Was ist neu

Lady Blue

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09.09.2014
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Lady Blue

Lady Blue

by
Christina VonderWerth
In einer Zeit, gar nicht so lange her und auf einer kleinen Welt, die gar nicht so weit weg von hier lag, öffnete sich die Tür einer Holzhütte. Ein paar gelbe Augen mit Pupillen, die nach oben hin spitz zuliefen, blickten auf eine junge Frau mit dunkelblauen Haaren, eine Farbe, wie sie der Nachthimmel hatte.

„Entschuldigen Sie die Störung.“, begann die junge Frau mit der rosigen Haut und sah mit ihren violetten Augen in die ihres Gegenübers.
„Ich glaube, ich begreife jetzt, was es bedeutet, sich zu verlaufen, der Wald hier ist so groß, dunkel und um ehrlich zu sein, wird es ganz schön kühl.“, plapperte sie weiter und schien weder angeekelt, noch irgendwie verschreckt, von der Tatsache, dass ihrem stummen Gegenüber zwei Zähne aus dem unteren Kiefer ragten.
„Ich sah das Licht dieser Holzhütte und habe gehofft, dass ich hier einen Unterschlupf für die Nacht finde, ach übrigens, ich bin… Blue, jedenfalls nennen mich hier Alle so..“

Noch immer musterten die tierisch wirkenden Augen die fremde Person vor der Tür, von den dunklen Haaren, in denen ein gewisses Glitzern lag und mit orangenen Schleifen geschmückt waren, über das kobaltblaue Trägerkleid hinweg, bis hin zu den nackten, feinen Füßen. (Sehr schön!) Letztere fesselten den Blick des Türöffners am längsten, sie schienen zerstochen, zerkratzt zu sein und hatten scheinbar sehr lange kein Schuhwerk, gesehen, welche sie vor spitzen Steinen und scharfen Gräsern beschützt hätten.
„Komm doch rein, Lady Blue.“, bot der Besitzer der kleinen Holzhütte ihr, mit seiner tiefen Stimme, an. Er schüttelte mit seiner stark behaarten Pranke kurz die kleine zierliche Hand die sich ihm, als Vorstellung, entgegenstreckte. Auch die gelben Nägel, die regelmäßig gepflegt werden mussten, damit sie nicht zu lang, spitz und scharf wurden, störten seine Besucherin kaum.

Doch sie schien die Verwunderung ihres Gegenübers zu bemerken.
„Habe ich alles richtig gemacht?“, fragte sie plötzlich.
„Weißt du ich komme von weit her, diese Welt ist ganz neu für mich. Das mit dem Namen zum Beispiel. Bei uns hat man keinen und Alle fragen mich immer unablässig danach. Ein junger Mann, der mir vom Äußeren etwas ähnlich sah, sprach sehr fremd, doch eins seiner Worte gefiel mir. Blue, immer wenn ich mich so vorstelle, sagen Alle Lady Blue zu mir, genau wie Ihr Lord…“
Ihr offener Blick ging ihrem Gegenüber direkt ins Gesicht, auch hier schien sie nichts zu entdecken, was sie verwunderte oder sogar abstieß. Dabei hatte ihr Gegenüber eine Nase dessen Spitze seiner Stirn zulief, die seltsame Form sorgte dafür, dass ein Grunzen sich in die dunkle, sonst sehr wohl klingende Stimme mischte.

„Monster.“, erwiderte er.

„Lord Monster.“, wiederholte sie und stutze dann.
„Es klingt nicht so, als würde euch dieser Name gefallen.“, stellte sie irritiert fest.
„Wieso habt ihr ihn gewählt?“ Mit dieser Feststellung stieß sie auf die Verwunderung ihres Gegenübers.

„So funktioniert das nicht, ein Name wird einem gegeben. Niemand wählt seinen Namen selbst aus, so wie du es getan hast.“, erklärte es ruhig. Doch bevor sich seine Gegenüber von dieser, für sie überraschenden Erklärung, wirklich erholen konnte, meinte er: „Setzt dich doch, deine Füße sind verletzt, ich werde mich darum kümmern.“

Erst nachdem Blue sich auf eine der zierlichen Stühle gesetzt hatte, die eigentlich so gar nicht als Einrichtung in eine Holzhütte passten, nahm sie den Rest des Raumes wahr, in dem sie sich befanden.

