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Lebenserkenntnis einer Prinzessin

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13.05.2010
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Lebenserkenntnis einer Prinzessin

Es war einmal eine junge Frau, die lebte wie eine Prinzessin mit ihrem Mann auf einem Schloss. Da ihr Mann ein erfolgreicher Geschäftsmann war, arbeitete sie als seine Assistentin in seiner Firma. Natürlich war sie nicht angestellt, denn sie erwirtschaftete mit ihm zusammen einen Gewinn, über den sie als Ehepaar gemeinsam verfügten. Assistentin hieß, dass Sie die organisatorischen Aufgaben übernahm. Entscheidungen oder gar die Steuerung der eigentlichen Geschäfte oblagen nur ihm. So hatte sie auch keinen Einblick in die Finanzen und nur begrenzten Einblick in die Geschäfte, die ihr Mann tätigte. War ihr Mann auf Geschäftsreisen, hatte sie viel Zeit. Täglich spazierte sie mit ihren drei Doggen durch Wald und über Wiesen. Im Dorf war sie bekannt für ihre freundliche, nette Art. Auch durch ihr soziales Engagement war sie hoch angesehen. Es mangelte ihr an nichts und sie führte ein sorgenfreies, glückliches Leben.
Eines Tages jedoch kam ihr Mann von einer Geschäftsreise nicht zurück. Statt dessen stand der Gerichtsvollzieher vor der Tür und pfändete alles, das irgendeinen Wert hatte. Sie konnte nichts tun. Selbst ihr Anwalt konnte nicht viel erreichen, außer eben herausfinden, dass ihr Mann offenbar sehr hoch verschuldet war. Selbst die Autos, von denen natürlich alle im Besitz ihres Mannes waren, wurden mitgenommen. Es war wie ein Umzug. Am Abend war das Schloss nahezu leer. Nur alles was ihr persönlich gehörte, und das war nicht viel, war ihr geblieben. Bevor der Gerichtsvollzieher ging, überreichte er ihr noch ein Fax, das bevor das Gerät eingepackt wurde angekommen war. Es stammte von Ihrem Mann. Er teilte ihr darin mit, dass er nicht mehr mit ihr leben wolle und könne und dass er einen Anwalt beauftragt habe die Scheidung abzuwickeln. Sieben Tage lag sie im Bett und weinte, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ihre Welt war zusammengebrochen. Ihre heile Welt, die so schön und so glücklich war. Sie hatte keine Orientierung mehr, wusste weder ein noch aus und war am Boden zerstört. Nur die drei Doggen gaben ihr ein wenig Halt und verhinderten damit das Schlimmste.
Wie es bei Eheleuten oft so ist, hatte sie kein eigenes Konto und da alle Konten, die auch ihrem Mann gehörten, gesperrt waren, hatte sie nur noch das Geld, das sich in ihrem Portemonnaie befand. Und das war sehr wenig. Sie hatte nie viel Bargeld bei sich, da sie überall mit einer ihrer Karten zahlte, die nun trotz der Farben Gold und Platin völlig wertlos waren. Sie war mittellos und wusste, dass sie auch bald aus dem Schloss ausziehen musste.
Da sie die Organisation für ihren Mann gemacht hatte, verfügte sie über einige wertvolle Kontakte. Also griff sie am achten Tag zum Telefon, um sich eine Arbeitsstelle zu suchen. Dabei erwiesen sich die ihre Kontakte fast ausschließlich als wertlos. Nur der Bürgermeister half ihr dahingehend, dass er ihr alle Unterlagen zum Antrag auf Sozialhilfe bringen lies und versuchte mittels seiner Beziehungen eine preiswerte Wohnung für sie zu finden. Er half ihr, außerdem ihre Hunde an geeignete Familien zu vermitteln, denn sie konnte die Hunde als alleinstehende berufstätige Frau nicht mehr behalten. Auch das brach ihr schier das Herz. Sie war von einer Sekunde zur nächsten von einer steinreichen Prinzessin zu einer bettelarmen Frau geworden. Sie hatte ohne irgendeine Vorahnung aus heiterem Himmel den Mann verloren, den sie über alles liebte und nun musste sie sich auch noch von ihren geliebten Hunden trennen. Ihr war nichts geblieben.
Es gab Menschen im Dorf, die freuten sich über ihr Schicksal, andere trauerten mit ihr. Sie war als reiche Frau sozial sehr engagiert gewesen und hatte viel Gutes getan. Deshalb gab es nicht wenige Menschen, die ihr helfen wollten. Es fanden sich so tatsächlich bald eine preiswerte Wohnung und eine Arbeitsstelle. Ein neues, bürgerliches Leben konnte beginnen. Sie war sehr dankbar für die Hilfe, die sie erfuhr, und freute sich darüber, aber die Geschehnisse blieben wie ein schweres Trauma in ihrem Kopf und ihrem Herzen. Sieben Jahre lang lebte sie vor sich hin, immer mit ihren Gedanken in der Vergangenheit, bei ihrem Mann, dem Schloss, dem Luxus und dem Ansehen. Sie konnte sich nicht davon lösen. Es war ihr nicht möglich sich davon freizumachen und wirklich ein neues Leben zu beginnen. So vergingen die sieben Jahre, ehe eines Tages bei einem Waldspaziergang eine alte Frau ihren Weg kreuzte. Es war eine Einsiedlerin, die alleine in einem kleinen Häuschen am Waldrand lebte. Ihren Unterhalt verdiente sie mit allerlei Salben und Tees, die sie den Leuten in der Umgebung verkaufte.

