Lebensabend - mal wieder
Das Licht war langsam erloschen. Wir saßen in diesem Dunkel, das sich sogleich wieder verziehen würde. Niemand war gewillt, etwas zu sagen. Was sollte man auch sagen, im Dunkel wartend, dass diese riesige Leinwand ein Tor zur nächsten Scheinwelt öffnet.
Egal, es hätte schlimmer kommen können. Wie wäre es gewesen, wenn wir wieder zum x-ten Male in dieser Kneipe versackt wären. Nicht, dass es dort nicht gemütlich ist, aber jede Woche, immer wieder die gleichen Abende, ein einzige Wiederholung des vorangegangenen.
Nun hockte ich in diesem viel zu weichen Fernsehsessel, dachte über den Sinn dieser eintönigen Malboro-Spots nach. Hauptsache Freiheit! Na ja, mir lagen andere Gedanken im Kopf. Ich stellte mir vor, dass ich jetzt in meinem kuscheligen Bett liegen könnte, mit einem Buch. Wann hatte ich schon einmal Zeit zu lesen. Eigentlich niemals. Plötzlich musste ich mich fragen, warum ich überhaupt Bücher kaufe, wenn sie doch nur bedeutungsschwer auf den Schränken liegen. Vielleicht stößt irgendwann einer meiner Freunde darüber und bettelt mich, dass ich es ihm leihen sollte. Von mir aus, warum nicht. Aber dafür habe ich es nicht gekauft.
Die stumpfsinnigen Werbefilmchen hatten ihr Ende gefunden. Achtung Hauptfilm! Ich wusste wie immer schon Wochen vorher, was nun passieren würde. Diese Hollywood-Scheiße! Alles so absehbar. Nur nicht nachdenken, ein paar Schocker, gut und dann wieder zurück in jene selbstgefällige patriotische Einfältigkeit. Der Film hatte eine Kritik nicht nötig. Dazu war er viel zu leer. Soviel ungenutzte Zeit. Ich hätte durch die Straßen spazieren können, mal wieder einen echten Freund anrufen können. Da saß ich nun etwas deprimiert und suchte nach einem Trost, der dieses Feierabendfiasko hätte erhellen können.
Zwischendurch, ich glaube die Anderen haben nichts gemerkt, hatte ich mich zur Toilette verzogen. Einfach das Gesicht waschen, um aufzuwachen. Klar denken, ich wollte wissen, was ich hier suchte. Warum hatte ich mich überreden lassen, dieses sinnlose Gehabe mitzuspielen, in diesem Reigen der unerschöpflichen Lebhaftigkeit? Mich kotzt es an. Ja, ich habe die Schnauze gestrichen voll. Immer wieder dieses Ebbe-Flut-Szenario. Jetzt hätte ich jemanden gebraucht, der mir den nächsten Weg zur höchsten Brücke zeigt. Stattdessen griente mich so eine Visage aus dem Spiegel an. Meine eigene, wie ich einsehen musste. Kaum, dass ich wieder im Saal saß, wurde mir schlecht. Wieder rannte ich raus. Diesmal aber nicht erst in die WC-Räume. Ich stahl mich eilend aus dem Glaspalast. An der Laterne direkt vor dem Erlebnismonument musste ich mich erbrechen.