Was ist neu

Kleinigkeiten

Mitglied
Beitritt
17.08.2006
Beiträge
2

Kleinigkeiten

Kleinigkeiten

Wer einmal in seinem Leben sich die Zeit genommen hat, und einen Regentropfen genauer betrachtet hat, der an einem Sonnentag über ein x-beliebiges Blatt getropft kam, der kann das Gefühl kennen, zufrieden zu sein.

Als ich just an diesem Tag auf einer Wiese hinter dem alten Wasserwerk neben dem Radweg, der nach D. führte saß, und den Tropfen des gerade frisch gefallenden Regens zuschaute, da konnte ich es wieder sehen. Ich spielte auf meiner selbstgebastelten Flöte und sah dem Gras zu, wie es den Part der Rhythmusgruppe übernahm. Es ist gar nicht so einfach, einer Flöte, die man nur mit einem alten Taschenmesser und viel Spucke, selbst gebastelt hat, Töne zu entlocken.

Einem Regentropfen zuzuschauen ist, als ob das Leben selbst in seiner Zwangsläufigkeit schön sein kann.
Oft deprimierten mich diese Zwangsläufigkeiten in meinem Leben und oft hatte ich die Befürchtung, an ihnen zerbrechen zu müssen; hatte ich doch je und je versucht zu ergründen, was mich davon zurückhielt.
Was war es, das mich den mundgerechten Alltag so gleichmütig ertragen ließ?
Und als ich meinen Regentropfen wieder anschaute, da spürte ich, wie diese Frage leichter wurde, weniger gehaltvoll, weniger wichtig, einfach weniger.

Irgendwie erschien mir das Laufen dieses Tropfens, der wie eine Teleskoplinse das Sonnenlicht, welches sich durch die Wolken stahl, einzufangen versuchte, so witzig, so unbelastend zu sein, wie die Geste eines Phantomimen, einfach und klar.

Ich blickte gen Horizont und entdeckte eine alte Dame auf einem Hollandrad, sich aus einem Dickicht herausarbeiten. Sie hatte wohl vor dem gerade frisch gefallenen Regen Schutz gesucht und hatte dort gestanden und gewartet. Jetzt, wo es aufgehört hatte zu regnen, machte sie sich wieder auf den Weg nach Hause, zu ihrer Familie, zu ihrer Hausarbeit, womöglich zu ihrer kranken Schwester oder zu ihrem Ischiasnerv.
Ich fragte mich, ob sie dasselbe gefühlt hatte. Hatte sie auch diese kleine Reise unternommen, hatte sie auch ein wenig dem großen Phantomimen zugeschaut?

Oder hatte sie vielleicht mir zugeschaut? Vielleicht hatte sie sich dabei just daran erinnert, wie es war, als sie das letzte Mal in ihrem Leben einen Regentropfen genau angeschaut hatte.

Als sie vorbeiradelte, von links nach rechts der kleinen Anhöhe entgegen, die der Radweg nass erklomm, da sagte ich ihr ein freundliches „Einen schönen Tag“ und ich meinte es so, denn in ihren Augen war Mühe und Alter.
Sie tat mir leid und im gleichen Moment fürchtete ich mich vor ihr.

Was wäre, wenn ich einmal eine spiegelnde Oberfläche betrachtete, und dort ebenfalls Mühe und Alter sähe?

Konnte es vielleicht zwangsläufig sein. Gemäß dem Motto „Mit einem Mal ist alles anders“? Und ich schaute der Dame nach mit einem Gefühl der Vergänglichkeit, als ob eine Blume welkt.

Und als ich so nachsann über das Leben und seine Seltsamkeiten, die Tatsache, dass das Leben manchmal ganz schön prägnant in seinen Antworten sein konnte, da traf mich etwas an meiner Schulter.
Ich drehte mich ruckartig um, aus meinen grau - weißen Gedanken gerissen und sah vor meinem Rücken einen Apfel liegen im hohen Gras. Er war angebissen und ich konnte nirgends auch nur eine Spur entdecken von dem gemeinen Werfer.
Ich stand auf, leise und verholen und suchte den mit Apfelbäumen spalierten Wiesenrand in Richtung des Flusses, der nach D. führte, ab. Ich streckte meine Arme und meine Beine, denn erst jetzt wurde mir bewusst, wie lange ich hier schon im Regen und jetzt im Sonnenschein gesessen hatte. Sie schmerzten ganz schön und als ich so über meine Arme und Beine nachdachte, da traf mich wieder ein kleiner Apfel, diesmal an Knie.
Und ich wirbelte nach links und konnte gerade so rote lange Haare hinter einer Wand aus feuchtem, frisch und würzig duftenden Grases verschwinden sehen.

