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Kurschatten am Toten Meer
Wir schreiben den 14. Juni 1978 im Cordoba-Jahr. Nach allen Voruntersuchungen und Formalitäten ist es so weit, wir fliegen mit der AUA nach Tel Aviv. Wir – das sind 25 Patientinnen und Patienten, überwiegend mit Schuppenflechte. Und zwei Betreuer, die selbst an dieser Krankheit leiden.
Auf dem Flughafen sucht sich jeder einen Partner. Mit diesem Menschen muss man dann allerdings vier Wochen lang im selben Zimmer und Ehebett auf engstem Raum zusammenleben. Vorerst etwas skeptisch, mache ich die Erfahrung, dass es auch anders möglich ist!
Von Tel Aviv fahren wir ins 400 Meter unter dem Meeresspiegel liegende Hotel „Lot“ in Ein Bokek am Toten Meer. Dies ist der tiefste Punkt auf der Erdoberfläche. Mein Nachbar im Bus ist mein künftiger Zimmergenosse. Er macht als Handballer eine gute Figur, die den Frauen zu gefallen scheint. Er nimmt auch gleich mit ihnen Kontakt auf, kurz darauf hat er zwei Damen für unseren gemeinsamen Restauranttisch angeheuert.
Spätabends steigen wir aus dem Bus. Die Luft ist heiß, aber trocken, und die Zunge schmeckt das Salz des Meeres. Nach der Zimmervergabe gibt es noch eine kleine Mahlzeit, bei der wir uns einander vorstellen: Christina, Maria und Erich sowie ich, Karl. Christina, ein blonder, zarter Wirbelwind, und Maria, eine vollschlanke, braunhaarige Dame mit einem zauberhaften Lächeln. Und Erich? Groß gewachsen, schlank - und nicht auf den Mund gefallen. Und ich? Sprechen wir morgen darüber …
Erich weiht mich ein: „Karl, morgen nach Sonnenuntergang dürfen wir ein Glas Rotwein bestellen, gute Gelegenheit mit den Mädels Bruderschaft zu trinken.“
Ich stelle meine Armbanduhr um eine Stunde vor, dann lege ich mich wie gewohnt rechts ins Ehebett neben Erich, der schon Eichenstämme zersägt. Ich denke noch an die schöne Flugreise zurück – und an das Lächeln von Maria. Wie schön wäre es, wenn Maria neben mir schlafen würde …
Am nächsten Morgen sind Christina und Maria schon weg, sie haben bereits gefrühstückt. Nach einer Patientenuntersuchung und -besprechung geht es erstmals an den Strand.
„Bitte maximal eine halbe Stunde in der Sonne aufhalten“, gibt es eine Anweisung.
Christina und Maria im Bikini und Badeanzug sind auch schon da. Das aufgelöste Salz sieht wie ein öliger Schimmer aus, der über die wellenlose Wasseroberfläche zieht. Na, dann hinein in die silberne Suppe!
Das gesättigte Wasser aber treibt Christinas Beine gleich wieder nach oben. Erich, der besser zurechtkommt, nimmt sie ins Schlepptau. Beide „fahren“ eine Runde, wobei die junge Frau auf dem Rücken schwimmend mitrudert.
Da ruft Maria, ihr sei Salzwasser in die Augen gekommen. Da ich ihr am nächsten bin, führe ich sie hinaus zur Dusche. Ich halte ihren Kopf unter die Brause. Das 30-prozentige Salzwasser brennt wie die Hölle in ihren Augen. Langsam nur lässt der Schmerz nach.
Da Maria vorübergehend sehuntüchtig ist, hält sie sich bei mir fest, solange, bis sie die Augen öffnen kann. Ihre blinzelnden dunkelbauen Augen lächeln mich an. Sie bedankt sich, noch immer unter der Dusche stehend, indem sie mich an sich zieht und fragt: „Schaut hier wer zu?“ Sie wartet meine Antwort nicht ab, und überraschend küsst sie mich, zweimal!
„Das werde ich aber melden“, sagt jemand mit verstellter Stimme hinter uns. Erich und Christina lachen.
„Für uns wird es Zeit“, sagt Erich. „Bis wir zurück sind, ist die halbe Stunde um.“
In der Lobby vor den Aufzügen treffen wir uns alle wieder. Erich fragt Maria, ob es nicht möglich wäre, dass sie mit ihm tauschen würde. Das heißt …
Alle lachen. „Ich weiß, was du meinst“, sagt Maria und drückt mir mit verführerischem Lächeln die Hand.
„Und mich fragt keiner?“, spiele ich den anderen den Überrumpelten vor.
„Du bist überstimmt!“, lacht Erich.
Man lässt sich halt gern zum Glück zwingen. Mit versteckter Freude bringe ich meinen Koffer von Zimmer 512 auf 612.
Um 19 Uhr gibt es Abendessen. Die Damen sehen fast wie Schwestern aus, sind mit einem kleinen Schwarzen bekleidet, wir Männer auf Wunsch der Betreuer mit langen Hosen. Auf dem Tisch stehen weiße Kerzen, die der Kellner anzündet. Er fragt, ob er die Flasche Rotwein schon servieren darf. Die Gläser klingen, es gibt Küsschen und da alle schon per Du sind, wird einfach auf die neue Zimmervariante getrunken.
