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Lila Dosen-Liebe

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13.01.2016
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Lila Dosen-Liebe

Immer wieder drehte der Alte das Stück in seinen Händen, kratzte an seinen Bartstoppeln,
hustete und streckte seinen schmerzenden Rücken.
Die Vorübergehenden nahmen von dem Haufen mehr oder weniger wertvollen Plunder kaum Notiz.
Er saß da auf einer holzwurmzerfressenen Truhe und wollte seine Träume verhökern.
Natürlich nur die, die er ausgeträumt hatte.

Auf einem roten Tuch hatte er sie ausgebreitet, die superflache Peter-Kraus-Gitarre,
der zwei Wirbel und alle Saiten fehlten.
Nur einmal hatte er mit ihr auf einer Bühne gestanden.
Daneben lag das zerkratzte Lenkrad eines VW-Käfers, mit dem er seine erste Seifenkiste gesteuert hatte
und eine blassgoldene Papierkrone, die ihn als Dreikäsehoch zum Prinzen machte.
Ferner ein stumpfes Bajonett aus Kaisers Zeiten, seine erste richtige Waffe
und der Zündschlüssel einer alten NSU-Fox, die rostend und nie gelaufen im Schuppen stand.
Trotzdem hatte sie ihn gefühlte tausend Male in die Ferne und die Freiheit gebracht,
ein Bündel nie abgeschickter Liebesbriefe und unzählige Dinge mehr.

Und nun hielt er die kleine lilafarbene Spanholzdose in seinen Händen.
Ohne sie zu öffnen vernahm er den Duft, den sie barg,
den einzigartigen Duft, den diese alte Liebe begleitete.
Immer wenn er einsam war, konnte er diesen Traum so neu entstehen lassen.

Nein, es war nicht nur ein Traum.
Sie hatte ihn begleitet auf seinem Weg, die Trägerin dieses Duftes, ein Stück zumindest.
Dann und wann hatte sie ihn um den Verstand gebracht, ihm alles, was er hatte abverlangt
und dann seine Traurigkeit geheilt, ihr nicht mehr geben zu können.

Die Frage nach dem Preis erschrak ihn ein wenig.
Die junge Frau trug ein Kind auf ihrem Arm.
Sie war auf ihre Art schön und ihr üppiger Busen verriet, dass sie das Kind noch stillte.
Die Art, wie sie ihn anlachte, weckte etwas ihn ihm, was er schon längst verloren glaubte.
Etwas verlegen und um Zeit zu gewinnen hustete er.
Dann aber huschte ein listiges Grinsen über sein zahnloses Maul.
„Wenn Du die Dose willst, sei meine Geliebte!“

Empört über die Unverschämtheit des Alten schrak die Frau zurück
und versuchte unsicher, etwas anderes zum Tausch anzubieten,
traf aber nur auf die Unerbittlichkeit des Zahnlosen.
Schließlich wandte sie sich ab und ging kopfschüttelnd.

Der Alte aber kicherte selbstvergessen.
Um nichts in der Welt würde er diesen schmerzlich schönen Traum verhökern,
der zu seinem Leben gehörte wie der Schmerz in seinem Rücken
und die vorübergehende Enge in seiner Hose.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Uhly47

Die Vorübergehenden nahmen von dem Haufen mehr oder weniger wertvollen Plunder kaum Notiz.
Herrje schon im zweiten Satz muss ich mir den Kopf zerbrechen, wie ich das Wort zu verstehen habe. Die vorübergehenden Frauen in seinem Leben? Irgendwas mit Kafkas Textchen Die Vorüberlaufenden? Oder doch nur eine eigenwillige Wortneuschöpfung - weil es sich doch irgendwie besser, ja stilistischer anhört - als die vorbeilaufenden Leute oder so. :P

So, ein bisschen angefixt lese ich weiter und der Text fängt an und der Text hört auf und lässt mich ein wenig enttäuscht zurück, denn er wirkt ein bisschen, nichts für ungut, dann doch uninspiriert. Denn man erfährt zu wenig über den Alten, wird dann doch zu wenig erzählt, passiert fast nichts.

Von der Sprache her, habe ich es eigentlich bis zu nachfolgend zitierter Stelle ganz gerne gelesen. War sehr fließend und wirkte zunehmend sicher.

Empört über die Unverschämtheit des Alten schrak die Frau zurück
und versuchte unsicher, etwas anderes zum Tausch anzubieten,
traf aber nur auf die Unerbittlichkeit des Zahnlosen.
Dann aber wird man da so abrupt herausgerissen und ja, die Geschichte ist vorbei.

Jedenfalls, dachte ich ich mir nach dem Lesen, okay, das war's jetzt? Und was soll ich da jetzt von mitnehmen? Romantik konnte ich nicht wirklich erkennen. Auch keine Erotik. Zusammengefasst war mir das zu wenig. Viel angedeutet, aber dann doch zu wenig erzählt - zu wenig Aktion, für meinen Geschmack.

Willkommen hier! ;)
Lieben Gruß
Simba

 

hallo Simba, danke für Deine Reflexion. Passt ein bischen zu "Minimalismus", eine Zuschreibung die ich gut kenne und mit der ich mittlerweile auch identifiziert bin. Ehrlicherweise muss ich auch sagen, dass ich die Geschichte vor 10 Jahren eigentlich nur für mich geschrieben habe...
schönes Januarwochenende
Uhly47

 

Hola Uhly47,

ich lese in Deinem Profil:

Ich habe nun ein wenig mehr Zeit in meinem Leben und habe Lust mehr zu lesen, zu schreiben ...

aber ich lese auch:
... dass ich die Geschichte vor 10 Jahren eigentlich nur für mich geschrieben habe ...

Da denke ich mir, warum tischt er uns eine alte Geschichte auf, statt mit seinem heutigen Wissen eine neue zu schreiben?
Aber vielleicht ist es Deine Lieblingsgeschichte und sie ist Dir ans Herz gewachsen. Die ist ja auch schön, mir hat sie gut gefallen. Auch die lila Dose hat meine Fantasie angeregt – schön, wenn ein Text das vermag!
Den Titel allerdings finde ich weniger überzeugend. Gäbe es da nicht eine bessere Idee?
LILA DOSEN–LIEBE
für so eine gut geschriebene Geschichte!

Zwei Kleinigkeiten hätte ich noch:

... Haufen mehr oder weniger wertvollen Plunder ...
‚Wertvoll’ will mir als Adjektiv zu Plunder nicht recht passen.

Und hier empfinde ich einen Widerspruch, denn einerseits:

Um nichts in der Welt würde er diesen schmerzlich schönen Traum verhökern, ...
doch mit seinem Greisenerektiönchen
(die vorübergehende Enge in seiner Hose)
dann doch:
„Wenn Du die Dose willst, sei meine Geliebte!“

Männer!

Gerne gelesen auf jeden Fall!

José

 

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