Irgendwie brachte mich das zum Lächeln, hatte ich doch wohl anscheinend jemanden gefunden, der genauso viel Spaß an diesen kleinen Dingen fand, wie ich es tue. Und ich ging gemächlichen Schrittes ungefähr in ihre Richtung, denn ich hatte sie genau gesehen.

Als ich mich einen kleinen Moment zum Schein wegdrehte, und ihr rotes Sommersprossengesicht aus ihrem Versteck hervorlugte, da rannte ich auf sie zu und schrie dabei so laut ich konnte, um ihr kleines Mädchenherz wenigstens so lange erstarren zu lassen, bis ich sie erreichen konnte.
Und tatsächlich war sie so nett, sich zu erschrecken, denn ich hatte keine Mühe, sie zu erreichen und sie in meine Arme zu heben.
Ihr kleines trotziges Sommergesicht mit den Millionen von Punkten auf ihrer Nase strahlte mir entgegen, heller als die Sonne in einem gerade gefallenen Regentropfen.
Sie hatte gerade ihren ersten bleibenden Zahn bekommen und hier und da waren allerdings Milchzähne ausgefallen, ohne bereits durch die Zweiten ersetzt zu werden.

Und als ich sie hochhob und durch die Luft wirbelte, da schrie sie laut, vor Schwindel und vor Verzückung.
Als mir von der ganzen Dreherei schwindelig wurde und mein Herz begann, wie wild zu schlagen, da setzte ich sie ab und sie bat mich, weiterzumachen, mich weiterzudrehen und so drehte ich mich noch einmal, noch einmal, und noch einmal und noch einmal und noch ein halbes Mal.

„Jetzt ist es aber gut, Bienchen, jetzt ist aber Schluss“, sagte ich zu ihr, lachend und mich sehr wohl fühlend.
Und sie verschnaufte kurz, fasste ins hohe, grüne Gras und trat dann einen weiteren Schritt auf mich zu, ein silbergraues Päckchen in der Hand.

Und als sie direkt vor mir stand, da lächelte sie und sagte: „Herzlichen Glückwunsch, Opi!!!!! Hoffentlich gefällt es dir!!“

Und ich nahm sie auf meinen Arm, wie das Großväter halt so tun und setzte mich mit ihr nach ein paar getragenen Schritten an das Ufer des Flusses nach D., der sich in kleinen, bescheidenen Windungen, nicht allzu schnell nach Süden verlor... und das war wohl auch gut so.

 

Hallo mikeythinks,

herzlich willkommen im Forum!

Eine gute Idee, über Kleinigkeiten zu schreiben, über Nachdenklichkeit. Manchmal ist das Große mit dem Kleinen eng verbunden. Leider gibt es auch Probleme mit deiner Geschichte:

Gleich am Anfang einige Beispiele, warum man die Geschichte nicht so gern liest:


Wer einmal in seinem Leben sich die Zeit genommen hat, und einen Regentropfen genauer betrachtet hat

- Der Ganze erste Satz ist etwas umständlich. Hier auf alle Fälle korrigieren: Wer sich einmal in seinem Leben die Zeit genommen hat einen Regentropfen genauer zu betrachten

Als ich just an diesem Tag

- Warum „diesem“? Es wurde kein Tag genannt. … am heutigen …

„Es ist gar nicht so einfach, einer Flöte, die man nur mit einem alten Taschenmesser und viel Spucke, selbst gebastelt hat, Töne zu entlocken.“

- Was hat das mit der Rhythmusgruppe zu tun? Diese Bemerkung müsste nach „selbst gebastelter Flöte“ stehen.


