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Nach den ersten beiden Kommentaren einige Änderungen 19.2.23
Weitere Änderungen am 23.2.
Krieg
Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit mir bleibt.
Unsere Lage ist aussichtslos und weg können wir nicht. Die lassen uns nicht. Die Straße ist wichtig, sagt Bojko. Vorhin noch, ist ein paar Minuten her, sah das anders aus. Unsere Stellung war so gut wie unbesiegbar, uneinnehmbar, daran konnten die Schweine sich die Zähne ausbeißen. Seit der Hippie zu uns kam. Johnny.
War nach dem Angriff vor drei Tagen. Das Schweinepack hatte richtig was rübergeworfen und am Ende war es knapp. Überall lagen unsere Toten verstreut herum – also ich meine, nicht sie, sondern jeder von ihnen lag verstreut herum.
Kovalenko neben mir lebte noch, obwohl ihm so einiges fehlte. Er schaute mich an, als ob ich ihm sagen könnte, wo seine Beine sind. Ein Arm war auch weg, mitsamt Schulter. Das ist wahrscheinlich das, was ein Journalist einfach einen verlorenen Kampf nennt – selbst wenn man so aussieht, so aussieht wie er. Als hätte man einen Boxkampf nur knapp nach Punkten verloren; und für die, die zuhause sind, stimmt das, vermute ich, die sehen das so. Kovalenko fing an – nein, nicht zu schreien – er weinte; und das war schlimmer; er weinte, bis er verblutet war.
Danach, in all dem Rauch und dem Geschrei, keine paar Minuten nachdem die ganze Knallerei vorbei war, tauchte Johnny auf, aus dem Nichts, keine Ahnung woher. In so etwas wie Bettlaken gewickelt, Bart und ziemlich langes Haar, kommt er auf mich zu; ich war zu überrascht, um ihn abzuschießen; er bleibt stehen, hebt die Hand zum Gruß und sagt: „So. Hier bin ich.“
Ich sage: „Was?“
Er: „Hier bin ich.“ Und dann: „Du hast um Hilfe gebeten. Vorhin.“
„Was habe ich? Wer?“, sage ich.
Von der Seite haben ihn zwei im Visier, ich gebe ein Zeichen, sie sollen warten, kann keiner von den Schweinen sein, sieht ja ganz anders aus, keine Uniform, kein Helm, nichts.
„Du“, sagt er. „Du hast gebetet, und jetzt bin ich hier. Vorhin, mittendrin. Hast es mehrmals gesagt: Gott steh' uns bei, oh mein Gott steh' uns bei. Stimmt?“
„Ja“, sage ich. „Schon. Und?“
„Mein Vater schickt mich. Ich bin die Hilfe.“
„Und was?“, sage ich. „Mit was bist du die Hilfe?“
„Ich kann schießen“, sagt er.
Er verdreht die Augen, weil ich nicht antworte.
„Bring mich zum Kommandanten“, sagt er. „Brauch eins von euren Outfits, schau mich an, alles retro. Und einen Helm wie ihr und was, womit ich schießen kann; bei uns über'm Kamin hängt noch ein Pilum.“
Der Chef ist zögernd froh über die Unterstützung.
„Ich weiß nicht, ehrlich“, sagt er.
„Immer dieses Gezweifel. Was soll ich machen?“, sagt Johnny. „Einen der Toten zum Leben erwecken?“
„Ja, genau, das ist es“, sagt Bojko und lacht. Ich hab keinen Schimmer, was in ihm vorgeht, falls es in ihm noch einen Ort gibt, an dem was vorgehen kann.
„Keine gute Idee“, sagt Johnny. „Vorher müsst' man die flicken, hätten sonst wenig Spaß damit. Aber Wasser habt ihr, stimmt? Wie wär's mit Wein?“ Er zwinkert.
Hört sich vermutlich so an, als hätte man mir den Schädel aufgesägt, mein Hirn rausgenommen und gegen gekochten Blumenkohl ausgetauscht. Aber es war so. Dann folgte ein höllisches Wunder. Die Schweine ließen ja nicht lang auf sich warten, sie wussten, dass nicht viele von uns übrig waren. Doch Johnny, der hatte die Wahrheit gesagt – er konnte schießen, und wie! Er traf ohne zu zielen, er traf sogar ohne hinzuschauen, er ballerte einfach herum und traf; er sprang aus dem Graben, rückte vor und war unverwundbar, wirklich, mitten im Feuer, die Geschosse trafen ihn, alles egal, er stolzierte weiter wie ein verdammter Hahn auf dem Hühnerhof und machte sie platt, wie sie kamen.
Nach jedem Gemetzel ließ Bojko die Arme, Beine, Köpfe und Innereien einsammeln und erwartete von uns, das zu sortieren. Die Idee, alles wieder zusammenzunähen und dann ins Leben zurückzuholen, die hatte sich in ihm festgesetzt wie ein Bandwurm im Darmtrakt. Da müssen die Sachen vollständig beieinander sein, wie bei einem Scheiß-Puzzle.
Jeder, der mal dabei war, der weiß, dass zusätzlicher Irrsinn nicht ins Gewicht fällt; es geht drum, so zu tun, als ob alles in bester Ordnung wäre, und wenn da was winzig klein Irres dazu kommt, ist es so ähnlich, als spucktest du ins Meer.
Jetzt sind wir erledigt. Stellt euch das vor, was normalerweise aus einem Hamsterhintern tröpfelt: Genau so ist die Situation.
Verflucht, da kommt er zu uns, blutbespritzt, und sagt: „Tut mir leid, meine Brüder, doch ich muss euch verlassen.“
„Was? Warum?“, rufen wir. „Es läuft doch!“
„Gewiss“, sagt er. „Aber ihr seid nicht die einzigen, wisst ihr, und vorhin, da haben die anderen gebetet. Um Beistand. Wurde erhört, hab's eben erfahren. Heißt, bin jetzt erst mal im anderen Team.“
Er lacht. „Aber dauert ne Weile, ich muss mich erst umziehen“, sagt er: „Nix überstürzen. Da könnt ihr noch nachdenken. Die Wahl habt ihr.“
Es ist sein Ernst. Er gibt seine Sachen ab. Zieht seine alten Fetzen an und verschwunden ist er.
„Wir müssen jetzt sofort weg“, habe ich Bojko gesagt.
„Na sicher“, hat er geantwortet. „Gute Idee. Gar kein Problem. Ich ruf' am besten gleich beim Oberkommando an und sag' denen, wir müssen die Stellung räumen, weil uns demnächst der Sohn Gottes angreifen und über den Haufen schießen wird. Vielleicht schaffen wir's noch zum Abendessen nach Hause.“
Vielleicht könnt' ich das: heimgehen. Ich prüf das Magazin der Knarre.
Wir sind alle tot, so oder so. Ja, wir haben die Wahl, oder haben wir die nicht? Ich denke, darum geht es doch. Was wir getan haben werden und was nicht; jeder einzelne von uns.
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