Sie wusste nicht recht, ob dieser Raum einfach nur groß wirkte, oder ob es an der Einrichtung lag. Der zierliche Stuhl zum Beispiel, auf dem sie Platz genommen hatte, stand zusammen mit einem Weiteren an einem Tisch der aussah, als wäre er aus hellem Holz geschnitzt worden. In einer sehr eigenen Art reflektierten diese Einrichtungsgegenstände das Licht des Kronleuchters. Auch dieser wahr sehr ungewöhnlich.
Blue hatte schon oft gesehen wie man Feuer entfachte, um es auf etwas zu stecken das man hier Kerzen nannte, doch Kerzen wie sie schon kennenlernten, erleuchteten hier nicht den Raum. Es waren vielmehr Kugeln, die ein nicht flackerndes, fast so weißes Licht wie die Sonne, an besonders heißen Tagen, auf den Boden dieser Welt abgab. Ihr Blick glitt zum Bett, das aussah wie ein Boot. Eine kunterbunte Flickendecke hatte ihren Blick hier her gelenkt. Doch was ihren Blick regelrecht an dieses außergewöhnliche Stück in einer Wohnung fesselte, war die rote Lackierung des Holzes. Fast so als versuchte ihr Körper dieses rot zu imitieren, nahmen ihre rosigen Lippen ein etwas dunkleres Rot an. Das behielt sie auch bei, als sie zu ihrem Gegenüber blickte, der ihre Füße mit etwas umsorgte, was irgendwie flüssig und doch fest zu sein schien. Diese seltsam flüssige und feuchte, weiße Flüssigkeit schien regelrecht von ihrer Haut aufgesogen zu werden.
“Das ist auch so eine Sache, die ich hier lernen musste. Verletzungen und etwas, das man Schmerzen nennt. Da wo ich herkomme gibt es so etwas nicht, wir können uns nicht verletzten, doch ich fand diese Welt so interessant, da musste ich mich wohl auf etwas einlassen, das ihr einen Körper nennt. Wir haben nicht einmal eine Sprache, die musste ich hier auch lernen… aber jetzt erklär mir endlich, warum du einen Namen behältst, der dir weh tut? Den es klingt so als würde dir dieser Name Schmerzen verursachen.”

Die gelben Augen fingen kurz den Blick der Sprecherin ein.
“Keine Sprache?”, fragte ihr Gegenüber, in seiner Stimme schwang etwas wie Überraschung mit.
“Dafür redest du ziemlich viel, Lady Blue.”, stellte es dann doch etwas schmunzelnd fest.
//So, sie war also nicht von hier.//, dachte sich der etwas unfreiwillige Gastgeber. Sie war nicht einmal diese körperliche Welt gewohnt, in der sie gelandet war.

Ihre Wangen wurden rosig, sie legte kurz ihre Hände in ihr Gesicht, das nun ganz warm geworden war.
“Ja, ich weiß, aber ich finde eure Sprache toll, ich hoffe es stört dich nicht.”
Das Schmunzeln auf dem Gesicht, dass von allen Anderen als Fratze bezeichnet wurde, wurde für einen kurzen Moment etwas breiter. Doch dann blickte es wieder sehr ernst drein, als es sprach: “Alle nennen mich so, es ist auch nicht wirklich mein Name, es ist was ich bin. Ich bin ein Monster.”

Ein langsames nicken bewegte sich durch den zierlichen Hals, ließ den Kopf seines Gastes leicht vor und zurück schwingen.
“Was ist ein Monster?”, fragte sie dann. Eine tiefe Stille erfüllte den Raum bevor die Person die für ein Monster gehalten wurde, versuchte zu erklären, was das was: “Monster sind hässlich, grausam und sehr gefährlich.” Scheinbar waren das Worte die sie verstand, denn sie verlangte nicht eine nähere Erklärung dieser.

