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Lucy

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09.06.2017
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Lucy

Alternativtext (ohne Grafiken)

Mit geradem Rücken sitze ich auf dem Stuhl, ganz vorne an der Kante, und warte. Die Sonne scheint durch das geöffnete Fenster, wärmt mein Gesicht. Blätter rauschen, Vögel singen und das Glockenspiel der Marktkirche erklingt. Ich wünschte, ich könnte diesen Moment besser genießen.
Er poltert durch die Tür, weht an mir vorbei. „Ah, hallo. Da bist du ja.“
Und ich wische die Hände an den Jeans ab, nicke vage in seine Richtung, hoffe, dass das als Gruß durchgeht.
„Was trinken: Wasser, Kaffee?“
„Nein“, erwidere ich, „danke“, und meine Stimme vibriert, als wolle sie gegen etwas angehen, das unausgesprochen in der Luft schwebt und jeden Augenblick herabstoßen könnte.
Das Telefon klingelt.
„Fünf Minuten“, sagt er durch die Zähne gepresst und legt wieder auf.
Pause.
„Wie du weißt, läuft deine Förderung bald aus.“
Der Sitz ist hart und ich verändere die Position, rutsche hin und her.
„Wir haben es durchgerechnet, das geht nicht.“
Mein Herz schlägt schneller, während ich mich mit den Händen an der Stuhlkante abstütze. Ich begreife nicht, was er mir sagen will.
Oder.
Vielleicht doch.
Dass das nicht geht. Antworten muss ich nicht, er hat mir ja keine Frage gestellt. Da ist dieser hochfrequente Sinuston im Raum, der an- und abschwillt, der mich penetriert. Das ginge nicht, sagt er. Je mehr ich versuche, das Geräusch zu ignorieren, desto lauter wird es.
Das geht nicht.
„Tut mir leid“, sagt er und räuspert sich.
„Was bedeutet das?“
„Solange der Zuschuss läuft, darfst du bleiben.“
Er atmet hörbar aus.
Anscheinend erfüllt es ihn auf einmal mit Genugtuung, das sagen zu können. Als bestünde die Leistung schon darin, Menschen für sich arbeiten zu lassen.
Das Telefon klingelt erneut.
„Komme“, sagt er, legt auf und trommelt mit den Fingern.
„Du, jetzt muss ich aber!“
Er rauscht grußlos vorbei, die Tür schließt mit einem satten Plopp. Ich verharre eine Weile regungslos und draußen auf der Straße gurren Tauben. Mir fällt ein, dass ich noch Milch kaufen muss.

Als ich am Morgen in die Küche gehe, um Tee zu machen, bleibt Lucy liegen. Ich gebe mir keine Mühe, leise zu sein, lasse die Schlafzimmertür offen. Meine Schritte auf dem Holzboden tönen hohl und draußen knattert ein Motorrad vorbei. Kälte kriecht in mir hoch, während ich den Kandis aus dem Schrank hole. Das Wasser rauscht im Kocher und ich nehme mir die Zeitung vor. Nachdem ich den Teebeutel in die Kanne gehängt und übergossen habe, wird es still. Lucy kommt nicht - zum ersten Mal in all den Jahren kann ich ganz in Ruhe lesen. Als ich mir die Zunge verbrenne, merke ich, dass ich die Milch vergessen habe. Ich stehe auf und sehe mal nach.

Während ich auf Knien zu der Schlafstelle neben dem Heizkörper rutsche und mich nach vorne beuge, geht ihr Atem kehlig rasselnd. Das Fell fühlt sich seltsam struppig an heute. Sie windet sich und zappelt unter meinen Händen. Ich habe ihr noch niemals erlaubt, auf dem Bett zu liegen, und das wird auch so bleiben. Der Boden ist nass und es sickert kühl durch meine Jeans, ich vermute Erbrochenes und führe die Hand zur Nase, um sicherzugehen. Als ich ihren Brustkorb betaste, entspringt der Tiefe ein Stöhnen, wie aus dem Brunnen eines Kerkers und mir wird ein paar Grad kälter. Die Nummer vom Doktor weiß ich auswendig.
Wir könnten sofort kommen, sagt er. Ich bestelle ein Taxi und hole die Wolldecke aus dem Schrank, während Lucy abwechselnd knöttert und schnauft.

„Ach du Scheiße“, murmelt der Fahrer.
„Auf die Rückbank“, sage ich und presse Lucy an mich. „Könnten Sie die Tür für mich öffnen?“
Beim Einsteigen stoße ich mir den Kopf, und kaum dass ich sitze, hängt er mit seinen Ausdünstungen über uns, bis die Gurtmechanik endlich klickt. Ich wünschte, Abdul wäre gekommen, der macht kein Gedöns mit Anschnallen. Lucy liegt auf meinen feuchten Jeans und zuckt mit der Pfote. Gerade als mir schwummerig wird von der Kurverei, setzen arabische Klänge ein, ganz leise.
„Ist okay, Musik?“, fragt der Fahrer.
„Ja.“
„Wie alt?“
„Drei", antworte ich. „Drei Jahre und zehn Monate.“
Wir biegen scharf ab, fahren ein Stück bergauf und der Wagen kommt zum Stillstand.
„Machte funfzehn Euro.“
Als ich mich zum Bezahlen nach vorne beuge, bewegt sie sich auf meinen Knien. Wir gehen über die Eingangstreppe und durch das stickige Wartezimmer bis zur Anmeldung. Irgendwo miaut eine Katze.
„Gott, so jung“, flüstert jemand und ich habe keine Ahnung, ob sich das auf Lucy oder auf mich bezieht. Sogleich werden wir zum Doktor vorgelassen.
„Wir gehen mal röntgen“, brummt er, nimmt mir das Bündel aus dem Arm und verschwindet. Mit den Fingern zuppele ich ein Taschentuch aus der Hosentasche und wische mir die Stirn. Ich checke meine Mails und vergewissere mich, dass der Geldbeutel noch in der Jackentasche ist, bis der Doktor nach einer Ewigkeit zurückkommt und sich räuspert.
„Die bleibt erstmal hier“, sagt er. „Wir telefonieren.“

Als es so weit ist, gebe ich meine Sachen ab, das Notebook, den Schlüssel. Ich gehe um die Mittagszeit, es sei schon in Ordnung, sagen sie, danke und machs gut. Es ist ganz natürlich, ab und zu gibt es das, dass einer geht: Die Sieger, die andernorts die nächste Stufe auf der Karriereleiter erklimmen, und diejenigen, die ausscheiden, weil sie das Rentenalter erreicht haben, dann die Schwangeren, die in Mutterschutz gehen.
Und Leute wie mich, bei denen die Förderung ausläuft.
Dass ich den Hund in den letzten Tagen nicht mehr mitgebracht hätte, erwähnen ein paar von ihnen. Später, wenn sie mich schon lange vergessen haben, werden sie sich wahrscheinlich noch an den erinnern. Das Glockenspiel der Marktkirche, das mittags durch die geöffneten Fenster tönte, werde ich vermissen, und das Flattern der Fahnen im Wind. Als sie beim Essen sind, schleiche ich mich davon, gehe im Nieselregen zur Haltestelle. Neben mir kläfft ein Hund, aufsässig und viel kleiner als Lucy, ich mag dieses Format nicht, aber er kann ja nichts dafür. Ich atme tief ein und wieder aus, mehrmals. Ob ich sie heimholen wolle, hat der Doktor gefragt.

Jetzt stehe ich wieder in der Praxis, er legt meine Hand auf Lucy und ich streiche ihr über Rücken und Bauch, wobei ich die Verhärtungen spüre und sie zusammenzuckt, einen Laut von sich gibt, den ich von ihr noch nie gehört habe.
„Wie lange dauert es, bis das abgeheilt ist?“, frage ich.
Als die Tür quietschend geht, murmelt der Doktor „Jetzt nicht!“ Morgens und abends solle ich ihr von der Medizin geben. Er zeigt mir, wie das geht, sie solle keine unnötigen Schmerzen leiden. Obwohl ich sage, wir nähmen für den Heimweg ein Taxi, besteht er darauf, uns zu fahren.

Wieder zu Hause lasse ich sie auf der Wolldecke in der Diele schlafen, während ich den Fußboden vor der Heizung aufwische. Ich schiebe eine Tiefkühlpizza in den Ofen und gehe die Post durch. Die Stille wird durchbrochen vom regelmäßigen Tschick-tschack des Scanners, das Lucy mit immer lauter werdendem Stöhnen quittiert. Da sie jetzt ohnehin wach ist, lege ich Bach auf, lasse Ich habe genug durch den Raum schweben und zur Zimmerdecke steigen. Wie nimmt ein Hund diese Musik wahr? Während ich den Tisch decke und das Bier aus dem Kühlschrank hole, macht Lucy keinen Mucks. Ich werte das als Zustimmung.

Ich habe den Heiland, das Hoffen der Frommen,
Auf meine begierigen Arme genommen

Die Pizza schmeckt mir nicht und draußen schüttet der Regen wie aus Kübeln. Nachdem ich die Küche aufgeräumt habe, hole ich die Medizinflasche aus dem Rucksack. Ich hocke mich im Flur neben Lucy, sie liegt immer noch an derselben Stelle, genauso wie ich sie vorhin mit der Decke abgesetzt habe. Der Wassernapf ist randvoll, sie hat nichts getrunken.

Ach! möchte mich von meines Leibes Ketten
Der Herr erretten

Als sie wieder Laut gibt, befühle ich den Kopf, fahre mit beiden Händen die Konturen ab, wobei ich die harten Stellen am Bauch diesmal ausspare. Ihre Schnauze ist trocken und sie wehrt sich, zeigt eine ungeheure Energie, als ich versuche, die Kiefer auseinanderzukriegen, um ihr die Medizin einzuflößen.
Lucy, du hast Mundgeruch.
Sie stößt wieder diese Töne aus, ein eigenartiges Knurren aus der Tiefe, das langsam anschwillt - wenn sie ein Mensch wäre, würde ich behaupten, sie sei betrunken.
Mensch, Lucy, dummer Hund, öffne dein Maul und lass dir helfen!
Das Telefon habe ich leise gestellt, und als es klingelt, bin ich nicht zu sprechen, lasse es auf die Mailbox gehen. Lucy hat etwas von der Medizin geschluckt, zumindest hoffe ich das. Den Johann Sebastian drehe ich runter, trage sie an ihren Platz im Schlafzimmer vor der Heizung und wünsche fest und innig, dass sie zurück in den Schlaf findet. Wochenlang ruft kaum jemand an und jetzt klingelt es schon wieder.

Als ich in der Nacht wachwerde, höre ich sie ächzen. Dreizehn nach eins sagt die Uhr, für die nächste Ladung Medizin ist es noch etwas früh. Ich schleiche in die Diele und höre die Mailbox ab. Bestimmt eine Nachricht vom guten Doktor.
„Wir haben nachgerechnet. Vielleicht geht es doch. Ruf mich an.“
Ich höre es noch einmal ab, aber das ist alles, was er sagt.
„Fürs Löschen drücken Sie die …“
Ich presse den Finger auf die Sieben, halte ihn unnötig lange gedrückt.
Lucys winselt wieder. Ich nehme die Medizinflasche vom Küchentisch und gehe zurück ins Schlafzimmer. Wenn es dort nur nicht so kalt wäre. Ich streichele ihr über den Kopf, kraule sie am Nacken und sie beruhigt sich. Aber als ich in mein Bett will, wird sie wieder laut. So geht das ein paar Mal hin und her. Ich habe keine Lust, den Rest der Nacht neben ihr auf dem Fußboden zu verbringen. Schließlich packe ich sie, lege sie neben mich, rechts auf das große Federkissen mit dem Cordbezug.
Und warte, bis das alles hier vorbei ist.

