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La Nuit de Noel

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08.05.2006
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La Nuit de Noel

Noels Herz zerspringt. In Tausend Stücke. Er hört das leise Klirren der dünnen gläsernen Hülle, die es umschlossen hat, spürt wie die vielen feinen Splitter durch sein Blut wandern und in Venen, Muskeln und Atemwegen stecken bleiben, wie die zähe schwarze Flüssigkeit, die aus dem großen Loch an der Herzstelle tritt, sich langsam den Weg durch seine Adern bahnt. Widerlicher dunkler Schleim. Unaufhörlich. Grausam. Schwarz. Sein Herz ist schwarz. Nein, es war, er hat kein Herz mehr. Es ist zerbrochen, ausgelaufen und befällt nun seinen ganzen Körper, bringt ihn zum Beben. Der Schmerz lässt ihn tanzen. Wie eine Marionette. Das Letzte, was er sieht, ist sein Spiegelbild. Sein Spiegelbild? Er kennt diese Kreatur vor sich nicht. Überall erblickt er dunkelbraune Augen in dem zersplitterten Glas, zerstört durch seine blinde Wut. Genau wie die glänzenden Überreste dort, wo einst sein Herz war. Diese Augen können nicht seine sein. Es sind schwarze Löcher, die alles Schöne um sich herum zerstören und in sich aufsaugen. Das sind nicht seine Augen. Noel will sie nicht sehen. Unter einem hasserfüllten Aufschrei schlägt er mit geballter Faust gegen den Spiegel. Immer wieder. Er fühlt, wie die kleinen Splitter in seinem Blut sich bei jeder seiner Bewegungen tiefer ins Fleisch bohren. "Tiefer!", fleht er ekstatisch, "Tiefer ..." Er hat so lange auf diesen Moment gewartet. Auf den Moment, in dem der Schmerz seine Buße sein wird. Für all die Jahre. Er wird endlich befreit werden, von all der Schande , all dem Schmutz. Er wird frei sein. Frei. Nur durch einen simplen Mord. Blut spritzt an den Spiegel. Blaues Blut. Grünes Blut. Gelbes Blut. Die Farben tanzen vor seinen Augen, anmutig und schön, bis sie sich zu einer dunklen Masse vermischen, dem schwarzen Schleim, der sich nun auch wie ein Leichentuch über seine Augen legt. Wieder fällt die Dunkelheit mit gefletschten Zähnen über ihn her, zerfetzt seine Hoffnungen und raubt ihm den Atem. Er spürt ihre Krallen überall an seinem Körper. Doch plötzlich erkennt er in der Finsternis eine Tür. Langsam hebt er seine zitternde Hand, an der das dunkelrote warme Blut langsam herunterläuft, und drückt vorsichtig die Klinke runter. Das ist sie also. Die Tür zu seinem Inneren. Es ist ein kleiner düsterer Raum, den er betritt. Völlig leer, bis auf Dutzende großer Glasscherben, die auf dem Boden verstreut liegen. Ein Mosaik seiner Seele. Sie knacken laut unter jedem seiner Schritte. Jede Scherbe, die er zertritt, ruft eine schmerzhafte Erinnerung in ihm wach, jede ein gezielter Messerstich in seinem Kopf. Er wusste nicht, dass er noch dazu fähig ist zu fühlen, er dachte, er hat es schon lange verlernt. Verwundert bleibt er vor einem besonders großen Bruchstück stehen. Eine weinende Frau ist darauf zu sehen. Sie ist wunderschön. "Mutter", sagt er traurig lächelnd, "Verzeih mir." Kurz nach seinem siebzehnten Geburtstag hat er sie das letzte Mal gesehen, etwa vor einem Jahr. "Was willst du hier?", fragte sie damals mit kalter Stimme, als er seine letzten Sachen aus seinem Elternhaus holen wollte. "Willst du wieder Ärger machen? Wie du schon wieder aussiehst! Dein Vater ist nicht da, falls du sein krankes Herz