Sie betrachtete ihre Füße, die ihr Gegenüber in ein paar Kräuterwickeln eingeschlungen hatte, während sie geredet hatten.
“Aber wieso bist du den dann ein Monster? Du verhältst dich eher wie ein… mhh, wie nannten sie das noch einmal? Heiler! Einen Arzt, ach ja! Ein Doktor, genau!”, erklärte sie strahlend.
“Halt, das sind ja auch keine Namen, ein Doktor ist auch etwas wie ein Titel, genau wie dieses Lord und Lady, mmh… Doktor Monster.”, sagte sie und sah ihren Gegenüber an. Endlich war in ihrem Gesicht so etwas wie Ekel zu erkennen, angestrengt schien sie zu versuchen die Worte die sie ausgesprochen hatte weg zu schütteln, indem sie ihren Kopf so kräftig schüttelte, dass diese so seltsam glitzernden Haare regelrecht in alle Richtungen flogen.
“Nein, das klingt gar nicht nett, du hast vorhin gesagt, Andere geben einem seinen Namen. Wie hättest du mich den genannt?”, fragte sie stattdessen, und schien weiter über einen passenden Namen für ihren Gegenüber nachzudenken.

“Sternenkind.”, erwiderte es, ohne wirklich lange darüber nachdenken zu müssen: “… und ich hätte auch eine Frage. Woher kommst du eigentlich, kleines Sternenkind? Wie kann es sein, dass du etwas wie mich, nicht abstoßen findest? Gruselt dich mein Anblick den nicht?”
Das Monster hatte sich vom Boden erhoben, sich auf den zweiten Stuhl gesetzt, der an dem kleinen Tisch stand und so zum ersten Mal seit dem das Monster diesen geschaffen hatte, wirklich von ihm Gebrauch gemacht. Als sich Blue nachdenklich auf das Kinn tippte und dann daran herumstrich, musste der Gastgeber feststellen, dass seine Besucherin diese nachdenkliche Geste wohl von Jemanden gelernt haben musste und die diese auch noch nicht zu oft angewandt hatte.

“Woher? … nun, es gibt keine Worte in der Sprache die ihr hier sprecht, die beschreiben kann, woher ich komme oder was ich bin.”
Jetzt war es an der Reihe des Monsters ganz, ganz langsam zu nicken. Dann schaute sie wieder verdutzt in sein Gesicht.
“Was ist gruselt?”
Schon alleine die Tatsache, dass sein Gegenüber diese Frage in völlig falscher Grammatik stellte, sagte schon mehr als 1000 Worte, die man ihr sicherlich noch mit der Erklärung beibringen musste.

“Man sieht etwas, hört etwas oder spürt etwas, ein kribbeln erfüllt deine Haut, oder dir wird schlecht. Es ist, wie ein schlechter Geruch, der dein ganzes Wesen ausfüllt und obwohl du wegrennen willst, kann es durchaus sein, dass du wie ein Stein auf der Stelle stehen bleibst. Kurz gesagt man fühlt sich regelrecht krank, wenn es einem gruselt.”, versuchte er mit Worten zu erklären, was seine Besucherin scheinbar seit Ankunft in dieser Welt noch nicht miterlebt hatte.


Blue sah ihr Gegenüber an, als wartete sie auf weitere Erklärungen, dann untersuchte kurz ihre Arme, ob sich etwas tat, was sie verpasst haben könnte. Sie wartete noch eine Weile, untersuchte sich an verschiedenen Stellen des Körpers, mit ihren Blicken, oder einer leichten Berührung. Nachdem sie dies eine Zeitlang gemacht hatte, fragte sie: “Habe ich mich jetzt gegruselt?”

Das Monster konnte nicht mehr anders, und verfiel kurz in ein kleines Lachen, in das sich grunzende Laute mischten, aber dadurch nicht weniger sympathisch wirkte.
“Nein, ich glaube nicht.”, stellte es zwischen seinem Lachen kurz fest.
“Ha, das kenne ich, ich habe etwas WITZIGES gesagt und dich zum Lachen gebracht!”, rief sie freudig, um dann in etwas traurigeren Tonfall zuzugeben: “… aber was war jetzt eigentlich so witzig? Ich glaube, das habe ich noch nicht so ganz verstanden.”