Sie musterte sie von oben nach unten.

»Kind, die Kleider sind immer noch geschmackvoll, aber der Glanz in deinen Augen ist nicht wieder gekommen. Früher stand dir das Wort Glück ins Gesicht geschrieben, heute lese ich Trauer. Warum? Ist es nicht schon Jahre her?«

Die junge Frau neigte ihren Kopf ein wenige zur Seite und lächelte ein wenig verlegen.

»Es ist schwer ein Leben aufzugeben, das einem gestohlen wurde, das einem von einer Sekunde zur nächsten aus dem Herzen gerissen wurde. Ich weiß, ich lebe nach all den Jahren immer noch in der Vergangenheit. Aber es ist so schwer, das alles aufzugeben und los zu lassen.
Wie geht es ihnen? Was macht ihr Rücken, sie hatten doch so schlimme Beschwerden.«

Nun freute sich die Alte, denn sie hätte nicht gedacht, dass die junge Frau sich daran noch erinnern konnte.

»Ach Kind, du bist immer noch so lieb und voll Gedanken für die Not der Anderen. Danke, meinem Kreuz geht es gut. Als du hier weggegangen bist, haben sie mich ins Krankenhaus gebracht und wollten mich operieren. Ich habe dann aber nicht eingewilligt und bin einfach gegangen. Es hat mich einen Winter und viele Umschläge gekostet, dann ging es wieder. Wie neu wird es nicht mehr. Es hat ja schon ein ganzes Leben hinter sich, da darf es sich ab und zu schon mal über die harte Arbeit beschweren.«

Sie trat näher an die junge Frau heran und flüsterte ihr zu.

»Geh den Weg zur Linken ungefähr einen Kilometer und bleibe bei der Eiche stehen. Gehe dann rechts durchs Gehölz bis auf die Lichtung. Dort setze dich auf den Baumstamm und warte. Wenn dein Herz wünscht, sich von der Vergangenheit zu befreien, wird dich in der Abenddämmerung jemand ansprechen.«

Die Alte drehte sich um und ging. Nach ein paar Schritten blickte sie noch einmal kurz zu ihrer Gesprächspartnerin zurück.

»Wenn du nicht glauben kannst, was du siehst, dann schließe die Augen und schaue mit deinem Herzen!«

Dann war sie verschwunden.

