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Kuchiki no tou(Japan 1701)

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19.02.2006
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Kuchiki no tou(Japan 1701)

Die Geisha bog ihren Körper grazil nach vorne, stützte sich langsam auf ihre Hände und ließ sich fallen um dann im Rhythmus der Musik wieder aufzustehen. Ein leises Raunen ging durch das Publikum, welches hauptsächlich aus Männern bestand. Ein paar Geishas servierten Getränke oder Speisen; besondere Aufmerksamkeit wurde den Samurai, welche von einer kleinen Ecke aus das Geschehen beobachteten, zu teil. Die Gruppe der Krieger stammte aus Saga und gehörten dem Nabeshima-Clan an. Ihr Fürst, Tsunashige Nabeshima, hatte nach den vielen Ereignissen des letzten Jahres gestattet, dass seine Gefolgsleute sich ein bisschen entspannen durften.
Die Geisha verließ die Bühne und lief durch das Publikum an den Samurai vorbei. Ihre schwarzen, seidenen Haare schimmerten im schwachen Licht des Mondes, der durch das kleine Fenster schien. Ein junger Samurai, Kaji Akata, betrachtete die junge Frau interessiert. Schließlich stand er auf um ihr stolzen Hauptes zu folgen. Atsushi Nakazawa, der Hauptmann des Clans, umfasste Kajis Hand und hielt sie mit einem starken Druck fest. Der Hauptmann zwang seinem Samurai zum Augenkontakt. Wenn Kaji einen freien und starken vom Kriegsmut sowie vom Liebe zum Fürsten geprägten Geist hatte, musste er seine Augenlider nicht hinabsenken. Kaji hielt dem Blick problemlos stand, was in der Edo-Zeit eine Seltenheit war. Atsushi neigte wohlwollend den Kopf, während er Kajis Hand losließ.

