er wusste nicht, wie lange er auf dem Boden lag, als er spürte, wie Nebel unter der Haustür einströmte und schon bald einen großen Teil des Zimmers ausfüllte. Kälte ließ seinen Körper erstarren. „Du siehst müde aus; Thomas Freitt!“, vernahm er eine düster hallendende Stimme aus dem Nebel. Er versuchte seinen Mund zu öffnen um zu widersprechen, aber spürte ihn nicht mehr.
Am nächsten Morgen kniete seine Frau neben seinem entkleideten, leblosen Körper und weinte bitterlich. Sie kümmerte sich nicht um die beiden Polizisten, die im Badezimmer ihre beste Freundin aus dem blutroten Wasser zogen.

 

Zunächst ein paar positive Anmerkungen:
Die Geschichte beginnt mitten in der Handlung, das ist gut.
Sprachlich habe ich nicht viel einzuwenden, nur "fiel in die Kälte" und "wollend den Körper an sich band" fand ich leicht misslungen.
Aber die Erzählung ist zu knapp, um mich inhaltlich zu überzeugen. Das Geschehen am Schluss bleibt unklar. Wer ist Thomas, oder warum fragt er nach ihm, um von der Nebelstimme kurz darauf selbst Thomas genannt zu werden? Warum ist er tot und warum ist seine Geliebte tot? Okay, sie hat sich offenbar die Pulsadern aufgeschnitten, aber diese Selbstmord-Motive finde ich einfach zu banal.
Anders gesagt: Der Schluss "fluppt" nicht. Er bleibt einfach nur seltsam und nicht verständlich. Man kann versuchen herumzuinterpretieren, aber die Geschichte gibt da nicht viel her, weil sie einfach zu kurz ist und deshalb nicht lange haften bleibt.

Fazit: sprachlich ok, inhaltlich zu knapp und nicht wirklich plausibel.

Uwe
:cool:

 

Hi Uwe,
danke für deine Kritik. Ich denke aber, dass die Geschichte relativ eindeutig ist.
Man erfährt, dass die Frau einen todkranken Mann (Thomas) hat und der Protagonist davon weiß, aber dennoch wegen seinem Verlangen nach ihr vergisst, auf ihre angeknckste Psyche Rücksicht zu nehmen oder dies sogar schamlos ausnutzt.
Die Überschrift gibt an, dass es sich um den zweiten Fehltritt handelt. Den ersten konnte die Frau also noch als einen "Ausrutscher" mit ihrem Gewissen vereinbaren. Doch die Tatsache, dass es ihr ein zweites Mal passiert ist, während ihr eigener Mann im Sterben liegt, kann sie nicht verkraften (für mich ein triftiger Grund Sebstmord zu begehen).
Dass der Protagonist stirbt, ist als übernatürliche Strafe zu deuten. Derr einströmende Nebel ist natürlich eine Metapher für den Tod, der sich Thomas holen möchte. Die Verwechslung kann dadurch begründet werden, dass der Protagonist nackt auf dem Fußboden des Hauses von Thomas Freitt liegt.
Gruß, Pico

 

Hallo Pico,

mir har deine Geschichte gut gefallen, wenn ich auch sagen muss, dass ich ohne deinen Kommentar zur Story etwas ratlos gewesen wäre. Etwas kurz vieleicht aber gut! :)

G.
Der Dude

 

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