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Kevin

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19.09.2022
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Kevin

»Keine Angst, alter Junge.«
Kevin hielt mit seinem Spiegelbild Blickkontakt und versuchte es zu beruhigen.
»Hinter dir ist nichts. Alles ist gut.«
Er krempelte die roten Ärmel seines Pullovers nach oben und verharrte noch einen kurzen Moment.
Leider befand sich auf der Ablage hinter dem Waschbecken keine feste Handseife und der Wasserhahn hatte selbstverständlich einen Drehverschluss. Aus dem Augenwinkel konnte er die Plastikverpackung der Flüssigseife erkennen und fluchte innerlich. Er würde sich nicht die Hände waschen können, ohne wenigstens einen kurzen Augenblick den Augenkontakt zu dem Feigling aus dem Badezimmerspiegel zu verlieren.
Dass er ein Feigling war, wusste Kevin. Kümmerte es ihn, wenn man ihn so nannte? Nein. Denn es war die Wahrheit und diese zu verleugnen, lag nicht in Kevins Natur. Das tiefe Bedürfnis nach sauberen Händen hingegen, lag sehr wohl in seiner Natur. Mehr noch, tatsächlich musste er sich die Hände waschen. Es ging nicht anders. Seine Hände mussten sauber sein.
»Du schaffst das, alter Junge.«
Er atmete noch einmal tief ein. Und noch einmal. Und noch einmal.
»Na los jetzt!«
Er wagte es und sah weg. In weniger als zwei Sekunden hatte er den Wasserhahn aufgedreht und sich die Flüssigseife aus dem Plastikbehälter in die Hand gedrückt. Panisch sah er in den Spiegel.
Nichts.
Er atmete auf und wusch sich die Hände, ohne dabei runterzusehen. Der Wasserhahn durchbrach die unheimliche Stille und Kevin fühlte sich besser. Die Angst wich langsam zurück, wie das Meerwasser, wenn die Ebbe einsetzte. Kevin war nicht bewusst, wie lange genau er sich die Hände unter dem Wasserstrahl gerieben hatte, jedoch konnte er aus dem Augenwinkel das Spiegelbild des Badezimmerfensters erkennen, durch das die ersten Sonnenstrahlen den Tag ankündigten.
Wie schön es doch wäre, wenn er auch ein Fenster im Badezimmer haben würde, dachte Kevin und seine Laune wurde allmählich wieder richtig gut.
Als er sich sauber fühlte, tastete er nach dem Drehverschluss des Wasserhahns und plötzlich wurde es still. Unheimlich still.
»Nein«, ermahnte er sein Spiegelbild. »Kevin, du fängst jetzt nicht schon wieder damit an!«
Und tatsächlich schaffte er es den Blickkontakt zu lösen. Er ging zur Tür des Badezimmers, öffnete das Schloss und stieß sie auf.
Selbstverständlich hatte er die Tür abgeschlossen, denn man müsse sein Schicksal schließlich nicht herausfordern. So sah Kevin das jedenfalls.
Er trat mit dem rechten Fuß nach draußen in den Flur und fand seine Situation plötzlich urkomisch.
Immer habe ich Angst, dass jemand hinter mir steht …
Kevin ging mit langsamen Schritten den Flur entlang und atmete bei jedem zweiten Schritt aus. Linker Fuß - Einatmen, rechter Fuß - Ausatmen.
Er lief an einer offenstehenden Tür auf der linken Seite vorbei und musterte das Chaos, weshalb er für einen Moment vergaß auszuatmen. Rechter Fuß - Nichts.
Fuck
Fuck Fuck Fuck

Bei jedem Fuck gab er sich eine kräftige Ohrfeige, die er seiner Meinung nach definitiv verdient hatte. Wütend stampfte er zurück zum Badezimmer und atmete tief aus, während sein rechter Fuß auftrat.
… aber ich habe doch gar keinen Grund Angst zu haben …
Kevin passierte das Zimmer auf der linken- und bog in den ersten Raum auf der rechten Seite.
… Sie sind die, die Angst haben müssen!
Kevin betrachtete die drei leblosen Körper ohne jede Emotion. Sie hatten seinen weißen Pullover beschmutzt und deswegen war er für einen Moment sehr wütend gewesen. Aber Kevin war nicht nachtragend. Nein, das war er nicht. Er hatte ihnen sofort vergeben und bestimmt würde er die Flecken wieder herauswaschen können. Also war alles gut. Und nachdem sie sich nicht mehr bewegen können, machen Menschen generell keine Probleme mehr. Natürlich hatte er ihre Hände und Beine gefesselt und selbstverständlich hatte er ebenfalls ihre Münder zugeklebt. Sonst hat man nämlich nur Scherereien. Und wenn er eines hasste, dann waren es Scherereien.
Er ging in die Hocke und hob das Messer auf, dass er behutsam neben den Mann auf den Boden gelegt hatte.
Nur noch einmal Hände waschen, dachte er.
Kevin erhob sich und steuerte mit langsamen Schritten auf die Frau zu, die neben ihren beiden Kindern lag und wild zappelte. Rechter Fuß, linker Fuß. Er summte dabei ein altes Schlaflied, was sich durch seine Atmung sehr unangenehm anhörte. Doch sie würde es niemandem erzählen können, also war alles gut.
Keine Angst, alter Junge. Sie sind es, die Angst haben müssen.

