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Lotto spielen ist nicht schwer, gewinnen aber sehr
Ich dachte ich höre nicht recht. Dominik wollte Lotto spielen! "Ja, ich hab früher schon gespielt, so kurz vorm Abi, falls es schief geht und so. Aber gewonnen hab ich nie was, nicht eine einzige Mark." Das konnte Sabine natürlich nicht unkommentiert lassen. "Du hast Dich dazu herabgelassen Lotto zu spielen? Du enttäuschst mich, das hätt ich nie von Dir gedacht. Das machen doch nur Träumer und hoffnungslose Verlierer und Spielertypen!" - "Ich dachte immer ich wäre alles drei." Domi war mal wieder unerbittlich, wenn er die Chance sah irgendeine Kerbe zu finden um hineinhauen zu können, tat er dies auch.
Aber ich entschied mich es an diesem Abend nicht soweit kommen zu lassen. Bine war zwar meine Ex, aber das hatte sie nicht verdient. Mutig sprang ich in den Ring. "Hey Domi, ich hab zwar auch schon mal gespielt, aber dass Du mal Lotto gespielt hast, überrascht mich doch sehr. Klar, Du bist ein Träumer, aber einer der knallhart kalkuliert, nicht einen Pfennig unsinnig ausgibt. Vom Bier mal abgesehen..."
Bines Lacher war mir sicher. Aber dass auch ich mal Lotto gespielt hatte entsetzte sie trotzdem. "Was, Du auch? Is ja echt Irrsinn, bin ich die Einzige die hier normal denken kann? Hast Du wenigstens schon mal was gewonnen?"
Triumphierend grinste ich. "Jau, schon zweimal. Jeweils drei Richtige. Beim ersten mal waren es glaub ich ungefähr fünfzig Mark, beim zweiten mal waren es vierzig Mark. Also ist es schon möglich, dass man gewinnt. Aber ich hab halt zehn mal spielen müssen für die zwei Gewinne."
Domi schaltete sich wieder ein. "Hey Ian, was hältst Du davon, wenn wir zwei mal zusammen Lotto spielen? Jeder sagt drei Zahlen an, und damit spielen wir ein paar Wochen. Immer nur ein Feld, nur Samstag, ohne Spiel 77 und Lotterie Super 6. Is doch zu zweit gut finanzierbar, oder?" Ich war baff. Zusammen mit Domi Lotto spielen... war etwas völlig neues. Dennoch sagte ich zu. Ich schrieb drei Zahlen auf einen kleinen Zettel, reichte dann beides Domi hinüber. "Schreib Deine drei Zahlen drauf, am Montag geb ich sie dann in der Nähe von der Uni ab. Dann seh ich jeden Montag nach, und geb ihn neu auf. Gewinne teilen wir halbe-halbe, aber nur was über den Einsatz hinausgeht. Sonst verwende ich den Gewinn gleich für das neue Spiel. Abrechnen tun wir immer hinterher. Abgemacht?"
Er nickte grinsend, nahm den Zettel, schrieb was drauf und gab ihn mir zurück. Er hatte hinter meine Zahlen 3, 7 und 13 seine drei geschrieben: 44, 33, 25. "Und siehst Du dann auch immer samstags die Ziehung an?" Ich antwortete: "Nein, das mach ich nie. Weil man sich dann nur verrückt macht, ob auch alles richtig ist und so, dann klappt man ja völlig zusammen."
Nun, so vergingen mehrere Wochen ohne Gewinn. Ich ging jeden Montag in den Lottoladen nahe der Uni, gab den alten Zettel ab und nahm den neuen wieder mit. Da ich immer die gleichen Zahlen spielen sollte, brauchte ich nicht jedes mal einen ganzen Schein ausfüllen, die Dame schob immer den gleichen Schein in die Maschine, den ich beim ersten mal ausgefüllt hatte.
Doch eines Tages musste es kommen, musste der Tag des Gewinnes kommen. Wenn zwei Schnösel wie Domi und ich zusammen Lotto spielen, muss was draus werden. Das Glück der Einfältigen, sozusagen.