 

Hi Anne49,
dann mache ich mal den Anfang. Es sei denn, jemand schickt seinen Post ab, während ich hier schreibe.
Mir gefällt die melancholische Stimmung in der Geschichte, den Anfang der Abwärtsspirale, in die deine Prota geraten ist. Erst wird sie gekündigt, dann stirbt (?) Lucy. Du hast dich sehr auf ihr Innenleben konzentriert und ich habe einen guten Einblick bekommen, wen ich da vor mir hatte. Allerdings war es mir an manchen Stellen etwas zu viel. Gerade am Anfang wirkt das sehr gehäuft auf mich. Zunächst war das ok, ich war immer noch dabei, die beiden zu orten und wie sie zueinander stehen. Aber ab:
" ... und meine Stimme vibriert, als wolle sie gegen irgendetwas angehen ..." wurde es mir zu viel. Ich finde, das braucht es nicht. Ich weiß schon, dass sie Angst hat und hatte hier das Gefühl, du wolltest da noch mal sicher gehen, dass der Leser das jetzt auch wirklich begriffen hat. Ich habe mich dann nämlich gefragt, um was für eine Förderung es ging. Wie lange arbeitet sie da schon, dass sie so einen Greuel vor der Kündigung hat. Sie reagiert, als ob sie einen lebenslangen Job verliert, und er verhält sich, als wäre sie eine von vielen, die da ein Praktikum gemacht haben. Der Kontrast war mir nicht so ganz klar. Und der Chef verhält sich auch extrem unverbindlich.

Der Mittelteil, wo sie sich um Lucy kümmert, hat mir gefallen, aber ich weiß nicht recht, wie ich ihn auf den ersten beziehen soll. Es geht um Verlust, um einen Menschen, der grad alles verliert, das ihm wichtig war, aber irgendwie passt das nicht so recht zusammen für mich. Von mir aus könnte diese Szene mit dem Chef ganz weg und stattdessen die enge Beziehung zu Lucy mehr in den Focus rücken. Damit ich weiß, was sie da eigentlich gerade verliert. So ist es ein bisschen so: Ach ja, der Hund ist krank. Die Arme. Aber ich weiß gar nicht recht, wer Lucy ist, wen sie da verliert.

Zum Schluss habe ich den Anruf nicht ganz begriffen. Wer ist denn das nun? Der Arzt oder ihr Chef? Stirbt Lucy jetzt? Hat der Chef sie womöglich vergiftet? Aber warum? Das war mir nicht klar.

Schön geschrieben, und die Stimmung hat mir, wie gesagt, auch gefallen. Nur inhaltlich war es mir teilweise nicht ganz klar. Mal schauen, wie es anderen geht.

Dir noch ein schönes Wochenende und bis bald.

Liebe Grüße von Chai

 

Anne49,

Hallo Anne,

ich fang direkt mal an:

„Nein“, erwidere ich, „danke“, und meine Stimme vibriert, als wolle sie gegen etwas angehen, das unausgesprochen in der Luft schwebe und jeden Augenblick herabstoßen könne.
dieser dreifache Konjunktiv liest sich irgendwie merkwürdig. Vorschlag: … als wolle sie gegen etwas angehen, das unausgesprochen in der Luft schwebt und jeden Augenblick droht, hinabzustoßen.

„Wie du weißt, läuft deine Förderung bald aus.“
Ich würde tatsächlich den Absatz davor ixen, weil ich als Leser noch nicht in der Story bin und einen Themenwechsel annehmen kann.

Er rauscht grußlos vorbei, die Tür schließt mit einem satten Plopp.
Mich stört ein bisschen das Plopp, das fällt durch das comichafte aus dem Duktus. Vielleicht: … die Tür fällt satt ins Schloss.?

Ich verharre eine Weile regungslos und draußen auf der Straße gurren Tauben. Mir fällt ein, dass ich noch Milch kaufen muss.
Das Absurde ist schön, genau das kenne ich auch von mir.

Lucy kommt nicht - zum ersten Mal in all den Jahren kann ich ganz in Ruhe lesen. Als ich mir die Zunge verbrenne, merke ich, dass ich die Milch vergessen habe. Ich stehe auf und sehe mal nach.
Das ist exemplarisch für die Stärke deines Textes, diese feinen, sehr menschlichen Beobachtungen, die sich zu einem dichten Hintergrundbild verweben. Das zieht mich hautnah ran an den Text.

„Wie lange dauert es, bis das abgeheilt ist?“, frage ich.
Als die Tür quietschend geht, murmelt der Doktor „Jetzt nicht!“
Der einzige Stolperer im Text. Ich bekomme die Info: Das Tier wird heimgeholt (zum Sterben?), weil es überall Verhärtungen (Tumore?) hat und sie fragt, wann das abheilt? Das „Jetzt nicht!“ verstehe ich auch nicht. Es ist doch niemand da, der es nicht hören dürfte?


Obwohl du nichts über den/ die Prota verrätst (Chai meint "die Prota", habe aber keinen Hinweis entdeckt), erfahre ich doch alles, was ihn/sie ausmacht über das, was er/sie erlebt und wie er/sie sich dazu stellt. Das machst du sehr stark. Das gleiche funktioniert bei Lucy übrigens ähnlich.

Du hast Alltag getaggt und genauso ist dieses fiese Miststück manchmal auch. Da wird der Job gekündigt (das Praktikantenverhältnis nicht verlängert) und als reiche das noch nicht, stirbt auch noch das geliebte Haustier. Manchmal kommt halt alles auf einmal, der Boden wird mir unter den Füßen weggezogen und ich bin einfach nur froh, wenn alles vorbei ist. Darin liegt auch ein gewisser Trost, in dem Wissen, dass alles vorbeigeht, irgendwann. Deshalb auch: starker Schlusssatz!


Gerne gelesen, wenn auch mit kleiner Träne im Knopfloch.

Peace, linktofink

 

Hallo Anne49,

mit einer einfachen Bemerkung - "Ich wünschte, ich könnte diesen Moment besser genießen" - weckst du gleich zu Anfang Neugierde. Und die Neugierde bleibt im weiteren Verlauf erhalten, trotz dieses Alltagssettings, das ich so gar nicht mag. Ich spüre eine dauerhafte Anspannung – vielleicht sind es die Nerven der Erzählerin, die kurz vorm Zerreißen stehen, weil gerade alles Schlechte zusammenzukommen scheint?

Eine irgendwie unheimliche Anspannung. Mir fällt es schwer, das zu erklären … Irgendwas ist sehr besonders an dieser Geschichte, irgendwas schwebt über all dem, was ich nicht greifen kann, nur erahnen, was aber an mir zehrt, oder sogar zerrt, hinunter in die Tiefe. Nein, eine fröhliche Geschichte ist es nicht, keine mit schönen Lichtblicken. Das Rezitieren der Bibelverse (?) trägt zu dieser Regenstimmung bei, dann läuft auch noch Bach, wie im Gottesdienst fühlt sich das an, wenn alle wie in Trance Worte murmeln, die ich nicht verstehe, wie heimlich abgesprochen, als hätten sie sich vorher irgendwo in den Abwasserkanälen versammelt und Pläne geschmiedet, wie sie mir Angst einjagen können … Jetzt geht meine Fantasie mit mir durch, entschuldige.

Wenn ich Kritik äußern müsste, dann würde sie nur darauf abzielen, dass die Erzählerin und auch Lucy Schattenwerfer bleiben, die mit ihren langen Schatten die Situation verdunkeln, mich aber nicht wirklich nah an sich heranlassen, ihr Gesicht verbergen. Ich habe verrückterweise kein Mitleid mit Lucy – erst wenn ich mir die Situation richtig deutlich mache –, es fühlt sich eher wie Angst an, wie das Ausgeschlossensein aus der Gemeinde. Wahrscheinlich das gleiche Gefühl, das die Erzählerin durchlebt. Lucy … Licht oder Luzifer?

Irgendwie beeindruckend, diese Geschichte. Aber irgendwie auch schrecklich. Auf jeden Fall interessant. Danke dafür.

Liebe Grüße,

Lani

 

Hi Anne49,

das ist sehr schön, wie du das arme Tier in deiner Geschichte zur Geltung kommen lässt. Vor allem auch, dass das gar nicht rührselig wird, so dass man die Kreatur für sich alleine ernst nehmen kann.
Schade nur, dass mir so gut wie nichts zu kritisieren einfällt. Wirklich schade :D .

Mit geradem Rücken sitze ich auf dem Stuhl
Soso, grader Rücken, so sitzen meine Leute aktuelle auch gerade da. Ist ja witzig.

Er poltert durch die Tür, weht an mir vorbei. „Aah, hallo. Da bist du ja.“
Die Örtlichkeit, in der sich das Gespräch abspielt, wird mir nicht ganz deutlich. Das macht mir nicht viel aus, aber ein klitzekleines Bisschen stört es mich doch. Das Ich sitzt im fremden Büro und wartet? Kann sein, es ist ja auch ein Duz-Chef, aber ungewöhnlich kommt mir das schon vor.

Konjunktiv eins finde ich hier:

als wolle sie gegen etwas angehen, das unausgesprochen in der Luft schwebe und jeden Augenblick herabstoßen könne.
merkwürdig, es ist ja nicht die Wiedergabe anderer Gedanken. Mir erschient entweder wollte/schwebte/könnte oder wollte/schwebt/kann passender.

Dann kommt vor diesem Satz:

„Wie du weißt, läuft deine Förderung bald aus.“
ein Absatz. Das irritiert mich gelinde, denn ich denke doch, sie sitzen immer noch in demselben Büro.

Da ist dieser hochfrequente Sinuston im Raum, der an- und abschwillt
Keine Ahnung, wo der herkommt, aber die Unkenntnis schreibe ich mir zu und nehme sie hin.

„Was … bedeutet das?“
Find ich besser ohne die drei Punkte. So klingt es bei mir im Kopf schnell nach Laientheater: Auf jeden Fall die Pause machen, damit jeder merkt, da kann jemand etwas nicht sofort verarbeiten. Ohne die drei Punkte macht sich dagegen jeder die Stimme und Intonation, die er braucht, fänd ich also besser.

Kälte kriecht in mir hoch
Wenn ich mir die Kritikpunkte schon mit der Lupe suchen muss, dann will ich wenigstens nicht auslassen, was ich finde :D Hier also: Eine recht konventionelle, oft gehörte Formulierung. Klingt nach Platzhalter. Ganz anders übrigens als die Einzelheiten, die diese Phrase umrahmen.

ich tippe auf Erbrochenes
"tippen" ist hier leicht zweideutig: raten oder anfassen? Wahrscheinlich nur weil das Ich den Finger zur Nase führt, assoziiere ich das zweite, es setzt sich nicht durch, aber zupft mich ein Stück weit am Ärmel, um mich in die falsche Richtung zu zeihen. Denn es ist doch raten/annehmen gemeint, oder?

Dies hier:

hängt er mit seinen Ausdünstungen über uns
finde ich angesichts des sicher nicht frühlingsforschen Geruchs der Hündin irritierend. Als Kontrast kann man das trotzdem versuchen, aber mir ist es letztlich zu stark. Besser fänd ich wahrscheinlich, das Ich geniert sich für die Unannehmlichkeit, die sie dem Fahrer bereiten muss.