Die junge Frau machte sich auf den Weg. Zuerst den zur Linken, etwa einen Kilometer weit bis zur Eiche, dann rechts durchs Gehölz, bis zur Lichtung. Dort setzte sie sich auf den Stamm eines umgefallenen Baumes und wartete. Langsam wurde es dunkel und unheimlich. Dann erhob sich vor ihr der Boden und es bildete sich ein kleiner Hügel. Ein Maulwurf kletterte heraus und streckte sich.

»Oh Kundschaft! Was hast du auf dem Herzen?«

Zunächst zögerte sie. Ein Maulwurf, der sprechen konnte!? Was sollte das jetzt? Aber nach ein paar Augenblicken lies sie sich darauf ein.

»Ich wurde verlassen, genauer gesagt sitzen gelassen. Von einem Moment zum nächsten war mein Leben zu Ende. Ich lebte wie eine Prinzessin und dann war ich plötzlich mittellos. Ich sehne mich sehr in die Zeit zurück und bedauere es wirklich sehr, dass ich sie nicht zurückholen kann.«

Ein lang gedehntes »Aaaaaha!« ertönte aus dem Munde des Maulwurfs. »Du bist also die, die der Immobilienkönig hat sitzen lassen.«

»Wenn du es so nennen willst, ja!«

»Gut, ich denke ich kann dir helfen. Zunächst musst du dir als Hausaufgabe Gedanken machen und mir eine Frage beantworten. Und mein Honorar bezahlen. Ich arbeite nur für eine gute Tat! Du musst also eine gute Tat vollbringen, dann darfst du wieder kommen, um mir deine Antwort zu geben. Ist die Antwort richtig, werde ich dir eine weitere Frage stellen, insgesamt wären das drei. Ist deine Antwort falsch, wirst du bis an dein Lebensende traurig bleiben.«

Die junge Frau lächelte. Der kleine Kerl imponierte ihr mit seiner Unbekümmertheit. Er war sehr selbstsicher.

»Ich werde eine gute Tat vollbringen und die richtige Antwort auf deine Frage finden. Wie lautet die Frage?«

Der Maulwurf kratzte sich an der Stirn.

»Mal überlegen, wie ich sie am besten formuliere ...«

Dann folgte ein kurzes Streichen über die rechte Schläfe, das mit einem langen »hmmm« betont wurde.

»Zwischen dir und deinem Mann besteht ein Kreislauf! Sage mir, was für ein Kreislauf das ist und wozu er dient. Überlege gut! Ich kenne die Antwort bereits.«

Verdutzt schaute die junge Frau den Maulwurf an.

»Woher weist du die Antwort bereits? Warum muss ich sie dann herausfinden?«

»Es nützt dir nichts, wenn ich sie kenne. Und du würdest mir nicht glauben, wenn ich sie die sagen würde. Du musst selbst drauf kommen!«

Ein kleines Liedchen anstimmend machte sich der Maulwurf auf den Weg unter die Erde.

»Ich bin blind und seh' doch mehr,
als da draußen irgendwer.
didel didel die bum bum! ...«

Dann war es still und dunkel.