Die Geisha spürte, dass ein Samurai ihr folgte, sodass sie ein bisschen stolz auf sich war, denn von einem so stolzen und edlen Krieger solche Aufmerksamkeit zu bekommen, wünschte sich jede Geisha. Kaji fühlte sich schon von der jungen Frau angezogen, als sie noch auf der Bühne stand. Sie hatte etwas, was ihn magnetisch anzog. Es war nicht der Körper, der Geisha, eher ihr inneres Wesen, welches sie durch ihren grazilen Tanz teilweise offenbart hatte, ob sie es nun wollte oder nicht. Die Geisha öffnete die große Flügeltür und trat in den prächtigen Garten. Kerzen und Fackeln deuteten den Weg an und tanzten wie schummrige Nachtlichter der Geister in der Dunkelheit. Die Schatten der Pflanzen wogen auf dem sandigen Boden hin und her. Unter Kajis Füßen knirschte der Sand, aber längst nicht so laut wie bei der Geisha, die einen Teich ansteuerte. Dort ließ sie sich im Gras nieder. Sich der Wirkung auf den Samurai bewusst, versteckte die junge Geisha sich hinter ihrem Fächer und lenkte ihre ganze Mystik auf ihre braunen Augen. Kaji rückte sein Daishô zurecht, dann schritt er zu der Geisha.
„Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte er im höflichen Ton.
„Ja, sehr gerne“, erwiderte die Geisha und rückte ein wenig zur Seite.
Kaji ließ sich leise seufzend nieder, schnippte einen Stein in den Teich und lächelte die Geisha sanft an.
„Wie ist dein Name?“, fragte er schon nicht mehr in einem Ton, der sich Fremden gegenüber geziemte.
„Hinako Yabashibi“, antwortete Hinako nach einer weile, weil sie von dem freundschaftlichen Ton des Samurais sehr überrascht war, doch gleich darauf fasste sie sich wieder. „Wie darf ich dich denn nennen?“
Hinako senkte den Fächer und neigte ihren Kopf leicht nach links, was ihr eine kindliche Neugier schenkte. Kaji lächelte leicht. Er schätzte sein Gegenüber auf ein Alter von vielleicht 24 Jahren.
„Kaji Akata. Ich gehöre dem Nabeshima-Clan an.“
Etwas blubberte in dem Teich. Hinakos Blick folgte dem des Samurais und erhaschte eine Rückenflosse von einem Glückskarpfen. Die Geisha plätscherte mit ihrem Fingern im Wasser, sodass drei Karpfen kurz auftauchten, während einer sogar hochsprang um mit einem leisen Platschen wieder im Wasser zu landen. Kaji begriff langsam, was ihn an Hinako so faszinierte. Sie war ein Mensch, der sich mit der Natur im Einklang bewegte. Ihre junge Schönheit war auch relevant, aber stand nicht so im Vordergrund wie ihr Wesen, was Kaji noch mehr ergründen wollte.
„Erzähl mir etwas über deine Herkunft“, forderte Kaji sehr freundlich.
Hinako seufzte leise.
„Es gibt nicht sehr viel zu erzählen. Ich wurde in einem Fischerdorf an der Westküste geboren. Mein Vater fuhr immer mit mir auf das Meer hinaus...ich wurde praktisch auf dem Wasser groß. Meine vier anderen Geschwister mussten meiner Mutter im Haushalt helfen.“ Hinako pulte an ihren schlanken Fingern und lächelte kindlich. „Vater erklärte mir die verschiedenen Fischarten und manchmal fuhren wir auch nachts hinaus, damit er mir die Bedeutung der Sterne erklären konnte. Eines Tages wurde ich krank. Die raue Seeluft hatte meine Lunge angegriffen. Vater fuhr alleine auf das Meer und kehrte nie wieder zurück.“ Hinakos Blick war verschleiert. Sie schaute in eine andere Welt, wo sie ihren Vater suchte, aber nie finden würde. „Meine Mutter konnte mich noch nie leiden. Eigentlich sollte ich ein Junge werden und Mutter gab mir die Schuld, dass ich lebte. Ohne Vater hatten wir kein geregeltes Einkommen mehr, sodass sie mich an ein Geishahaus verkaufte. Ich war gerade mal acht Jahre alt und nun sitze ich hier schon seid 16 Jahren fest.“ Hinako lachte leise auf, während ihre Augen feucht glänzten. Kaji musste unwillkürlich an das weite Meer denken. Er wusste, dass Hinako auf den Tag wartete, an dem sie zu ihren Vater in das Wasser durfte. Hinako räusperte sich. „Die Zeit vergeht schnell.“
„Ja, das ist wahr, aber was ist die Zeit schon? Wir können uns nicht dagegen stellen, sondern wir müssen uns mitbewegen, uns anpassen. Es heißt jedoch nicht, dass wir die alten Rituale vergessen dürfen.“
Hinako könnte Kaji noch lange beim Reden zuhören. Er hatte eine sehr angenehme Stimme, die sie wie ein seidener Schleier einhüllte.
„Ich möchte etwas über dich wissen.“
Kaji lehnte sich am Kinn reibend ein bisschen zurück. Damit schindete er nicht nur Zeit, sondern fand auch eine Gelegenheit Hinako diskret zu mustern: Die sanften Abendbrise spielte mit ihrem offenen Haar, das weiß geschminkte Gesicht ließ die Lippen rot schimmern. Der schwarz-grüne Kimono betonte die schlanke Figur Hinakos. Der Fächer mit dem Drachenmotiv ruhte auf ihrem Schoß. Kaji spürte, dass er in einen Strudel der Gefühle gezogen wurde, aber er tat nichts dagegen.
„Ich wurde 1678 als viertes Kind von sechs geboren. Mein Vater, ebenfalls Samurai im Nabeshima-Clan, sorgte schon zwei Jahre nach meiner Geburt dafür, dass ich Samurai wurde.“
„Warst du der einzige Sohn?“
„Ja.“ Kaji hüstelte leise. „Mit fünf Jahren saß ich regelmäßig allein im dunklen Wald. Anfangs hatte ich schreckliche Angst, fand aber auch Zeit über all die Dinge, die mir mein Vater beibrachte, nachzudenken. Andere Kinder wurden in Häuser gesperrt damit sie sich im Spiegel betrachten können, aber die Spiegellektion habe ich schnell begriffen.“
Hinako war ein großartiger Zuhörer und das bemerkte Kaji sofort, sodass er sehr gerne weiter von seinem Leben erzählte.
„Was bedeutet denn die Spiegellektion?“, wunderte sich Hinako.
„Man sollte sich selbst erkennen, sein Äußeres akzeptieren und sich pflegen damit man würdig erscheint.“
„Wie ging es bei dir weiter?“