wieder strapazieren willst!" Krankes Herz, wiederholte er damals in Gedanken. Was wusste sie denn schon von kranken Herzen? "Er ist nicht mein Vater", gab er stattdessen leise zur Antwort. Die Augen seiner Mutter füllten sich mit Tränen, verschwammen hinter einer Wand aus Salzwasser. "Herrgott, Noel!", schrie sie heiser. "Wieso bist du nur so undankbar? Dein Vater hat immer alles für dich getan, obwohl er nie etwas von dir zurückbekommen hat!" Und ob er das hat, wollte er antworten, er hat es sich ganz einfach genommen. Doch er konnte nicht, schluckte die Worte mühsam herunter. Sie hinterließen einen bitteren Nachgeschmack auf seiner Zunge. "Ich hasse ihn!", quoll es dann aus seinem Mund. "Ich hasse ihn! Ich hasse ihn!" Dieser Satz war für ihn wie ein Gebet, eine Rechtfertigung vor Gott. Eine Entschuldigung. Je öfter er die Formel aufsagte, desto sicherer fühlte er sich. Seine Mutter sah damals nur verächtlich auf ihn herab. Als wäre sie zehn Meter groß. "Du bist ein Monster, Noel!", sagte sie nur trocken. "Ein herzloses Stück Dreck, das nur zufrieden ist, wenn alle anderen leiden." Das waren ihre Abschiedsworte. Damals bekam sein Herz einen weiteren Sprung, länger als die anderen. Doch im Nachhinein denkt er sich, dass er keinen anderen Abschied verdient hat. Es war richtig so. Alles in der Welt hat seine Richtigkeit, jeder bekommt das, was er verdient. Damit hat sich Noel abgefunden.
"Verzeih mir, Mutter", flüstert er und streicht zärtlich über die Scherbe, "Verzeih mir. Für all die Lügen, all den Schmerz, den du durch mich erlitten hast." Seine Mutter hat ihm nie gesagt, dass sie ihn liebt. Dafür war er ihr immer dankbar. Liebe. Dieses Wort lässt ihn noch immer erschaudern. Was finden die Menschen nur daran? Er merkt, wie der schwarze Schleim in seinem Inneren laut aufbrodelt, wird aber bald von einem kleinen Mädchen auf einem Stück seiner zersplitterten Seele abgelenkt. Arielle. In der Grundschule war er in sie verliebt. Er wollte sie heiraten und ganz viele Kinder mit ihr haben, wie in den Filmen. An diesen Gedanken klammerte er sich monatelang. Liebe konnte auch schön sein. Ganz bestimmt ... Doch irgendwann verlor er auch sie. Perverser hatte sie ihn mit Tränen in den Augen genannt, als er ihr unter den Rock greifen wollte. Er konnte sie nicht verstehen. Machte man das nicht, wenn man jemanden lieb hatte? Wenn man sich liebte, musste man auch das in Kauf nehmen, oder nicht? Die gierigen Hände, die lüsternen Blicke, die schmerzhaften Berührungen ... Oder nicht? Arielle’ s Tränen ließen sein Herz verkrampfen. An diesem Tag begriff er, dass Liebe etwas Schlechtes war. "Verzeih mir, Arielle", flüstert er schmerzhaft lächelnd. Noel behielt diesen Vorfall für immer im Hinterkopf. Auch, als er Nico kennen lernte. Sie war von ihrem Vater weggelaufen, genau wie er, und hatte eine Ratte Namens Satan. Fast jeden Tag trafen sie sich vor dem Bahnhof und erbettelten sich Geld für Zigaretten. Die schönste Zeit in seinem Leben. "Eigentlich hast du ja ein hübsches Gesicht", sagte sie ihm eines Tages und starrte verlegen auf den Boden. "Wenn nur deine ganzen Kratzer und Prellungen nicht wären." Es hatte ihm die Sprache verschlagen. Sollte das etwa ein Kompliment sein? Er musste unweigerlich an Glasscherben, Rüschenkleider und den Namen Gabrielle denken. Die blauen Flecken waren das einzige Geschenk, das sein Vater ihm je gemacht hat. Ein