„so unbelastend zu sein, wie die Geste eines Phantomimen, einfach und klar“

- Pantomimen


Zum Inhalt:

„Einem Regentropfen zuzuschauen ist, als ob das Leben selbst in seiner Zwangsläufigkeit schön sein kann.“

Ich halte dies nicht für ein gutes Beispiel. Der Tropfen gehorcht zwar der Zwangsläufigkeit der Schwerkraft, seine Bahn ist aber kaum bestimmbar. Hier müsstest du die Beziehung Regentropfen – Zwangsläufigkeit näher definieren.

„Was war es, das mich den mundgerechten Alltag so gleichmütig ertragen ließ?“

Was verstehst du unter „mundgerecht“? Die Zwangsläufigkeiten des Alltags halte ich nicht so generell für „mundgerecht“.


„Irgendwie erschien mir das Laufen dieses Tropfens, der wie eine Teleskoplinse das Sonnenlicht, welches sich durch die Wolken stahl, einzufangen versuchte, so witzig, so unbelastend zu sein, wie die Geste eines Phantomimen, einfach und klar.“

Wie kommst du auf „witzig“? Der Protagonist ist doch eher nachdenklich. (Abgesehen davon, dass Pantomime nicht unbedingt witzig ist). Im Zen-Buddhismus gibt es das Phänomen des befreienden, erkennenden Lachens, die Beschreibung der Szene lässt nicht darauf schließen.

„Ich fragte mich, ob sie dasselbe gefühlt hatte. Hatte sie auch diese kleine Reise unternommen, hatte sie auch ein wenig dem großen Phantomimen zugeschaut?“

Das ist eine gute Frage - letztlich weißt sie auf das Problem allgemeingültiger Begriffsbestimmung hin, gut auch die >Erwähnung der der alten Frau zugehörigen `Kleinwelt´, „Schwester“ oder „Ischiasnerv“.


„Ich blickte gen Horizont und entdeckte eine alte Dame auf einem Hollandrad, sich aus einem Dickicht herausarbeiten.

Oder hatte sie vielleicht mir zugeschaut?“

Wenn man sie „entdeckt“, „gen Horizont“ schauend und sie in einem Dickicht war, wird sie den Erzähler kaum so genau beobachtet haben.


Dann kommt der Abschnitt über das Alter. Klar, Altern ist beängstigend, eine Zwangsläufigkeit, eben nicht „mundgerecht“.

(„Was wäre, wenn ich einmal eine spiegelnde Oberfläche betrachtete, und dort ebenfalls Mühe und Alter sähe?“

Warum nicht einfach `Spiegel´ schreiben?)


„Konnte es vielleicht zwangsläufig sein“

Altern ist mit Sicherheit „zwangsläufig“. Der Aspekt eines plötzlichen Alterns ist interessant, würde aber die Geschichte in Richtung `seltsam´ entwickeln. Ein wenig seltsam ist es dann schon, dass der Protagonist in Großvater ist, gut, manche sind in jungen Jahren Großvater. Die Auflösung, dass das Kind die Stimmung des Mannes hebt ist realistisch, so manche Sentimentalität des Lebens wird durch Zuneigung, von Kindern verkörperte Zukunftsaussichten, relativiert.

Hoffentlich hat dich meine Kritik jetzt nicht entmutigt, ich denke, du kannst aus der Thematik noch etwas machen.

L G,

tschüß Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Woltochinon,

erst einmal vielen Dank für die Kritik... es geht ja erst mit Kritik immer stetig aufwärts.
Ich finde Kritik ermutigend, sonst würde man ja einfach "Das war ja nix, Herr Mikeythinks schreiben! Und da du das nicht hast, freue ich mich ein bisschen.

Hm...mal sehen... ich versuch, die Punkte mal zu kommentieren...
VORSICHT... es wird durchnummeriert...

zu1)Wer einmal in seinem Leben sich die Zeit genommen hat, und einen Regentropfen genauer betrachtet hat

Der Ganze erste Satz ist etwas umständlich. Hier auf alle Fälle korrigieren: Wer sich einmal in seinem Leben die Zeit genommen hat einen Regentropfen genauer zu betrachten

Deinen Vorschlagsatz habe ich tatsächlich mit Absicht nicht so gewählt (was ja eigentlich naheliegend wäre und einen sehr viel lockeren Einstieg in die Geschichte ermöglichen würde... wollte ich aber nicht... Der Grund ist einfach folgender... ich wollte den Leser da abholen, wo er sich grade befindet... man liest den ersten Satz einer Geschichte ja mit der Attitüde... "Also los, worum geht es? Mal sehen..ach ja .."wer einmal in seinem Leben sich die Zeit genommen hat "
(besser nahm, um die verdopplung zu vermeiden..das ist schlecht)...
Leser: ach ja... es geht also um Zeit nehmen ...
Schritt eins ist vollzogen
ist ja an sich schön... und dann weiter: "sich einen Regentropfen
(Leser : REGENTROPFEN..wie dämlich!!)
... genauer betrachtet hat..."
(bitte??? WAS zur Hölle ist an einem Regentropfen bitte Philosophisch?)
... der kann das Gefühl kennen, zufrieden zu sein."