„Mit acht Jahren wurde ich Knappe und mit fünfzehn Jahren bekam ich mein Daishô, welches ich seit jeher mit mir trage.“
Hinako vergaß all ihre Probleme und Sorgen, wenn Kaji sprach. Sie konnte sich voll und ganz auf ihn konzentrieren und war von seiner Erscheinung dermaßen gefesselt, dass sie schon glaubte sich in den Krieger verliebt zu haben, da sie sich unter anderem danach sehnte in seinen Armen zu liegen. Kaji spürte Hinakos innere Verunsicherung, doch diese Verunsicherung wurde ganz plötzlich hinter einer weiteren Frage versteckt: „Worüber hast du in dem Wald nachgedacht.“
Kaji schmunzelte. Es kam ihn so vor, als ob er seinen fünfjährigen Sohn vor sich zu sitzen hatte. Shonsuke sollte ebenfalls Samurai werden.
„Über den Tod...ich habe über den Tod und seine Arten nachgedacht.“
„Was hast du herausgefunden?“, verlangte Hinako zu wissen.
„Das siehst du indem was ich bin, wobei versuche immer besser zu werden.“
„Die Essenz des Bushidô liegt im Sterben“, sagte Hinako mehr zu sich selbst.
Kaji betrachtete die Geisha verwundert. Woher wusste sie das? Woher wusste sie, was jeder Samurai verkörperte und welcher Gedanke immer im Hinterkopf ruhte. Hinako sah sofort, dass Kaji ohne es zu wörtlich zu fordern, einer Erklärung verlangte.
„Oh! Du schaust mich zu misstrauisch an. Ich kann dir das erklären. Tagsüber laufe ich immer durch Edo und schnappe Fetzen von Gesprächen zweier Gefolgsleute auf.“
„Trotzdem bist du für eine Geisha gebildet und saugst ungemeines Wissen in dich auf.“
„Ich gebe mich nicht mit dem Zufrieden was ich habe, sondern will immer besser werden...ich lese viel.“ Empört sprang Hinako auf. „Außerdem, was soll das heißen, ich sei für eine Geisha gebildet? Geishas müssen ungebildet sein?“
Kaji blieb ruhig sitzen und hörte sich den Vorwurf an um entsprechend darauf reagieren zu können, doch etwas irritierte ihn. Die Vorstellung auf Ewig von Hinako verlassen zu werden, ließ sein Herz für einige Momente einfach aussetzen, doch Samurai waren talentierte Schauspieler.
„Nein, du hast recht. Ich wollte nur sagen, dass Geishas für gewöhnlich nicht die Essenz und tiefsten Gedanken eines Bushidôs zu zitieren wissen“, war Kajis ruhige Antwort. „Entschuldige bitte.“
Hinako wollte sehr gerne fragen, ob Kaji dies ernst meinte, jedoch setzte sie sich wieder wortlos hin, weil die Geisha wusste, dass das Wort eines Samurai unabänderlich und viel Wert war. Kajis Herz beruhigte sich wieder, während Hinako den stattlich gebauten Samurai in seinem weißen Gewand und dem schwarzen Beinkleid betrachtete. Hinako hatte sich schon seit ihrer Kindheit gewünscht mal mit einem Samurai zu sprechen, doch ihre Schwäche kannte sie. Die Geisha konnte Geschwätz von Wahrheit nicht unterscheiden, sodass sie eine Frage stellte, die Kaji darin bestätigte, dass sie eine Unwissende war.
„Stimmt es, dass es den Samurai aus Kyushu an dem einen Geist mangelt.“
Wie naiv sie trotz ihres Wissens ist, dachte Kaji. Er war ein wenig betroffen von der Frage, da Hinako den Großvater des Fürsten Tsunashige beleidigt hatte und indirekt auch den Fürsten selber.
„Ich erzähle dir eine Geschichte, einverstanden?“
Die Geisha nickte geduldig. Kaji würde schon wissen wie er ihre Frage klar beantworten konnte.
„Eines Tages saß der Fürst Katsushige mit den anderen Fürsten aus verschiedenen Bezirken an einem Ort beisammen, an den ich mich nicht erinnern kann. Einer von ihnen meinte: ,Die Leute sagen, den Samurai ermangele es an dem einen Geist.‘ Niemand bemerkte, dass der Fürst Katsushige aus Kyushu stammte. Ein anderer Fürst fragte: ,Was bedeutet das?‘ Woraufhin Fürst Katsushige barsch verkündete: ,Hier ist jemand aus Kyushu. Ich bin mir dessen wohl bewusst, dass es den Samurai, wie ihr sagt, an einem Geist mangelt.‘ Jeder war betroffen von seinen Worten. Schließlich sagte jemand:
,Nimm unsere Entschuldigung an. Sicher stammst du aus Kyushu. Wessen aber bist du dir gleich bewusst?‘ Fürst Katsushige antwortete: ,Der uns fehlende Geist, um das klarzumachen, heißt Feigheit.‘“
Kaji ließ die Geschichte auf Hinako wirken. Diese sah ihn entsetzt an und hatte Tränen in den Augen.
„Das tut mir sehr leid...bitte verzeih mir. Bitte...“
„Hör auf zu betteln. Einer Geisha wie dir steht das nicht zu Gesicht.“
Kaji hatte ihr sofort verziehen...er würde ihr noch viele andere Dinge verzeihen, weil das Gefühl ihr nahe sein zu müssen ihm fast jeglicher klarer Gedanken beraubte. Seine Vernunft sagte, dass er gehen müsse, bevor er sich zu sehr von seinem Herz leiten ließe, doch Kaji blieb sitzen ohne später zu wissen warum er sich in Gefahr brachte Bushidô zu verlassen.
„Was ist eigentlich in den letzten Jahren in Saga geschehen?“, fragte Hinako.
Kaji zwang sich ruhig zu bleiben.
„Letztes Jahr, 1700, starb mein Fürst Mitsushige Nabeshima. Sein Sohn, der jetzige Fürst übernahm schon 1695 das Amt, aber richtig gewöhnt habe ich mich noch nicht an ihn.“
„Warum bist du Fürst Mitsushige nicht durch seppuku gefolgt?“
„Ich durfte nicht“, seufzte Kaji bedrückt und sein Kopf sank herab, als ob eine schwere Last in seinem Schädel stecken würde.
Hinako umfasste vorsichtig Kajis warme Hand und strich mit ihrem Daumen über den vernarbten Handrücken. Die Haut war noch sanft, wie die eines 23-jährigen Mannes, aber sie war verwundet wie die eines 50-jährigen Kriegers. Wie viel leiden der junge Samurai wohl schon gesehen haben muss, fragte sich Hinako und legte ihren Fächer zur Seite um sich ein wenig strecken zu können. Kaji zuckte zusammen, als er die warme Hand der Geisha an seiner Wange spürte, doch schon bald schmiegte er sein Gesicht in den Handteller. Es war sehr beruhigend ihre Wärme zu spüren.