Andenken, damit er ihn auch ganz sicher nie vergaß. Nico wunderte sich nicht darüber, dass er nicht antwortete. Manchmal saßen sie einfach nur auf der Treppe zu Gleis Eins und schwiegen stundenlang. Worte waren nicht wichtig. Sie waren auch nicht wirklich Noels Stärke. Es war am besten, die Dinge stumm hinzunehmen. Vielleicht nicht am besten, aber am schmerzlosesten, das wusste er aus Erfahrung. Eine Weile lang sah ihn das Mädchen stumm an, dann beugte es sich langsam zu ihm vor und küsste ihn. Nicos Lippen waren zart und weich, für einen kurzen Moment fühlte sich Noel wie in einem Traum, die Narben auf seinem Herzen schienen verheilt. Doch eben nur für einen kurzen Moment. Als sie ihm zärtlich über die Brust strich, lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Es war, als müsste er sich jeden Moment übergeben, Hunderte von Bildern schossen ihm durch den Kopf und ließen seinen Körper erzittern. Sofort stieß er Nico von sich und starrte sie entsetzt an. Angstschweiß lief seine Stirn herunter. Er konnte ihr nicht mehr in die Augen sehen. "Verzeih mir, Nico", murmelt er mit schwerer Stimme. Damals rannte er einfach davon. Wie immer. Er rannte und rannte, aber sich selbst entkommen konnte er nie. Nie. Rennen war das Einzige, worin er gut war. Als er noch zur Schule ging, lief er in der Oberstufenstaffel. Sein Sportlehrer bestellte ihn mal in sein Büro. Noel sträubte sich zwar dagegen, alleine mit ihm in einem Raum zu sein, aber er wollte sich die Angst nicht anmerken lassen. Also ging er hin. "Du bist ein sportlicher Kerl, Noel!", sagte er und klopfte ihm auf die Schulter. Der Junge zuckte erschrocken zusammen. Plötzlich wurden die Züge seines Lehrers deutlich ernster. "Sag mal, prügelst du dich oft?", fragte er völlig unvermittelt. Noel hob gleichgültig die Schultern. Er durfte sich die Angst nicht anmerken lassen. Der Mann sah ihn ungläubig über seine Brille hinweg an. "Du hast nämlich ziemlich viele Verletzungen. Wenn du daheim Probleme hast, musst du es jemandem sagen. Nur weil man sich daran gewöhnt hat, ist es noch lange nicht normal, wenn du verstehst, was ich meine." Der Junge konnte den Worten seines Lehrers nur ein mitleidiges Lächeln abgewinnen. Mit jemandem reden. Vielleicht noch mit einem Erwachsenen? Nein, ganz bestimmt nicht, denen konnte man einfach nicht trauen. Sie waren Maschinen, die den ganzen Tag über arbeiteten. Und wenn sie mal nicht arbeiteten, zerstörten sie. In zwei Jahren war es sowieso egal, dann würde er selbst einer von ihnen werden. Eine Maschine, deren Welt nur aus Geld und Macht bestand. Dafür würde er aber tun können, was er wollte. Einfach verschwinden und seine Vergangenheit vergessen. Vergessen ... Nur noch lächerliche zwei Jahre, dann würde er frei sein. "Ich war nie das, was er wollte", antwortete er nur und musste darauf achten, dass seine Stimme sich nicht überschlug. Dann verließ er das Schulgebäude. Für immer. Bei all den Erinnerungen läuft er fast gegen einen Spiegel, der plötzlich wie ein Altar in der Mitte des kleinen Raumes vor ihm steht. Er sieht hinein und erkennt wieder diese Augen. Vaters Augen. Die Augen eines Monsters. Nur ungern erinnert er sich an den Abend zurück, als es das erste Mal geschah. Sein Vater kam betrunken nach Hause. Seine Mutter hatte Spätschicht. Noel roch schon von Weitem diese widerliche Mischung aus süßem Weinaroma und dem stechenden Gestank von