 

Hi, ich bin neu auf dieser Plattform. Kann mir jemand sagen, ob und wie man ein Cover für eine Geschichte hochladen kann?

 

Hallo @HiVolkmann!
Soweit ich weiß kann man kein Cover hochladen - und man soll auch keine Bilder hochladen in den Beiträgen - zwecks Urheberrecht(süberprüfung).

 

Hallo @HiVolkmann ,

hier gilt das Gleiche bezüglich Abstände.

Bilder und Cover dürfen nicht mehr hochgeladen werden; aus denen von Luzifermortus genannten Gründen.

VG
Mae
(Mod. Horror)

 

Hallo @HiVolkmann!

Erstmal eine Kleinigkeit:

In weniger als zwei Sekunde hatte er den Wasserhahn aufgedreht und sich die Flüssigseife aus dem Plastikbehälter in die Hand gedrückt.
Weniger als zwei Sekunden.


Zur Geschichte selbst: Ich finde die Wendung, dass er eigentlich ein Killer ist und andere sich vor ihm fürchten müssen gut. Allerdings verstehe ich nicht so ganz, was ihm Angst macht- das mit dem Hände waschen fand ich gut, ich kenne es im Kontext des Freiwaschens von Schuld, bin mir aber in deiner Geschichte nicht sicher, ob es darum geht und ob das etwas mit seiner Angst zu tun hat. Mir fehlt da ein wenig die Verknüpfung bzw. eine klarere Antwort auf die Frage, wovor er den eigentlich Angst hat - ja, davor, dass jemand hinter ihm steht, aber warum hat er davor Angst und was hat das mit seinem Spiegelbild zu tun und mit dem Händewaschen?

LG Luzifermortus

 

@Luzifermortus Vielen Dank für dein Feedback!
Den Rechtschreibfehler habe ich gleich korrigiert.
Zu deinen Fragen: Das Händewaschen war nicht als Freiwaschen von Schuld gedacht, sondern als eine Zwangsneurose.
Und wovor Kevin genau Angst hat, wollte ich eigentlich nicht konkret benennen. Er sollte "lediglich" ein zwangsneurotischer Mensch mit einer Angststörung sein. Ist das als Leser zu unbefriedigend?

 

Hallo @HiVolkmann!

Allgemein kann ich natürlich nicht beurteilen, ob es als Leser unbefriedigend ist - mir persönlich war’s zu wenig. :)

 

Hallo @HiVolkmann

Mit gefällt die Art wie du schreibst der Text liest sich schön rund und flüssig.

Das Setting, ein paranoid neurotischer Killer allerdings ist etwas überstrapaziert. Will heißen, natürlich kann man das schreiben und du hast das für mein Verständnis auch solide gemacht, aber warum?
Ist das ein Teil von etwas Größerem?

Jetzt begebe ich mich etwas auf dünnes Eis. Ich kann in deinem Text durchaus lesen, woran der Killer leidet. Aber und nun wird aus meinem Kompliment eine Kritik, es liest sich für mich zu rund. Mir ist Kevin nicht "gestört" genug. Ich würde gerne spüren, wie unrund seine Gedanken sind, wie ihn die Zwänge treiben, wie er vielleicht merkt, dass er dem Ganzen nicht davon kommt, wie er kämpft und jedes Mal verliert usw.

Zum Schluss, der Name. Namensgebung in einer Geschichte ist etwas, bei dem ich auch immer Probleme habe, warum heißt der Killer Kevin? (Fällt mir erst jetzt auf: Killer Kevin wie Alpha Kevin, war das Absicht?) Ein Name, dem ein Nimbus an Dummheit anhaftet.
Kevin, dessen Vater Horst heißt. ;)

Der Name hat sogar ein eigenes Subreddit. StoriesAboutKevin

Liebe Grüße
The Dead Frog

 

@The Dead Frog Vielen Dank für deine Rückmeldung! Kevins Zwangsneurose auszuarbeiten ist eine sehr gute Idee, welche ich definitiv versuchen werde umzusetzen.

Ist das ein Teil von etwas Größerem?
Die Antwort auf diese Frage wollte ich bewusst offen lassen, da ich der Meinung bin, dass es oftmals spannender ist Etwas nicht genau erklärt zu bekommen.
Die Grundidee war lediglich, dass sogar "gestörte" Killer Angst haben können und ich persönlich fand, dass es für diese Geschichte keinen ausführlichen Kontext gebraucht hat. :)
Jedoch bist du bereits die zweite Person, die sich eine konkretere Erklärung gewünscht hat, deshalb werde ich das wohl noch einmal überdenken müssen.

