Es ist doch ganz einfach:
1. – Konkurrenzdenken ausschalten
Wir sind eine Gemeinschaft, in der man sich gegenseitig hilft – die Konkurrenz sind die anderen, die nicht hier sind. – Das halte ich für eine unentbehrliche Sichtweise, um ehrliche und konstruktive Kritiken zu schreiben, denn einem Konkurrenten wird niemand mit ehrlichen Absichten helfen. Ein reines Niedermachen sollte unter diesem Gesichtspunkt von vornherein ausgeschlossen sein.
2. – Rudelbildung vermeiden
Es kommt immer wieder vor (nicht nur in letzter Zeit), daß sich Gruppen bilden, die alle hintereinander über einen Autor herfallen. Das muß nicht sein – wenn zwei, drei Kritiker ihre Meinung gesagt haben, und sie entspricht annähernd der eigenen, erst auf die Antwort des Autoren warten, sonst kann es leicht passieren (das ist menschlich!), daß er sich erschlagen fühlt und dementsprechend reagiert.
Im positiven Sinn ist das natürlich anders: Ein mit Lob überschütteter Autor wird sich nicht schlecht fühlen.
3. – Menschlichkeit
Da hinter jedem Nick ein Mensch steckt, sollten wir uns auch wie Menschen behandeln. Hilfreich kann dabei sein, sich vorzustellen, wir säßen in einer konstruktiven Schreibgruppe, und statt die Worte zu tippen, sie persönlich zu sagen. Man wird dann automatisch eher einen erklärenden statt, wie es in manchen Kritiken zu lesen ist, vorhaltenden Ton anschlagen. Oder sagt ihr im realen Leben zu jemandem sowas in der Art wie: »Jetzt hab ich meine Zeit mit deinen hingerotzten Zeilen vergeudet!«
4. – nachfragen
Wenn man eine Geschichte nicht versteht, oder man glaubt, eine Aussage zu erkennen, die man kaum glauben kann, ist es immer besser, erst einmal nachzufragen, was der Autor denn eigentlich wollte, bevor man ihn des vorsätzlichen Blödsinnschreibens bezichtigt oder ihn aufgrund der geglaubten Aussage in irgendeine Schublade zwingt.
5. – jeder, was er kann
Welche Regeln soll man für Kritiken aufstellen, außer, daß sie möglichst konstruktiv sein sollen und der Kritiker seine Meinung begründen sollte?
Wenn jeder qualitativ das gibt, was er kann, kommen die bestmöglichen Kritiken zustande. Jemand, der gerade erst mit dem Schreiben beginnt, wird noch nicht so konstruktiv sein können, wie jemand, der schon Jahrzehnte schreibt.
Meiner Ansicht nach fällt und steigt die durchschnittliche Kritikenqualität mit der Anzahl der Neulinge und dem Weggang mancher »alter Hasen« (weil sie sich zum Beispiel über ein Romanprojekt wagen, für das sie Zeit brauchen). Ich sehe also hinter dem Fallen und Steigen eine natürliche Erscheinung. Haben die Neulinge hier ein wenig gelesen und gelernt, werden ihre Kritiken auch besser, und damit steigt auch das allgemeine Level wieder.
Ich bin jetzt fast viereinhalb Jahre hier und es ist ein stetiges Auf und Ab. Also seht das Ganze ein bisschen gelassener – kg.de wird auch morgen nicht untergehen! – und versucht lieber, das Level wieder ein bisschen anzuheben, statt alle Energie in solche Diskussionen zu stecken.
Wobei ich ja gar nicht finde, daß es im Moment soo schlecht ist: Es sind eine Menge guter Kritiker hier, ich könnte auf Anhieb eine ganze Liste von Namen aufschreiben – nur tu ich das nicht, weil ich niemanden kränken will, indem ich auf ihn vergesse.