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Land der Träume

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11.10.2001
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Land der Träume

Der helle Volvo bog von der einsamen Landstraße auf einen keinen Waldweg ein, traf mit dem Vorderreifen eine Pfütze und brauner Schlamm spritzte an der Beifahrertür hoch. Hinter ihm fuhr ein kleiner Mercedes, der daraufhin sofort seine Geschwindigkeit drosselte und etwas umständlich dem Matsch auswich. “Ihh, Pete, das ist ja furchtbar hier!“ Der spitze Ausruf seiner Frau riß ihn aus seinen Gedanken. “Also Helen, wir hatten uns doch geeinigt. Wir haben dein Haus angesehen, nun ist meines dran.“
“Ja, aber ich weiß nicht, weit und breit nur noch Kühe und Dreck! Soll ich etwa den ganzen Tag in Gummistiefeln herumlaufen? Und dieses Geholpere! Hier gibt es keine anständigen Straßen.“ “Schatz, bitte, hör auf damit. Wir könnten ja später einen Geländewagen für Dich dazu kaufen. Du brauchst sowieso einen neuen Wagen.“
Helen starrte ihren Mann mit zusammengekniffenen Lippen an. “Einen Geländewagen. So siehst Du mich also. Du bist wirklich unmöglich. Soll ich mich etwa mit solch einem Panzer auf der Kunstausstellung blicken lassen?“
“Nun laß uns doch erst einmal das Objekt ansehen.“ Pete lenkte den Mercedes auf die große Auffahrt, der weiße Kies antwortete dem schweren Gefährt mit einem leisen Knirschen. “Helen, schau Dir das an!“ Vor dem, in dieser Landschaft riesig wirkendem Wohnhaus umringt von alten, mächtigen Eichen, wirkte der davor parkende Volvo des Maklers fast wie ein Modell aus einem Bausatz. Sein Fahrer, der neben ihm auf seine Klienten wartete, ging vor dieser gewaltigen Kulisse fast unter.
Efeu rankte rechts und links am Gebäude bis zum Giebel hinauf. Der alte Fachwerkbau mutete fast majestätisch an mit seinen breiten schwarzen Balken zwischen dem weiß getünchten Mauerwerk.
Pete hielt vor dem großzügig bebauten, und überdachten Unterstellplatz für vier Fahrzeuge an, und sprang überwältigt in einem Satz aus seinem Sitz. “Helen nun sieh dir das doch bloß mal an! Das ist ja kaum zu glauben!“
“Na? Habe ich Ihnen zu viel versprochen?“ Der Makler ging lächelnd auf den Mittvierziger zu, der sich gebärdete wie ein kleines Kind, dem unter dem Weihnachtsbaum sein größter Wunsch erfüllt worden war.
“Nein, das haben Sie nicht!“ Aufgeregt lief Pete von einer Ecke des Hauses zur anderen und verschwand kurz darauf im großzügig angelegten Garten. Seine Frau stieg eher bedächtig aus dem Wagen, um mit ihren Pfennigabsätzen sicheren Halt im Kies zu finden. “Naja, also so toll ist es nun auch nicht. Und wer weiß, wie es drinnen aussieht. Herr Jannek, können wir uns bitte ein wenig beeilen? In zwei Stunden habe ich einen Termin in der Stadt.“ Helen bog ihren Oberkörper in eine Schräglage, als wollte sie hinter die Hausecke schielen, hinter der ihr Mann vor einigen Minuten verschwunden war. “Pete! Komm endlich!“ Der Makler wandte sich ihr zu und lächelte sie freundlich an. “Selbstverständlich, in einer Stunde sollten wir es geschafft haben. Bitte folgen Sie mir.“