Weisst du...ich hatte mit dieser doch eher fraktalen Wahl der Formulierung versucht, den Gedankenprozess zu antizipieren...weil es mir ja genau darum geht, eben den Leser anzuhalten, das Thema der Geschichte von Anfang an eben nicht als Konsument, sondern als Quasi-Protagonist mitzuleben... und ein.."Lieber Leser, schliess bitte die Augen, und stelle dir folgendes Szenario von unerträglicher Kleinigkeit vor." fand ich albern. Quasi als schrittweises Heranführen an den "Das kenn ich doch" Moment.

Zu 2)
Als ich just an diesem Tag

- Warum „diesem“? Es wurde kein Tag genannt. … am heutigen …

An diesem habe ich gewählt, damit dem geneigten Leser klar wird, dass der Erzähler nicht von irgendeinem Tag spricht, sondern sich eben deine Frage stellt: "Warum an diesem..was ist an diesem Tag so besonders, dass man ihn erwähnt?" Effekt...weiterlesen und nach Gewichtun suchen...

Zu 3)

„Es ist gar nicht so einfach, einer Flöte, die man nur mit einem alten Taschenmesser und viel Spucke, selbst gebastelt hat, Töne zu entlocken.“

- Was hat das mit der Rhythmusgruppe zu tun? Diese Bemerkung müsste nach „selbst gebastelter Flöte“ stehen.

Das Prinzip dieses Momentes ist nicht, eine Chronologie nachzuerzählen... dass, was der Protagonist in diesem Moment tut, ist nichts bewusst chronologisches, sondern ein Gedankenstrom, der sich just in diesem Moment entwickelt... er denkt eben über Kleinigkeiten nach... meine Flöte .. was ist mit Flöte..ah Gras ..bewegt sich komisch...hm, wie als Untermalung zu meiner Musik..ah...Rythmusgruppe..hihi..(schmunzelt).
Eine Chronologie würde den Zauber nehmen, der auf der Unbedachtheit des Momentes liegt.

Zu 4)

„Irgendwie erschien mir das Laufen dieses Tropfens, der wie eine Teleskoplinse das Sonnenlicht, welches sich durch die Wolken stahl, einzufangen versuchte, so witzig, so unbelastend zu sein, wie die Geste eines Phantomimen, einfach und klar.“

Wie kommst du auf „witzig“? Der Protagonist ist doch eher nachdenklich. (Abgesehen davon, dass Pantomime nicht unbedingt witzig ist). Im Zen-Buddhismus gibt es das Phänomen des befreienden, erkennenden Lachens, die Beschreibung der Szene lässt nicht darauf schließen.

Nicht die Philosophie des Zen ist Triebkraft für das Lächeln des älteren Herren, sondern der Momet davor... wie ich ihn eben beschrieb... aber das wird ja erst klar in der Reminiszenz der ganzen Geschichte, wenn man hinterher darüber nachdenkt, was einem alten Mann, dem es wichtig ist, bis ins hohe Alter an der unsäglichen Kraft des Momentes festzuhalten, so durch den Kopf geht; wenn er ohne Hemd und ohne Socken auf einer regennassen Wiese sitzt und sich einen Regentropfen, bewaffnet mit einer Flöte , ganz genau anschaut.
Und ja, Pantomimen (danke, hihi, hatte ich falsch gelernt!) sind nicht immer witzig, aber Richard
Palmer und Phillipe Gaullier, die grössten Helden des Zirkus auf diesem Gebiet sind es schon... hast du denen noch nie zugeschaut? Kann ich echt nur empfehlen (Infos zu lesen auf der Seite der Desmond Jones School of Mime and Physical Theatre in London)

Zu 5)

„Ich fragte mich, ob sie dasselbe gefühlt hatte. Hatte sie auch diese kleine Reise unternommen, hatte sie auch ein wenig dem großen Phantomimen zugeschaut?“

Das ist eine gute Frage - letztlich weißt sie auf das Problem allgemeingültiger Begriffsbestimmung hin, gut auch die >Erwähnung der der alten Frau zugehörigen `Kleinwelt´, „Schwester“ oder „Ischiasnerv“.