Später geht's ins Fernsehzimmer. Es läuft ein israelischer Film mit englischen Untertiteln. Oder umgekehrt? Wie man uns versichert, wird am 21. Juni das WM-Fußballspiel Österreich – Deutschland auf RTL übertragen. Dazu steht auf dem Flachdach eine riesige bewegliche Satellitenschüssel.
Wir besuchen noch die Safari-Bar, bevor es in die Zimmer geht. Die zweite Nacht, diesmal bei Maria, wartet schon auf mich. Ich fühle, wie meine Hände feucht werden und versuche zu verstecken, dass ich aufgeregt bin.
Das Licht zuckt schon wieder. Hier gibt es oft einen Stromausfall, hat man uns gesagt. Wir sind froh, dass wir nicht mit dem Aufzug stecken geblieben sind.
Im Zimmer schalte ich das Deckenlicht aus. Durch die Fenster dringt ein schwacher orangener Schimmer von der Straßenbeleuchtung. Maria schlüpft unter die Decke, wobei sie kurz ihre zauberhafte schwarze Unterwäsche zeigte. Ich folge ihr ins Bett und rücke ganz nah zu ihr.
„Wie geht es dir mit der Haut?“, frage ich Maria und streichle ihre Arme.
„Ich habe heute eine leichte Hautcreme bekommen, wie alle Frauen. Die ist angenehm. Aber helfen soll eigentlich nur die Sonne, sagen einige Patientinnen.“
„Nicht das Meerwasser?“
„Schon. Aber bei Patienten mit kleinen Wunden, die nicht ins Wasser gehen durften, waren die Hautveränderungen nach vier Wochen Sonne genauso abgeheilt wie bei den Meeresbenützern.“
„Schau, schau“, sage ich, „was da alles verheimlicht wird.“
Ich ziehe mit Marias Hilfe ihren zauberhaften schwarzen BH aus. Dann folgt der Slip. Zart küsse ich ihre Brüste. Mit der Zunge entdecke ich ihren Körper, sie findet schließlich ihr Ziel zwischen ihren Beinen.
Maria stöhnt, während ich nach oben rutsche und mein inzwischen angeschwollenes Glied in ihre Spalte schiebe. Meine Stöße werden immer heftiger. Etwas zu früh ergießt sich mein Samen in sie. Gerne hätte ich so weitergemacht und hoffe, Maria hat es trotzdem gefallen.
„Wie fühlst du dich“, frage ich Maria.
„Es war sehr schön“, flüstert Maria. „Karl, wir bleiben doch zusammen?“
„Unbedingt“, sage ich erleichtert.
Die Nacht ist hell und klar, die Temperatur draußen sinkt auf 30 Grad. Im Zimmer mit Aircondition auf verträgliche 27 Grad. Wenn ich neben mich schaue, sehe ich Maria, halb zugedeckt. Ihr Körper strömt einen warmen, samtigen Duft aus, wie eine Mischung von Parfum und weiblichen Pheromonen.
Ganz langsam wird es draußen hell. Die Sonne wandert von Osten her über das silberne Tote Meer. Maria hat schon einmal aufgeblickt, aber die Augen gleich wieder geschlossen. Ich sage ihr leise „Guten Morgen, mein Liebling!“ Und schon umarmt sie mich. „Heute gibt es ja das große internationale Boccia-Turnier, das wird den Handballer Erich aber freuen.“
Maria küsst mich. „Schön, dass du auch mitmachst.“
„Du kommst ja sicher mit?“
„Ja, sicher. Ich halte dich auch fest an der Hand, damit du mir nicht davonläufst!“
Nach dem Mittagessen gibt es keine große Ruhepause. Alle sind eingeladen um 14 Uhr am Sandstrand neben den Solarien zu erscheinen und teilzunehmen,
Das „Internationale Boccia-Turnier“ beginnt. Da es ein Ausscheidungsturnier ist, wird es erst später interessant, wenn die Favoriten gegeneinander antreten. Und zu diesen zählt Erich.
Ich sitze mit Maria auf einem Frottee-Strandtuch. Sie hat keine Bedenken, dass wir uns vor allen Menschen küssen. Bis die Sportfreunde rufen „Karl, du bist dran!“
Überraschenderweise halte ich mich sehr gut, sodass ich jedes Spiel gewinne. Nur nicht gegen Erich drankommen, hoffe ich. So geht es bis ins Finale. Und jetzt ist mein Gegner: Erich!
„Glück gehabt!“, lacht er.
„Ich drück' dir die Daumen“, sagt Maria neben mir.
Ich gebe mir keine Chance, doch es kommt zum Entscheidungswurf. Ich werfe 'raus – und treffe die Taube! Die Kugel bleibt gleich daneben liegen.
„Ich nehme auch den zweiten Platz“, wispere ich Maria zu.
Erich wirft hinaus und trifft – meine Kugel, die weggesprengt wird und weiter weg landet. Das ist der erste Platz!
Erich bekommt als Sieger den großen Pokal - und ich als Zweiter die „Originalkopie“ der „Schriftrolle vom Toten Meer“!
„Das gehört gefeiert!“, schmettert Erich 'raus. Seine Christina küsst ihn. Aber anstatt eine Runde auszugeben, zieht sich Erich mit Christina zurück.
Maria sagt leise zu mir „Wir beide feiern dann auch im Bett deinen zweiten Platz, okay?“
Der 21. Juni rückt immer näher. Inzwischen geht es den meisten Hautpatienten schon besser, sodass sogar als Abhilfe gegen den „Kurkoller“ ein Ausflug ins 100 Kilometer entfernte Jerusalem geplant ist.
Heute sind viele Deutsche und Österreicher hier, die das WM-Match sehen wollen. Im TV-Zimmer sieht es jetzt wie in einem Kinosaal aus: Eine große Videoleinwand wird heruntergelassen, eine Menge Stühle aufgestellt und die Fenster verdunkelt. Der Hoteltechniker richtet noch einmal die Schüssel auf den Eutelsat aus, RTL ist eingestellt, der Beamer aufgestellt. Cordoba kann kommen!
Da sich Maria nicht für Fußball interessiert, bleibt sie bei Christina auf dem Zimmer.
Es ist ein spannendes Match, bei dem der Stürmer Hans Krankl für Österreich den Siegestreffer zum 3:2 schießt. Die Österreicher feiern mit „Immer wieder, immer wieder Österreich!“ Die Deutschen trauern, trotzdem treffen sich die Fans beider Nationen beim Maccabi-Bier und anderen Drinks an der Bar.
Ein deutscher Sportsfreund sagt zu mir: „Moin Moin, Mister Austria. Hast du schon gehört, der Hans Krankl bekommt die deutsche Staatsbürgerschaft!"
Alle Bargäste kichern. Ich freue mich mit unseren Sportlern und singe zum nächsten Drink mit lauter Stimme:
„Der Krankl, der soll leben, soll leben dreimal hoch.
In seinem Glanz und Schimmer, so an Hansi kriagn ma nimmer!“
… und lade alle Fußballfans zu einer Runde Gin Tonic ein ...
Später geleitet mich Maria aufs Zimmer. Sie ist plötzlich gar nicht gut auf mich zu sprechen, da ich heute Abend über den Durst getrunken habe. Außerdem meint sie, ich solle mir doch endlich die Füße gründlicher waschen, da der Sand im Bett schrecklich kratze.
Am nächsten Morgen wache ich mit einem Riesenschädel auf. Es ist schon zehn Uhr. Maria ist nicht hier. Da ich in den Kleidern geschlafen habe, bin ich gleich fertig und beeile mich, ins Restaurant zu kommen. Ausnahmsweise bekomme ich noch ein Frühstück mit einem „Reparaturseidl“ Bier. Dann hinunter zum Strand, wo sich nur wenige Besucher aufhalten. Ich frage sie, ob sie Maria gesehen haben. Vergeblich. Doch dann sehe ich einen von unseren Betreuern.
„Ja, Karl, was machst du denn hier? Warum bist du nicht mit auf unserem Ausflug nach Jerusalem?“, fragt er überrascht.
„Das hat mir niemand gesagt. Oh, um sieben war ja Abfahrt ...“ Ich falle in ein tiefes Loch.
„Heute ist es überall ruhig. Das Match gestern ist auch ein Stimmungskiller bei den Deutschen. Bleib halt heute im Hotel und kurier dich aus. Maria und die anderen kommen etwa um 17 Uhr zurück. Spätestens beim Abendessen seid ihr wieder alle zusammen.“
Die Zeit vergeht heute sehr, sehr langsam. Aber kurz nach 17 Uhr kommt der Bus dann endlich an. Ich stehe draußen vor dem Hoteleingang und schau, wo Maria ist. Da ist auch schon Erich. Er legt seine Hand auf meine Schulter und führt mich vom Eingang weg. Sein Gesichtsausdruck verrät allerdings nichts Gutes.
„Karl! Du musst jetzt hart sein. Maria hat einen neuen Freund, einen Palästinenser, der hier als Kellner arbeitet. Der hat sie heute früh getröstet, während du schliefst und nicht munterzukriegen warst. Er ist mit ihr nach Jerusalem mitgefahren. Sie sind beide im Bus. Maria holt gleich ihre Sachen aus eurem Zimmer. Später kannst du wieder hinauf. Bleib ruhig und tu so, als sei nichts passiert.“
Ich richte mich auf, atme tief, kann aber die Tränen nicht zurückhalten.
„Na gut“, sage ich mit heiserer Stimme, „wir sehen uns dann beim Abendessen.“
Die Abendsonne verschwindet hinter den scharfen Felsen. „So wie Maria“, sage ich zu mir. „Einmal machst du einen Fehler - und schon stehst du im Abseits.“
Im fahlen Dämmerlicht fühle ich, dass der Glaube an eine schöne, gemeinsame Zukunft mit Maria im Toten Meer versunken ist.