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Lemmy und das Universum

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15.04.2002
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Lemmy und das Universum

für Pluto

Das Raumschiff landete nicht auf dem Planeten. Es hatte einfach keine Lust. Schließlich hatte es seit drei Monaten kein Gehalt bekommen. Am liebsten hätte es nicht nur gestreikt, sondern ein kosmisches Dock aufgesucht, um seine Raumzeit-Frakturen schienen zu lassen.
Derzeit kam diese Option allerdings nicht in Frage, weil das Raumschiff nicht wusste, welches Koordinatensystem die querdimensionalen Welt korrekt beschrieb, in der es umher hüpfte, seit ... ja, seit wann eigentlich?
Aber das war alles nicht so schlimm. Richtig schlimm war sein Insasse.
Lemmy war neun Jahre alt und damit ein Jahr älter, als es Planeten gab. Pluto zählte nämlich nicht, das hatte Lemmy seinem Lieblingsbuch »Der Kosmos in der Pommesschale« entnommen. Was er allerdings überhaupt nicht kapierte, war, wie er in dieses Raumschiff gekommen war – kalt beleuchtete Gänge, permanentes Summen, und nicht nur das war typisch. Er schielte zu einem Abdeckungsgitter in der Wand.
»Oh nein, du wirst nicht in meinen Lüftungsschächten herumklettern«, sagte das Raumschiff. Es klang wie Lemmys Mutter, wenn er mal wieder die Haushaltsroboter als Kriegsspielzeug zweckentfremdete.
»Warum nicht?«, erkundigte Lemmy sich enttäuscht.
»Ich mag es nicht, wenn jemand in mir herumklettert. Würdest du das mögen?«
Lemmy überlegte kurz, wurde rot und schüttelte dann den Kopf.
Das Raumschiff erhöhte die Aktivität seiner Depressionslogik. »Ich wünschte«, tönten seine Durchsagelautsprecher, »ich wäre ein hirnloses Objekt in einer tumben Space Opera. Sinnlos herumballern ist so schön einfach.«
»Und ich mag die Alarmsirenen und die bunten Explosionen!«, entfuhr es Lemmy. Er hüpfte ausgelassen herum und schrie »Wumm! Wumm!«, bis er das Schweigen des Raumschiffs als Missbilligung verstand.
Lemmy überlegte. »Vielleicht ist es ja doch hilfreich, auf dem Planeten da unten zu landen. Könnte doch immerhin sein, dass wir da herausfinden, ...«
»Wo genau?«
»Wie, wo?«
»Na, wo eben. So ein Planet hat ziemlich viele wos.«
»Schon wieder eine Inkonsistenz, verdammtes Backup!«
»Wer hat das gesagt?«, fragte das Raumschiff.
»Ich nicht«, sagten gleichzeitig Lemmy und ein komischer Kerl, der aus dem Nichts vor ihm aufgetaucht war. Der Mann trug eine blonde Locke und einen silbernen Anzug. »Haben Sie meinen Großvater gesehen?«, fragte er hektisch.
Ach Mist, ein Zeitreisender, dachte Lemmy. Jetzt bloß kein Paradoxon verursachen. »Noch nicht«, antwortete er vorsichtig.
»Mist«, sagte der Mann mit der Locke und fing an zu weinen: »Dann hab ich ihn vielleicht schon umgebracht gehabt haben werden. Oder gehabt worden wollten.«
»Ach du meine Güte«, randalierte das Raumschiff. »In diesem leeren Universum laufen nur ein paar Klischees rum. Leere des Raums – Leere des Hirns, Mangel an Ideen. Ich will hier raus!«
»Leer?«, fragte Lemmy.
»Ja, leer«, sagte das Raumschiff. »Kuck dich doch um! Unter uns ein Planet – und zwar nicht einmal ein besonders interessanter, würde ich sagen –, da drüben sein Zentralgestirn, Ende der Inhaltsangabe.«