Ich ging in den Laden, gab der Dame die Quittung der Vorwoche und meinen bereits sehr faltigen Schein mit den Kästchen drauf. Sie sah sich routinemässig vor dem Einschieben die Zahlen auf der Quittung an. Plötzlich bekam sie einen sehr seltsamen Ausdruck in den Augen. "Oh Gott, oh Gott! Das sind sie, die Zahlen! Genau die richtigen Zahlen! Ich wusste ja, dass der Gewinner in meinem Laden gespielt hat, aber dass sie es sind..." Ich hatte keinen blassen Schimmer, was sie meinte. "Wie `die richtigen Zahlen´? Hab ich etwa gewonnen, oder was?" Ich wurde ganz aufgeregt. "JA!" Mir drehte sich alles im Kopf, mir war schwindelig, hatte das Gefühl mein Kopf würde gleich platzen. "Ich muss nur noch die Quittung reinschieben, dann kommt die Bestätigung. Dauert einen kleinen Moment länger als sonst, haha!" Mittlerweile malte ich mir aus, was ich mit dem ganzen Geld machen könnte. Studienabbruch, eigener Plattenladen, Ferrari... Scheisse, Domi! An ihn hatte ich nicht gedacht... Egal, die halbe Summe wäre auch in Ordnung. Da kam mir ein Gedanke. "Entschuldigung, hab ich auch die richtige Superzahl?" "Äh..." Sie sah nach: "Nein, tut mir leid. Es ist nicht die richtige. Aber einige tausend Mark sind es wahrscheinlich trotzdem." Scheisse, einmal im Leben Glück, und dann nur halbes Glück. Domi eingerechnet nur ein drittel Glück. Ich fluchte in Gedanken, als die Maschine, der komische "Lesecomputer" spotzte. "Ist was nicht in Ordnung?" Ich wurde immer nervöser. "Ähh, naja, anscheinend kann er die Quittung nicht lesen, weil sie zerknittert ist, und die Schrift ein bisschen abgegriffen ist. Aber das müsste im zweiten Anlauf klappen."
Ich muss nicht extra erwähnen, dass es nicht klappte, oder? So ging es weiter: Die Dame gab mir einen riesigen Zettel, den ich ausfüllen sollte, und geleitete mich in ihr Büro. "Da haben sie mehr Ruhe. Füllen sie den aus, dann schick ich den zusammen mit ihrer Quittung nach München. Dann lesen die die Zahlen selbst, nicht mit dem Computer. Dann kriegen Sie Ihr Geld trotzdem." Also füllte ich den Wisch aus. Was die nicht alles wissen wollten! Anschrift, Kontonummer, Bankleitzahl... hörte sich aber gut an! Gab mir das Gefühl, dass doch noch alles gut gehen würde.
Ich gab der Dame den Zettel, bedankte mich und sagte auf Wiedersehen. Ich trat auf die Strasse, nahm mein Handy zur Hand und wählte Domis Nummer. Als er abnahm, erzählte ich ihm die ganze Geschichte. Ich darf lobend erwähnen, dass er mir keine Vorwürfe machte weil ich den Zettel- die Quittung- im Geldbeutel aufbewahrt hatte, so dass sie zerknittern musste.
Zwei Wochen später bekam ich einen Brief aus München, von der Lottogesellschaft. "Sehr geehrter Herr Reichel, leider müssen wir Ihnen mitteilen dass wir ihnen keinen Gewinn ausbezahlen können, da die Zahlen auf ihrer Quittung nicht mehr lesbar waren...usw."
Augenblicklich rannte ich aufs Klo um mich zu übergeben. Verdammte Scheisse, durch meine eigene Blödheit hatte ich mir selbst den Gewinn vermasselt! Die Herren von der Lottogesellschaft waren wenigstens so freundlich nicht die Summe zu erwähnen, die Domi und ich uns geteilt hätten. Das wäre pure Folter gewesen. Domi sah es auch so, als ich es ihm am Abend erzählte. Er vergab mir mein Missgeschick, und zusammen verbrannten wir den Schein, auf dem das Kästchen mit unseren Zahlen war, in einem Aschenbecher unserer Stammkneipe. Wir schworen uns nie wieder Lotto zu spielen, denn wir entschieden dass das nur für Schwächlinge wäre, die es nicht fertig brächten alleine im Leben klar zu kommen. Ich muss zugeben dass ich mich in dem Moment, als ich im Laden gestanden hatte und der Meinung gewesen war Millionär zu sein, ganz und gar nicht wie ein Schwächling gefühlt hatte. Aber das erzählte ich Domi nicht.