Vor allen Dingen drückt es die Sorge vor dem Alleinsein aus..die ja, denke ich, die ganze Welt HIER und DA beschäftigt... alleine sein nicht in physischen Sinne, sondern mit seinen eigenen Erkenntnissen; was nützt es, die Schönheit der Natur oder die Schönheit eines Momentes erblickt zu haben, wenn man es niemandem nahebringen kann, der Solcherlei wenigstens erahnt erleben kann.

Und dann als er sie (die Dame) grade integrieren will in seine lächelnde Welt, da sieht er Mühe und Alter und verzagt und seine Gedanken fliessen dort hin zu dem nassen Radweg und er fühlt sich klein und einsam, als ob eine Blume welkt.

Zu 6)

Ich blickte gen Horizont und entdeckte eine alte Dame auf einem Hollandrad, sich aus einem Dickicht herausarbeiten.

Oder hatte sie vielleicht mir zugeschaut?“

Wenn man sie „entdeckt“, „gen Horizont“ schauend und sie in einem Dickicht war, wird sie den Erzähler kaum so genau beobachtet haben.

Warm nicht? Versteh die Frage nicht...man kann doch aus nem Gebüsch gucken ?...nee, jetzt mal im ernst.

Sie scheint ja offensichtlich nicht eine Person zu sein, die sich, wie unser alter Mann, dem Regen aussetzt zur Erkenntnisgewinnung sondern ein "Schutzsucher und Buschhocker". Sein Wunsch, nicht allein mit seinen Gedanken zu sein, treibt ihn in die irrige Annahme, dass eine jede Peron auf der Welt, VERDAMMT NOCH MAL (denkt er) diesen Moment doch erkennen müsse... und gen horizont heisst ja nicht zum Horizont sondern in Richtung und, der Blick schweift und bleibt hängen an dem einzigen weiteren erkenntnisfähigen Wesen in der Umgebung, das ja im Gebüsch hockte...HOFFENTLICH hat sie auch dem Regen und den Tropfen und den Sonnenstrahlen in den vielen kleinen Teleskopen zugeschaut..sie MUSS doch einfach!! Hat sie nicht...Mühe und Alter in ihrem Gesicht verraten das..ergo.. Blume welkt!

Zu 7)

„Was war es, das mich den mundgerechten Alltag so gleichmütig ertragen ließ?“

Was verstehst du unter „mundgerecht“? Die Zwangsläufigkeiten des Alltags halte ich nicht so generell für „mundgerecht“

Nein..ich rede ja nicht davon, dass die Zwangsläufigkeiten des Alltags mundgerecht sind, dass habe ich ja auch nicht geschrieben..., aber eben...kennst du das nicht, das alles im Leben durchgeplant zu sein scheint und man erwartet von dir, dass du dich in dieses Räderwerk einfügst...es ist, als würde man an einem Tisch sitzen mit einem alten, fleckigen Sabberlatz aus alten Erinnerungen am Hals und die Module des Lebens ganz in "Modern Times" Manier in sich hineinstopfen...und WEHE, es bleibt etwas am Mundwinkel hängen und passt nicht rein...und wer hat bei der ganzen Alltagsfresserei schon Zeit für die Kleinigkeiten?
Fandest du die Metapher nicht verständlich? Sag ehrlich! Das wäre nämlich echt ein gravierender Fehler für mich, weil in einer Geschichte, die einen Strom von Gedanken, Gefühlen und Impressionen beschreibt, müssen ZUMINDEST die Metaphern stimmen.

Zu 8)

(„Was wäre, wenn ich einmal eine spiegelnde Oberfläche betrachtete, und dort ebenfalls Mühe und Alter sähe?“

Warum nicht einfach `Spiegel´ schreiben?)