Die riesige Eingangshalle lud zum Verweilen ein. Große Gemälde in freundlichen Farben harmonierten mit den warmen Naturtönen mit denen Wände und Decken des gesamten Hauses gestrichen waren. Die Stufen der breiten, geschwungene Treppe nach oben waren aus echtem Holz, und viele Grünpflanzen, deren Blätter Schatten im Raum tanzen ließen, wenn die Sonne durch die Fenster einfiel, rundeten das Bild ab. Ein Meister mußte hier am Werk gewesen sein.
Pete, der hinter den beiden eintrat blickte sich mit großen Augen um. Nachdem alle gemeinsam jedes einzelne Zimmer durchstreift hatten und ihren Rundgang schließlich in der Küche beendeten, wirkte er plötzlich etwas nachdenklich. Dem Makler, der gerade dabei war, die Vorzüge der voll ausgestatteten Küche zu erläutern fiel er ins Wort: “Okay, wo ist der Haken?“
Jannek blickte auf. “Der Haken?“ “Ja, da muß doch einer sein. Wie kann ein solches Objekt zu einem so günstigen Preis angeboten werden? Der Vorbesitzer würde doch sicher große Verluste machen?“
“Ich versichere Ihnen, es gibt hierbei keinen Haken,“ etwas amüsiert bot der Makler den beiden einen Sitzplatz an, wurde dann jedoch etwas ernster und fuhr fort: “es verhält sich lediglich so, daß mein Auftraggeber schnellstmöglich verkaufen möchte. Wenn Sie beide ernsthaft interessiert sind, bin ich berechtigt, wenn Sie wollen, Ihnen den Sachverhalt zu erklären.“
“Wir sind ernsthaft interessiert.“ “Pete!“ Helen strafte ihren Mann mit einem gehässigen Blick. “Wie kannst du das sagen? Du hast mich nicht einmal gefragt! Willst du mir wirklich zumuten in dieser Einöde zu leben? Nur weil ich fünfzehn Jahre jünger bin mußt du nicht denken du könntest über meinem Kopf hinweg Entscheidungen treffen, ich bin schließlich kein Kind mehr!“ Beleidigt ging ihr Blick durch die Fensterfront hinaus in den Garten.
Mit leichtem Unbehagen Zeuge eines Familienstreits geworden zu sein, bot Jannek an die beiden kurz allein zu lassen und verließ den Raum.
“Wirklich Schatz,“ versuchte Pete seine Frau zu beschwichtigen, “seitdem wir letztes Jahr geheiratet haben, hast du doch alles von mir bekommen, ich habe dir jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Wir haben alles so gemacht, wie du es wolltest. Bitte, tu mir doch den Gefallen. Soetwas war schon immer mein Traum, und wir haben uns doch auch über Kinder unterhalten. Du wolltest doch auch welche. Meinst du nicht, dies wäre der ideale Ort um sie groß zu ziehen? Wir bräuchten keine Angst zu haben sie draußen spielen zu lassen und...“ “Ja, ist ja gut. Es tut mir leid. Du hättest mich aber zumindest fragen können.“ Pete stand auf und nahm seine Frau in den Arm. “Du bist also einverstanden?“ Helen nahm seine Hand. “Aber ich suche das Auto aus!“