Solche Wiedergaben von gebrochenem Deutsch:

„Ist okay, Musik?“, fragt der Fahrer.
find ich oft zwiespältig. Ich finde das eigentlich nur dann gut, wenn es eine Rolle spielt, das einer so spricht. Das gleiche gilt für Dialekt oder sonstige sprachliche Besonderheiten: Wenn der Darstellung des Charakters dienen, ja, sonst lieber nicht. Hier ist der Charakter eigentlich Wurscht, also - würd ich sagen - einfach normal reden lassen.

„Drei", antworte ich. „Drei Jahre und zehn Monate.“
Oh, das ist aber nicht alt. Fällt mir jetzt erst auf! Und deswegen verstehe ich jetzt auch erst diesen Einwurf:
„Gott, so jung“

Jetzt wieder zur Arbeit zurück: Da gibt es wieder etwas, das ich nicht ganz einordnen kann,nämlich hier:
Es ist ganz natürlich, ab und zu gibt es das, dass einer geht
Wegen der Förderung habe ich auf einen Uni-Kontext getippt, meinetwegen auch ein Forschungsinstitut. Da geht aber ja nicht "ab und zu" jemand, sondern ständig. Und selbst wenn man geht ohne unmittelbare Aussicht auf Anschlussverwendung, gehört man nicht gleich zu den Aussortierten. Ist mir schon klar, dass du das weißt, ich schreibe das nur, um meine Frage zu veranschaulichen. In welchem Umfeld befinden wir uns?

Obwohl ich sage, wir nähmen für den Heimweg ein Taxi, besteht er darauf, uns zu fahren.
Huch, das ist aber ein fürsorglicher Doktor.

Wie nimmt ein Hund diese Musik wahr, kann er die Größe spüren, die ihr innewohnt?
Den ersten Teil der Frage finde ich ok, den zweiten eigentlich zu viel. Man kann das sicher fragen: Inwiefern kann ein Hund womöglich die Größe in der Musik spüren?, aber dann - finde ich - braucht man auch Platz für die Geduld, sich damit überhaupt zu beschäftigen. Sonst wird man sich leicht als Antwort denken: natürlich nicht, und dann bleibt Pathos ohne Wirkung übrig.

Zum Schluss diese sehr hübsche Geste:

Schließlich packe ich sie, lege sie neben mich, rechts auf das große Federkissen mit dem Cordbezug.
die das Ich ja zuvor ausgeschlossen hat.

Soweit also. Ein paar Dinge habe ich mir jetzt ja doch herausgepickt, sieht aber mehr aus als es ist.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hej liebe Anne49,

du schreibfreudige Geschichtenerzählerin. Ich freue mich, von dir zu lesen.

Das Fell fühlt sich seltsam struppig an heute

Also ich bin erleichtert. Lucy bleibt liegen und hat ein Fell. Ja, das kam mir nämlich in den Sinn nach den ersten beiden Absätzen. Ich hatte nämlich den Verdacht, bei Lucy handelt es sich um sie selbst. :confused:

Der Boden ist nass und es sickert kühl durch meine Jeans, ich tippe auf Erbrochenes und führe meine Hand zur Nase, um sicherzugehen.

Na ja, alles andere wäre genauso ... schade. :( Sie kann eh nichts tun. Also sie hätte nicht riechen, und ich es nicht wissen (wollen) müssen. :shy:

Ich wünschte, Abdul wäre gekommen, der macht kein Gedöns mit Anschnallen.

Du meine Güte, wie oft fährt sie denn mit Taxi, dass sie alle Fahrer der Stadt bereits kennt?

„Gott, so jung“, flüstert jemand und ich habe keine Ahnung, ob sich das auf Lucy oder auf mich bezieht.

Ach was? Wie jung ist die Erzählerin denn, dass das auffällig wäre und von einer fremden Person lauthals, oder auch flüsternd erwähnt werden müsste? Oder scheint das trotz aller Trauer der Humor (der Autorin) durch? ;)

Neben mir kläfft ein Hund, aufsässig und viel kleiner als Lucy, ich mag dieses Format nicht, aber er kann ja nichts dafür.

Und wieso dachte ich die ganze Zeit an eine Katze, ich dummes Ding :hmm:?

Jetzt stehe ich wieder in der Praxis, er legt meine Hand auf Lucy und ich streiche ihr über Rücken und Bauch, wobei ich die Verhärtungen spüre und sie zusammenzuckt, einen Laut von sich gibt, den ich von ihr noch nie gehört habe.
„Wie lange dauert es, bis das abgeheilt ist?“, frage ich.
Als die Tür quietschend geht, murmelt der Doktor „Jetzt nicht!“ Morgens und abends solle ich ihr von dem Saft geben. Er zeigt mir, wie das geht, ich müsse darauf achten, dass es nicht seitlich wieder aus dem Maul heraussabbere, sie solle keine unnötigen Schmerzen leiden.

Fürchterlich. Ist es nicht eine Gnade, dass man Tiere einschläfern darf, damit sie eben keine chemischen Betäubungsmittel benötigen oder dahinsiechen und leiden, ohne sich mitzuteilen? Es wird offenbar nicht in Erwägung gezogen, trotz dieser öffentlichen Diagnose und Reaktion des Arztes.

Du nutzt eine kleine Menge an Standardvergleichen, wie Luft zum Schneiden, Regen aus Kübeln, Pizza, die wie Pappe schmeckt. Ich finde das schade.

Ach! möchte mich von meines Leibes Ketten
Der Herr erretten

Auf den müsste Lucy eben nicht warten. :shy:

Dreizehn nach eins sagt die Uhr, für die nächste Ladung Medizin ist es noch etwas früh.

Die Uhr spricht sicher nicht. Und armer, armer Hund.

„Fürs Löschen drücken Sie die …“
Ich presse den Finger auf die Sieben, halte ihn unnötig lange gedrückt.

Das gefällt mir gut.

Und warte, bis das alles hier vorbei ist.

Was ja durchaus auch noch was dauern kann.

Liebe Anne, wie du die Ruhe bewahrst in Wort und Satz ist sehr angenehm. Wie du mir eine Protagonistin zeigst, die im Begriff ist alles (Job und Hund zumindest) zu verlieren und auch dabei die Ruhe bewahrst, auch gut. Sie ruht Hilfe im Glauben und Musik - kann man machen. Aber dass es völlig unerheblich ist, dass es für den Hund eine weitere Möglichkeit gibt, als zu siechen, zu leiden, mahne ich an. Leise, aber doch.
Den Charakter der Frau mag ich gern. Ihre Unaufgeregtheit, ihre einsame Trauer, wie sie den Hund über ihre eigenen Interessen stellt, hast du mitfühlend gezeichnet.
Es ist schön, deine Texte zu verfolgen.

Ein schönes Wochenende, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Anne49,

ich musste mir erst etwas zusammenreimen, um die beiden Erzählstränge zusammenzubringen. Also da ist die Geschichte mit dem Job, der nicht verlängert werden kann. Eine beklemmende Situation für den Protagonisten. Ich weiß nicht, ist es ein Er oder eine Sie, jung oder alt, auch die Art der Tätigkeit bleibt mir rätselhaft.
Der zweite Erzählstrang bewegt sich im privaten Alltag eines Hunderbesitzers, dessen junger Hund Lucy tödlich krank ist. Sein Ende kann mit Hilfe einer vom Tierarzt verschriebenen Medizin hinausgezögert, aber nicht geheilt werden.

Jetzt kommt meine Interpretation. Die fällt deshalb üppig aus, weil ich glaube, du hast den Leser absichtlich im Unklaren gelassen. Vielleicht ist dein Text ein Experiment. Da mach ich jetzt glatt mit.

Also: Der Prota ist eine nicht mehr ganz junge Langzeitarbeitslose, die außer ihrer Hündin Lucy keine Bezugsperson hat. Sie erlebt gerade zwei zentrale Verluste, den Arbeitsplatz in einem Förderungsprogramm und ein Lebewesen, das ihre Hilfe braucht, aber sich nicht helfen lässt.
Um den Arbeitsplatz kämpft sie nicht, nimmt die Entscheidung schließlich stoisch an. Mit Lucy fährt sie sogar im Taxi zum Tierarzt, versucht das Tier durch Bach-Musik zu beruhigen, schließlich fügt sie sich auch hier in das Unvermeidliche.

Wo verbinden sich die beiden Stränge?

Mir fällt auf, dass ich noch Milch kaufen muss

Dieser lapidare Satz macht mir Kopfzerbrechen. Es scheint so unwichtig, aber wenn du ihn so zentral zwischen die beiden Szenen setzst, muss er doch eine Funktion haben.
Hat die Frau ein Kind?
Weißt du, wenn Lucy eine Katze wäre, wüsste ich, aha, Katzen kriegen Milch. Bei Hunden habe ich keine Ahnung. Außerdem braucht sie die Milch ja für ihren Tee.
Aber vielleicht ist die Milch ein Schlüsselwort für sich sorgen, für andere und für sich selbst? Lucy nimmt diesen Platz ein.

Kopfzerbrechen bereitet auch der folgende Satz:

"Gott, so jung", flüstert jemand und ich habe keine Ahnung, ob sich das auf Lucy oder auf mich bezieht.

Ich kann mir die Prota überhaupt nicht jung vorstellen. In einer Tierarztpraxis gibt es bestimmt oft sehr junge Menschen mit ihrem Haustier auf dem Arm. Welches junge Ding lässt seinem Haustier Bach vorspielen? Der Text dazu "Ich habe genug" klingt für mich nach melancholischer Abschiedsstimmung eines älteren Menschen, der mit dem Leben fast abgeschlossen hat. So verstehe ich auch den Schlusssatz

Und warte, bis das alles hier vorbei ist.

Genug Spekulation. Mir gefällt die hohe Gefühlsdichte, gelungen finde ich auch die szenischen Bilder. Ich bin gespannt, ob ich mich hier vergaloppiert hab. Du wirst es mich wissen lassen.

Übrigens: Wo kann man noch für fünfzehn Euro Taxi fahren?

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hatte fast ein schlechtes Gewissen, hier schon wieder was zu posten. Aber Schreiben lernt man nur durch Schreiben, hab ich mir gedacht und dann … habt ihr mir so interessante Kommentare geschrieben, daaanke! Ich finde es klasse, wie ihr lest und wie ihr euch auf die „Löcher“ im Text einlasst!

Hallo Speedy Chai,

lieben Dank für deine Eindrücke!

Mir gefällt die melancholische Stimmung in der Geschichte, den Anfang der Abwärtsspirale, in die deine Prota geraten ist. Erst wird sie gekündigt, dann stirbt (?) Lucy. Du hast dich sehr auf ihr Innenleben konzentriert und ich habe einen guten Einblick bekommen, wen ich da vor mir hatte.

Das mit der melancholischen Stimmung höre ich sehr gerne.
Soso, du siehst eine Frau vor dir … Das ist mir angenehm, allerdings habe ich versucht, das mal offen zu lassen, weil es bei diesem Text für mich keine Rolle spielt, ob das Ich männlich oder weiblich ist. Es gibt natürlich Geschichten, wo mir das superwichtig war, und dann habe ich überlegt, wie ich das einbaue (dezent oder holzhammermäßig direkt), aber hier lege ich tatsächlich mal keinen Wert darauf, das festzulegen.