Dann assoziier doch mal... was spiegelt sonst noch? Das Meer, Tränen, Wassertropfen auf Teleskoplinsen, Flüssigkeit in einem Becher, in denen man seine eigenen Augen direkt vor seinen eigenen Augen hat...es gibt halt manchmal sehr viel impressivere Dinge, die spiegeln als Spiegel.
Und diese Assoziation will ich eben vom Leser haben.

Zu 9)

„Konnte es vielleicht zwangsläufig sein“

Altern ist mit Sicherheit „zwangsläufig“. Der Aspekt eines plötzlichen Alterns ist interessant, würde aber die Geschichte in Richtung `seltsam´ entwickeln. Ein wenig seltsam ist es dann schon, dass der Protagonist in Großvater ist, gut, manche sind in jungen Jahren Großvater. Die Auflösung, dass das Kind die Stimmung des Mannes hebt ist realistisch, so manche Sentimentalität des Lebens wird durch Zuneigung, von Kindern verkörperte Zukunftsaussichten, relativiert.

Nein, eben genau DAS ist es nicht... es wird NICHTS relativiert... es ist gut wie es ist...und das WEISS der Protagonist auch..., trotz aller närrischen und kleinlichen Sorgen. Und es ist ja nicht seltsam, dass er alt ist, sondern dass er in seinem Alter noch so ist, wie er ist..ich habe mich viel diskursmässig und fotografisch mit alten Menschen auseinander gesetzt und hörte oft den berühmten Satz älterer Menschen "Ach hätt ich doch damals bloss". Ein Leben gelebt ohne Sinnerfüllung und ohne Kleinigkeiten und deswegen finde ich das halt eher seltsam, aber leider ganz philosophisch "normal" in unserer Welt (oje...mach mal ne Begriffsdefinition von normal..DAS deprimiert!!, das sag ich dir)
Diese Szene mit dem Mädchen beschreibt eben nur, dass nicht nur die denkende Agilität in diesem alten Mann nach wie vor brodelt sondern auch die physische (eben in Maßen..dreieinhalb mal drehen ist ja nicht so eine Leistung, wenn man danach ausser Atem ist) Und ich hoffe, und ich hoffe alle Welt mit mir, dass das zusammenhängt, Seele hält Körper jung als Widerpart zu "Angst fressen Seele auf"
Er sagt ja am Ende auch: "Und ich nahm sie auf meinen Arm, wie das Großväter halt so tun und setzte mich mit ihr nach ein paar getragenen Schritten an das Ufer des Flusses nach D., der sich in kleinen, bescheidenen Windungen, nicht allzu schnell nach Süden verlor... und das war wohl auch gut so.

Die Metapher des Flusses kann man lesen als die Erkenntnis des Mannes, dass sein Leben eben verloren geht. E basta! Aber halt langsam, in kleinen, becheidenen Windungen, und nicht wie ein Wasserfall...und es geht nach Süden (assoziier mal) Er tut es und findet, dass dieser Punkt eben schon sein Gutes hat. Eigentlich ja alles!! Und er fühlt sich wohl und nimmt die Situation an "wie das Grossväter halt so tun... soetwas TUN halt Grossväter, ihre Enkelin auf dem Arm tragen...aber all die Assoziationen, welche man im Allgemeinen zu "Alter" hat, treffen auf ihn nicht zu...ER hat sich nichts vorzuwerfen, er hat sich immer die Angst vor dem wirklich alt werden bewahrt und das hat ihn eben nicht alt werden lassen. Und wer DAS auf diese Weise unfallfrei hinkriegt, der ist weise.

Tutto è bene quel (che) finisce bene!

Man braucht zur Lektüre dieser Geschichte kein Wissen über den Zen - Buddhismus oder andere philosophische Hochgebirge sondern kann einfach nur seine eigene emotionale Kompetenz benutzen und seine freie Assoziierfähigkeit, einfach mal zurücklehnen und das Gehirn frei nach Dieter Nuhr "einfach mal die Fresse halten" lassen (verzeihung, hihi)

Musik hören ist auch gut dabei... kann den freien Assoziationsprozess (hab ich gelesen) sehr stark befördern (bei mir klappts bei dieser Art von Geschichte am besten mit etwas leichtem... irgendetwas...

*Coldplay "I see you soon" , sagt mein Mitbewohner*

...dass die Ratio mal für 15 Minuten wegblässt).