Der Kaufvertrag lag unterschrieben auf dem Tisch. “Sie werden es nicht bereuen!“ Jannek war erfreut den Abschuß so schnell getätigt zu haben. “Wenn Sie sich entschieden haben wie Sie mit den zwei Hektar Weide- und Ackerland verfahren wollen, lassen Sie es mich bitte wissen. Ich kenne ortsansässige Landwirte, die interessiert wären, wenn Sie es nicht selber nutzen wollen. Aber Sie haben nichts zu verlieren und könnten selbst versuchen etwas anzubauen. Korn soll hier sehr gut gedeihen. Die Landmaschinen stehen noch hinten in den Schuppen, müßten alle noch funktionstüchtig sein. Wissen Sie, Sie stehen hier auf dem Land Ihrer Träume, glauben Sie mir. Ihr Vorbesitzer sagte mir, alle seine Wünsche seien hier in Erfüllung gegangen. Er und seine Familie waren hier immer glücklich und Sie können ja sehen, was sie sich hier erschaffen haben.“
“Aber warum zogen sie dann fort?“ Pete konnte diese Entscheidung nicht ganz nachvollziehen.
“Nun,“ entgegnete Jannek, “Sie wissen, in jeder Familie gibt es ab und zu Meinungsverschiedenheiten. Vielleicht haben sie sich auseinandergelebt, niemand weiß es genau, es wird in der Gegend nur spekuliert. Mein Auftraggeber sagte mir nur soviel: seine älteste Tochter, ich glaube sie war sechzehn, ist Hals über Kopf verschwunden, es ging ein Streit mit den Eltern voraus und am nächsten Morgen war sie weg. Ist wohl ausgerissen.
Tja, und nach ein paar Wochen, verließ ihn seine Frau, hat sich heimlich in der Nacht davongeschlichen, sie muß den Taxifahrer sogar angewiesen haben dort hinten an der Landstraße zu warten, ihr Mann hatte überhaupt nichts davon mitbekommen.“
“Sowas!“ Helen wirkte bestürtzt. “Und schließlich,“ fuhr Jannek fort, “fühlte sich dieser arme Mann hier nicht mehr wohl. Er sagte nur, es sei das Traumhaus seiner Frau gewesen, zu viele Erinnerungen, Sie verstehen? Er möchte natürlich schnellstmöglich einen neuen Anfang machen. Er sagte nur noch, man sollte vorsichtig mit dem sein, was man sich alles wünscht, alles Gute habe auch seine Schattenseite.“

Der Möbelwagen verließ die Auffahrt. Pete und Helen standen vor ihrem neuen Eigenheim und betrachteten zufrieden die vollendete Kulisse.
Zwei Wochen waren vergangen, nachdem sie ein wenig bedrückt von der Geschichte, die ihnen der Makler erzählt hatte als neue Besitzer zurück in die Stadt zurückgefahren waren, um alles Weitere zu regeln.
“Darf ich dich über die Schwelle tragen?“ Pete nahm seine gutgelaunte Frau auf die Arme und trug sie hinein. “So mein Schatz, nun muß ich aber arbeiten.“ Er setzte Helen in der Eingangshalle ab und verschwand in seinem Büro. Verdutzt sah die junge Frau ihrem Gatten hinterher und ging dann in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten.

“Weißt du, heute hat alles geklappt!“ Euphorisch grinste Pete über dem romantisch gedeckten Tisch zu seiner Frau hinüber. “Ich habe mir heute auch die Traktoren angesehen, die Dinger laufen tatsächlich! Ich wünschte, ich könnte lernen mit denen umzugehen. Vielleicht kann ich uns wirklich hier etwas aufbauen? Aber weißt du, du hast schon Mal besser gekocht. Naja, auf jeden Fall Ist der Job erledigt, jetzt kann ich diesem fetten, großmäuligen Schwein von Chef endlich mal zeigen, daß ich doch was auf dem Kasten habe!“ Helen schaute ihren Mann verwirrt an, zog es aber vor nichts zu sagen.

Der Herbst zog ins Land.