Ihr Gegenüber schüttelte wieder zur Bestätigung den Kopf. Sie hatte wirklich nicht verstanden, dass ihr Versuch sich zu gruseln ein unmögliches Unterfangen war und damit mit großer Komik einherging.
“Du wirst es bestimmt irgendwann verstehen.”, versuchte er sie zu trösten, denn er glaubte kaum, dass eine Erklärung ihr wirklich weiterhelfen würde.
“Wie bist du nur bisher in dieser Welt zurechtgekommen?”, fragte er dann seinerseits dieses wissbegierige Wesen, welches es in seine Hütte verschlagen hatte.

“Ach, die Leute sind immer sehr nett zu mir, ich helfe ihnen etwas bei irgendetwas und man gibt mir etwas Brot, man hat mir Bäume und Büsche gezeigt an denen etwas essbares hängt. Diese zu ernten habe ich auch schon gelernt, auf meinen Wegen finde ich immer Flussläufe oder Quellen um etwas zu trinken und in den Dörfern kann man das Wasser aus einem Brunnen schöpfen! Man hat mich zwar auch schon mal nach einem Kubit gefragt, wenn ich irgendwo übernachten wollte, aber ich weiß gar nicht was das ist.”

Blues Gegenüber lehnte sich etwas mehr auf seinem Stuhl zurück, unbewusst zeigte er ihr die feinere Form eines Fingers der nachdenklich über ein Kinn strich.
“Kubit, das ist die Währung hier, etwas das so Manchen ziemlich unglücklich macht, seltsamerweise immer dann wenn sie ganz viel davon haben, während es Andere gibt die ganz wenige Kubit haben und sehr viel glücklicher sind.“

Das so nachdenklich auf die Brust gesackte Kinn wurde wieder angehoben, als das Sternenkind fragte: “Wäääährung. Wozu braucht man das?“

Die Art wie es das scheinbar, für sie, neue Wort gebraucht hatte, erklärte schon eine Menge und sagte eigentlich nur eins. Noch nicht ein Kubit war in ihre Hände gelangt.
“Es ist ein Wert mit denen Dinge bemessen werden, du kannst mit einem Korb voller Früchte in eine Stadt gehen und diese tauschen. Du gibst einen Apfel…”, meinte Blues Gastgeber und griff in eine Schüssel, die auf den Tisch stand. Das rotgoldene benannte Obst wurde hochgenommen, dann griff es mit der selben Hand geschickt nach einer anderen Frucht, die fast genauso groß war, nur das sie eher grün wirkte: “… und bekommst als Tausch eine Birne, sie haben ungefähr den gleichen Wert, den sie wachsen fast zur gleichen Jahreszeit.Hast du so etwas aber zu einer Jahreszeit, in der diese Früchte nicht wachsen, kann es sein, dass du dafür etwas wertvolleres bekommst. Brot zum Beispiel, für diese Fälle kann es auch sein, dass dir Jemand etwas von unserer Währung gibt, weil er nichts angemessenes zum tauschen hat.”
Bei diesen Worten nahm der Sprecher ein Tuch von einem Leib Brot.

Blue hatte nicht genau verfolgt, ob dieses Brot schon vorher auf dem Tisch gewesen war. Der frische Duft stieg sofort auf und allen Anwesenden in die Nase, danach hörte man ein gefährliches knurren. Verwirrt schaute Blue in die Richtung, aus der es gekommen war, es war ihr eigener Magen gewesen.
“Was war das?”, fragte sie und rieb mit der Hand über ihren Bauch.

“Hörte sich für mich an, als hättest du Hunger, hattest du den noch nie Hunger?”, fragte das Monster überrascht.

Die junge Frau legte den Kopf zur Seite, als ihr Magen ein weiteres Mal knurrte. Sie schien sich, in dem für sie völlig unbekannten Geräusch, eine Weile zu verlieren.
“Nein, ich glaube nicht… immer wenn ich Jemandem geholfen habe, wurde ich gefragt, ob ich hungrig bin. Nie habe ich wirklich verstanden, was es bedeutet. Ich habe mit den Leuten gegessen und getrunken, weil es alle getan haben.”, erklärte sie mit einem versonnen Lächeln und dachte offensichtlich an eine Menge äußerst freundlicher Menschen denen sie begegnet war.