»Toll! Und wie komme ich jetzt nach Hause?«

Kaum hatte sie die Frage ausgesprochen kam ein ganzer Schwarm Glühwürmchen, der sie an den Waldrand führte. Von dort ging sie dann alleine nach Hause und legte sich auf ihr Bett, wo sie sofort einschlief. Am nächsten Morgen wusste sie nicht mehr so recht, ob ihre Begegnung mit dem Maulwurf real war, oder ob sie das alles geträumt hatte. Als sie aber ihre schmutzigen Schuhe sah, wusste sie, dass es kein Traum war. So begann sie sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was ihre Ehe ausmachte und versuchte einen Kreislauf zu entdecken. Es musste etwas sein, das immer nach demselben Schema ablief und das irgendeinem Zweck diente, bzw. irgendetwas Wichtiges bewirkte.
Eine gute Tat viel ihr schnell ein. Nach der Arbeit rief sie in einem neu gebauten Seniorenheim im Nachbarort an und erkundigte sich, ob dort Menschen lebten, die keine Angehörigen mehr hätten und sich alleine fühlten. Die Altenpflegerin am anderen Ende der Leitung lachte und entgegnete, dass es eine ganze Reihe solcher Menschen dort gab, und lud sie für den kommenden Samstag Nachmittag ein.
Während der Woche drehte sie sich bei der Frage um den Kreislauf im Kreise. Sie wusste, dass da was war, aber sie kam nicht drauf. Etwa so als wenn einem etwas auf der Zunge liegt, es einem aber nicht einfallen will. Dann kam der Samstag und die junge Frau fuhr zum Altenheim. Dort wurden ihr einige alte Menschen gezeigt, deren Lebensumstände auf ihre Kriterien zutrafen. Für eine alte Frau, die sie zunächst ganz lieb anlächelte, um sie wenig später Drecksau zu nennen, entschied sie sich dann, um sich näher mit ihr zu befassen. Die Frau war sehr verwirrt, litt an fortgeschrittener Demenz. Trotzdem unterhielten sie sich sehr gut und die alte Frau erzählte ihr viel aus ihrem Leben, von sich und ihrem Mann. Plötzlich kam der Besucherin die Frage des Maulwurfs wieder in den Sinn und sie erkannte, dass es zwischen der Ehe der Alten und ihrer viele Parallelen gab. Den Kreislauf und dessen Wirkung erkannte sie auch. Sie beschloss, die alte Dame fortan einmal die Woche zu besuchen und ihr ein wenig die Zeit zu vertreiben. Dass sie tatsächlich eine gute Tat vollbracht hatte, zeigte der dankbare, freundliche Blick der Heimbewohnerin und dem Glanz ihrer Augen, in dem ein klein wenig Glück funkelte.
Am selben Abend noch machte sich die ehemalige Prinzessin auf den Weg in den Wald zur Lichtung, um dem Maulwurf ihre Antwort zu präsentieren.
Sie musste nicht lange auf dem Baumstamm sitzen, bis der Maulwurf zum zweiten Mal erschien.

»Nun? Wie lautet deine Antwort?«

»Der Kreislauf, den du angesprochen hast, ist ein Teufelskreis. Bedingt war er dadurch, dass ich aus lauter Liebe alles nicht so ernst genommen und ihm sein egoistisches Verhalten immer wieder verziehen habe. Ich hatte kein Gehalt, keine Absicherung, alles, auch ich diente ihm, um sein Ego zufriedenzustellen. Alles gehörte ihm. Ich hatte kein eigenes Leben mehr und war eigentlich nicht mehr seine Frau, sondern nur noch sein Werkzeug. Mein Lohn war, dass ich seine Spielzeuge mitbenutzen durfte. Meine übertriebene Liebe zu ihm hat mich zu sehr vertrauen lassen. Ja, ich habe mich aufgegeben, mich unterworfen und er hat seine Macht über mich geschickt für seine Zwecke genutzt.«

Der Maulwurf umrundete seinen Erdhügel und lauschte den Ausführungen der jungen Frau. Als sie ihren Vortrag beendet hatte, atmete er tief durch und hielt noch für einen kurzen Moment inne.

»Schön! Ich sehe, du hast erkannt, welche Rolle du in deiner Ehe gespielt hast. Findest du einen solchen Mann attraktiv und liebenswert?«

»Nein, jetzt nicht mehr. Er hatte es als Kind sehr schwer und damit habe ich mir vieles erklärt und konnte verzeihen. Aber er hatte deswegen nicht das Recht, das alles zu tun. Und dass er es getan hat, zeigt, dass er mich nie wirklich geliebt hat. So hart diese Erkenntnis nun auch sein mag, so heilsam wirkt sie auf mich.«

»Das freut mich!« entgegnete der Maulwurf.

»Aber nun zur zweiten Frage.« Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort.
»Wo ist das Glück und was macht Glück aus?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, trällerte der Maulwurf ein Liedchen und stieg in seinen Hügel.