Aber ab: " ... und meine Stimme vibriert, als wolle sie gegen irgendetwas angehen ..." wurde es mir zu viel. Ich finde, das braucht es nicht. Ich weiß schon, dass sie Angst hat und hatte hier das Gefühl, du wolltest da noch mal sicher gehen, dass der Leser das jetzt auch wirklich begriffen hat. Ich habe mich dann nämlich gefragt, um was für eine Förderung es ging. Wie lange arbeitet sie da schon, dass sie so einen Greuel vor der Kündigung hat. Sie reagiert, als ob sie einen lebenslangen Job verliert

Dass diese erste Szene, die Kündigung, quälend laaang ist, ist mir schon bewusst und beabsichtigt. Du ziehst ja auch die richtigen Schlüsse daraus, also danke für die Rückmeldung, das ist schön, dass du spürst, wie wichtig dem Ich diese Arbeit ist. Wie sehr es verletzt, die zu verlieren, und dass das fast einer persönlichen Katastrophe gleichkommt. Das hängt natürlich eng mit der staatlichen Förderung zusammen, die der Arbeitgeber für die Beschäftigung des Protagonisten erhalten hat.

Der Mittelteil, wo sie sich um Lucy kümmert, hat mir gefallen, aber ich weiß nicht recht, wie ich ihn auf den ersten beziehen soll. Es geht um Verlust, um einen Menschen, der grad alles verliert, das ihm wichtig war, aber irgendwie passt das nicht so recht zusammen für mich. Von mir aus könnte diese Szene mit dem Chef ganz weg und stattdessen die enge Beziehung zu Lucy mehr in den Focus rücken. Damit ich weiß, was sie da eigentlich gerade verliert. So ist es ein bisschen so: Ach ja, der Hund ist krank. Die Arme. Aber ich weiß gar nicht recht, wer Lucy ist, wen sie da verliert.

Ja, das ist wohl das Problem (oder Merkmal) des Textes, dass wir nicht erleben, was Lucy für das Ich bedeutet hat, als es ihr noch gut ging. Dazu müsste ich natürlich weiter ausholen und mehr offenlegen.
Hm, ich verhandele zwei Themen in einer Geschichte, die Kritik ist berechtigt. Ich möchte aber ungern auf eines davon verzichten.

Zum Schluss habe ich den Anruf nicht ganz begriffen. Wer ist denn das nun? Der Arzt oder ihr Chef? Stirbt Lucy jetzt? Hat der Chef sie womöglich vergiftet? Aber warum? Das war mir nicht klar.

Ob der Chef Lucy vergiftet hat? - Herrlich! :D Ich finde deinen Vorschlag irre gut! Danke danke danke! Aber nein, das war nicht meine Intention.
Ich glaube, der Tierarzt würde nicht so reden. Es klingt doch eher nach dem alten Arbeitgeber, nicht?
Muss mal gucken, ob ich an der Nachricht auf der Mailbox noch etwas schrauben werde. Ich könnte mir vorstellen, dass die Firma das Ich wieder einstellen würde, aber zu schlechteren Konditionen.

Schön geschrieben, und die Stimmung hat mir, wie gesagt, auch gefallen. Nur inhaltlich war es mir teilweise nicht ganz klar. Mal schauen, wie es anderen geht.

Ja, der Text ist mal wieder a little bit kryptisch. Ich bin dir dankbar, wie sehr du dich darauf eingelassen hast.

Liebe Grüße
Anne

 

"...
Newspaper taxis appear on the shore
Waiting to take you away
Climb in the back with your head in the clouds
And you're gone
..."
J. L., Lucy in the Sky with Diamonds /Sgt. Pepper, 1967​

„Wie du weißt, läuft deine Förderung bald aus.“
Der Sitz ist hart und ich verändere die Position, rutsche hin und her.
„Wir haben es durchgerechnet, das geht nicht.“

Aber liebe Anne,

weißtu nicht, dass Hunde im Bett bessere Fußwärmer sind als dicke Socken oder Wärmflaschen? Aber Ähnliches wie mit Lucy hab ich ja auch gerade erst im April erlebt als dogsitter, der ausgerechnet bei einem ersten Marsch von 10 km - jeder andere Hund hätte da am Ende um 20 km zurückgelegt -, Willi aber blieb bei mir, hatte als dritten Stuhl Schleim und kotzte am Ende Galle ... Am dritten Tag wurde Willi eingeschläfert ... in seinem 13. Jahr.

Szenen aus dem Hundeleben, denn auch da weiß man weder Tag noch Stunde - und das ist gut so, denn was wäre das für ein Leben, einen konkreten Endzeitpunkt zu kennen, wie aus der modernen Arbeitswelt, wo (befristete) Arbeitsplätze alimentiert werden und alle mit schlechten Aussichten auf Wiederbeschäftigung aus der Arbeitslosenstatistik herausgebastelt werden. Da hat Churchill recht, nur der Statistik zu trauen, die einer selbst gefälscht hat im Sinne eigener Interessen.

Genial die Szenen zwischen befristetem Brotverdienst

Das Telefon klingelt.
„Fünf Minuten“, sagt er durch die Zähne gepresst und legt wieder auf.
Pause.
und Lebensfrist
„Wie lange dauert es, bis das abgeheilt ist?“, frage ich.
Als die Tür quietschend geht, murmelt der Doktor „Jetzt nicht!“

Alles schon gesagt, selbst, wo ich bissken moser, wie schon hier
„Aah, hallo. Da bist du ja.“
Warum doppel-a und Dehnunhs-h, wo doch schon ein einfaches a + h den gleichen Effekt lautlich erzielt, wie ein dopptes a, etwa [a:]

Und hier der Konj. I

„Nein“, erwidere ich, „danke“, und meine Stimme vibriert, als wolle sie gegen etwas angehen, das unausgesprochen in der Luft schwebe und jeden Augenblick herabstoßen könne.
Da wird doch nicht ein anderer/anderes referiert -

wie hier

Das ginge nicht, sagt er. Je mehr ich versuche, das Geräusch zu ignorieren, desto lauter wird es.
Das geht nicht.
(wo ein natürlicher Zweifel des Referierenden mitschwingt) -

Da ginge m. E. sogar Indikativ dank des binären "können", etwas ist/kann sein oder eben nicht ...

Als es so[...]weit ist, gebe ich meine Sachen ab, das Notebook, den Schlüssel.

Als sie beim Essen sind, schleiche ich mich davon, ...
German gerund, why not ... wenn Substantiv dann Mittagspause, Kantine, Caféteria oder beim Neifer (Restauration hierorts als Werksküche ..., sichere Einnaheme in schlechten Zeiten) oder schlicht "als sie essen" (sind?)

Jetzt hab ich Kohldampf - ab zum Frühstück.

Ach so, klar:

Gern gelesen vom

Friedel,
der hofft, dass es nix Autobiografisches ist und dennoch einen schönen Restsonntag wünscht!

 

Hallo Anne49,

ich steige sofort ein.

Als wäre es allein schon eine Leistung, Mitarbeiter hierzubehalten, für sich arbeiten zu lassen.

Mir fällt ein, dass ich noch Milch kaufen muss.
Hier habe ich gehofft, das Setting eingefangen zu haben (Chef / Mitarbeiter), dann erwähnt sie (Lucy?) /er was von Milch kaufen … Hm.
Auf jeden Fall interessant und ein Grund für mich, dran zu bleiben.

Als ich am Morgen in die Küche gehe, um Tee zu machen, bleibt Lucy liegen.
Ah, scheint wohl ein Mann zu sein und Lucy seine Frau.

Lucy kommt nicht - zum ersten Mal in all den Jahren kann ich ganz in Ruhe lesen.
Ui.
Kommt mir irgendwie nennt vor. („Trink deinen Kaffee endlich aus, wir wollen doch noch XYZ.“)

Während ich auf Knien zu der Schlafstelle neben dem Heizkörper rutsche
„Schlafstelle“? Welch antiquiert wirkendes Wort … Ach! Es ist ein Hund. Jetzt weiß ich, wer Lucy ist.

Die Sonne scheint durch das geöffnete Fenster, wärmt mein Gesicht. Blätter rauschen, Vögel singen und das Glockenspiel der Marktkirche erklingt.

draußen auf der Straße gurren Tauben

draußen knattert ein Motorrad vorbei

Das Glockenspiel der Marktkirche, das mittags durch die geöffneten Fenster tönte, werde ich vermissen, und das Flattern der Fahnen im Wind.

im Nieselregen

und draußen schüttet der Regen wie aus Kübeln
Für mich sind das ein wenig zu viele Wetter-, Umgebungsbeschreibungen, später noch Bach.
Die gewollte Melancholie zündet bei mir nicht so richtig. Kann nicht genau sagen, warum. Vielleicht, weil mir das alles mit diesen Beschreibungen zu sehr geplant scheint. Wie im Film, wo am Anfang die Sonne scheint und es an den traurigen Stellen immer regnen muss.
M.E. sollte die Handlung der Geschichte schon alleine eine Melancholie aufbauen/tragen können.

Und Leute wie mich, bei denen die Förderung ausläuft.
Was für eine Förderung ist das denn? Ich finde, das könnte ruhig erwähnt werden an der Stelle, dass sich keiner mehr an den Praktikanten/Laboranten/Langzeitarbeitslosen/Studenten etc. erinnern wird, sehr wohl aber an den Hund o.ä.

Später, wenn sie mich schon lange vergessen haben, werden sie sich wahrscheinlich noch an den erinnern.
Hui, ein harter Satz

Als die Tür quietschend geht, murmelt der Doktor „Jetzt nicht!“ Morgens und abends solle ich ihr von dem Saft geben. Er zeigt mir, wie das geht, ich müsse darauf achten, dass es nicht seitlich wieder aus dem Maul heraussabbere,
Das verstehe ich nicht. Klingt für mich so, als wenn der Arzt keine Zeit hätte, nicht mit dem Prota sprechen zu können, aber dann sagt er doch etwas? Warum dann das für mich genervt erscheinende „Jetzt nicht!“?

Obwohl ich sage, wir nähmen für den Heimweg ein Taxi, besteht er darauf, uns zu fahren.
Der Tierarzt fährt sie nach Hause? Das habe ich noch nie gehört.
Eigentlich müsste das doch auch noch bezahlt werden, oder?
Passen würde es m.E. besser, wenn er sagt, er habe Feierabend und würde sie/ihn noch ein Stück mitnehmen.

Lucy kommt nicht - zum ersten Mal
das langsam anschwillt - wenn sie ein Mensch wäre,
Ist zwar pingelig, aber da gehören (lange) Gedankenstriche hin anstatt (kurze) Bindestriche.

Lucy, du hast Mundgeruch.
Hehe.
Aber müsste es nicht „Maulgeruch“ heißen?
Oder würde man auch „Käsefüße“ anstatt „Käsepfoten“ sagen, wenn die Pfoten des Hundes stinken? :D

Bestimmt eine Nachricht vom Doktor, er ist ein Gutmensch, wie so viele von denen.
„Wir haben nachgerechnet. Du musst uns halt auch verstehen. Ruf mich an.“
Das scheint keine Nachricht vom Doktor, sondern vom Chef zu sein.
Warum soll er/sie zurückrufen? Der Job ist doch weg und nicht wieder zu bekommen. :confused:

Und warte, bis das alles hier vorbei ist.
Ein schönes, offenes Ende.

Ich verstehe es so, dass der/die Prota nicht nur seine Arbeit verloren hat, sondern wohl auch seinen Hund verloren wird. Aus dem Grund kann er/sie sich wohl sich nicht um einen neuen Job kümmern.

Ein ruhiger Text über eine einsame Person. Hat mit gefallen.