„Du bist mehr oder weniger in mein Heim geplatzt.“, meinte das Monster zu ihr und klang dabei sogar unfreundlich. Doch dann schüttelte es den Kopf und meinte etwas einladender: „Aber ich will kein schlechter Gastgeber sein. Lady Blue, iss und trink mit mir.“
Nach diesen Worten stand er auf und holte ein Leib Käse aus einem Nebenraum.

So schöne Messer wie die, die sie von ihrem Gastgeber gereicht bekam und so makellose Teller, hatte Blue noch nie auf ihrer ganzen Reise gesehen. Schweigend aßen und tranken sie. Erst als sich dieses seltsame Gefühl in ihrem Bauch legte, hörte Blue auf zu essen.
„Vielen Dank. Das Brot war sehr gut. Machst du es selbst?“

Die gelben Augen musterten sie kurz.
„Ja, wie ich alles hier in diesem Haus selbst gemacht habe.“, erklärte er.

Blue nahm den Teller hoch, von dem sie gegessen hatte.
„Selbst das hier?“, fragte sie voller Staunen.

Das Monster nickte kurz, es lächelte. Er musste sich selbst eingestehen. So oft wie in der Gegenwart dieses höchst merkwürdigen Wesens, hatte er noch nie gelächelt.
„Ich zeige dir wie.“, meinte er, verließ kurz die Hütte und kam mit ein paar Ästen, Blättern und etwas Moos zurück.

Blue schaute auf die behaarten Hände, die einen der Äste griff, sie störte sich nicht an den gelben Fingernägeln, die scheinbar über das Holz kratzen. Staunend verfolgte sie wie diese tierisch anmutenden Hände mit der haselnussbraunen Behaarung aus dem Ast etwas Neues zu schaffen schienen.
Eine feine weiße Struktur entstand, sie wirkte verschlungen wie manche Pflanzen, die an den Bäumen hinaufkletterten. Ohne Unterlass, nahm das Monster einen weiteren Ast auf und fügte es diesem filigranen Schlingengeflecht hinzu. Der Rahmen eines Bettes war entstanden, als der letzte Ast verarbeitet worden war. Aus dem Moos entstand Lager und Bettzeug, zu guter Letzt entstand ein Vorhang über dem Bett so fein, als habe es eine Spinne hergestellt und dennoch war es undurchsichtig wie dickster Nebel.

Während Blue noch vor lauter staunen über dass, was ihr Gegenüber getan hatte, nach Worte rang, meinte dieser: „Du kannst heute Nacht hier schlafen und morgen ziehst du weiter.“
Es war mehr ein Befehl, als eine Bitte.

Doch Blue verstand es nicht.
„Wie hast du das gemacht?“, fragte sie.

Das Monster wurde aus seinem Konzept gerissen, es hatte nicht erwartet, dass Blue nach dieser eindeutigen und ziemlich unfreundlichen Ansage überhaupt noch mit ihm sprechen wollte.
„Es ist einfacher als mit der Währung.“, meinte er, sah sie eine weile Verständnislos an und setzte dann hinterdrein: „Du müsstest eigentlich am besten Wissen, ein Wesen das aus dem Nichts kommt und dann einen Körper hat. Dein Körper ist doch auch vorher etwas gewesen, oder?“

Doch das fragende Gesicht der jungen Frau sprach mehr, als es ihre Worte tun konnten, es war als wollte man ein Neugeborenes fragen, woher es kam. Das Monster konnte nicht anders, als das Sternkind gütig anzulächeln, das so angestrengt darüber nachdachte, woher der Körper kam in dem ein scheinbar so fiel klügerer Geist steckte.
„Alles, einfach Alles, was dich umgibt, besteht aus winzigen Bruchstücken, die sich zu eben den Dingen zusammengesetzt haben, die du siehst. Ich nehme nur diese winzigen Bruchstücke mit meinen Händen und ordne sie neu an, sie verändern sich dadurch nicht. Ich stelle diese kleinen Bruchstücke in neue Reihen und Ketten, in denen sie verbunden sind. Manchmal werden diese Ketten länger oder kürzer, aber sonst ändert sich an ihnen nicht viel. Doch ihr Aussehen verändert sich dadurch. Jetzt sehen sie aus wie ein Stuhl aus feinem Marmor, dann wie ein Kleid aus feinster Seide oder eben ein Bettgestell aus feinstem Holz.“

Blue blickte an sich hinab, auch wenn ihre Worte wie eine Feststellung formuliert schienen, klang es doch mehr wie eine Frage: „Dann habe ich also viele Bruchstücke genommen, dann entstand dieser Körper in dem ich mich jetzt bewege. Interessant…“
Dann blickte sie wieder auf den anderen, nachdenklich hatte sie an die Decke geblickt, während ihr scheinbar verschiedene Gedanken durch den Kopf gingen.
„Kannst du auch Dinge einfach aus der Luft machen?“, fragte sie.

