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- 23.08.2008
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Ländliche Tracht
Ländliche Tracht
Heinz Körber
Kategorie : Humor
Es fing alles so harmlos an :
Meine Cousine Elfriede kam aus dem burgenländischen Seewinkel auf Stadtbesuch und brachte ihre hübsche Freundin Rosa mit. Mein Freund Egon ergänzte uns zu einem Quartett, und so besuchten wir vier Museum um Museum, saßen abends im Theaterplüsch, danach auf heurigen-grünen Bänken, abschließend meist in einer Bar.
Egon und ich waren von der Begeisterung der beiden Landmädchen sosehr hingerissen, dass wir uns manchmal lange in die Augen sehen mussten. Die Tage tanzten an uns vorbei, und unsere Unternehmungslust schien an kein Ende dieser wunderbaren Zeit zu
denken.
Doch sonntags ging´s wieder nachaus für die Mädchen, deshalb war der samstägige Prater-
Besuch ein Muss. Wir wirbelten mit türkischem Honig und Federspitzhüteln die tollsten Tobogane dahin, schleuderten unsere Ringelspiel-Sitztöpfe weit über den Horizont hinauf und
verschlangen Langos beim Tischfussball.
„Jöh, die Geisterbahn“, schrie Elfi, und schon hatten wir zwei dieser holprigen Eisenkübel
beklettert. Ab ging´s nach dem phlegmatischen „Zoin“ des ambulanten Kassiers – vorbei an
Spinnen und kreischenden Skeletten, steil hinauf zu einem gröhlenden Bären, der mit den
Pfoten winkte, und weiter, um die eigene Achse geschleudert, zum Drachensee. Unser Gefährt krachte gegen eine silbern beleuchtete Wand, als Rosa mir ein herzhaftes burgenländisches Bussel hinaufschnalzte.
Da merkte ich plötzlich, dass jemand auf unserem Wagen mitfuhr – ach ja natürlich, der
Geisterbahn-Geist ! Ein fluoreszierendes Skelett sprang um uns herum, es fasste mich bei den
Haaren und schüttelte dabei markerweichende Töne aus einer Kuhglocke.
Auf einmal tauchte, sehr zu meiner Besorgnis, ein Fluoreszenz-Streifen tief in Rosas Dirndel-Dekollete ein. Eine Eule schwebte knapp über mir dahin, es krachten wilde Kanonenschüsse, beim letzten verschlug es mir den Atem, als ich merkte, dass ich ganz alleine im Wagen saß.
„Rosa“ rief ich, und der Wagen machte ruckartig kehrt. An einem gläsernen Teufel reflektiert, der wie eine Taube gurrte, sah ich meine Begleiterin für einen kurzen Moment in den Armen
des Geistes. Finsternis ! Der Wagen ratterte hinauf, hinunter – ich wollte abspringen, fühlte
draußen eine schleimige Masse unter meinem Fuß, und ließ es somit sein. Vorbei an einem klapprigen Tod mit Sense fuhr ich auf´s Höllentor zu. In eine unheimliche Stille hinein hörte
ich Rosa meinen Namen stöhnen : „Aber Anton, duuuuu ---„
Sie hielt den Geist für mich ! Welch ein Skandal – die Vortäuschung einer anderen Person !
Verführung eines gutgläubigen Landmädchens !
Hinauf, hinunter, Geister, Spinnen, Teufel, Drachen, Ende.
„Noch einmal !“ schrie ich zum Kassier. „Das ist eine Schand“.
Er sagte ganz ruhig „Zoin“ und weg war ich. An der Stelle, wo ich sie verlor, sprang ich ab,
schließlich musste ich sie doch retten. Bis zu den Knien stand ich im Geistersee, und die im
nächsten Wagen lachten recht herzlich über mich.
Da – das Skelett ! So schnell es ging watete ich durch den finsteren See, erreichte die Fluoreszenz-Streifen, aber das Kostüm war leer, es hing am Ohren eines Bären.
Da – ein Stöhnen... Pfui, was war das ? Dort ein Mann und eine Frau ! Ich hetzte hin und riss
beim folgenden Blitzeszucken den weiten Unterrock der armen Rosa an mich– der aber gar nicht von Rosa war, sondern, wie sich später herausstellte, von einer Hausfrau aus Wien XII.
Ich besprang den nächsten Wagen, die kichernden Japaner fanden meine Mitfahrt als besondere Attraktion.
Ich war blind vor Wut, als ich Elfi und Egon draußen - mit Rosa scherzen sah.
Vollends in Rage brachte mich Rosas hingehauchtes „Schön war´s – du Lausbub“.
Polizei ! Die Bahn wurde gesperrt, die Besucher murrten, der Besitzer war nicht aufzutreiben, der Kassier nicht zuständig.
„Das soll ein Rechtsstaat sein“, echauffierte ich mich, und der Polizist begann mit der Protokollaufnahme.
„Des is a Geisterbahn – und Leut, die kan Spaß verstehn, solln z´haus bleiben“, kreischte
ein zahnloser Alter.
„Wo ist der Geist“ schrie ich.
„Welcher denn, es gibt drei“ meinte der Kassier.
„Der eine mit den glänzenden Streifen“
“Haben alle Streifen“
„Der von da oben“, deutete ich hinauf.
Schließlich wurde ein skelettiger Geist herbeigeschafft, der sehr verlebt aussah und beteuerte,
dass er es nicht war.
„No oiso –„ sagte der Polizist, „sie haben ihna des vielleicht einbildt“
„Welcher der beiden anderen“, brüllte ich den Geist an.
„Vielleicht der Lois“, meinte der und deutete auf Rosas Dirndelkleid, „der is ausn Waldviertel und tut sein Heimweh oft betäuben damit, dass er sich mehr um die ländlichen Trachten kümmert“.
Die Einvernahme des Lois war nicht möglich, weil dieser wahrscheinlich schon im Privatanzug ganz in unserer Nahe herumstand und dem ganzen Treiben interessiert zusah –
von den einen nicht erkannt, von den anderen nicht verraten.
Der Kassier bemerkte noch, dass viele Hausfrauen und auch Damen gerade diese Geisterbahn
bevorzugen, weil – so wörtlich – „ so a regnerischer Vurmittag, wo´s in die Kaufheisa kane
Sonderangebote habn, do vü schnölla vageht“.
Zwecklos etwas hinzuzufügen.
Die Menge zerstreute sich bereits, und auch ich war fast schon wieder beruhigt, als Rosa mich
zärtlich bei der Hand nahm – und mir mit all ihrem burgenländischem Charme ins Ohr flüsterte :
“Schau Anton, sei net eifersüchtig, es war doch nur a Geist - - -„ .