Atsushi beschloss aufzubrechen, sodass er seine Mannen zusammensammelte. Als er alle beisammen hatte, trat er in den Garten und suchte Kaji. Die Fackeln waren fast erloschen. Es war still, sehr still sogar. Nach Atsushis Meinung zu still. Er legte seine Hand fest um den Griff seines Katanas und schlich durch den Garten in dem nur vereinzelt ein paar Grillen zirpten. Durch die Büsche erkannte Atsushi Kaji und Hinako, die eng beisammen saßen. Der Hauptmann wollte sich gerade etwas entspannen, als er plötzlich das unfassbare hörte und sah.
„Es tut mir leid, dass ich den Fürsten mit meiner dummen Frage beleidigt habe“, flüsterte Hinako sanft.
„Das ist doch kein Problem.“
Atsushi zog wütend sein Katana. Er beobachtete hilflos wie Hinako seinen Gefolgsmann zärtlich auf den Mund küsste. Für ihn war die Situation klar. Wie konnte eine dumme junge Gans den heiligen Fürsten beleidigen ohne von einem dabei sitzenden Samurai bestraft zu werden. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war der Kuss und der Blick von Kaji. Zu sanft, zu liebevoll, zu ängstlich und zu unentschlossen. Atsushi stürmte aus seinem Versteck.
„Du dummes Weib!“, schrie er mit gehobenen Katana.
Hinako war so perplex, dass sie sich nicht mehr regen konnte, aber Kaji zog sein Katana und wehrte den Angriff geschickt ab. Sofort stürmten die anderen Samurai mit der Herrin des Hauses in den Garten und betrachteten fassungslos das Szenario. Atsushi steckte sein Katana wieder ein und betrachtete Kaji enttäuscht.
„Wie konntest du das nur zulassen? Warum hast du Bushidô für dieses junge Ding verlassen?“ Atsushi konnte es nicht begreifen.
Kaji wurde sich erst jetzt der Situation bewusst. Er war nicht mehr einer von ihnen...er war ausgestoßen ohne, dass es einer gesagt hatte. Die Herrin von Hinako, packte ihre Geisha fest am Handgelenk und gab ihr eine schallende Ohrfeige.
„Du dummes Ding! Wie konntest du nur? Du bringst Schande in mein Haus. Weg mit dir! Ich will dich hier nie wieder sehen!“
Hinako sank mit schmerzender Hand weinend auf den Boden zu Füßen von Atsushi, der sie verächtlich betrachtete. Kaji band sich sein Daishô von der Hüfte und kniete sich zu seiner jungen Liebe. Wie ein jämmerlicher Haufen saßen sie zusammengekauert in Mitten der stolzen Samurai von denen sie hämisch oder mitleidig betrachtet wurden.