Pete arbeitete immer mehr im Garten und am Haus. Er hatte sein Talent als Landwirt entdeckt und bestellte seine Felder mit großem Erfolg, die Ernte würde sehr gut ausfallen. Alle Arbeiten schienen ihm wie ein Leichtes von der Hand zu gehen. Auch im Beruf lief es gut für ihn, er konnte von zu Hause aus arbeiten, und fuhr deshalb nur noch selten in die Stadt. Es begann sich für ihn zu entwickeln, wie er es sich gewünscht hatte.
An dem Tag, an dem er merkte, daß hier etwas Ungewöhnliches vorging, schnitt er einige Obstbäume zurecht, als Helen ihm eine Tasse Kaffee hinaus brachte. Sie bemerkte die zunehmend gereizte Stimmung ihres Mannes, hatte sich jedoch schnell angewöhnt ihn darauf nicht mehr anzusprechen. Jedes Mal, wenn sie es versuchte, sagte er forsch: “Ich wünschte, Du würdest dich mehr um deinen Kram kümmern, und die Klappe halten! Dein ewiges Genörgel geht mir langsam auf die Nerven!“
So versuchte sie eigene Interessen zu finden und beschäftigte sich wieder mehr mit ihrer Kunst. Früher war sie Malerin, und sehr gefragt, hatte es jedoch nach der Heirat vorerst aufgegeben, um sich ganz dem Familienleben zu widmen.
“Also weißt du,“ zischte er sie unzufrieden an, “sieh mal dort hinten, irgendwie fehlt da noch was. Das ist so unregelmäßig! Ich wünschte da stünde noch eine Hecke oder sowas! Du könntest mir ruhig mal helfen, ich schufte den ganzen Tag wie ein Tier und du pinselst diese albernen Kleksereien. Denkst du wirklich dafür interessiert sich auch nur ein Schwein?“
Gekränkt nahm sie die leere Tasse entgegen und beschloß etwas in der Gegend herumzufahren. Das neue Auto hatte sie sich letzten Monat gekauft, sie war allein zum Gebrauchtwagenhändler gefahren, nachdem Pete spöttisch die Einladung sie zu begleiten abgelehnt hatte, man könne ihr sowieso nichts recht machen, und sie hatte sich tatsächlich zu einem Geländewagen hinreißen lassen.
Als Pete am Abend mit der Arbeit an den Bäumen fertig war und seine Geräte in den Schuppen brachte, bemerkte er, als er unzufrieden auf die vorher leere Stelle im Garten schaute, daß dort kleine Büsche aus dem Boden wuchsen und eine dünne Hecke zu bilden begannen.
“Hele...!“ der Ruf brach abrupt ab.
Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, mit denen er noch einmal die zarten Pflanzen begutachtete. Mit einem zufriedenen Grinsen schlich er, wie eine Katze, die einen Vogel erbeutet hatte und ihn vor anderen hungrigen Mäulern in Sicherheit brachte, zurück ins Haus.
Von jetzt an geschahen immer merkwürdigere Dinge. In den nächsten Wochen veränderten sich praktisch über Nacht Gegenstände im Haus, wovon Helen zuerst annahm, Pete hätte sie gekauft, oder daran herumgewerkelt. Doch er verließ ja kaum noch das Grundstück, wie hätte er einkaufen sollen? Und nie waren Arbeitsmaterialien aufgefallen, die im Haus herumlagen, noch roch es nach frischer Farbe, als sich die Treppe plötzlich in neuem Design präsentierte. Auf dem Grundstück blühten immer mehr exotische Pflanzen und anstatt daß die Bäume ihre Blätter fallen ließen sprossen ihnen neue Triebe.
Helen fühlte sich einsam, war ihr Mann nur noch damit beschäftigt seine Zeit auf den Feldern und im Garten zu verbringen. Er fuhr eine grandiose Ernte ein, die er für guts Geld verkaufte.
Ihre Hausarbeit fiel ihr zunehmend schwerer. Nichts wollte ihr mehr gelingen. Traurig beschloß sie sich ein Zimmer in der Stadt zu nehmen, um einige Tage nachzudenken und den Mut und die richtigen Worte zu finden mit Pete über diese beunruhigenden Dinge zu sprechen.

Als sie wie jeden Tag zum Postamt fuhr, um nachzusehen, ob neue Angebote von Kunstgalerien angekommen waren und im dort Fach bereitlägen, kehrte sie nicht nach Hause zurück. Sie war sicher, Pete würde ihr Fernbleiben nicht einmal bemerken.