»Ich bin arm wie eine Kirchenmaus
und das macht mir gar nichts aus.
didel didel die bum bum! ...«

Die junge Frau wartete einen kurzen Moment, dann kam der Schwarm Glühwürmchen abermals, um sie sicher zum Waldrand zu geleiten.
Am nächsten Tag musste sie nach Feierabend noch ein paar Besorgungen machen und fuhr deshalb mit dem Bus in die Stadt. Interessanterweise vielen ihr dabei sehr viele Obdachlose auf und Menschen, denen man ansah, dass sie arm waren. Das Erste, das sie dabei bemerkte war – diese Menschen lebten auch! Dann setzte sie sich in ein Straßen-Café und beobachtete die einfachen Leute. Dabei stellte sie fest, dass die meisten lachten und vergnügt waren, dass Heiterkeit ihr Gesicht erhellte und ein leichtes Funkeln in ihre Augen zauberte. Diese Menschen schienen in jenem Moment glücklich zu sein. Dann sah sie wohl gekleidete Menschen direkt vor einem Obdachlosen stehend miteinander heftig streiten. Und als dieser sie bat sich doch woanders anzuschreien, gingen sie zwar weg, beschimpften ihn allerdings auf das Übelste. Das schien ihn jedoch in keiner Weise zu beeindrucken. Er hatte wieder seine Ruhe und war zufrieden. Dann sah sie ein Kind, das bitterlich weinte, weil es seinen alten zerzausten Teddybären verloren hatte. Es war nicht zu beruhigen, auch nicht, als die Mutter versprach, einen Neuen zu kaufen. Nein, es musste ihr alter zerzauster Teddy gefunden werden. So machte sich der Vater daran den zurückgelegten Weg nach dem Bären abzusuchen, während die Mutter mit dem Kind stehen blieb und wartete. Eine Tasse Kaffee später kam er mit dem Bären zurück und das Kind war überglücklich. Der Bär hatte zwar fast keine Haare mehr und war an etlichen Stellen bereits geflickt worden, aber das Kind liebte ihn über alles.

Am Abend lag die junge Frau lange Stunden wach im Bett und dachte an das Gesehene und verarbeitete ihre Erkenntnisse. Auch überlegte sie, welche gute Tat sie als Nächstes tun wollte und hatte einen guten Einfall. Am nächsten Tag im Büro angekommen, hing sie einen Zettel ans Schwarze Brett, auf dem Stand, dass sie einen Verein unterstützen wolle, der versuche, Obdachlose wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Zu diesem Zweck benötige sie alles, was im Haushalt verwendet werden könne und bat die Kollegen darum, zu Hause zu schauen, was nicht mehr gebraucht wurde und es ihr zu überlassen. Die Resonanz war überwältigend. Ihr Chef stellte ein paar Tage später sogar einen großen Lieferwagen zur Verfügung, damit das ganze gesammelte Material zu dem Verein transportiert werden konnte.
Tags darauf ging sie am Abend wieder in den Wald zur Lichtung und wartete auf den Maulwurf. Dieser lies sich diesmal etwas Zeit. Sie befürchtete schon, dass er nicht käme, als sie dann doch sah, wie sich der Gipfel des Erdhaufens vor ihr bewegte, war sie sehr erleichtert.

»Na, Prinzessin, wie ist es gelaufen? Weist du nun, wo das Glück ist und was es ausmacht?«

Freudig beugte sich die junge Frau zum Maulwurf hinunter und begann zu antworten.

»Ja, ich weiß es nun. Das Glück steckt in jedem selbst. Ob man es verspürt, liegt an den eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen und eben daran, ob und wie diese gestillt bzw. erfüllt werden können.«

Der Maulwurf wippte mit dem Kopf zögerlich hin und her.

»Im Wesentlichen hast du es getroffen. Es ist in dir und es liegt in erster Linie bei dir, ob du glücklich bist, oder nicht. Auch diese Frage hast du richtig beantwortet. So will ich dir nun die dritte und vielleicht schwerste Frage stellen.«

Er ging einmal um seinen Haufen herum und brummelte etwas in seinen Bart.

»Die Frage lautet: Wer bist du?«

Abermals sang der Maulwurf ein Liedchen, als er in seinen Hügel stieg.

»Ich bin ein Maulwurf ganz und gar
leb' unterm Gras das ganze Jahr.
didel didel die bum bum! ...«

Der Schwarm Glühwürmchen leuchtete der jungen Frau wieder den Weg aus, sodass sie unversehrt zum Waldrand kam. Wer bin ich, war die neue Frage – eine schwierige Frage. Wenn sie das so genau wüsste! Wie an allen Abenden an denen sie beim Maulwurf war, schlief sie zu Hause sofort ein. Die nächsten Tage grübelte sie über sich und ihre Verhaltensweisen in der Vergangenheit. Sie überlegte, ob sie dieses oder jenes nicht hätte besser machen können, oder in der einen oder anderen Situation hätte anders reagieren sollen. Schließlich war sie ganz wirr. Um wieder klarer zu sehen, nahm sie sich ein paar Tage Urlaub und grub sich wie ein Maulwurf in ihrer kleinen Wohnung ein. Nur am Samstag Nachmittag besuchte sie ihre alte Freundin im Altenheim, um ihr ein paar Stunden Gesellschaft zu leisten.
Was sie als nächste gute Tat machen wollte, wusste sie schon. Sie wollte eine Tafel einrichten. Dazu nahm sie ihr altes Adressbuch und telefonierte alle betuchten Leute, mit denen sie früher zu tun hatte ab. Darunter gab es z.B. Besitzer von Supermärkten und Bäckereiketten. Ein Großmarktbesitzer war auch dabei und eine ganze Menge eitler Personen, die gerne Positives über sich in der Zeitung lasen. So war es dann auch kein Problem, innerhalb einer Woche ein Konzept für die Tafel aufzustellen. Selbst die Finanzierung war nach mündlichen Zusagen für mindestens ein Jahr sichergestellt. Ebenso die Versorgung mit Lebensmitteln. Dem Bürgermeister legte sie Ihr Konzept vor und bat, die Tafel täglich im Gemeindezentrum durchführen zu dürfen. Dabei sollte es um die Mittagszeit ein kostenloses Essen geben und Bedürftige sollten kostenlos Lebensmittel erhalten. Der Bürgermeister lehnte ab. Offenbar wollte er die ärmsten der Armen nicht in seiner Gemeinde haben. Nach einigem hin und her sagte er zu, den alten Sportplatz am Ortsrand und das zugehörige Vereinsheim zur Verfügung zu stellen, das seit Jahren leer stand. Weiter sicherte er zu eine Handzettelaktion durchzuführen, in der freiwillige Helfer zum Aufbau und zum Betrieb der Tafel gesucht würden. Auch die Handwerker im näheren Umkreis wollte er um Unterstützung bei der Renovierung des ehemaligen Vereinsheimes bitten.
Gesagt getan, innerhalb von zwölf Wochen war alles unter Dach und Fach. Die Renovierungsarbeiten waren abgeschlossen, eine funktionstüchtige Küche eingebaut und es gab genügend freiwilliges Personal. Während der ganzen Zeit war sie mit ihrem Beruf und der Arbeit für die Verwirklichung der Tafel so beschäftigt gewesen, dass sie zwar Gedanken um die letzte Frage des Maulwurfes im Kopf hatte und eine Antwort in ihr reifte, aber es war keine Zeit für Gedanken an die Vergangenheit. Im Gegenteil! Neben ihr engagierte sich ein junger Bauleiter sehr für die Tafel und sie hatte das Gefühl, dass er das wenigstens auch ein bisschen ihretwegen tat. Er war unermüdlich. Selbst als er sich beim Sturz vom Gerüst den Arm brach, bremste ihn das nicht.
Am Abend, bevor die Tafel eröffnet wurde, ging die junge Frau zum letzten Mal zum Maulwurf. Als sie die Lichtung betrat, wartete er bereits auf sie.

»Wartest du auf mich?«

»Ich habe jedes Mal auf dich gewartet. Es wurde dir nur nie bewusst, weil ich im Hügel gewartet habe. Heute wartete ich lieber draußen.«

Er machte eine kurze Pause.