Kaji wurde aus dem Clan ausgestoßen. Der Fürst war sehr erzürnt gewesen, als man ihm das Geschehnis vortrug. An seinem letzten Tag als Samurai trat Kaji vor Fürst Tsunashige und berührte mit seiner Stirn den kalten Steinboden zu Füßen des Fürsten.
„Ich bin sehr enttäuscht von dir Kaji. Du warst mir immer eine getreuer Gefolgsmann und hättest es noch weit bringen können, doch warst du anscheinend noch nicht genug in deinem Verstand gefestigt, sodass ein junges Mädchen reicht um dich aus der Fassung zu bringen. Im Gegensatz zu dir lasse ich es nicht zu, dass man ungestraft meinen Großvater und damit auch mich beleidigt. Deshalb wird Hinako hingerichtet. Sie sitzt bereits im Gefängnis wie du sicher schon weißt. Du wünscht dir nichts sehnlicher als den Tod, deshalb lasse ich dich am Leben, denn dies wird Strafe genug für dich sein. Nun leg dein Daishô ab und trete aus meinen Augen.“
Gedemütigt legte Kaji sein Schwerterpaar auf den Steinboden und wandte sich zum Gehen, als die Stimme des Fürsten sich zum letzten Mal erhob: „Dein Vater lässt ausrichten, dass du nicht länger in seine Familie gehörst.“ Kaji krümmte sich unnatürlich, weil die Enttäuschung von Fürst und Vater unerträglich waren. „Nun verschwinde aus Saga.“
Kaji stolperte mit Magenkrämpfen und zitternd durch die Straßen. Er war zu traurig um weinen zu können, er war zu erschöpft um sich aufbäumen zu können. Seine Sehnsucht nach Hinako fraß ihn auf und machte ihn verrückt, seine Trauer über die Enttäuschung der wichtigsten Männer in seinem Leben nahm ihn die Luft zum Atmen. Kaji erreichte sein Haus und stellte fest, dass seine Frau und Shonsuke auf dem Markt waren. Kaji schwankte in sein Schlafzimmer um unter dem Bett eine Kiste herauszuholen. Dort lag das Wakizashi seines alten Fürsten Mitsushige. Ein Geschenk für Kajis Treue.
„Kaji?“, ertönte plötzlich eine weibliche Stimme.
„Li, ich bin hier oben. Komm bitte mit Shonsuke her“, forderte Kaji mit schwacher Stimme.
Li war sehr besorgt, weil sie sofort fühlte, dass etwas nicht stimmte. Shonsuke stolperte von alleine die Treppe zum Schlafraum hoch. Was er dort vorfand brach ihm das Herz. Der Mann, der immer sein Vorbild voller Stärke und Stolz war, stand nun zitternd in dem Raum und drohte jeden Moment zusammenzubrechen. Li hielt im Türrahmen. Sich einen Aufschrei unterdrückend stürzte sie zu ihrem Mann, der sie von sich stieß.
„Kaji! Um Himmels willen was ist mit dir?“
„Ich bin verstoßen worden, weil ich Bushidô wegen einer Geisha verlassen habe und zuließ, dass diese Geisha den Fürsten beleidigte. Ich kann so entwürdigt nicht leben und ich will zu Hinako!“
Li stand gefasst in dem Raum. Ihr Mann will sich wegen einer anderen Frau töten, er will sich töten damit er wieder mit ihr in der anderen Welt beisammen sein kann, er will wieder akzeptiert werden.
„Willst du seppuku begehen? Warum machst du das nicht in der Öffentlichkeit?“
„Weil es die Öffentlichkeit nichts angeht!“, schrie Kaji wahnsinnig.
Li merkte, dass Kaji durchgedreht war, doch sie griff zu spät nach Shonsuke, der sich plötzlich in den Armen seines Vaters wiederfand.
„Ich will, dass Shosnuke nicht mit mir bricht, wie ich es mit meinen Vater getan habe! Ich will, dass er sich an mich erinnert!“
„Kaji! Nicht!“, kreischte Li verzweifelt, doch Kaji schlitzte sich mit einem Ruck den Bauch auf und tränkte den stillen Shonsuke mit dem Blut. Der fünfjährige Lehrling verharrte ruhig in dem Blut seines Vaters.
Hinako hörte von dem Selbstmord Kajis, als die Wachleute darüber redeten. Es wunderte sie, dass sie nicht in Tränen ausbrach, aber, dass Kaji auf sie in der anderen Welt wartete, tröstete die ehemalige Geisha. Hinako saß auf dem kühlen Boden und starrte aus dem vergitterten Fenster, als sich eine Kirschbaumblüte zwischen die Eisenstäbe segelte um vor ihren Füßen zu landen. Gleichzeitig wurde die Tür aufgeschlossen. Ein Wachmann zog Hinako an ihren langen Haare auf die Beine, riss ihr den Kimono vom Leib und stieß sie nackt quer durch das Gefängnis. Die anderen Wachmänner und Gefangenen lachten hämisch. Hinako brannten Tränen in den Augen. Warum musste das alles nur passieren. War es eine Bestrafung von ihrer Mutter aus dem Jenseits? Der Wachmann hielt vor einem Fass in dem eisig kaltes Wasser über den Rand schwappte. Hinako spürte, als das Wasser ihr Gesicht wie tausend feine Nadeln durchbohrte, dass es nun soweit war zu gehen. Die Prügelorgien ließ sie schon ohne jegliche Reaktionen über sich ergehen...von den täglichen Vergewaltigungen ganz zu schweigen.
Als die Sonne den Himmel blutrot färbte, wollte ein weiterer Wachmann Hinako zum Hinrichtungsplatz bringen, doch als er ihre Zelle aufschloss fand er nur eine Kirschbaumblüte, die unter zwei Füßen auf dem Boden lag. Der Wachmann hob den Blick und sah Hinako, die sich mit ihrem Kimono erhängt hatte.