Ihr Gesprächspartner konnte nicht anders. Ein Grunzen, gefolgt von einem kleinem Lachen ertönte.
„Nein, Lady Blue, in der Luft und selbst im Wasser sind zu wenig dieser Bruchstücke, um daraus irgendeinen Gegenstand zu formen, ich könnte das Wasser sozusagen in Luft verwandeln… aber was hätte ich davon?“

Die violetten Augen des Sternenkindes waren auf den Redner fixiert, brennende Neugier strahlte regelrecht aus ihnen heraus.
„Du kannst also die Bruchstücke noch kleiner machen?“, fragte sie aufgrund seiner Beschreibung, er könne Wasser zu Luft werden lassen.

Die kleine war gar nicht so dumm, das musste das Monster ihr zugestehen. Sie hatte jedoch eine Kleinigkeit falsch verstanden.
„Nein, mein Kind…“, murmelte es gütig und sah sie ernst an.
„… eins dieser Bruchstücke zu zerbrechen hat verheerende Folgen. Die Bruchstücke die ich nicht brauche, wenn ich etwas neues mit ihnen schaffe… nun, du kannst dir gern vorstellen, das sie zu Staub werden und zu Boden rieseln, als Spur meiner getanen Arbeit… aber wenn man es genau nimmt, werden sie mit der Luft eins.“
Nachdenklich strich sich das Monster durch seine verstrubbelten braunen Haare auf dem Kopf.

Blues Neugier schien für das Erste gestillt. Sie hatte vor sich hin geflüstert, wie faszinierend das Alles war und schien jetzt jede Einzelheit in seiner Hütte mit ganz neuen Augen zu sehen. Mit Augen, denen es nach jedem Blinzeln ein bisschen schwerer fiel, sie wirklich offen zu halten.

„Wahrscheinlich warst du auch noch nie wirklich müde, sondern bist nur schlafen gegangen, weil es die Anderen gemacht oder dir gesagt haben.“, stellte ihr Gastgeber fest.

Sie blickte lächelnd zu ihm auf, da er vom Tisch aufgestanden war, um die gebrauchten Gegenstände ab zu räumen.
„Woher weißt du das?“, fragte sie.

Er lachte nur wieder mit einem kleinen Grunzen.
„Wenn man es genau nimmt, hast du es mir erzählt. Bereite dich für die Schlafenszeit vor, denn auch ich möchte bald schlafen.“
Er räumte weiter ab, während Blue nach einem Platz fragte, wo sie sich waschen konnte.

Nach einer ereignislosen Nacht, folgte ein ruhiger Morgen mit einem ausgiebigen Frühstück. Das Monster bemerkte, dass Blue nachdenklich wirkte. Doch sie sprach nicht, als sie sich erhob, nachdem sie ihre genommene Portion aufgegessen und aus getrunken hatte.

„Ich habe etwas für dich hergestellt, man nennt es Schuhe.“

Blue nahm die kleine Kiste aus den bekrallten Händen ihres Gegenübers. Ihre Augen wirkten erst etwas fragend. Dann machte sie den Deckel auf und strahlte.

Ja, er sah, dass dieses seltsame glitzern auf ihren Haaren regelrecht leuchtete.

„Die sind wundervoll. Vielen, vielen Dank!“, meinte sie überschwänglich und nahm die Stiefel aus ihrem Karton. Sie stellte sie zwar auf den Boden und setzte sich auf einen der Stühle, dennoch blickte sie etwas überfordert auf die für sie neuen Kleidungsstücke.