Schweiß. Mit einem bedrohlichen Ton in der Stimme begann sein Vater, nach ihm zu rufen. "Noel! Noel!" Der Junge sprang verstört auf und versteckte sich hinter seinem Kinderbett. Er wusste, was er mit Mutter tat, wenn er betrunken war, und nun war sie nicht da. "Noel!" Kalter Angstschweiß lief seinen Rücken herunter "Noel!" Unter einem lauten Knall flog die Tür zu seinem Zimmer auf. "Noel! Du hast schon wieder eine Vase zerbrochen! Lernst du es denn nie, du missratenes ..." Sein Vater zerrte ihn aus seinem Versteck und schleuderte ihn gegen den Kleiderschrank, sodass das Kind heftig mit dem Kopf gegen eine scharfe Kante stieß. Ihm wurde furchtbar schwindelig. Immer wieder trat der Betrunkene gegen das zusammengekauerte winselnde Häufchen Elend vor ihm auf dem Boden, hörte zufrieden seinen verzweifelten Hilferufen zu. "Dich rettet niemand, hörst du?", schrie er seinen Sohn an und zog ihn an den Haaren hoch, "Du bist genauso verdorben wie deine verdammte Mutter!" Wütend schlug er gegen den Schrank. Eine Vase fiel herunter und zerbrach, sodass Noel bei dem lauten Klirren ängstlich zusammenfuhr. Dann ließ er den Jungen los. Schwer atmend zündete er sich eine Zigarette an und atmete langsam den grauen Qualm aus, der sich wie Teer durch die Gegend schleppte und sich langsam in Noels Lunge fraß. Ohne ein weiteres Wort schaltete sein Vater das Licht aus und ging aus dem Raum. Es wurde dunkel. Der Junge wusste nicht, warum er ihm so was antat. Seine Mutter war es, die sich mit anderen Männern traf, doch trotzdem wurde er dafür bestraft. Das war nicht fair. Er kauerte bestimmt eine Stunde lang unbeweglich auf dem Boden, aus Angst, sein Vater könnte ihn hören und wieder kommen. Doch er kam auch so wieder. Nach einiger Zeit ging seine Zimmertür wieder auf. "Noel", flüsterte sein Vater mit sanfter Stimme, als das Kind entsetzlich zusammenzuckte, "Verzeih mir. Ich war einfach sehr böse auf deine Mama und du bist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten." Er ließ die Tür leise ins Schloss fallen. In der Dunkelheit konnte der Junge ihn nicht sehen, hörte nur Schritte, die mit der Zeit immer lauter wurden. "Überhaupt hast du ein hübsches Gesicht, wie ein zierliches Mädchen", fuhr er fort, "Ein kleines süßes Mädchen. Deine Mutter und ich, wir haben uns so sehr ein Töchterchen gewünscht. Es sollte Gabrielle heißen. Als du an Weihnachten geboren wurdest, dachten wir, unser Wunsch würde in Erfüllung gehen, aber du bist ein Junge geworden. Und mit Jungen muss man streng sein. Eines Tages wirst du mir noch dankbar sein, Noel. Ich tue das nur, weil ich dich lieb habe." Noel spürte den heißen Atem seines Vaters auf der Haut, roch den süßlichen Alkohol. "Sei für heute mein kleines Töchterchen", wisperte er, "Tu mir diesen kleinen Gefallen." Dann spürte der Junge, wie die Hand des Mannes langsam unter seinen Pullover glitt. Er versuchte, ihm nach hinten auszuweichen, stieß aber mit dem Rücken gegen den Schrank und riss sich an den Scherben der Vase seine kleinen Kinderhände auf. Scherben. Die Hände seines Vaters waren überall. Kaum zu glauben, dass es die gleichen Hände waren, die ihn immer in den Schlaf gewogen haben. "Ich liebe dich, Gabrielle", flüsterte ihm sein Vater ins Ohr. Warme Tränen liefen Noels Gesicht herunter, die letzten, die er je vergießen würde. "Vor deiner Geburt habe ich dir ein Kleid gekauft", sagte er, als es vorbei