»Das Universum ist aber nicht leer«, meinte Lemmy. »Das weiß doch jedes Kind.«
Der Zeitreisende hörte auf zu weinen. »Sicher hatte ich alles vernichtet werden gehabt zu haben! Nur noch ein restliches Paradoxon, und das ungestern!«
Lemmy runzelte die Stirn. »Gehen wir die Sache doch einmal logisch an.« Er überlegte und zählte an den Fingern ab: »Was haben wir? Ein orientierungsloses Raumschiff ohne Besatzung.«
»In einem fast leeren Universum«, ergänzte das Raumschiff, und Lemmy hob einen weiteren Finger. Dann ergänzte er: »Nummer drei: Einen, ähm, etwas verstörten Zeitreisenden ...« Der Angesprochene nickte, dann sah er sich plötzlich ängstlich um.
Lemmy zeigte auf sich selbst und zögerte. »Nummer vier: Ein neunmalkluger Jugendlicher, der am liebsten die Welt vor dem Bösen retten würde.«
»Andere Kinder in deinem Alter hätten höchstens ihre geschlechtslosen Actionfiguren im Sinn«, merkte das Raumschiff an.
Lemmy nickte. »Ihr könnt froh sein, einen Schlaumeier wie mich dabei zu haben. Ihr würdet bestimmt nicht auf die Lösung kommen.«
Der Zeitreisende wurde durchsichtig. »Nein!«, schrie er. »Nicht! Ich will doch die Lösung mitkriegen!«
»Schritt Drei der Konsistenzprüfung abgeschlossen. Es gibt Korrekturen an den Datenstrukturen.«
Mit einem Grinsen hob Lemmy den fünften Finger. »Eine göttliche Stimme, die sich anhört wie eine Fehlermeldung. Das ist der Schlüssel.«
»Wir haben Besuch«, bemerkte das Raumschiff.
»Großvater!«, schrie der transparente Zeitreisende.
»Unwahrscheinlich«, entgegnete das Raumschiff. »Es handelt sich um einen zweibeinigen Wandelkaktus, der in vier Sekunden bei euch eintrifft. Wahrscheinlich ist es den ununterbrochen palavernden Stimmen gefolgt, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
»Natürlich«, flüsterte Lemmy und zog die Stirn kraus.
Der Außerirdische erwies sich als zwar stachliger, ansonsten aber wenig furchteinflößender Humanoide mit ungesunder Hautfarbe, der seinen Zeigefinger nicht einklappen konnte. »Warnücht«, schwadronierte das Wesen drauflos, »görwügan dworsiko!«
»Das ist nicht mein Opa und wird es gewesen nie sein«, murmelte der Zeitreisende enttäuscht und büßte den Rest seiner Stofflichkeit ein.
»Hordo! Kawell kawilo barnö!«
»Aktiviere den Translator«, verlangte Lemmy.
»Der Translator ist aktiviert«, erklärte das Raumschiff.
»Schritt Vier der Prüfung abgeschlossen. Zombie-Datenfragmente werden jetzt entfernt.«
»Awöh?«, machte der Kaktusmann und ließ den Zeigefinger sinken.
Zittern, Beben, Kullern und zufriedenes Fiepen perlten durch das Raumschiff. Es aktivierte umgehend einen Routine-Scan und verkündete: »Der Planet ist weg. Um uns ist das Nichts.«
Lemmy grinste die Stellen an, wo Kaktus und Zeitreisender gerade noch gestanden hatten. »Auch die sonderbaren Wesen sind weg. Das Universum ist gerettet«, sagte er stolz. »Für dieses Mal.«
Dann verschwand auch das Raumschiff. Kurz bevor Lemmy im Vakuum explodierte, wurde auch seine Dateistruktur wiederhergestellt.
»Space Opera Maker 2.0 hat die Wiederherstellung seiner Datenbank abgeschlossen.«