 

Moin @HiVolkmann,

du erzählst die Geschichte eines psychisch labilen bzw. kranken Mörders, der Angst davor hat, dass jemand hinter ihm ist, sich zwanghaft die Hände wäscht und gleichzeitig charakterisiert du ihn als Feigling. Was ich gelungen finde, ist, dein Versuch mit einem überraschenden Element zu arbeiten und auf einmal den Spieß umzudrehen. Zudem finde ich den Text solide geschrieben, hat sich gut lesen lassen. Da wo ich allerdings Probleme hatte ist, dass Serienkiller mit psychischen Problemen sich selbst wohl niemals als Feigling oder als ängstlich beschreiben würden. Zudem hat es mich nicht überzeugt, dass er sich seine Hände wäscht und damit ein Gewissen zeigt, das passt für mich einfach nicht in das psychologische Profil eines Killers. Damit du weißt, wieso ich auf diese Einschätzung komme: Ich habe Kaliber wie Ted Bundy vor Augen, die sich bis an ihr Ende verteidigten und in ihrer eigenen Wirklichkeit gefangen waren.

Nichtsdestotrotz finde ich das einen gelungenen Einstieg und habe das nicht ungern gelesen. Du hast einen flotten Stil, das gefällt mir.

»Keine Angst, alter Junge.«
Kevin hielt mit seinem Spiegelbild Blickkontakt und versuchte es zu beruhigen.
Ich frage mich, ob es so günstig ist mit der wörtlichen Rede zu starten. Einerseits sind wir sofort im Geschehen, andererseits hatte ich etwas Schwierigkeiten mich zu orientieren.

Dass er ein Feigling war, wusste Kevin. Kümmerte es ihn, wenn man ihn so nannte? Nein. Denn es war die Wahrheit und diese zu verleugnen, lag nicht in Kevins Natur. Das tiefe Bedürfnis nach sauberen Händen hingegen, lag sehr wohl in seiner Natur. Mehr noch, tatsächlich musste er sich die Hände waschen. Es ging nicht anders. Seine Hände mussten sauber sein.
Das mit dem Feigling hat mich stark gewundert und das zwanghafte Waschen der Hände ist kein neues Bild bzw. besteht hier Klischee-Gefahr.

Er atmete noch einmal tief ein. Und noch einmal. Und noch einmal.
Mir ist aufgefallen, dass du häufig mit Wiederholungen von Wörtern in diesem Text arbeitest. An dieser Stelle hätte mir der erste Satz (das erste noch einmal) vollkommen ausgereicht.

Kevin betrachtete die drei leblosen Körper mit Verachtung. Schließlich hatten sie seinen weißen Pullover beschmutzt, als sie versucht hatten um ihr erbärmliches Leben zu kämpfen.
Das kaufe ich nicht, da fehlt mir die Motivation des Charakters. Und wie hat er es überhaupt geschafft, sie zu töten, wenn er doch ein Feigling ist?

Sonst hat man nämlich nur Scherereien. Und wenn er eines hasste, dann waren es Scherereien.
Auch hier die Dopplung von Scherereien, fand ich an dieser Stelle allerdings gelungen, weil ich das Gefühl hatte hier im Kopf bzw. Gedanken des Protas unterwegs zu sein.

Insgesamt mochte ich deinen Einstieg und heiße dich herzlich willkommen bei den Wortkriegern.

Beste Grüße
MRG

 

Hallo @HiVolkmann und herzlich willkommen!

Der Text hat mir gefallen, ich habe eigentlich nichts zu meckern, außer, dass er etwas kurz ist. Du hättest die Spannung noch etwas hinauszögern können. Der Überraschungseffekt ist dir aber auch in der Kürze gelungen. Gerne mehr.

Viele Grüße,

Chai

 

Servus @MRG Vielen Dank für dein Feedback!
Das Hände waschen ist tatsächlich kein "Reinwaschen", sondern eine Zwangsstörung.

andererseits hatte ich etwas Schwierigkeiten mich zu orientieren
Das war der Plan.

Klischee-Gefahr.
Damit hast du leider recht, haha. Wie wäre es wenn Kevin zu Beginn der Geschichte stattdessen mit einem Fangbecher beschäftigt ist? Das würde eine Weile dauern, da er es solange versuchen muss, bis er ihn so gefangen hat, wie es ihm seine Zwangsneurose vorgibt.

Und wie hat er es überhaupt geschafft, sie zu töten, wenn er doch ein Feigling ist?
Es gibt ja anscheinend Momente, in denen ihm durchaus bewusst ist, dass nicht er, sondern seine Opfer, Angst haben müssen und genau in einem solchen Moment traue ich ihm zu das zu schaffen.

Danke für deine Anmerkungen!

 

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