war,"das nächste Mal ziehst du es an." Das nächste Mal. Es gab viele nächste Male. Noel starrt noch immer wie angewurzelt in die Augen im Spiegel, wie hypnotisiert ist er von dem dunklen Braun. Immer wenn ihn diese Augen gierig angesehen haben, wusste er, was kommen würde. Am Anfang übergab er sich noch danach, sperrte sich stundenlang im Bad ein und wusch sich. "Vater liebt mich", sagte er sich immer wieder, "Das gehört eben zur Liebe dazu. Mutter ist glücklich, er schlägt sie nicht mehr. Vater ist glücklich. Alle sind glücklich. Mach das nicht kaputt, Noel, mach das nicht kaputt!" Wie gerne hätte er sich seiner Mutter anvertraut, doch er wusste, dass dann ihre Welt zerbrochen wäre. Und somit auch sein Herz. "Ich liebe dich", sagte sein Vater manchmal, "Und egal, wo ich bin, ich bleibe immer in deinem Herzen." In solchen Momenten kam ein widerlicher Brechreiz in dem Jungen hoch, wie am Anfang. In seinem Herzen. Allerdings hielten solche Sätze nicht lange an. Bald wurde er für seinen Vater zur Pest. Er erkannte, dass sein Kind immer mehr zu Noel, als zu Gabrielle wurde. Kein "Ich liebe dich" mehr, nur noch Vorwürfe. Er konnte es ihm nie recht machen. Statt Liebkosungen bekam er nur noch Schläge. Je älter er wurde, desto mehr konnte er sich gegen seinen Vater wehren. Er begann ihn zu hassen. Seine Mutter begann ihn zu hassen, er wurde von allen gehasst. Das war auch gut so. Auf jeden Fall besser, als geliebt zu werden. Liebe war widerlich. Er starrt die Gestalt im Spiegel an. Die Augen seines Vaters. Doch es ist nicht sein Vater. Er ist es selbst. Ein Monster. "Ich bleibe immer in deinem Herzen", schießt es ihm durch den Kopf. Seine Beine geben nach. Er fällt auf die Knie. Plötzlich durchfährt ihn ein unglaublicher Schmerz, panisch ringt er nach Luft. Ich bleibe immer in deinem Herzen. Immer. Mit letzter Kraft wischt er sich den Schweiß aus dem Gesicht, doch das, was er auf seinen zitternden Händen sieht, ist kein Schweiß. Schwarzer Schleim läuft ihm aus Mund und Nase. Er fühlt, wie er langsam durch seine Finger rinnt und sieht mit Genugtuung dabei zu, wie die dunkle Lache unter ihm immer größer wird. "Ja!", lacht er, "Bald bin ich dich los, Vater! Du sagst, du bleibst immer in meinem Herzen? Nein, du quälst mich nicht mehr! Ich habe es ermordet, einfach so! Es stirbt! Und mit ihm wird auch mein Schmerz sterben! Du!" Es ist, als würde sein ganzes Inneres von dem Schleim weggeätzt werden, als würden Lunge, Leber, Magen alle mit der schwarzen Flüssigkeit aus seinem Körper gespült werden. Mit ihnen der Schmutz. "Ich werde rein sein, wenn ich dich im Jenseits wiedersehe, Vater! Dann werde ich dir endlich sagen können, dass ich dich hasse!" Sein lautes Lachen dröhnt in seinen Ohren, er starrt auf den schwarzen Fleck vor sich auf dem Boden. Tausende von Maden suhlen sich in dem Schleim, in jeder ein kleiner glänzender Splitter. Der Schleim fließt langsam über die Scherben seiner Erinnerung, über Nico, Arielle, seine Mutter und ihn selbst. Plötzlich sind die Scherben fort, nur noch die Maden kriechen über den Boden des Raumes, dessen Wände immer näher kommen. Noel merkt, wie sein Inneres immer leerer wird, die schwarze Flüssigkeit tritt aus seinen Augen, wie Tränen fließt sie seine Wangen herunter. Er ist leer. "Vater", flüstert er noch, bevor seine Augen vor Erschöpfung zu fallen, "Ich habe dich geliebt." Dann wird es dunkel.