Leicht irritiert haben mich nur die ausgelaufene Förderungssache und der fehlende Beruf und das Geschlecht und das Alter. Aber muss ja nicht immer alles haargenau gesagt werden.

Schönen Sonntag und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo linktofink

vielen vielen Dank für deine Leseeindrücke! Du schreibst mir immer so wohlwollende Kommentare … :shy:

dieser dreifache Konjunktiv liest sich irgendwie merkwürdig. Vorschlag: … als wolle sie gegen etwas angehen, das unausgesprochen in der Luft schwebt und jeden Augenblick droht, hinabzustoßen.

Ja danke, ich hab die Stelle verbessert!

„Wie du weißt, läuft deine Förderung bald aus.“
Ich würde tatsächlich den Absatz davor ixen, weil ich als Leser noch nicht in der Story bin und einen Themenwechsel annehmen kann.

Uah, das ist aber ein brutaler Vorschlag! Tatsächlich ist mir aber der erste Absatz und alle darin enthaltenen Sinneseindrücke wichtig. Allerdings habe ich jetzt einen Absatz daraus gemacht, also die Leerzeile dazwischen gelöscht.

Mich stört ein bisschen das Plopp, das fällt durch das comichafte aus dem Duktus. Vielleicht: … die Tür fällt satt ins Schloss.?

Da sagst du was, mit dem comic-haft. Hm, ich könnte einen satten Klang oder so etwas daraus machen. Bei deinem Vorschlag sehe ich das Problem, dass es dann so klänge als ob die Tür satt sei … ja, was hat sie denn gegessen, die Gute, ein Fünfgängemenü? ;)
Mir ist bei diesem Text wichtig, die Höreindrücke sehr differenziert darzustellen. Deswegen bleibe ich für den Moment mal beim Plopp.

Ich verharre eine Weile regungslos und draußen auf der Straße gurren Tauben. Mir fällt ein, dass ich noch Milch kaufen muss.
Das Absurde ist schön, genau das kenne ich auch von mir.

Freut mich. Ist auch eine von meinen Lieblingsstellen.
Ja, so das eine oder andere „Absurde“ hattest du auch bei Nacimiento del Mal drin, oder?
Wobei. Ich finds auch nicht nur absurd. So ist es im richtigen Leben doch auch. Ich meine, da passiert gerade was Tiefgreifendes in deinem Leben und dann fällt dir ein, dass du die Mülltonne rausstellen musst. Das Gehirn ist schon ein schräges Ding.

Der einzige Stolperer im Text. Ich bekomme die Info: Das Tier wird heimgeholt (zum Sterben?), weil es überall Verhärtungen (Tumore?) hat und sie fragt, wann das abheilt?

Ja, ich merke schon, du stehst nicht auf dusselige Erzähler ... :D
Aber im Ernst, ich habe es schon selbst erlebt: Gerade im Bezug auf schwere Erkrankungen nahestehender Angehöriger gibt es dieses unglaubliche Phänomen, diesen Schutzmechanismus namens Verdrängung. Jeder andere, jeder Außenstehende kann eins und eins zusammenzählen und doch gibt es diese Aussetzer, gerade auch bei intelligenten, informierten Menschen, dass sie sich das schönreden und nicht an sich heranlassen.
Der Leser versteht in diesem Moment, dass es nicht gut steht um Lucy. Der Ich-Erzähler nicht, der braucht noch ein Weilchen.

Das „Jetzt nicht!“ verstehe ich auch nicht. Es ist doch niemand da, der es nicht hören dürfte?

Da die Tür ein Geräusch macht, würde ich denken, dass jemand (die Sprechstundenhilfe?) kurz den Kopf zur Tür reinsteckt und der Tierarzt sie wieder wegschickt.

Obwohl du nichts über den/ die Prota verrätst (Chai meint "die Prota", habe aber keinen Hinweis entdeckt), erfahre ich doch alles, was ihn/sie ausmacht über das, was er/sie erlebt und wie er/sie sich dazu stellt. Das machst du sehr stark. Das gleiche funktioniert bei Lucy übrigens ähnlich.

Yep, gut beobachtet. Ich wollte mich beim Erzähler nicht festlegen, ob Mann oder Frau.
Ich hab ja von Hunden keine Ahnung, muss ich an der Stelle mal loswerden. Habe eher gedacht, dass ich Lucy nicht so vollumfänglich charakterisiere. Okay, außer dass sie Mundgeruch hat … :Pfeif:
Wenn das trotzdem für dich funktioniert, freuts mich.

Du hast Alltag getaggt und genauso ist dieses fiese Miststück manchmal auch. Da wird der Job gekündigt (das Praktikantenverhältnis nicht verlängert) und als reiche das noch nicht, stirbt auch noch das geliebte Haustier. Manchmal kommt halt alles auf einmal, der Boden wird mir unter den Füßen weggezogen und ich bin einfach nur froh, wenn alles vorbei ist. Darin liegt auch ein gewisser Trost, in dem Wissen, dass alles vorbeigeht, irgendwann. Deshalb auch: starker Schlusssatz!

Das hast du sehr schön gesagt.
Lucy hätte es wohl so formuliert: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. :hmm:
Ich fands auch schon fast zynisch, das mit Alltag zu taggen, aber so isses halt. Und der gute alte Bach kann mit seiner Musik auch Menschen trösten, die nicht religiös sind, finde ich.

Beste Grüße
Anne

 

Hola Anne49,

„Wie du weißt, läuft deine Förderung bald aus.“
Ich würde tatsächlich den Absatz davor ixen, weil ich als Leser noch nicht in der Story bin und einen Themenwechsel annehmen kann.
:hmm: Sorry, das war sehr missverständlich meinerseits. Alles gut. Ich meinte nicht den ganzen Absatz, sondern nur die Leerzeile dazwischen, da die beiden Absätze inhaltlich zusammengehören.

a, ich merke schon, du stehst nicht auf dusselige Erzähler ...
Aber im Ernst, ich habe es schon selbst erlebt: Gerade im Bezug auf schwere Erkrankungen nahestehender Angehöriger gibt es dieses unglaubliche Phänomen, diesen Schutzmechanismus namens Verdrängung. Jeder andere, jeder Außenstehende kann eins und eins zusammenzählen und doch gibt es diese Aussetzer, gerade auch bei intelligenten, informierten Menschen, dass sie sich das schönreden und nicht an sich heranlassen.
Der Leser versteht in diesem Moment, dass es nicht gut steht um Lucy. Der Ich-Erzähler nicht, der braucht noch ein Weilchen.
Mit Erklärung geht´s. :D

Ich fands auch schon fast zynisch, das mit Alltag zu taggen ...
Nö, gar nicht, passt.

Peace, linktofink

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Anne,


ich tauche gleich mal ein.


Ich wünschte, ich könnte diesen Moment besser genießen.
»Besser genießen«, ich weiß nicht, hab das jetzt mehrmals gelesen, aber, mja, es hilft nix. Würde mir »mehr genießen« besser gefallen? Ich glaube, ich würde das rausnehmen bzw. durch irgendwas Unbehagliches ersetzen - so zum Gegenüberstellen -, vielleicht den Satz weiter unten mit dem harten Stuhl nach oben holen oder so.

„Aah, hallo. Da bist du ja.“
Willst du das »Ah« noch, ja, verlängern? Wie soll ich mir das vorstellen? Aaaaa? Braucht’s das?

Und ich wische die Hände an den Jeans ab, nicke vage in seine Richtung, hoffe, dass das als Gruß durchgeht.
Wieso die Konjunktion am Anfang (fände ich später eingesetzt sinnvoller)? Sehe da keinen Mehrwert drin. Wegen dem SPO?
Mit dem »Vagen« komme ich auch nicht ganz klar. Also stünde das nicht im Satz, bekäme ich trotzdem kein anderes Bild - so im Kontext - von dem Nicken. Die feuchten Hände sprechen schon für sich. »Energisch« würde mich aufhorchen lassen, ja, aber dieses Zaghafte nicht, das habe ich erwartet. Kurzum: Streichkandidat für mich.
Dass-das-Formulierungen sind immer kritisch zu sehen, finde ich, weißt du auch selbst.
Vielleicht irgendwie derart: Die Hände wische ich an den Jeans ab, nicke ihm zu und hoffe, nicht unhöflich zu wirken (höflich genug zu sein (wirken), er wertet das als Gruß, ihm reicht der Gruß, ihm reicht das als Gruß, ...).

... und meine Stimme vibriert, als wolle sie gegen etwas angehen, das unausgesprochen in der Luft schwebe und jeden Augenblick herabstoßen könne.
Den Konjunktiv in Folge würde ich streichen.
Vorschlag: ... und meine Stimme vibriert, als wolle sie gegen etwas angehen, das unausgesprochen in der Luft schwebt und jeden Augenblick herabstoßen kann.
Wirklich verstanden habe ich das nicht :shy:. Was meinst du mit vibrierender Stimme? Im Sinne von zittrig, bebend? Wie passt dann da das Kämpferische rein? Dagegen angehen ... Hm, zuvor hat er/ sie noch vage genickt.

Das Telefon klingelt. „Fünf Minuten“, sagt er durch die Zähne gepresst und legt wieder auf. Pause.
Würde ich hier entweder streichen (hast ja auch einen Absatz gesetzt) - hat was von Regieanweisung, Drehbuch, Theater oder so - oder durch eine Handlung oder ein Bild (Stillleben) ersetzen.

„Wie du weißt, läuft deine Förderung bald aus.“ Der Sitz ist hart und ich verändere die Position, rutsche hin und her.
„Wir haben es durchgerechnet, das geht nicht.“
Gefällt mir nicht. Was soll dieses »es« und »das«?
Vorschlag: „Wie du weißt, läuft deine Förderung bald aus.“ Der Sitz ist hart und ich verändere die Position, rutsche hin und her.
„Also ohne das Geld ... das Budget ist eh knapp.“

(»Das geht nicht« später müsste dann natürlich auch weg.)

Er atmet hörbar aus. Anscheinend erfüllt es ihn auf einmal mit Genugtuung ...
Für mich klingt das hörbare Ausatmen (hier, im Kontext) eher nach Erleichterung - sonst eher nach Resignation oder Genervtheit oder so. Nicht nach Genugtuung.

Als wäre es allein schon eine Leistung, Mitarbeiter hierzubehalten, für sich arbeiten zu lassen.
Vorschlag: Als bestünde die Leistung schon darin, Mitarbeiter hierzubehalten, für sich arbeiten zu lassen.
Ich bin mir nicht ganz sicher, was du sagen möchtest. Mitarbeiter zu halten ist in der heutigen Zeit tatsächlich eine Leistung, nicht? Du meintest was Gönnerhaftes, oder? Dann würde ich es anders formulieren.

Als ich am Morgen in die Küche gehe, um Tee zu machen, bleibt Lucy liegen.
Ist nicht immer vermeidbar, hier schon, finde ich. Ist mMn etwas unelegant, zeitlich derart zu verorten.
Z. B. könntest du einfach den Morgenmantel hochholen. Vorschlag: Ich wickele mich fester in den Morgenmantel und gehe in die Küche, um Tee zu machen (kochen). Lucy bleibt liegen.

Ich gebe mir keine Mühe, leise zu sein, lasse die Schlafzimmertür offen
Würde er/ sie sich ernsthaft Mühe geben, den Hund nicht zu wecken?