Das Monster nahm einen der flachen Stiefel auf.
„Um genau zu sein, in dieser Form nennen sie sich Stiefel, aber pass auf, du kannst sie auch als Halbschuhe tragen.“
Er machte es ihr vor. Ein paar Knöpfe hielten das Leder, das die Unterschenkel vor solchen Verletzungen schützen sollten, wie denen mit dem sie in sein Haus gekommen waren.

Blue ließ ihren Fuß in den so vorbereiteten Schuh gleiten.
„Er passt wundervoll.“, bemerkte sie gleich. Breit lächelnd fügte sie hinzu: „Ich liebe diese Farbe.“

Das Monster nickte leicht.
„Das ist mir aufgefallen…“, murrte es und blickte zu seinem Bett dessen rote Farbe Vorbild für diese Schuhe gewesen war.
„Damit du diese Stücke nicht verlierst, falls du sie nicht trägst, habe ich dir auch noch eine Tasche gemacht in denen du sie transportieren kannst. Man trägt sie auf den Rücken.“

Blue blickte auf die Tasche die ihr Gegenüber ihr zeigte. Dann glitt ihr Fuß wieder aus dem Schuh.
„Du bist so großzügig zu mir, vom ersten Moment an, seit dem ich hier eingetreten bin. Bisher habe ich immer nur etwas bekommen, wenn ich etwas gegeben habe. Doch hier konnte ich Nichts geben, nicht helfen. Diese Dinge die du mir schenkst, habe ich mir mit Nichts, was ich getan habe, verdient.“ (Toll!)

Die gelben Augen des Monsters sahen das jung scheinende Wesen in seinem Esszimmer überrascht an.
„Du warst nett zu mir, du hast mich nicht angestarrt, wie es die Anderen tun. Nimm meine Geschenke als Dank dafür.“
Der Ausdruck der sich dann auf Blue´s Gesicht legte ließ das Monster für einen Moment glauben, er habe sein Gegenüber falsch eingeschätzt. Ein verwegener Ausdruck lag auf diesen so hübschen Gesicht, der fast schon glauben ließ, dass sie etwas Böses vorhatte.

„Ich tue etwas für dich, ich beweise dir, dass nicht alle Leute auf dieser Welt so sind wie die, die du hier kennen gelernt hast. Du musst nur mit mir kommen. Begleite mich und sieh dir diese schöne, wundervolle Welt mit mir an und bereichere sie mit deinen Geschenken.“ (Klasse!)

Tief zweifelnd fragte das Monster noch einmal nach. „Du, willst mich, bei dir haben?“

Doch sie nickte so kräftig das einzelne Strähnen ihres dunkelblauen Haars hervor und zurück geschleudert wurden, dass wie die Wellen des Meeres aussahen.

„Die Leute werden mich woanders, wegen meinem Aussehen genauso fürchten wie die Leute hier.“, entgegnete er.

„Aber nein, wieso das den? Ich habe viel außergewöhnlichere Wesen, als dich auf meiner bisherigen Reise kennengelernt.“, entgegnete Blue ganz ehrlich.

Das Monster bemerkte sofort, dass sie nicht log, über sein Aussehen was doch nicht so außergewöhnlich zu sein schien, wie die Menschen in dem Dorf ihm einreden wollten. Doch sofort meldeten sich seine Zweifel wieder.
„Sie werden mich nicht verstehen.“, versuchte es ein Gegenargument zu finden.

„Aber wieso das den nicht, du sprichst doch sehr deutlich.“, behauptete Blue mit einem leicht verwirrten Gesichtsausdruck.

Er blickte das Sternenkind zweifelnd an, sie hatte offensichtlich nicht verstanden, was er mit dieser Aussage eigentlich gemeint hatte. Allerdings glaubte er auch nicht, wenn er es ihr erklärte, dass es seine Situation verbesserte. Im Gegenteil, wenn er ihr jetzt erklärte, was sie selbst nicht verstanden hatte, dann würde sie argumentieren, dass er aber sehr gut erklären könnte, was er meinte.
„Mag sein, dass es auf dieser Welt sehr verschiedene Wesen gibt, doch ich werde immer anders, als alle Anderen sein.“