Li ordnete an, dass die beiden Leichen gemeinsam verbrannt werden sollten. Sie hatte ihren Mann aufrichtig geliebt und wollte die beiden Geister in der anderen Welt zusammenbringen. Shonsuke stand mit seinem Daishô neben seiner Mutter, als diese, wie jedes Jahr die Verbrennungsstätte besuchte um die Geister der Geisha und des Samurais zu beruhigen. Es blühte neben dem Grab ein Kirschbaum und die Blütenblätter segelten immer wieder auf den Boden. Shonsuke kniete sich vor dem Grab hin und schwor seinem Vater ein besserer Samurai zu werden, während Li sich schon umgedreht hatte und zu ihrem neuen Mann, der ihre Liebe erwiderte, zurückkehrte. Auf die Frage, warum sie so gefasst mit ihrem Schicksal umging, antwortete sie, dass die Liebe eines Samurai selbst das Vergangene überdauerte und es nichts nütze sich dagegen zu stellen...

 

Viele Informationen habe ich aus den Büchern von Tsunetomo Yamamoto
"Hagakure I" und "Hagakure II".

Gruß Jussi:bonk:

 

Hallo Jussi,
ist das deine Geisha Geschichte? Für mich kommt der Geisha Aspekt leider etwas zu kurz … Da ich ja nicht so ein Samurai-Fan bin und mich weder mit dem bushido noch dem Hagakure auskenne, konnte ich einige Dinge im Gespräch zwischen Kaji und Hinako sowie die Gesamtentwicklung der Geschichte nicht ganz nachvollziehen … Sie hat doch nur eine Frage gestellt, müssen deshalb beide eine so schwere Strafe bekommen?