Kälte kriecht in mir hoch ...
Nun gut, man könnte sagen, der kleine Bruch, dass jetzt Kälte den wärmenden Strahlen zu Beginn entgegensteht, ist so gewollt. Das wäre dann aber gleichzeitig eben das Problem: gewollt - für mich zu gewollt. Ich finde es ein wenig bemüht, eher irritierend, da ich so ein Sommerbild hatte, mit dem offenen Fenster und so. Aber gut. Sehr subjektiv jetzt, mir ist das halt zu viel Autor, finde das etwas plump.

Während ich auf Knien zu der Schlafstelle neben dem Heizkörper rutsche und mich nach vorne beuge, geht ihr Atem kehlig rasselnd.
Ist jetzt sehr pingelig, aber: Sonst nicht? Geht der Atem nur so, während sie auf Knien rutscht? »Geht der Atem kehlig rasselnd« finde ich zudem recht ungelenk, beinahe verschwurbelt :).

Das Fell fühlt sich seltsam struppig an heute.
Das braucht’s nicht.

Sie windet sich und zappelt unter meinen Händen. Ich habe ihr noch niemals erlaubt, auf meinem Bett zu liegen, und das wird auch so bleiben. Der Boden ist nass und es sickert kühl durch meine Jeans, ich tippe auf Erbrochenes und führe meine Hand zur Nase, um sicherzugehen.
Da lassen sich Possessivpronomen ersetzen.
»Und es« ... Was ist »es«? Nass-es ... Ich weiß nicht. Bei Sickern denke ich eher an was, das sich von oben nach unten ereignet. Vorschlag (irgendso): Sie windet sich und zappelt. Ich habe ihr noch nie erlaubt, auf dem Bett zu liegen, und das wird auch so bleiben. Meine Jeans wird feucht, der ganze Boden ist nass, ich tippe auf Erbrochenes und führe die Hand zur Nase, um sicherzugehen.

Als ich ihren Brustkorb betaste, entspringt der Tiefe ein Stöhnen, wie aus dem Brunnen eines Kerkers und mir wird ein paar Grad kälter.
Sorry, will mir mal so gar nicht gefallen. Das wirkt so ... ultrabemüht und schief, finde ich. Welcher Tiefen denn? Ein Brunnen im Kerker? Ein Stöhnen aus einem Brunnen im Kerker??

Die Nummer vom Doktor weiß ich auswendig.
Das erklärt so manches. Sie kann nicht loslassen, dein(e) Prota, nicht Job, nicht Lucy, und das macht es nicht besser. Für niemanden. Sie/ er klammert, das ist schon tragisch, am meisten tut mir aber Lucy dabei leid.

Ach du Scheiße“, murmelt der Fahrer.
Würde ich streichen, geht dann auch besser mit dem gebrochenem Deutsch einher, finde ich. Hat mich übrigens nicht gestört, dass der Fahrer kein gutes Deutsch spricht.

„Auf die Rückbank“, sage ich und presse Lucy an mich. „Könnten Sie die Tür für mich öffnen?“
Dürfte auch weg. Wird ja klar mit der Tür, und auf einen so herzlosen Gedanken, Lucy in den Kofferraum zu legen, wird wohl keiner der beiden kommen :baddevil:.

... und kaum dass ich sitze, hängt er mit seinen Ausdünstungen über uns, bis die Gurtmechanik endlich klickt.
Würde ich streichen, finde ich abschätzig, in Verbindung mit dem gebrochenem Deutsch, könnte man da auf falsche Gedanken kommen.
Bin mir nicht sicher, ob ein Komma nach »kaum« stehen müsste.

„Machte funfzehn Euro.“
Als ich mich zum Bezahlen nach vorne beuge, bewegt sie sich auf meinen Knien. Wir gehen über die Eingangstreppe und durch das überfüllte Wartezimmer bis zur Anmeldung.
Wer ist »wir«? Doch nicht der Fahrer und dein(e) Prota? Ich habe das so verstanden, dass Lucy nicht mehr gehen kann.

... die Luft ist so stickig, dass man sie schneiden könnte.
Überstrapaziert, abgedroschen.

„Die bleibt erstmal hier“, sagt er. „Wir telefonieren.“
Ja, der kennt die Lucy und Frauchen/ Herrchen. Da haben schon Gespräche stattgefunden, nicht?

„Wie lange dauert es, bis das abgeheilt ist?“, frage ich.
Als die Tür quietschend geht, murmelt der Doktor „Jetzt nicht!“
Bisher habe ich es so verstanden, dass Lucy schon öfter beim Doc war. Ich bin davon ausgegangen, Lucy sei unheilbar krank, es hätten schon Gespräche stattgefunden. Hier, die Frage und die merkwürdige kurze Antwort lassen mich daran zweifeln, ob ich das auch richtig verstanden habe. Oder verdrängt dein(e) Prota das Unvermeidliche? Manchmal stirbt auch jemand, »ist ganz natürlich, ab und zu gibt es das, dass einer geht.« Hm. Aus dem »Nicht jetzt« werde ich nicht schlau.

Morgens und abends solle ich ihr von dem Saft geben. Er zeigt mir, wie das geht, ich müsse darauf achten, dass es nicht seitlich wieder aus dem Maul heraussabbere, sie solle keine unnötigen Schmerzen leiden.
»Es« ist der Saft, nicht? Würde ein »er« daraus machen. Saft sabbert aber nicht. Und wieso Saft? Es gibt ja auch Tabletten, die besser geeignet sind, da man sie besser in 'nem Stückchen Wurst oder so verstecken kann. Falls unbedingt flüssige Arznei, böte sich eine damit gefüllte Spritze an, die man dem Hund in den Rachen spritzt - so kenne ich das zumindest. Jedenfalls bekomme ich keine Vorstellung davon, wie die Prota das jetzt gezeigt bekommen hat und wie sie das letztendlich anstellt. Wäre mir jetzt auch nicht so wichtig, wenn du das mit dem Herauslaufen der Medizin nicht hättest.

Obwohl ich sage, wir nähmen für den Heimweg ein Taxi, besteht er darauf, uns zu fahren.
Das ist schon ein merkwürdiger Text. Finde ich sehr ungewöhnlich. Du wirst dir was dabei gedacht haben, nehme ich an. Das wirft halt Fragen auf. Geht der einfach? Was ist mit den anderen »Patienten«? Kennen die zwei sich näher? Lädt der die beiden dann einfach vor der Haustür ab, nachdem er sich die Mühe gemacht hat, sie heimzufahren? Sind die Fragen, die hier aufgeworfen werden von belang? Spielen die Antworten eine Rolle für den Text?

Die Stille wird durchbrochen vom regelmäßigen Tschick-tschack des Scanners, das Lucy mit immer lauter werdendem Stöhnen quittiert.
Tschick-tschack des Scanners. Hat es irgendwas damit aufsich? Damit sticht der Scanner raus. Was scannt sie denn? Sie putzt, macht Pizza, liest die Post. Da frage ich mich schon, was das jetzt mit dem Scanner soll.

Die Pizza schmeckt nach Pappe ...
Finde ich auch recht abgedroschen.

... ein eigenartiges Knurren aus der Tiefe, das langsam anschwillt - wenn sie ein Mensch wäre, würde ich behaupten, sie sei betrunken.
Wie ein Betrunkener hat sie sich nicht für mich angehört.

Das Telefon habe ich leise gestellt, und als es klingelt, bin ich nicht zu sprechen, lasse es auf die Mailbox gehen.
Weiß nicht, sagt man das so? Das Telefon auf die Mailbox gehen lassen?

Bestimmt eine Nachricht vom Doktor, er ist ein Gutmensch, wie so viele von denen.
Warum so abfällig? Wieso das Unwort? Weil er nicht damit einverstanden ist, was dein(e) Prota Lucy antut? Hm. Dann noch die Ausdünstungen des Fahrers weiter oben ... Ich weiß nicht, Anne, wäre da vorsichtiger, man könnte den/ die Prota ziemlich nach rechts rücken damit. Oder wolltest du das etwa?

„Wir haben nachgerechnet. Du musst uns halt auch verstehen. Ruf mich an.“
Ich höre es noch einmal ab, aber das ist alles, was er sagt.
Diese vielen »es"s. Ich kann mich damit nicht anfreunden.

Ich presse den Finger auf die Sieben, halte ihn unnötig lange gedrückt.
Würde ich streichen.

Lucys Winseln wird lauter. Ich nehme die Medizinflasche vom Küchentisch und gehe zurück ins Schlafzimmer. Wenn es dort nur nicht so kalt wäre. Ich streichele ihr über den Kopf, kraule sie am Nacken und sie beruhigt sich. Aber als ich zurück in mein [ins] Bett will, wird sie wieder laut. So geht das ein paar Mal hin und her. Ich habe keine Lust, den Rest der Nacht neben ihr auf dem Fußboden zu verbringen. Schließlich packe ich sie, lege sie neben mich, rechts auf das große Federkissen mit dem Cordbezug.
Du weißt schon.


Ja, der Text ist mal wieder a little bit kryptisch.
Ja, er ist kryptisch. Ich werde nicht recht schlau aus ihm. Weiß nicht recht, auf was er hinauswill, was die Aussage ist. Kann natürlich einfach an mir liegen.
Der/ die Prota wirkt irgendwie passiv, auch wenn er/ sie Lucy zum Tierarzt bringt. Einerseits ist er/ sie schicksalsergeben (Bach trägt auch dazu bei, finde ich), andererseits auch komisch verdrängend. Ich weiß nicht, was mir das alles sagen soll.
Prinzipiell habe ich gar nichts gegen leise Charakterstudien, im Gegenteil, da du aber - wie du selbst geschrieben hast - a little bit kryptisch vorgegangen bist, erwarte ich irgendeinen tieferen Sinn für die Vorgehensweise, eine Aussage, erkennbare Prämisse, irgendwas besonderes. Verstärkt wird meine Erwartungshaltung auch dadurch, dass du dem/ der Prota kein Geschlecht zugeschrieben hast. Warum nicht?


Sprachlich bin ich hier und da auch mal hängengeblieben, du siehst es ja, du weißt aber auch, dass das alles was mit persönlichen Vorlieben zu tun hat.

Danke fürs Hochladen

hell


Nachtrag: Den Komm habe ich gestern Nacht verfasst, hast ja schon einiges im/ am Text geändert, gell?

 

Hallo Lani,

was für ein wunderbarer Kommentar! Ich danke dir dafür.

Ich habe verrückterweise kein Mitleid mit Lucy – erst wenn ich mir die Situation richtig deutlich mache

Hm … Was Lucy da durchmacht, ist nicht schön, aber der Ich-Erzähler steht das zusammen mit ihr durch. Sie ist nicht allein.

Lucy … Licht oder Luzifer?

Ganz klar: Sie steht für das Licht.

Irgendwas ist sehr besonders an dieser Geschichte, irgendwas schwebt über all dem, was ich nicht greifen kann, nur erahnen, was aber an mir zehrt, oder sogar zerrt, hinunter in die Tiefe. Nein, eine fröhliche Geschichte ist es nicht, keine mit schönen Lichtblicken.

Du hast so schön in den Text hineingespürt, jede Schwingung aufgenommen, dass ich wirklich beeindruckt bin, Lani! Als ich deinen Kommentar gelesen habe, hatte ich eine Gänsehaut, also: in Großbuchstaben und im positivsten Sinne!

So schön im Dunkeln getappt und doch voll ins Schwarze getroffen. Ich muss jetzt mal mein Gewissen erleichtern und mit meiner Intention herausrücken. Beim Schreiben habe ich mir das Ich als eine blinde Person vorgestellt. Damit dürften sich viele Fragen aus den Kommentaren von selbst beantworten.