Eine Weile herrschte Stille in der Hütte, das Wesen, dass sich selbst in diese Welt hineingeboren hatte, schienen die Argumente ausgegangen zu sein. Doch dann nickte es ganz langsam.
„Ich weiß was du meinst, aber ich habe auf meiner bisherigen Reise auch schon erfahren, dass es selbst in einer Gruppe, in der Alle gleich aussahen, gleich sprachen, Einen gab, der so ganz anders war als die Anderen. Einmalig unter vielen zu sein, soll doch kein Grund sein, sich zu verstecken.“
Ihre schmale Hand streckte sich nach dem Anderen aus.
„Komm mit mir, ich lasse nicht zu, dass Jemand zu dir gemein ist. Gemeinsam reisen macht einfach viel mehr Spaß.“

Furcht und Neugier liefen durch die Gedanken des Monsters, als es die schmale Hand sah, die sich ihm entgegenstreckte, als Angebot für neue Abenteuer.
„Ich glaube eher, dass ich auf dich aufpassen muss…“, meinte es, nachdem es diese so unbehaarte Hand in seiner eigenen spürte.

Blue und das Monster packten gemeinsam, jetzt war Blue auch bereit die Schuhe als Geschenk anzunehmen. Sie zog sie als Stiefel an, war so geschützt vor den scharfen Krallen des Unterholzes. Sie liefen mit voller Absicht nicht in die Richtung, in der das Dorf lag, welches der ehemalige Bewohner dieses Waldes kannte. Bald kamen sie an den Waldrand. Als das Rot der Abendsonne sich auf die Felder und Wiesen vor ihnen legte, verstand er, was Blue mit der Schönheit der Welt meinte.

„Es gibt so viel zu sehen… da lang!“, rief Blue freudig und lief bereits die Anhöhe hinab auf der sie gestanden hatten.

 

Hallo Lady Blue,

war Deine erste Geschichte sehr kurz geraten, so ist diese sehr lang - um nicht zu sagen zu lang.
Die Idee -zwei Wesen aus verschiedenen Welten treffen sich, lassen sich aufeinander ein und können sich dadurch entwickeln, gefällt mir. Die kleinen Fehlerchen werde ich nicht auflisten. Schwierigkeiten hatte ich vor allem mit der Umständlichkeit (?) des Textes. Ich musste öfter innehalten und nachdenken, was Du meinst. Gewiss erfordert die Konstellation Erklärungen, aber zwischen den kurzen Sätzen in wärtlicher Rede folgen immer wieder lange Erklärungen - kann man diese nicht auch in wörtliche Rede transferieren? Zum Beispiel am Ende Deiner Geschichte:

Er blickte das Sternenkind zweifelnd an, sie hatte offensichtlich nicht verstanden, was er mit dieser Aussage eigentlich gemeint hatte. Allerdings glaubte er auch nicht, wenn er es ihr erklärte, dass es seine Situation verbesserte. Im Gegenteil, wenn er ihr jetzt erklärte, was sie selbst nicht verstanden hatte, dann würde sie argumentieren, dass er aber sehr gut erklären könnte, was er meinte.
Das ist beinahe eine eigene Geschichte in der Geschichte und - muss diese Erklärung sein, ist das Nachfolgende Ergebnis dieser Überlegungen oder führen uns diese Gedanken in die Irre? Ich bin ein wenig ratlos.

LG

Jo

 

Hallo Jo,

vielleicht habe ich mich zu sehr von Stephan King beeinflussen lassen, der gerne auch innerhalb einer Geschichte oder Situation gerne abschweift in eine ganz andere Situation.

Um bei deinem gewähltem Beispiel zu bleiben: Das Monster hat Lady Blue sehr schnell durchschaut, zumindest glaubt er das. Blue schafft es mit ihrer sehr kindlichen Ader einen festgefahrenden Denkprozess ihres Gegenübers zu lockern. Sie schafft es das dieser nicht denkt, dass sie schlecht über ihn denkt.

Ich möchte eigentlich klar stellen, dass das Monster einen falschen Gedanken den es sehr lange über sich gedacht hat ablegt.

Zumindestens wurden jetzt meine Gedanken angeregt, sich vielleicht noch andere Formulierungen auszudenken. Aber dann geht das wieder los mit meiner Gramatik... noch so viel zu lernen ich hab. ;)

Danke, Merle

 

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