Bitte höflichst und herzlichst um Antwort und hoffe auf Widerspruch.

Gute Nacht

Mikeyxxx

 

Hallo mikeythinks,

"Also los, worum geht es?“

- Diese Frage kann sich der Leser auch bei einem flüssigen Anfangssatz stellen.

„(Leser : REGENTROPFEN..wie dämlich!!)“

- Wie kommst du darauf, dass der Leser das „dämlich“ findet? Ist doch nicht ungewöhnlich ein Naturphänomen nachdenklich zu betrachten.

„ich hatte mit dieser doch eher fraktalen Wahl der Formulierung“

- Was ist an deiner Wahl fraktal? Das ist wenig beeindruckend, es sei denn du könntest (in diesem Fall) zeigen, wie du mit gebrochener Dimension und Selbstähnlichkeit eine Wahl getroffen hast.

„An diesem habe ich gewählt, damit dem geneigten Leser klar wird, dass der Erzähler nicht von irgendeinem Tag spricht, sondern sich eben deine Frage stellt: "Warum an diesem..was ist an diesem Tag so besonders, dass man ihn erwähnt?" Effekt...weiterlesen und nach Gewichtun suchen...“

- Ein schlechtes Argument, da es auch auf meinen Vorschlag zutrifft. Man sucht nicht nach „Gewichtun“, sondern vergeblich nach der Nennung eines Tages, auf den sich „diesem“ bezieht.

„Das Prinzip dieses Momentes ist nicht, eine Chronologie nachzuerzählen... dass, was der Protagonist in diesem Moment tut, ist nichts bewusst chronologisches, sondern ein Gedankenstrom, der sich just in diesem Moment entwickelt... er denkt eben über Kleinigkeiten nach... meine Flöte .. was ist mit Flöte..ah Gras ..bewegt sich komisch...hm, wie als Untermalung zu meiner Musik..ah...Rythmusgruppe..hihi..(schmunzelt).
Eine Chronologie würde den Zauber nehmen, der auf der Unbedachtheit des Momentes liegt.“

- Kann man so sehen.

„aber Richard Palmer und Phillipe Gaullier, die grössten Helden des Zirkus auf diesem Gebiet sind es schon... hast du denen noch nie zugeschaut?“

- Das ist für die Argumentation unerheblich. Die Frage ist: Warum findet der nachdenkliche Mann das „witzig“. Oder der Satz müsste so formuliert werden, dass sich Pantomime nur auf die Klarheit der Geste bezieht.
(Jango Edwards ist für mich der witzigste Pantomime).


„alleine sein nicht in physischen Sinne, sondern mit seinen eigenen Erkenntnissen; was nützt es, die Schönheit der Natur oder die Schönheit eines Momentes erblickt zu haben, wenn man es niemandem nahebringen kann, der Solcherlei wenigstens erahnt erleben kann.“

- Schau es dir an: Genau das steckt (und mehr) in meiner Aussage „letztlich weißt sie auf das Problem allgemeingültiger Begriffsbestimmung hin.“


„Wenn man sie „entdeckt“, „gen Horizont“ schauend und sie in einem Dickicht war, wird sie den Erzähler kaum so genau beobachtet haben.

Warm nicht? Versteh die Frage nicht...man kann doch aus nem Gebüsch gucken ?...nee, jetzt mal im ernst.“

- Man verbindet mit Horizont eine gewisse Weite. Man sagt nicht: Ich blicke gen Horizont und entdecke das Stoppschild an der Straßenecke vor mir. Man sagt aber: Ich blicke gen Horizont und entdecke dort die Umrisse einer alten Burg.


„Nein..ich rede ja nicht davon, dass die Zwangsläufigkeiten des Alltags mundgerecht sind, dass habe ich ja auch nicht geschrieben“

Ich meine doch:

“Oft deprimierten mich diese Zwangsläufigkeiten in meinem Leben und oft hatte ich die Befürchtung, an ihnen zerbrechen zu müssen; hatte ich doch je und je versucht zu ergründen, was mich davon zurückhielt.
Was war es, das mich den mundgerechten Alltag so gleichmütig ertragen ließ?“

Das Leben besteht schließlich aus „Alltag“.