Ich weigere mich immer ein wenig zu glauben, dass die Leute wirklich so sehr nach diesen Regeln gelebt haben, wie du es schilderst, aber es spiegelt auf jeden Fall den Geist des Samuraitums wider, wie er propagiert wurde und wird.

Was deinen Stil angeht, finde ich, dass du dich verbessert hast, es liest sich allgemein flüssiger und runder und einige schöne Bilder sind auch dabei.
Das Symbol der fallenden Kirschblüte, das du am Ende benutzt, mag etwas kitschig wirken, passt aber gut zur Thematik.
Den Selbstmord Kajis und die Hinakos Zeit der Gefangenschaft hättest du für meinen Geschmack ein wenig ausführlicher behandeln können, zumindest ihr Leiden kam bei mir nicht so wirklich an. Auch die Romanze zwischen den Beiden geht mir irgendwie zu schnell, vielleicht gehst du da nochmal drüber?
Einige Rechtschreib- und Tempusfehler sind zwar noch drin, aber die findest du bestimmt beim erneuten Durchlesen.

Was ich persönlich rausnehmen würde, sind die Jahresangaben; in Japan wurde zu dieser Zeit glaube ich, noch nicht so gezählt und es wirkt im Dialog irgendwie etwas seltsam, man weiß ja, dass es in der Edo Zeit spielt.

Was mich gewundert hat, ist der Name von Kajis Frau, ist sie Chinesin?

Mich würde noch interessieren, weshalb du einen japanischen Titel gewählt hast, vielleicht schreckt das doch eher den einen oder anderen potentiellen Leser ab?

Also, ich fände es schön, wenn du dich noch mal mit der Geschichte beschäftigst.
Mata ne und viele Grüsse,
Meari

 

Tut mir leid, aber ich hab zur Zeit nicht viel Luft um mich deiner Kritik anzunehmen, aber ich werd es noch machen.

 

Hallo Meari,
eigentlich sollte dies eine Geisha-Geschichte werden, aber ich war mal wieder so von den Samurai fasziniert.
Ich persönlich interessiere mich für Geisha nicht so sehr, wahrscheinlich ist mir deshalb die Geschichte nicht so gelungen.

Sie hat doch nur eine Frage gestellt, müssen deshalb beide eine so schwere Strafe bekommen?
Soweit ich weiß, stand der Fürst in Japan über alles und wenn man den Fürst mit solch einer Frage beleidigt, stellte man auch seine Autorität in Frage. In Hagakure gibt es solche Gechichten. Natürlich habe ich in der Geschichte atsushi als perfekten Samurai dargestellt. Vielleicht wirkte sich dies auch nicht gut auf die Geschcihte aus, weil es sicherlich keinen Perfekten gab.

Was ich persönlich rausnehmen würde, sind die Jahresangaben; in Japan wurde zu dieser Zeit glaube ich, noch nicht so gezählt und es wirkt im Dialog irgendwie etwas seltsam, man weiß ja, dass es in der Edo Zeit spielt.
Ich wollte nur, dass der Leser weiß in welcher Zeit er sich gerade befindet. Ich nehme es raus, wenn es nicht so gut wirkt.

Was mich gewundert hat, ist der Name von Kajis Frau, ist sie Chinesin?
Ja, sie ist Chinesin.

Mich würde noch interessieren, weshalb du einen japanischen Titel gewählt hast, vielleicht schreckt das doch eher den einen oder anderen potentiellen Leser ab?
Ich fand den Titel, Licht das durch den morschen Baum fällt, eigentlich sehr schön und auf Japanisch noch schöner. Meinst du ich sollte ihn auf Deutsch schreiben?

Ich hoffe ich konnte ein paar Fragen beantworten.

Grüße
Jussi:thumbsup:

 

Hi Jussi,

doch, meine Fragen sind beantwortet und ich denke, ich habe jetzt die Intention deiner Geschichte besser verstanden, nämlich den perfekten Samurai, beziehungsweise den Geist des Samuraitums herauszustellen, keine realen Personen.
Hätte ich eigentlich auch schon an deinem Kommentar zu deinen Infos erkennen können, sorry.