Helen saß auf ihrem Bett in “Meyer´s Pension“. “Ja Mama, ich weiß, aber Pete hat sich wirklich verändert. Du ahnst ja nicht, wie schlimm es ist.“ Den Hörer des alten schwarzen Telefons an ihr Ohr gepreßt, wickelte sie seine Schnur nervös mit ihrem Finger auf und ab.
“Mein Liebling,“ kam aus der Hörmuschel, “es mag sein, daß ihr momentan nicht so gut zurecht kommt, aber es gibt nicht nur die Sonnenseite. Dein Vater und ich haben schon so manches durchmachen müssen, das weißt du. Laß ihm etwas Zeit. Sicher hat er beruflich viel zu tun. Sein neuer Posten verlangt nun etwas mehr als früher. Ich habe es dir gesagt, doch du wolltest ja unbedingt heiraten anstatt hier mit uns das Geschäft aufzubauen. Nun beruhige dich erst einmal und dann sprich mit ihm.“
“Ja aber,...“ Helen brachte den Satz nicht zu Ende, der Gedanke, daß ihre Mutter sie für verrückt erklärte, wenn sie ihr sagte, was sich alles am Haus verändert hatte, ließ sie verstummen.
“Vielleicht hast du recht,“ brachte sie statt dessen heraus, “ich werde mit ihm sprechen.“ “Das ist schön, Liebling. Nun lege dich hin und schlaf dich aus, morgen sieht alles ganz anders aus. Bis bald!“ “Ja, bis bald.“

Nach einigen Tagen, die sie entspannt in dem Städtchen verbracht hatte nahm Helen ihren Mut zusammen und fuhr mit einem beklommenen Gefühl die Einfahrt zum Grundstück hoch. Es fing bereits zu dämmern an und einer der letzten Herbststürme kam auf. Sie sah Pete tief gebeugt im Kies vor dem Haus graben. “Ah, mein Schätzchen!“ begrüßte er sie als sie aus dem Wagen stieg ohne von seiner Arbeit aufzublicken, “hier kommt das Fundament hin, und wenn das erstmal fertig ist, du wirst staunen, alle werden staunen!“ Sein gackerndes Lachen ließ Helen´s Bauch kribbeln. “Leider muß ich immer noch was selber machen, alles geht hier nicht alleine. Aber wirst schon sehen..., wirst schon sehen...!“ krähte er sie an. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter.
“Pete,“ sie machte einen Schritt auf ihn zu, “Pete, ich möchte kurz mit dir reden.“ “Bleib da stehen, ich wünsche, daß du da stehen bleibst, du bringst ja alles durcheinander!“ Wild buddelte er Erde aus dem Loch heraus. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Ihre Beine waren plötzlich wie aus Blei. “Oh, Helen, sieh! Ich habe den Kies ganz schmutzig gemacht.“ Sein irres Gekicher schallte zwischen den Bäumen wider. “Du magst es ja nicht, wenn es dreckig ist, nicht war? Na dann will ich mal nicht so sein.“ Kräftig und gebieterisch erhob er die Stimme: “Ich wünsche, daß mein Kies wieder sauber ist!“ Was nun geschah konnte Helen nicht glauben, obwohl sie es mit ihren eigenen Augen sah. Die Erde, die gerade noch naß und zerbröselt zwischen den Steinen klebte verband sich zu kleinen Rinnsalen, um dann im Boden zu versickern.
Fassungslos starrte sie ihrem Mann an. Nein. Dies war nicht mehr ihr Mann. Als er sich zu ihr umdrehte stieß Helen erschrocken einen Schrei aus, der als Echo von der Hauswand zurückkam. Sein Gesicht hatte sich zu einer Fratze verzogen. Unter den Augen klafften dunkle Ränder und Mund war zu einem fransigen Strich geworden, an dem seine Zähne unermüdlich herum knabberten. Sein vorher schon leicht schütteres Haar präsentierte sich dicht und länger, doch völlig konfus, vom Wind wild durcheinander geweht. An den Fingern taten sich kleine blutige Stellen auf, als habe er vorher anstatt mit der Schaufel mit bloßen Händen zwischen den Steinen in der harten Erde gewühlt.
Er trug seinen Lieblingsanzug von Calvin Klein, aber die Knöpfe des Jacketts waren abgerissen, nur der oberste baumelte noch an einem Faden.
Die Hose hatte einen Riß in Höhe des Knies, und im Schritt verwies ein dunkler Fleck auf Feuchtigkeit. Es sah aus, als habe er in die Hose uriniert. “Mein Gott, Pete, was ist passiert?“ Helen mußte schlucken um den Kloß aus ihrem Hals zu würgen. Ekel stand in ihrem Gesicht. “Jaa? Mein Engel? Gefällt dir denn mein Werk nicht?“ Lieb schmeichelte er ihr die Worte mit einem Lächeln entgegen, doch dann keifte er sie an: “Das ist mir scheiß egal! Immer habe ich getan was du wolltest! Ich krieche niemandem mehr in den Arsch! Hier ist mein Haus, hier ist mein Land und ja, hier bin ich der liebe Gott! Ja, sogar besser als der liebe Gott im Himmel, schwebt da rum. Über meinen Bäumen, über meinem Land, immer so hochgepriesen! Auf den hört ja sowieso keiner! Solange ich auf meinem Grund und Boden stehe, wird gemacht was ich will! Ja, Helen, hier bin ich der liebe Gott!“
Helen wollte zurück in den Wagen und so schnell wie möglich von hier fort. Doch sie konnte sich nicht bewegen.
“Genau!“ schrie Pete hysterisch auf. “Genau das wünsche ich mir! Ich bin der Gott! Ja, das bin ich, sieh, was ich schon alles erschaffen habe! Und wenn ich erst da oben bin, dann wünsche ich euch alle zum Teufel! Keiner wird mir entkommen! Auch du nicht, mein Schatz!“
Während er die letzten Worte zusammenstammelte, bemerkte er nicht, wie er den Boden unter den Füßen verlor und den Baumkronen langsam näher kam. “Pete!“ entsetzt blickte Helen hinter dem der, das vor kurzem noch ihr Mann gewesen war.
“Ja Helen? Ach, was höre ich dir denn noch zu?“ schrie er, “mit dir fange ich doch gleich am besten an!“ Pete, der schon oberhalb der Bäume schwebte, breitete seine Arme aus und befahl: “Helen, du ewig meckernde Ziege, ich wünsche du wirst ein Wurm, ja, ein Wurm, haha, dann mußt du in dem Dreck leben, den du ja so schrecklich verabscheust!“ Sein lautes Lachen wurde von dem starken Wind davongetragen. “Werde ein Wurm! Na los! Wieso...?“ Immer höher stieg er auf, Helen hatte den Eindruck, als werde sein Körper langsam immer durchsichtiger und seine Rufe waren kaum noch zu hören.
“Pete,“ rief Helen ihm nach, “Pete, du stehst nicht mehr auf deinem Land...“

