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Maskenball der Monstren

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16.06.2016
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Maskenball der Monstren

„Ja, die Zeit, die ich in Budapest studiert habe war wirklich eine der schönsten Zeiten bisher, ich kann ihnen in diesem Punkt nur zustimmen, die Stadt ist einfach herrlich. Doch entschuldigen sie mich, ich möchte etwas frische Luft schnappen.“
Froh dem sinnbefreitem Gequassel der dicken Matrone vor sich zu entgehen, schlängelte sie sich zwischen plaudernden Grüppchen hindurch und strebte auf die Terrasse zu, die sie schon die ganze Zeit im Blick gehabt hatte. Mit festen Handgriffen öffnete sie die Schiebetür und trat vorsichtig hinaus ins Freie. Sie wollte nicht Fallen auf ihren hohen Schuhen. Langsam aber sicher taten ihr die Füße weh. Kurzentschlossen zog sie die High Heels aus und nahm sie in die Hand. Ihre Gedanken kreisten umeinander wie kämpfende Hunde und sie war einfach nur müde. Müde von dem ständigen Auf-der-Hut-sein. Müde von leeren Gerede der Menschen. Müde von dem Gewicht der Maske, die man sie zwang zu tragen und ihre wahre Natur zu verbergen vor den Blicken der Menschen. Sie legte ihren Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
Nur noch gedämpft drang gackerndes Lachen und Klirren von Gläsern an ihr Ohr. Die Laute der Nacht kamen langsam in den Vordergrund. In dem Efeustrauch neben ihr kletterte leise raschelnd ein Gecko nach oben und strebte dem Licht entgegen, wo reiche Beute auf ihn wartete. Trommelnd schlugen Mottenflügeln gegen die Wand. Geschützt in dem tiefschwarzen Schatten der Bäume pirschte ein Marder auf der Suche nach Beute entlang und blieb für einen kurzen Moment angespannt stehen, als er ihre Gegenwart wahrnahm. Ein Zittern lief über seinen schlanken Körper, als er ihre Witterung aufnahm und das Tier wusste sofort, wer da vor ihm stand. Huschend verschwand es in der Nacht. Wie gern wäre sie ihm gefolgt. Sie mochte Mader. Sie waren so verspielt. Und so lecker, leichte Beute, mit der es sich gut amüsieren ließ. Gedankenverloren fuhr sie mit ihrem Finger über ihre Lippe. Ja, so gut...
„Eine herrlich laue Nacht für Mai, finden sie nicht?“, erklang es hinter ihr und die friedliche Stimmung wurde jäh zerstört.
„Ja, das war auch mein Gedanke“, antwortete sie künstlich lächelnd und drehte den Kopf zu dem Mann.
Er hatte die Tür hinter sich geschlossen und stellte sich neben sie. Vergnügt stützte er sich auf das Geländer und betrachtete die schwarzhaarige Schönheit neben sich, aber er erkannte sie nicht. Wie auch, wenn er sie noch nie in menschlicher Gestalt gesehen hatte?
Jetzt oder nie, schoss es ihr durch den Kopf. Sie waren alleine, keiner hatte sie bisher gemeinsam weggehen sehen. Er würde jetzt die Rechnung für das bekommen, was er ihrer Familie angetan hatte. Durch seine Gier waren sie alle in den Flammen des Waldes umgekommen, der seit Jahrtausenden die Heimat ihres Rudels gewesen war. In dem Brand, den der Menschenmann legen lassen hatte. Nie würde sie die spitzen Todesschreie vergessen, die so voller Qual und Angst gewesen waren. Vergebung war etwas für die Starken, doch sie war nicht mehr stark, sie wollte es nicht mehr sein. In ihrer Welt gab es kein Vergessen. Nur Vergeltung.
„Wollen wir uns nicht duzen, Herr Zorzi? Inzwischen kennen wir uns doch so gut. Meine Vorgesetzte muss es auch nicht erfahren, wenn sie mögen“, sagte sie mit rauer Stimme und sah den Mann vor sich intensiv an.
„Ja gerne, wenn es dir nichts ausmacht, Marzena Mazur. Hmmm, allein dieser Name. Marzena. Einer Göttin würdig.“
So falsch lag er damit gar nicht. Es war schließlich der einer altslawische Gottheit. Die des Winters – und des Todes. Sie suchte sich nie einen Namen umsonst aus. Aber ihren wahren Namen, ihr wahres Selbst, würde kein Mensch jemals hören, es sei denn er starb daraufhin durch ihre Hand. Was für ein erheiternder Gedanke.
Das Herz des Mannes schlug hektisch in dessen Brust, sodass ihre übermenschlich empfindlichen Ohren dem rasenden Takt lauschen konnten. Er musste sie wahrhaftig sehr begehren. Vielleicht bekam er ja jetzt, wonach es ihm gelüstete. Mit sinnlich offenstehenden Lippen kam sie dem Mann näher und brachte ihre Lippen an dessen Ohr.
„Bin ich denn eine Göttin für dich, Alessandro?“, flüsterte sie mit rauer, verführerischer Stimme und biss sanft, aber fest in das Ohrläppchen. Der Atem des Mannes beschleunigte sich hörbar. Es war fast zu einfach.
Ruckartig drehte sie sich weg und stolzierte mit wiegenden Hüften die Treppe hinab, die die Terrasse mit der Erde verband. Mit einigen wenigen Handgriffen öffnete sie ihre Haare, sodass sie lang und weich über ihren weißen Rücken fielen, den das tief ausgeschnittene Kleid freiließ. Der Kies des Weges knirschte leise unter ihren nackten Füßen als sie auf die Bäume zu schlenderte. Neckend drehte sie sich um zu dem Mann, der mit großen Augen der mit dem Namen Marzena nachstarrte.
„Was ist, Alessandro? Keine Lust auf Götterspeise zum Dessert?“
Stolpernd setzte sich den Mann in Bewegung und sie drehte sich grinsend um. Jetzt konnte der schöne Teil des Abends beginnen.