“Einem Regentropfen zuzuschauen ist, als ob das Leben selbst in seiner Zwangsläufigkeit schön sein kann.
Oft deprimierten mich diese Zwangsläufigkeiten in meinem Leben und oft hatte ich die Befürchtung, an ihnen zerbrechen zu müssen; hatte ich doch je und je versucht zu ergründen, was mich davon zurückhielt.
Was war es, das mich den mundgerechten Alltag so gleichmütig ertragen ließ?
Und als ich meinen Regentropfen wieder anschaute, da spürte ich, wie diese Frage leichter wurde, weniger gehaltvoll, weniger wichtig, einfach weniger.“

Es geht um den obigen Text, du sagst:

„Fandest du die Metapher nicht verständlich?“ und meinst dies auszudrücken: „das alles im Leben durchgeplant zu sein scheint und man erwartet von dir, dass du dich in dieses Räderwerk einfügst...“
Das kann man schon (grob) aus dem zweiten Satz ableiten, doch der ist keine Metapher. Ob der Prozess des Regentropfen-Zuschauens die gewünschten Metapherdienste leisten kann, sei dahingestellt. Weder der Vorgang der Beobachtung eines Regentropfens noch sein Weg an sich hat deutliche Parallelen zu dem „Räderwerk“, es fehlt eine genauere Bestimmung der relevanten Tropfeneigenschaften.


„was spiegelt sonst noch? Das Meer, Tränen, Wassertropfen auf Teleskoplinsen, Flüssigkeit in einem Becher, in denen man seine eigenen Augen direkt vor seinen eigenen Augen hat“

- Na ja. Weder in Tränen noch Wassertropfen wird man sich selbst richtig sehen, darauf kommt es dir doch an, du konstruierst doch extra „Becher, in denen man seine eigenen Augen direkt vor seinen eigenen Augen hat“. Welche Konsequenzen hat es, wenn ich mich für diese oder jene Spiegelart entscheide?
Will mich da aber nicht aufhalten.


„Nein, eben genau DAS ist es nicht... es wird NICHTS relativiert... es ist gut wie es ist...und das WEISS der Protagonist auch.“

- So gut kann es nicht sein: „Sie tat mir leid und im gleichen Moment fürchtete ich mich vor ihr.“
Außerdem relativierst du selbst: „dass nicht nur die denkende Agilität in diesem alten Mann nach wie vor brodelt sondern auch die physische (eben in Maßen..dreieinhalb mal drehen ist ja nicht so eine Leistung, wenn man danach ausser Atem ist).“ Seine Leistung ist relativ gut, und das ist gut so. Was ist das absolut Gute?

„Die Metapher des Flusses kann man lesen als die Erkenntnis des Mannes, dass sein Leben eben verloren geht. E basta! Aber halt langsam, in kleinen, becheidenen Windungen, und nicht wie ein Wasserfall...und es geht nach Süden (assoziier mal)“

- Du hast es immer mit deinem „assoziier mal“ - öffnest dadurch aber der Beliebigkeit die Tür und machst es dir leicht. Außerdem relativierst du wiederum, wenn sich die Lage des Mannes langsam, in kleinen Windungen zuspitzt.

„ER hat sich nichts vorzuwerfen, er hat sich immer die Angst vor dem wirklich alt werden bewahrt und das hat ihn eben nicht alt werden lassen. Und wer DAS auf diese Weise unfallfrei hinkriegt, der ist weise.“

- „nicht alt werden lassen“ - Das ist eine unbegründete Annahme.
- Vielleicht ist so jemand nur ignorant, verklärend, nicht weise?

„Konnte es vielleicht zwangsläufig sein.“

Was?


Ich finde die Geschichte nicht total schlecht, habe schon ganz andere Texte erlebt. Als Haiku-Dichter habe ich auch durchaus einen Bezug zu den „Kleinigkeiten“. Du hast dir schließlich wirklich Gedanken gemacht, aber eine gute Geschichte braucht keine `Gebrauchsanleitung´ (Musik hören) damit sie wirkt. Ich übertreibe mal: Ein Autor könnte letztlich darauf hinweisen, dass man sich seine Werke schönsaufen muss, um sie zu schätzen …

Ich wünsche dir jedenfalls eine gute schriftstellerische Entwicklung und das alles gut ist, so wie es ist (auch wenn es sehr idealistisch gedacht ist).

L G,

tschüß

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom