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Kurz nach davor

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25.10.2006
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Kurz nach davor

Mein Leben ist ein provisorischer Moment. Das unfruchtbare Nachdenken während der Suche. Wartend stehe ich auf einem Bahnhof, an dem die Züge nicht halten.
Die Beziehung zu ihm gibt mir den Atem für die Zukunft. Dabei hat sie im Eigentlichen noch nicht einmal begonnen. Es ist eine provisorische Beziehung. Wir sind noch im Davor. Wenn ich ihn küsse, ist das etwas, was vorher geschehen ist. Manchmal fürchte ich, plötzlich kann alles vorbei sein, bevor es zum Währenddessen gekommen ist - und dann gibt es nur noch Danach. Das wäre doch sehr, sehr traurig.

Heute Abend scheint der Mond klar. Und obwohl ich Angst habe, trete ich nach draußen. Nicht ganz, ich lehne mich nur gefährlich weit aus dem Fenster. Und friere.
Es ist eine dieser ruhelosen herbstlichen Vollmondnächte, in denen man nicht einschläft, sondern sich im abwechselnd zu warmen, zu kalten Bett nur wälzt wie ein Kranker. Nicht, dass ich mich wach fühlte - ich bin müde, todmüde. Aber wenn ich den Blättern heute Nacht nicht beim Fallen zusehe, ist es morgen Winter, da erfüllt mich eine ziemliche Gewissheit. Ich denke ein bisschen an ihn und ertrage die Kälte. Der Himmel ist klar, aber in der Großstadt sieht man keine Sterne. Das Nachtlicht der Stadt webt sich staubfein über sie und lässt die natürliche Finsternis nicht hindurch. Somit auch keine Sterne. Schade. Aber das dunstig schwarze Violett des Stadtnachthimmels ist freundlich und neutral. Mich ängstigt diese Szenerie nicht mehr. Nicht vom Fenster aus. Die Ruhe setzt sich in die Zweige. Weicher Wind entlaubt die herbstlich prachtenden Bäume fast zärtlich. Die kalte Luft zieht ins Zimmer uns streift meine Waden.
Plötzlich fallen mir deine Augenbrauen ein. Deine braunen, unauffälligen Augenbrauen. Sie sind dicht und recht schmal. Du bewegst sie nur bei wenigen Gesten. Warum fallen mir ausgerechnet deine Augenbrauen ein?
Ich straffe mich und beginne zu rechnen. Wir haben uns seit vier Tagen nicht gesehen. Gestern haben wir fünf Minuten telefoniert. Ich habe dich seit drei Wochen nicht angerufen; ich will immer, dass du anrufst. Wenn ich dich anrufe, das weiß ich ganz genau, fühle ich mich so schwach und so ängstlich, dass meine kleine Liebe daran auf Dauer zerbrechen könnte. Komisch, du weißt das wohl, denn du machst mir nie Vorwürfe und meldest dich regelmäßig. Der rötlich pulsende Schimmer über dem Horizont ist nicht der nahende Sonnenaufgang, sondern die flimmernde Skyline.
Deine Hände sind pelzig und krumm. Ich liebe deine Hände. Deine Hände sind auch klein. Gar keine großen Männerhände. Zwar bis in die wirklich sehr schiefen Finger beharrt, aber doch ausgespracht filigran und klein. Wenn du mich mit deinen Händen berührst, ist es mir oft ein wenig zu zart. Ich weiß nicht, ob du fürchtest mir wehzutun. Aber ich fürchte, dir könnten die Fingerchen brechen, wenn du mich zu feste packen würdest, oder ich deine feine Hand zu fest zudrücken.
Ich spüre das Lächeln in meinem Gesicht. Ich wische es beschämt von den Lippen.
Mein Herz schlägt mit einer gewissen Unruhe. Eine handvoll zerknittertes bräunliches Laub tänzelt vor meinem Fenster. Mit einem mich selbst überraschenden Ruck schließe ich es.
Ich habe die Nummer schon gewählt, sage ich zu mir selbst. Meine Stimme klingt sonor und ruhig, aber nicht fremd. Ich hefte den Blick auf das grelle Telefondisplay. Fast zitternd lege ich meinen Finger auf die schwitzige grüne Taste.
Du flüsterst in den Hörer.

Mein Liebes, was machst du denn mitten in der Nacht?
-Ich wollte dich anrufen.
Du fehlst mir.
-Ich kann nicht einschlafen.
Soll ich vorbeikommen?
-Nein.
Wann sehen wir uns denn? Morgen kann ich nicht, Dienstag?
-In Ordnung. Rufst du an?
Natürlich.
-Bis dann.
Warte.
-Was?
Du hast mich angerufen.

Und ich höre das Licht in deiner Stimme, nur zart gebrochen von deiner verwirrten Angst.

Ja, flüstere ich lächelnd.
Das habe ich.

 

Grüß dich, Anabel!

Wie fühlt man sich, wenn man verliebt ist und leise vor sich hin träumt? Leider verrät es deine Geschichte nur zum Teil, und das auch auf eine recht laue Art. Sie ist langweilig.

Warum?

Die Erzählerin kommt mir recht selbstverliebt vor, sie leidet so vor sich hin, mir ist aber nicht ganz klar, warum, dann geht sie raus und friert, man sieht die Skyline aber keine Sterne, es kommt mir vor, als hättest du im Supermarkt einfach mal alles Mögliche gekauft und in einen Topf geworfen, kräftig umgerührt und - nein, es ist kein Meisterwerk daraus entstanden.

Dazu gehört, dass man die richtigen Zutaten nimmt, erst einmal. Und um zu wissen, welche passen, muss man sich überlegen, was man eigentlich kochen will.

Man braucht ja nicht unbedingt ein Rezept zu haben, aber wenn man Nudeln mit Tomatensoße kochen möchte, braucht man dafür keine Hefe zu kaufen.

Dann verwendest du Bilder, die mir nichts sagen. Hier zum Beispiel:

Es ist eine dieser ruhelosen herbstlichen Vollmondnächte, in denen man nicht einschläft, sondern sich im abwechselnd zu warmen, zu kalten Bett nur wälzt wie ein Kranker.

Hier setzt du voraus, dass der Leser etwas genau so erlebt wie du es wahrnimmst, aber andere nehmen herbstliche Vollmondnächte vielleicht ganz anders wahr. Ich zum Beispiel. Da riecht es toll nach Laub, der Regel trommelt auf das Dach über mir und der Wind pfeift durchs Gebälk.

Was genau wolltest du erzählen?

Schöne Grüße,

yours

 

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