 

Damit hier überhaupt mal wieder was neues steht ...

Ne kleine Comedy. Ausgangspunkt war der Satz mit den acht Planeten, den hatte ich schon vor Monaten notiert. Jetzt wurde aus Gründen der Aktualität eine Geschichte draus.

Gute Unterhaltung :cool:

 

Hallo Uwe,

für diese Geschichte gibt es ein ganz eindeutiges "HÄH?", das vom Herzen kommt. Ich kann nichts kommentieren, da ich nichts verstanden habe außer dass es eine Parodie auf alles Heilige und Unheilige in der SF werden sollte. Beim Zeitreisenden habe ich ein bissl geschmunzelt, aber generell eher hilflos den Kopf geschüttelt. Gbwolf hat's getroffen: "Ein typischer Post."

Uhm, und einen Sinn habe ich trotz Warnung gesucht und zu meiner Schande auch gefunden. Gibt es da nicht Software, die einem Schrifsteller die kreative Arbeit abnhemen soll und eigenständig Plots aus bereits existierenden Stoyfetzen zusammenstückelt? War das die Pointe?

Bleibt noch festzustellen, dass es allein auf kg.de circa vierhundertdreinudfünfzig Szenarien gibt, wie ein Planet verschwinden kann. Und was ist die Realität? Er wird wegdiskutiert!

Liebe Grüße,

Mihai

P.S. Wenn Du mal nix zu tun hast. Da ist noch meine ca. anderthalb Monate alte Überarbeitung nach deinen Vorgaben, zu der Du noch nix gesagt hattest. :Pfeif: Und da schwebte noch sowas wie eine Empfehlung im Raum.

 

Ich habe alles verstanden. A-lles.

Witzige Kurzweil, die in einem besseren Universum keine Logikfehler gehabt haben worden sein. :) Hat mir gut gefallen, weiß aber nichts zusätzlich Konstruktives beizusteuern.

 

Hi Uwe,

ich hab's vielleicht verstanden, vielleicht auch nicht. Bei Dir weiß man ja nie.

Vom Ansatz her fand ich es der Psychiater-Geschichte sehr ähnlich (und was das betrifft, meiner etwas dreisten Imitimation derselben). Also neuer Schlauch um alten Wein oder so.

Abgesehen davon nette Charaktere, die aber vielleicht etwas interessantere Handlung verdient hätten als einfach nur aufzutauchen, nichts zu tun und wieder zu verschwinden, oder?

Grüße,
Naut

 

Hi Leute,
danke für eure Kommentare.
Jau, ganz ehrlich: Die Story ist nichts besonderes oder aufwändiges, nur ein wenig Unterhaltung in einem ansonsten mauen SF-Sommer auf kg.de.

@Naut: Ja, die Story ähnelt dem Psychiater ("Komet? Welcher Komet?"), weil es auch eine Art Meta-Ebene gibt und SF-Stereotypen durch den Kakao gezogen werden. Mehr ist es auch nicht, und die Pointe schließt das Ganze ab, das sonst ein wildes Durcheinander ohne Linie wäre.
Mehr Handlung? Naja, dazu haben die Figuren kaum Zeit.

 

Wahrscheinlich bin ich zu doof, aber der letzte Satz sagt mir, dass die ganze Geschichte in einem durch Datenbankfehler versehentlich kreierten Universum stattfindet. Und nach Wiederherstellung der Datenbanken werden so idiotische Typen wie ein zweibeiniger Wandelkaktus, der seinen Zeigefinger nicht einklappen kann (muhah!) nicht mehr vorkommen. Leider.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Uwe!

Ich trau mich jetzt einfach mal an einen Altmeister ran ...

Anscheinend bin ich noch nicht ganz so abgebrüht bin wie der Rest hier, deshalb fand ich die Geschichte auch ganz amüsant (besonders die Sache, Raumzeit-Frakturen schienen zu lassen und für Pluto), bilde mir sogar ein, sie verstanden zu haben. (ähnlich wie jobär interpretiert) ;)

Grüße, Plasma

 

Völlig richtig interpretiert. Die Datenbank der Software "Space Opera Maker" (der Name ist Programm) ist durcheinander, dadurch ergibt sich die abstruse Handlung. Mehr steckt nicht hinter dieser kleinen Humoreske. Danke für eure Anmerkungen! :)

 

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