Was die Jahreszahlen angeht, die würde ich wirklich rausnehmen und versuchen, sie durch "subtilere" Informationen zur Zeit zu ersetzen, sofern es möglich ist. Zum Beispiel war ja 1701 auch das Todesjahr des Fürsten Asano (siehe ja auch deine andere Geschichte; vielleicht denkt er während seines Seppuku daran, genauso heldehaft sterben zu wollen, oder so?) oder eben generelle Charakteristika dieser Zeit, wie Ständesystem, Kleidung, oder so was ähnliches.

Tja, der Titel. Wahrscheinlich kommt es darauf an, welche Art von Leser du ansprechen möchtest. Jemand, der sich für Japan und japanisch interessiert, findet den Titel bestimmt interessant, aber jemand, der sich mit dem Thema noch gar nicht auseinandergesetzt hat, denkt vielleicht "Häh?" und klickt weiter? Ist aber nur eine Vermutung ...Generell glaube ich aber schon, dass deutsche Titel wirksamer sind.

Ach, mit tou meintest du Licht? Dann sag ich dir jetzt mal nicht, wie meine erste Übersetzung lautete :Pfeif:
Will jetzt nicht kleinlich klingen, aber müsste es nicht hi heißen?
Aber schön klingt es, da hast du recht. Aber ich hätte es auch auf Deutsch schön gefunden.

Dann hoffe mal auf eine nächste Japangeschichte von dir (da fällt mir ein, ich hatte da doch noch was vor...)
Viele Grüße,
Meari

 

Hey,
nun...den Titel habe ich von einem Album einer aus Japan stammenden Band, daher denke ich mal, dass es scon richtig ist.

schönen abend noch
sayounara
Jussi

 
Zuletzt bearbeitet:

Eine Gejscha und ein Samurai mit Seppokusoße - gab's denn in Japan nichts anderes? :(. Die Geschichte klingt interessant, romantisch und traurig und dabei das ganze Bushido-zeug glorifizierend(, wie es sich für eine Samuraigeschichte gehört? :shy: ); die Romanze hätte etwas länger beschrieben werden können, das Harakiri vielleicht etwas grausamer und zynischer, um die Sinnlosigkeit des Unternehmens zu unterstreichen (Hast du mal Beschreibungen von Europäern von Seppoku ohne Keischakunin gelesen? :hmm: Da ist nix mit schnell, schön und ästetisch dahingehen). Ansonsten ist sie rund, interessant und gut leserlich :thumbsup:

Jussi schrieb:
Ich wollte nur, dass der Leser weiß in welcher Zeit er sich gerade befindet. Ich nehme es raus, wenn es nicht so gut wirkt.
Das steht aber ja schon oben. Die Jahreszahl durfte wenigsten nicht in einer direkten Rede vorkommen, mir ist's auch aufgefallen.
Ja, sie ist Chinesin.
Und dennoch kommt es komisch vor, dass ein japanischer Samurai das L aussprechen und gar ausrufen kann:shy: vielleicht bin nur ich das, es ist ja schließlich seine Frau - sie hät's ihm ja antrainieren können. Wurden denn so chinesische Namen nicht umgeändert?
- Noch eine Kleinigkeit, es wird erwähnt dass der Kimono die schlanke figur Hinakos benonte - waren denn in der Edo-Zeit nicht Mollige im Trend? Wenn man damalige Ükjües anschaut, kommt's so vor :shy:
- Auch drängt sich die frage auf, wie und worauf sich Hinako erhängt hat. Schließlich müsste man das Kimono irgendwo befestigen in der Zelle.

 

Hallo General Midi,
vielen Dank für die Kritik. Leider komme ich einfach nicht dazu die geschichte nicht zu überarbeiten, weil ich gerade an einer anderen Geschichte arbeite für das Forum.
Ich glaub auch die chinesischen Namen wurden ins Japanische übersetzt, aber ich weiß nicht wie ich Li übersetzen sollte, weil ich kein Japanisch kann.
Könne Japaner kein L aussprechen?
:lol: Dann hätten sie ja Probleme mit meinem richtigen Namen.

Ich bin sehr froh, dass euch die Geschichte gefällt und, dass ich Fortschritte mache.

Liebe Grüße und sayonara
Jussi :bonk:

 

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