Ich hoffe, dass die Wortkrieger mit das nicht als unlauter ankreiden werden. Nach dem Motto: Die Anne spielt Rätselspielchen mit uns. Falls sich doch jemand darüber ärgert, dann bitte ich hiermit um Verzeihung! :shy:

Es war eine interessante Erfahrung, ohne visuelle Beschreibungen auskommen zu müssen und die Reaktionen der Mitmenschen (fluchender Taxifahrer, Flüsterstimme im Wartezimmer, hilfsbereiter Tierarzt) nachzuzeichnen.
Wenn ich mich mit der Erzählstimme in das Ich hineinversetze, dann weiß ich ja, dass ich bestimmte Dinge im Alltag anders mache (Post mit dem Scanner lesen zum Beispiel), aber ich sage mir das dann ja nicht in meinem Gedankenfluss vor. Es ist meine Welt und die muss ich mir nicht mehr selbst beschreiben oder erklären.

Ich finde auch die Reaktionen auf den Text superspannend, an welchen Stellen er Fragen aufwirft.

Das Rezitieren der Bibelverse (?) trägt zu dieser Regenstimmung bei, dann läuft auch noch Bach

Die Zeilen stammen ganz konkret aus der Kantate „Ich habe genug“ von Johann Sebastian Bach.
Kann man beispielsweise hier hören: https://www.youtube.com/watch?v=I9BbWneSWQE

Lani, ich kann mich nur bedanken, dein Kommentar war wirklich brillant.

Liebe Grüße
Anne

 

Ich muss jetzt mal mein Gewissen erleichtern und mit meiner Intention herausrücken. Beim Schreiben habe ich mir das Ich als eine blinde Person vorgestellt. Damit dürften sich viele Fragen aus den Kommentaren von selbst beantworten.
Aha! Lese ich hier etwa heraus, dass dein Gewissen kein reines ist oder war :baddevil:?
Nein, jetzt wird vieles klarer, stimmt. Interessant allemal, keine Frage. Ich empfehle aber unbedingt eine Auflösung innerhalb des Texts. Ein wenig hinters Licht geführt fühle ich mich schon.


Lieber Gruß


hell

 

Interessant allemal, keine Frage. Ich empfehle aber unbedingt eine Auflösung innerhalb des Texts. Ein wenig hinters Licht geführt fühle ich mich schon.

... sagt hell

und ich finde es zudem schade, weil ja viel übers Gehör läuft und ich trotzdem keinen Gedanken an Blindheit verschwendet habe. Ist doch eine tolle Idee, liebe Anne49

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hi Anne49,

Beim Schreiben habe ich mir das Ich als eine blinde Person vorgestellt.
Ganz spontan wird ich ja sagen: Lass ruhig so. Denn was ändert sich, wenn man das weiß? Wenn du es nicht dazu sagst, dann sagst du damit, dass es darauf nicht ankommt. Die Beschreibungen von Geräuschen ergeben so sicher mehr Sinn, aber sie geben auch sonst Sinn. Jetzt kann man sich fragen: Warum eine blinde Person als Protagonistin, wenn es am Ende nicht drauf ankommt? Tja, warum denn nicht? Förderung hin oder her, die sich durch das fehlende Sehvermögen erklären mag, aber nicht unbedingt für mich, denn was weiß ich schon über diesbezügliche Förderprogramme ...

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo erdbeerschorsch,

ich danke sehr für deine beiden wunderbaren Kommentare! Ich sehe es genau wie du und habe nicht vor, im Text zu verdeutlichen, dass ich mir beim Schreiben zufälligerweise vorgestellt habe, dass ... (siehe oben oder #14)
Denn wie du so schön sagst: Indem ich das nicht erwähne, sage ich, dass das nicht relevant ist.
Das ist es nämlich auch nicht. Und das ist mein Punkt. Der Text kann auch so funktionieren.

das ist sehr schön, wie du das arme Tier in deiner Geschichte zur Geltung kommen lässt. Vor allem auch, dass das gar nicht rührselig wird, so dass man die Kreatur für sich alleine ernst nehmen kann.

Freut mich, ich wollte es auch wirklich nicht sentimental machen. Wenn mich nicht am Ende die Geduld verlassen hätte, hätte ich es sogar gerne noch schnodderiger gemacht. Aber dafür muss ich immer so lange auf Geistesblitze warten und manchmal kommt dann doch kein Blitz mehr …

Soso, grader Rücken, so sitzen meine Leute aktuelle auch gerade da. Ist ja witzig.

Ja, du! Das ist mir auch schon aufgefallen, als ich in deinen Text geschaut habe! Die längste Zeit stand in meinen Entwürfen der durchgedrückte Rücken. Weil aber kurz danach die Sonne durch das Fenster scheint, jetzt lach nicht, hab ich gedacht, das ist eine Wortwiederholung, die zu vermeiden sei, und so hab ich es geändert. Überreagiert, ich weiß.

Die Örtlichkeit, in der sich das Gespräch abspielt, wird mir nicht ganz deutlich. Das macht mir nicht viel aus, aber ein klitzekleines Bisschen stört es mich doch. Das Ich sitzt im fremden Büro und wartet? Kann sein, es ist ja auch ein Duz-Chef, aber ungewöhnlich kommt mir das schon vor.

Ja genau: Das Ich sitzt im fremden Büro und wartet. Das gibt es doch. Ich habe übrigens fast immer nur Duz-Chefs gehabt und würde behaupten, das sagt wenig über den Führungsstil aus.

Konjunktiv eins finde ich hier:
merkwürdig, es ist ja nicht die Wiedergabe anderer Gedanken. Mir erschient entweder wollte/schwebte/könnte oder wollte/schwebt/kann passender.

Ja, hast Recht. Danke, hab ich verbessert.

ein Absatz. Das irritiert mich gelinde, denn ich denke doch, sie sitzen immer noch in demselben Büro.

Gekauft, ist weg. (War eine dumme Last-minute-Änderung.)

Da ist dieser hochfrequente Sinuston im Raum, der an- und abschwillt
Keine Ahnung, wo der herkommt, aber die Unkenntnis schreibe ich mir zu und nehme sie hin.

Das ist zu gütig von dir.
Einen Erklärungsversuch gibt es trotzdem: Tinnitus-Event bei akutem Stress. (So ähnlich wie Tunnelblick.)

„Was … bedeutet das?“
Find ich besser ohne die drei Punkte. So klingt es bei mir im Kopf schnell nach Laientheater: Auf jeden Fall die Pause machen, damit jeder merkt, da kann jemand etwas nicht sofort verarbeiten. Ohne die drei Punkte macht sich dagegen jeder die Stimme und Intonation, die er braucht, fänd ich also besser.

Sehr hübsch erklärt. Danke! Kauf ich.

Kälte kriecht in mir hoch
Wenn ich mir die Kritikpunkte schon mit der Lupe suchen muss, dann will ich wenigstens nicht auslassen, was ich finde :D Hier also: Eine recht konventionelle, oft gehörte Formulierung. Klingt nach Platzhalter. Ganz anders übrigens als die Einzelheiten, die diese Phrase umrahmen.

Hm, ja, es gibt sie, diese konventionellen Wendungen imText. Was kann man denn überhaupt noch schreiben? Ich versuche mich hier mal damit herauszureden, dass Wärme nach oben steigt und die Kälte tatsächlich eher aus Richtung Fußboden gekrochen kommt. Platzhalter … Hm. Die eine Richtung wäre, es zu vereinfachen zu einem banalen: Mir ist kalt oder so. Dann bin ich irgendwann beim nüchternen Berichtsstil. Die andere Richtung wäre, sich irgendeinen ausgefalleneren Vergleich zu überlegen: Mir ist so kalt als triebe ich mit fünf Pinguinen auf einer Eisscholle? Du merkst schon, ich bin completamente hilflos.

"tippen" ist hier leicht zweideutig: raten oder anfassen? Wahrscheinlich nur weil das Ich den Finger zur Nase führt, assoziiere ich das zweite, es setzt sich nicht durch, aber zupft mich ein Stück weit am Ärmel, um mich in die falsche Richtung zu zeihen. Denn es ist doch raten/annehmen gemeint, oder?

Hm ja, fein beobachtet. Ist mir gar nicht in den Sinn gekommen. Ich würde es gerne trotzdem in Kauf nehmen, zugunsten dieser lockeren Lässigkeit, die dem „Tippen“ anhaftet.

hängt er mit seinen Ausdünstungen über uns
finde ich angesichts des sicher nicht frühlingsforschen Geruchs der Hündin irritierend. Als Kontrast kann man das trotzdem versuchen, aber mir ist es letztlich zu stark. Besser fänd ich wahrscheinlich, das Ich geniert sich für die Unannehmlichkeit, die sie dem Fahrer bereiten muss.

Guter Punkt. Riecht wie nasser Hund ist ja sprichwörtlich. Mir kommt es aber schon auf diesen Sinneseindruck an, außerdem auch auf das Genervtsein des Ich angesichts des Verhaltens des Taxifahrers. Erst den Kopf angestoßen (hätte sich evtl. auch verhindern lassen?) und jetzt auch noch das Gedöns mit dem Anschnallen!
Sichgenieren ist ja nun ein Gefühl, das in die komplett andere Richtung ginge, mehr so wie Bescheidenheit und Dankbarkeit.

Solche Wiedergaben von gebrochenem Deutsch [..] find ich oft zwiespältig. Ich finde das eigentlich nur dann gut, wenn es eine Rolle spielt, das einer so spricht. Das gleiche gilt für Dialekt oder sonstige sprachliche Besonderheiten: Wenn der Darstellung des Charakters dienen, ja, sonst lieber nicht. Hier ist der Charakter eigentlich Wurscht, also - würd ich sagen - einfach normal reden lassen.

Im Grunde gebe ich dir da Recht. Also ich kenne dieses Argument und halte das auch für zutreffend. Und ausufernde Dialoge würde ich auch keinesfalls so schreiben. Ich habe gehofft, dass das hier so wenig ist, dass das durchgeht. Es sind ja mehr Wortauslassungen als Flektionsfehler. Hängt vielleicht auch mit meiner persönlichen Erfahrung zusammen, immer nur ausländische Taxifahrer anzutreffen. Ich habe es jetzt zumindest etwas entschärft, indem ich aus dem „Wie alt ist?“ ein „Wie alt?“ gemacht habe.

Wegen der Förderung habe ich auf einen Uni-Kontext getippt, meinetwegen auch ein Forschungsinstitut. Da geht aber ja nicht "ab und zu" jemand, sondern ständig. Und selbst wenn man geht ohne unmittelbare Aussicht auf Anschlussverwendung, gehört man nicht gleich zu den Aussortierten. Ist mir schon klar, dass du das weißt, ich schreibe das nur, um meine Frage zu veranschaulichen. In welchem Umfeld befinden wir uns?

Das hat sich wohl inzwischen geklärt.

Huch, das ist aber ein fürsorglicher Doktor.

Und das auch. Vielleicht?

Wie nimmt ein Hund diese Musik wahr, kann er die Größe spüren, die ihr innewohnt?
Den ersten Teil der Frage finde ich ok, den zweiten eigentlich zu viel. Man kann das sicher fragen: Inwiefern kann ein Hund womöglich die Größe in der Musik spüren?, aber dann - finde ich - braucht man auch Platz für die Geduld, sich damit überhaupt zu beschäftigen. Sonst wird man sich leicht als Antwort denken: natürlich nicht, und dann bleibt Pathos ohne Wirkung übrig.