Stille. Man hört, wie eine Tür unter lautem Quietschen geöffnet wird. "Nicht noch einer!", ruft eine männliche Stimme gereizt, "Schon wieder ein Drogentoter! Warum müssen sich diese Idioten auch immer auf den Bahnhofstoiletten umbringen? Und wir müssen dann immer hinter ihnen her putzen!" Eine kurze Berührung. Kalte Hände. "Warte, der hier lebt noch. Hol einen Arzt, vielleicht kann man da noch was machen." Schnelle Schritte. "Oh, Mann ...", murmelt die Stimme erschöpft, "Bunte Pillen auf Wodka? Das hättest Du lieber mal lassen sollen, Kleiner. Was findet ihr Kids nur an so einem Leben?" Wieder Schritte. "Louis, hör auf, immer mit den Toten zu reden. Der Notarzt ist schon unterwegs." Lachen. "Ja ja, du hast ja Recht. Aber dieser hier hatte noch sein ganzes Leben vor sich. Ist noch keine Achtzehn. Statt hier zu liegen, hätte er lieber seine Zeit mit Freunden und Familie verbringen sollen. Gerade zu Weihnachten."

 

Hi Incubus!

Schöne Geschichte, die du da geschrieben hast! Am Anfang ein bisschen verworren, aber danach gut zu lesen!:D Aber ich würde noch ein paar Absätze reinmachen, sonst kommt man durcheinander!;)

Ciao Eva Luna

 

Hi Incubus^^
Ich find auch das Absätze nich schlecht wären...;)
Aaaaber...die Geschichte an sich, und zwar komplett mit Inhalt und Wortwahl finde ich sehr gelungen.
:thumbsup:
Lg
Fräulein Smilla

 

Hallo Incubus,

also als schön, wie meine Vorrednerin Eva Luna würde ich diese Geschichte nicht bezeichnen. Du packst ein ernstes Thema an. Auf der einen Seite ist es Dir mE ganz gut gelungen, die Empfindungen des Jungen, seine Erinnerungen, darzustellen und den Leser nach und nach einzuweihen, auf der anderen Seite ist es mir aber - vor allem wegen der mangelnden Absätze und dem abgehackten, teils holpernden Stil (der vermutlich Absicht war?) - zu lange geworden. Der letzet Satz - Weihnachten - überrascht zwar nicht wirklich, bringt die Geschichte aber irgendwie zu einem runden Schluss.

In Tausend Stücke.
tausend ...

Überall erblickt er dunkelbraune Augen in dem zersplitterten Glas, zerstört durch seine blinde Wut.
momentan bezieht sich der Nachsatz auf die Augen - das glaube ich, war nicht Deine Absicht ...
"Eigentlich hast du ja ein hübsches Gesicht", sagte sie ihm eines Tages und starrte verlegen auf den Boden. "Wenn nur deine ganzen Kratzer und Prellungen nicht wären."
Die blauen Flecken waren das einzige Geschenk, das sein Vater ihm je gemacht hat. Ein Andenken, damit er ihn auch ganz sicher nie vergaß.
hm, Hämatome halten schon mal einige Tage oder meinetwegen auch Wochen, ebenso Kratzer. Aber in meiner Vorstellung treffen sich die beiden schon längere Zeit, bevor sie das sagt, nach Deiner Beschreibung - und irgendwann sind auch blaue Flecken verheilt und Kratzer ...
Immer wieder trat der Betrunkene gegen das zusammengekauerte winselnde Häufchen Elend vor ihm auf dem Boden, hörte zufrieden seinen verzweifelten Hilferufen zu.
da Du mehr oder weniger aus der Sicht Deines Protagonisten erzählst (wenn auch nicht als ich- Erzähler), finde ich diese Stelle fehl am Platz - so würde Noel von sich selbst vermutlich nicht erzählen! Wolltest Du hier besonderes Mitleid vom Leser hervorlocken, oder warum diese Wortwahl?

schöne Grüße
Anne

 

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