Gerade noch konnte sie seinen wahnsinnigen Schrei hören, als er ihre Worte verstanden hatte.

“...auf deinem Land der Träume,“ flüsterte Sie, drehte sich um und stieg in ihren Wagen, startete den Motor und fuhr über dem Kies in Richtung Landstraße.

“Lizzy, ich glaube, wir haben uns verfahren.“ “Ach, Harry, mal doch nicht wieder alles so schwarz. Nein, sieh doch da steht ein Schild! Da! -Haus zu verkaufen- das muß es sein! Fahr den Weg dort rein, hier ist es!“
Das Pärchen bog auf den Waldweg ein. Ein Volvo stand in der Auffahrt. “Harry, sieh nur! Das ist ja traumhaft!“

 

Jo... die war gut. Richtig gut. Spannend und nichts mit "Blut spritzte, und Zombies zerhackten..." Auf jeden Fall eine Bereicherung für das Horrorforum.
Die Story selber hatte Sinn und war nicht irgendwie verquert.

Kommt mehr?

 

Jaja. Net schlecht. Eher sogar gut. Oder vielleicht auch sehr gut?
Ließ sich spannend lesen. Echt fett.
Stilistisch nichts auszusetzen.

Super Geschichte!
:D

 

Hey, ich danke Euch! Hatte erst ein bisschen Bedenken. Gleich so nettes zu hören hatte ich gar nicht erwartet!

Ja, ich hoffe, es kommt noch mehr, ich arbeite dran.
:)

 

Das ist, weil wir die netten, sind... Warte auf Rainer und Poch, die finden wohl Fehler... *g* Nee, aber die Geschichte ist wirklich gut... bist ca 1-2 Stufen über mir, mit dem Schreiben... Naja *g*

 

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