Ja, da schimmert wohl durch, was die Autorin über den alten Meister denkt, hüstel. Habe mir schon gedacht, dass die Stelle suboptimal ist. Ich warte noch auf eine zündende Idee, wie ich hier nachbessere. Die Grandeza im zwoten Teil ist ein Darling, von dem ich mich noch nicht zu trennen vermag, aber ich warte mit Geduld und Zuversicht, kommt schon noch … :shy:

Merci und beste Grüße!
Anne

* * *​

Hallo Kanji,

Also ich bin erleichtert. Lucy bleibt liegen und hat ein Fell. Ja, das kam mir nämlich in den Sinn nach den ersten beiden Absätzen. Ich hatte nämlich den Verdacht, bei Lucy handelt es sich um sie selbst.

Ja, der Titel wirkt vielleicht ein büschen einfallslos diesmal. Steckt halt das Licht drin, la luz. Ob das Ich männlich oder weiblich ist, ist ja ausnahmsweise mal nicht so wichtig und nicht festgelegt.

Na ja, alles andere wäre genauso ... schade. :( Sie kann eh nichts tun. Also sie hätte nicht riechen, und ich es nicht wissen (wollen) müssen.

Sorry, dass ich dich mit Körperflüssigkeiten belästigt habe … :dozey:

Du meine Güte, wie oft fährt sie denn mit Taxi, dass sie alle Fahrer der Stadt bereits kennt?

Nicht alle. Nur Abdul. Woher das Ich den genau kennt, da bin ich auch überfragt.

Und wieso dachte ich die ganze Zeit an eine Katze, ich dummes Ding :hmm:?

Kann mir schon denken, warum. Ich glaube, es gibt auch viele Katzen, die Lucy heißen.

Fürchterlich. Ist es nicht eine Gnade, dass man Tiere einschläfern darf, damit sie eben keine chemischen Betäubungsmittel benötigen oder dahinsiechen und leiden, ohne sich mitzuteilen? Es wird offenbar nicht in Erwägung gezogen, trotz dieser öffentlichen Diagnose und Reaktion des Arztes.

Oh je, das kommt so oft in deinem Kommentar, dass ich es mit der Angst kriech, dass du das auf ewig als Tierquälerstory abspeicherst. Aber guck ma: Immerhin darf Lucy nun auf dem kuschelig weichen Kissen auf dem Bett liegen. Das Ich ist im Kontakt mit dem Tierarzt. Vertrau den beiden. Stell dir einfach vor, der Ich-Erzähler gibt Lucy genug Medizin und sie schläft sanft und schmerzlos in seinen Armen ein.

Du nutzt eine kleine Menge an Standardvergleichen, wie Luft zum Schneiden, Regen aus Kübeln, Pizza, die wie Pappe schmeckt. Ich finde das schade.

Standardvergleiche, das ist so ein Punkt, der mich sehr beschäftigt!
Was ist daran gut, was ist daran schlecht? Lass uns mal darüber schwätzen …
Ich finde es nicht leicht, da jedesmal was neu zu erfinden. Würde das nicht auch ablenken vom roten Faden? Die Luft so stickig wie damals beim Sportunterricht in der Elften? Regen so heftig wie einst bei der Arche Noah? Pizza, bei der sich meine Geschmacksknospen gähnend abwenden?
Was würdstn duuu (so als Künstlerin ) so stattdessen schreiben? Hülfe?!

Die Uhr spricht sicher nicht.

Fein beobachtet und wie du inzwischen weißt, spricht die Uhr bei manchen Menschen doch. ;)

„Fürs Löschen drücken Sie die …“
Ich presse den Finger auf die Sieben, halte ihn unnötig lange gedrückt.
Das gefällt mir gut.

Hehe, mir auch. Besonders das trotzige „unnötig“.

Sie ruht Hilfe im Glauben und Musik - kann man machen.

Also hier muss ich mal sanft widersprechen. Ein Mensch kann die großartige Musik, die Bach komponiert hat, verehren, ganz ohne religiös zu sein. Das sind doch zwei völlig getrennte Dinge.

Den Charakter der Frau mag ich gern. Ihre Unaufgeregtheit, ihre einsame Trauer, wie sie den Hund über ihre eigenen Interessen stellt, hast du mitfühlend gezeichnet.

Wenn du, Kanji, mir Gefühl attestierst, was will ich mehr? :shy:

Liebe Grüße
Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Anne,


erlaube mir einen letzten Einspruch. Anschließend halte ich die Finger still, versprochen :).

erdbeerschorsch schrieb:
Denn was ändert sich, wenn man das weiß? Wenn du es nicht dazu sagst, dann sagst du damit, dass es darauf nicht ankommt.
Ich kann das ganz einfach beantworten, erdbeerschorsch. Mit diesem Hintergrundwissen kann ich so manche Szene deutlich besser einordnen (bsp. den hilfsbereiten Doc, der "Ich" nach Hause fährt, etc.) und hätte ich gewusst, dass der/ die Prota blind ist, hätten sich wohl mindestens 2/3 meines Kommentars erübrigt :).
Nicht umsonst habe ich zwischenzeitlich mal nach oben gescrollt, um zu sehen, ob der Seltsam-tag gesetzt wurde.

Könnte man nicht auch sagen, gerade dadurch, dass die Blindheit ausgeklammert wird, macht man sie erst bedeutend?

Gehandicapte Menschen umschiffen meiner Erfahrung nach sprachlich das Thema "Behinderung" nicht, zumindest wenn sie schon länger damit leben. Sie ist Teil ihres Lebens geworden und wird auch benannt. Ausgeklammert wird das Thema eher von der "gesunden" Außenwelt.

Zudem verschenkt der Text hier 'ne Menge Potential, Drama, meine ich.
"Lucy", der du sogar die Überschrift gewidmet hast, Anne, bekäme doch noch eine weitere Bedeutungsebene hinzu, findest du nicht? Ich gehe jetzt nämlich davon aus, dass sie ein Blindenhund ist. Findest du das wirklich nicht erwähnenswert?

Anne schrieb:
Ich muss jetzt mal mein Gewissen erleichtern und mit meiner Intention herausrücken. Beim Schreiben habe ich mir das Ich als eine blinde Person vorgestellt. Damit dürften sich viele Fragen aus den Kommentaren von selbst beantworten.
Wenn die Fragen, die der Text bei vielen aufwirft, nicht vom Text selbst beantwortet werden (kann), sondern erst durch die Erklärung, stimmt doch offenbar etwas nicht mit ihm, oder sehe ich das falsch?


Aber das sind nur meine unbedeutenden (und letzten) 5 Groschen, die ich noch beitragen möchte.


Ist dein Text, Anne, das ist unbestritten, und wenn er dir so passt, dann passt er auch.


Lieber Gruß


hell

 

Hi Anne49,

schön, dass du wieder eine Geschichte mit uns teilst.:)

Mit dem Hintergrundwissen, dass du die (für mich ist es eindeutig eine Sie) Prota erst blind gezeichnet hast, gehe ich ganz anders an den Text heran.

Er atmet hörbar aus.
Dann wäre sowas hier aber unnötig.

Mir würde es echt gut gefallen, wenn du das Thema in deinen Text einarbeitest. :shy:
Es gibt Stellen, die das schon ein bisschen implizieren, die du erweitert und verstärken könntest. Die vielen Beschreibungen der Umgebungsgeräusche passen super zu der verschobenen/verstärkten Wahrnehmung. Und der Blindenhund und die regelmäßigen Taxifahrten passen auch ins Bild.

bis der Doktor nach einer Ewigkeit zurückkommt und sich räuspert.
Das zum Beispiel. Er macht extra geräuschvoll auf sich aufmerksam.

gehe die Post durch. Die Stille wird durchbrochen vom regelmäßigen Tschick-tschack des Scanners
Der Post-Scanner macht auch nur dann Sinn.


Andere Sätze, die dann aber weiniger Sinn machen, müsstest du dir anschauen.

…ich wickele mich fester in den Morgenmantel ein und nehme mir die Zeitung vor.
Ich checke meine Mails.

Mir fällt ein, dass ich noch Milch kaufen muss.
Damit im Hinterkopf, denke ich (im nächsten Satz) bei Lucy erstmal an eine Katze. Ich weiß, das macht man heutzutage nicht mehr. Aber ist halt so ein Bild.

Als ich mir die Zunge verbrenne, merke ich, dass ich die Milch vergessen habe. Ich stehe auf und sehe mal nach.
Vllt. „…nach ihr.“ Sonst ist der Bezug unsauber. Das „mal“ könnte weg.


Ich habe ihr noch niemals erlaubt, auf meinem Bett zu liegen, und das wird auch so bleiben.
Warum ist sie in dieser schrecklichen Situation so strickt? Wem will sie etwas beweisen? Das finde ich irritierend.

ich tippe auf Erbrochenes und führe meine Hand zur Nase, um sicherzugehen.
Bäh. Warum? Was sollte es sonst sein? Riecht man das nicht schon beim Betreten des Zimmers?

Wir gehen über die Eingangstreppe und durch das überfüllte Wartezimmer bis zur Anmeldung.
Vom Gefühl her besser: „Ich gehe mit ihr…“?


die Luft ist so stickig, dass man sie schneiden könnte.
Etwas Stickiges schneiden? Dicke Luft kann man schneiden. Aber für mich bräuchte es diese Phrase gar nicht.

Später, wenn sie mich schon lange vergessen haben, werden sie sich wahrscheinlich noch an den erinnern.
Anstelle „den“ würde ich „ihn“ schreiben.


Wieder zu Hause lasse ich sie auf der Wolldecke in der Diele schlafen, während ich den Fußboden vor der Heizung aufwische.
Da habe ich gestutzt. Ist das noch vom ersten Zusammenbruch da? Ich hatte es so verstanden, dass Lucy ein paar Tage zur Beobachtung beim Tierarzt bleiben musste. Die Kollegen stellten auch ihr Fehlen fest. Das wird sie dann doch schon weggewischt haben, bevor sie Lucy abholt. Habe ich was übersehen?

Lucy, du hast Mundgeruch.
Warum die persönliche Ansprache? Das hebt diese Textstelle hervor. Sonst ist die Erzählweise eher distanziert, auch am Ende der Geschichte.

Ich habe keine Lust, den Rest der Nacht neben ihr auf dem Fußboden zu verbringen. Schließlich packe ich sie, lege sie neben mich, rechts auf das große Federkissen mit dem Cordbezug.
Dass sie das nicht aus Mitleid oder Liebe zu Lucy, sondern aus Genervtheit über das ständige Aufstehen macht, lässt sie für mich furchtbar hässlich werden. Nee, oder? So willst du sie nicht darstellen. Ich lese kalte Beschreibungen, wie sich Lucy quält, erfahre aber kaum, wie es ihrer Besitzerin im Herzen damit geht. Wahrscheinlich schützt sie sich mit dem Kopf in der Wattewolke selbst und der Schmerz bricht erst später heraus.

Und warte, bis das alles hier vorbei ist.
Ohje, was für ein Ende. Da hast du bestimmt beim Kopieren einen Satz vergessen: „Die Wärme und die Kuscheleinheiten taten Lucy so gut, dass sie sich schnell erholte und schon bald wieder fröhlich im Park umherspringen konnte, in dem die Beiden eines Nachmittags auch auf ihren Ex-Chef trafen, den Lucy dann in den Po biss.“ Kannste gern per PnP übernehmen. :D

Gern gelesen.
Viele Grüße
wegen

 

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