»Nun, wie ich erfahren habe, hast du eine große Tat vollbracht. Eine Tafel zu organisieren ist wahrlich eine große Tat. Die Antwort auf meine Frage musst du mir nicht geben. Ich weiß, dass du sie dir selbst gegeben hast und das war der Sinn. Du solltest dir Gedanken über dich machen. Darüber, was dich ausmacht, was dir wichtig ist und welche Ziele du hast. Du solltest eine Vorstellung von dem bekommen, was du willst und was nicht, um Ideen zu entwickeln, wie eine Zukunft für dich aussehen könnte. Wer an die Zukunft glaubt und Ziele hat, der braucht nicht in der Vergangenheit zu leben. Und, wie man hört, gibt es da auch schon einen Prinzen!?«

Die junge Frau wurde etwas verlegen.

»Ich weiß nicht, ob er es ist und ob er es überhaupt sein möchte.«

»Er ist es! Glaube mir! Und nun lebe wohl. Du hast dir einen Weg aus der Vergangenheit in die Zukunft geebnet und brauchst mich jetzt nicht mehr.«

Der Maulwurf nickte ihr noch einmal kurz zu und verschwand dann zum letzten Mal ein Liedchen trällernd in seinem Hügel.

»Mitten im Wald lebe ich, auf einer Lichtung,
war nie in der Welt und doch weise ich die Richtung.
didel didel die bum bum! ...«

Die junge Frau blieb noch eine Weile auf der Lichtung sitzen und genoss die friedvolle Stimmung. Dann folgte sie den Glühwürmchen an den Waldrand. Ein paar Meter weiter traf sie den jungen Bauleiter, der einen Abendspaziergang machte. Sie freuten sich beide über diese zufällige Begegnung und gingen fortan ihren Weg gemeinsam.

 

Hallo Peterfriedlich!

Ich weiß nicht so wirklich ... mir hats nicht gefallen, obwohl es eigentlich ordentlich geschrieben ist. Aber wir wars zu berichtend. Der Absatz da zeigts:

Wie es bei Eheleuten oft so ist, hatte sie kein eigenes Konto und da alle Konten, die auch ihrem Mann gehörten, gesperrt waren, hatte sie nur noch das Geld, das sich in ihrem Portemonnaie befand. Und das war sehr wenig. Sie hatte nie viel Bargeld bei sich, da sie überall mit einer ihrer Karten zahlte, die nun trotz der Farben Gold und Platin völlig wertlos waren. Sie war mittellos und wusste, dass sie auch bald aus dem Schloss ausziehen musste.

Der Erzähler plaudert so herum und ich bekomme kein Gefühl für die Figur, mich fesselt das nicht. Vielleicht ist das ja Absichtlich so geschrieben, aber dann frage ich mich, wozu?

Und so habe ich den Rest nur noch quergelesen.

Warum hast du die Geschichte in diesem Ton erzählt?

Bis bald,

yours

 

Hallo yours,

dass ich die Geschichte in dem Ton erzählt habe, hat keinen besonderen Grund. Darüber, dass du es zu berichtend empfindest, muss ich mir Gedanken machen.
Mir ging es darum, ein Märchen mit klassischen Elementen zu schreiben, das in unserer Zeit spielt und sich auch so zutragen könnte. Weiter habe ich versucht, wie es bei klassischen Märchen auch der Fall ist, ein Stückchen Lebensweisheit oder Lebenserfahrung zu transportieren.

Vielleicht würden mehr beschreibende Elemente, z.B. wie die junge Frau aussieht, oder irgendeine Besonderheit des Maulwurfs, dass der Bürgermeister ein kleiner Dicker ist, etwas leichter machen, einen Bezug zu den Figuren zu bekommen.

Danke für deine Antwort, den Hinweis zum »berichtenden« und das Lob, dass die Geschichte ganz ordentlich geschrieben ist.


Liebe Grüße,


Peter

 

Schöne Geschichte :),
mit anderen Namen wäre sie fantastischer.
Lg elke

 

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