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Klingeln

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13.08.2001
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Klingeln

Das Telefon klingelt. Er schaut es an, wie es dort über den Zetteln und Notizen thront, wie es laut vor sich hin schallt, wie es ein bißchen vibriert in seiner Fassung. Er macht keine Anstalten sich von seinem Platz zu erheben, um den grünen Kopf zu drücken, der das Klingeln beenden würde.
Wer könnte das sein? denkt er. Um diese Zeit ruft ihn niemand an. Das ist völlig untypisch, etwas außergewöhnliches geht vor sich, ist vor sich gegangen, oder wird demnächst vor sich gehen, Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, nur so ist es zu erklären, daß das Telefon jetzt und hier klingelt.
Sie könnte es sein, natürlich, zu ihr würde es passen. Unkonventionell anzurufen. Das wäre ihre Art, aber sie ruft nicht mehr an. Sie hat einfach keinen Grund mehr anzurufen, sie hat auch keinen Grund mehr vorbeizukommen, oder ihn zu sehen. Seit letzte Woche ist das nun so, daß sie ihn nicht mehr anruft. Keine Gespräche über belangloses Zeug, kein sinnlos verpulvertes Geld mehr, wenn es auch mit Freude sinnlos verpulvert war. Er hatte ihr auch nichts mehr zu sagen, stammeln würde er und sie würde immer antworten "Tja, weiß auch nicht." So hat sie es vor fünf Tagen auch gemacht. "Schatz, ist irgendwas los?" "Tja, weiß auch nicht," hatte sie angefangen. Auch am Telefon. Da war es ihm schon klar gewesen. Ein "Tja, weiß auch nicht" ist das Ende. Das hatte er gelernt, als er damals in ihren Amicas, Petras und Cosmopolitans geblättert hatte. Dort stand sowas drin. Zehn Wege es dem Freund schonend beizubringen und so ziemlich jedesmal fing es mit einem "Tja, weiß auch nicht" an oder hörte zumindest so auf, da war die Frau von heute variabel. Aber wenn dieser Satz irgendwann in einem Gespräch vorkam, dann wußte jeder Mann, der einmal Amica, Petra oder Cosmopolitan gelesen hatte, daß die Katastrophe ihren Gang gehen würde. Natürlich war es auch bei ihm zu ende gewesen. Ein "Tja, weiß auch nicht," sagt man ja nicht nur zum Spaß. Also keine Gespräche mehr mit ihr, daß würde Geld sparen, dachte er und schaute immer noch aufs Telefon.
Seine Mutter könnte es sein, die ihn wieder fragte, ob er auch genug zu essen hat, oder ob die Wäsche reicht, oder ob die Wäsche denn auch gebügelt ist, oder, oder, oder. Er würde dann wieder seine drei Standardantworten nehmen: Ja, Mama. Nein, Mama. Und ein undefinierbares Grummeln, daß alles heißen konnte und seine Mutter immer zu einem: "Junge, ist auch wirklich alles in Ordnung?" nötigte. Worauf er sagte: "Ja, Mama." Und seine Mutter sagte: "Wenn Du das sagst, mein Junge. Ich werd dann auch wieder auflegen, der Haushalt macht sich ja nicht von alleine." Daraufhin er wieder: "Ja, Mama." Und seine Mutter erneut: "Dann machs gut und komm am Wochenende mal vorbei, es gibt Kuchen." "Ja, Mama. Grüß Papa." "Mach ich." Klack, Klack. Gespräch beendet. Nichts gesagt in fünf Minuten sprechen. Respektable Leistung, fand er, seine Mutter nicht, sie hielt ihm vor, daß er nicht telefonieren könne.
Das Telefon klingelte zum dritten Mal. Es könnte auch die Arbeit sein, da war wieder jemand ausgefallen und er sollte es machen. Dann würde er wieder irgend eine Ausrede suchen, wie meine Mutter wird fünfzig, oder meine Freundin hat Geburtstag, wir gehen essen, oder ich hab einen Termin, der wichtig ist. Dazu tendierte er immer. Das konnte alles sein, ein Termin war wunderbar unverbindlich. Ein Arzt, ein Anlageberater, ein Besuch bei den Eltern, ein Besuch bei den Eltern seiner Freundin (obwohl das ja jetzt rausfiel), oder wußte der Geier was. Wahrscheinlich glaubt ihm auf der Arbeit eh niemand, daß er immer so dringend beschäftigt war. Aber das war egal, so lange er nicht arbeiten mußte, konnte die von ihm denken, was sie wollten.
Klingeln Nummer vier. Wann geht bloß der blöde Anrufbeantworter ran, dachte er. Da muß ihn aber jemand wirklich dringend sprechen wollen. Irgendeiner seiner Kumpels könnte es sein. In Sorge, daß er sich was antut, weil sie ja jetzt nicht mehr da ist. Noch nie hatte er so oft mit seinen Freunden gesprochen, wie in den letzten fünf Tagen. "Wie geht's dir?" "Geht's gut?" und andere Versionen von der seelischen Verfassungsthematik. Er hatte immer geantwortet: "Ja, Ja (leck mich am Arsch) geht schon. Muß ja gehen. Was soll ich machen?" das hatte sich gut angehört. Leidend, aber nicht zu sehr, fertig, aber immer noch nicht gebrochen, genauso wie es in dem Männermagazin gestanden hatte. Aufrecht bleiben, hatte da der Psychomensch, der auf dem fingernagelgroßen Foto ausgesehen hatte, wie ein geleckter Yuppie, gesagt. Aufrecht bleiben. Nicht heroisch, aber dennoch irgendwie bewundernswert männlich. Danach hatte er bei der Hotline angerufen, natürlich eine 0190er Nummer, und gefragt, ob der Yuppie-Arsch überhaupt ne Ahnung hätte, was so eine Trennung bedeutete. Am anderen Ende war eine freundliche Frau gewesen, die sich Janin nannte und immer wieder versicherte, daß sie seine Situation ja so gut verstehen könne, aber das Dr. Jansen im Moment nicht für Leser zu sprechen sei, er aber seine Telefonnummer hinterlassen könne.
Klingeln Nummer fünf.
Sollte es etwa Dr. Jansen sein? Sollte sein Fall, den er Janin in aller Deutlichkeit geschildert hatte und den sie mit so wunderbar nichtssagendem Mitgefühl aufgenommen hatte , den Psycho-Hannes eines Männermagazins bewegt, überwältigt und dazu angetrieben haben ihn anzurufen, um ihm Hilfe anzubieten? Blödsinn. Dr. Jansen sah nicht so aus, als wenn er Menschen nur so zum Spaß helfen würde. Der würde Geld sehen wollen. Niemand hilft Menschen einfach so und jemand wie Dr. Jansen schon mal gar nicht. Wahrscheinlich kassierte der auch noch davon, daß Trottel wie er, bei dieser bescheuerten Hotline anriefen und Janin steckte da mit drin. Doktor Jansen war ein Affe und dieses bescheuerte Magazin würde er auch abbestellen.
Klingeln Nummer sechs.
Hier bin ich. Alles was sie gleich sagen, kann und wird bei einer Verhandlung gegen sie verwendet werden. Piep.
Witzig, witzig, dachte er. Klack, machte es.
Dabei hätte es ihn doch interessiert wer ihn denn nun sprechen wollte.

 

Oh Menno!
1. Was ist nu mit der Alten?
2. Wer hat angerufen?
(dieses "Tja" kenn ich :( )

 

Den Schluß hab ich mir gedacht!!!!! hihihihi... :D
Ansonsten; gute Geschichte! Mal was anderes!

Griasle
stephy

 

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