„Komm mein Kater, such mich“, lockte sie mit lieblicher Stimme und beobachtete den Mann, der hechelnd auf die Bäume zusteuerte, in deren Schatten sie sich verbarg. Es war so widerlich. Aber sie waren noch nicht weit genug weg von den Anderen, um ungestört reden zu können.
„Oh meine Göttin…“, stammelte der Mensch mit heiserer Stimme und Lust brannte in seinen Augen. Marzena lächelte, doch es erreichte ihre kalten, berechnenden Augen nicht.
„Fang mich doch“, sagte sie zu dem Mann und huschte albern kichernd weiter. Die Jagd war eröffnet. Das Tier in ihr erwachte und ihre Bewegungen wurden anders, eleganter, gefährlicher, nicht mehr menschlich.
„Na warte du kleiner Wildfang, dich krieg ich noch!“, antwortete dieser lachend und schwere Schritte ließen den Boden erbeben. Mit anmutigen Bewegungen strich sie um einen Baum und stieß tiefer in die Dunkelheit hinein. Doch für sie war alles glasklar zu sehen und so konnte sie amüsiert den Menschen beobachten, der mit weit aufgerissenen Augen ihr nach stolperte und blind seinem Untergang entgegenlief.
„Bin ich hier?“, flüsterte sie leise dem Mann ins Ohr, sodass dieser herumfuhr, „Oder hier?“
Jetzt waren sie weit genug entfernt und endlich konnte sie zur Tat schreiten.
An einen Baum gestützt tat sie so, als verstecke sie sich, obwohl sie genau wusste, dass Zorzi hinter ihr war und sie sogar mit seinen erbärmlichen Menschenaugen sehen konnte. Wie nicht anders erwartet, schlangen warme Menschenarme sich um ihre Taille und keuchender Atem wurde in ihren Nacken geblasen.
„Hab dich, Kätzchen.“
Der Mann hauchte feine Küsschen auf Marzenas entblößte Haut und stieß ein tiefes Stöhnen aus. Deutlich spürte sie die Erektion an ihrem Gesäß, die der Mensch unverhohlen an ihr zu reiben begann. Übelkeit gepaart mit abgrundtiefer Abscheu stieg in ihr auf und sie konnte ihre Rolle nicht mehr aufrechterhalten. Es war einfach nur ekelerregend und sie fühlte sich regelrecht beschmutzt durch die tastenden Finger an ihrem Körper.
Schwungvoll drehte sie sich um und stieß den Mann zu Boden. Diesem entfuhr nur ein verblüffter Laut, bevor sie sich rittlings auf ihn setzte.
„Oh, so eine bist du also? Ich mag es wenn Frauen die Initiative ergreifen“, sagte Zorzi schwer atmend. Marzena umfasste die Händegelenkte des Glatzköpfigen und presste sie neben dessen Kopf auf die Erde. Jetzt hatte sie ihn in seiner Gewalt, ohne dass es dem geilen Bock bewusst war. Aber das böse Erwachen würde noch früh genug kommen, dessen konnte sich der Mann gewiss sein.
„Ich bin deine Göttin, Alessandro, schon vergessen? Und Götter herrschen über diejenigen, die sie anbeten“, antwortete Marzena und beugte sich lächelnd zu dem Menschen hinab. Dessen Augen schlossen sich und er erwartete einen Kuss. Er bekam etwas Anderes dafür. Laut hallte der Schrei durch die laue Frühsommernacht, als Marzena ihren Mund öffnete, weiter als es anatomisch eigentlich möglich wäre und ihre nadelspitzen Raubtierzähre in seinen zarten Hals schlug, sodass sein Laut in seinem gequälten Gurgeln unterging.
Reißend warf sie den Kopf zurück und schleuderte angewidert das Stück Fleisch zwischen ihren Zähnen weg zur Seite. Die dünnen Träger ihres Sommerkleides rutschten von ihren zuckenden Schultern und entblößten ihre festen Brüste. Ein Beben lief durch ihren Körper und sie schloss genießerisch die Augen, als sie den hektischen Atem unter sich verstummen hörte und der Mensch mit einem feinen Keuchen sein Leben aushauchte. Nur mit Mühe unterdrückte sie den Drang, sich zu verwandeln und zu fliehen. Denn, wohin sollte sie gehen? Nichts hielt sie mehr in dieser Welt, jetzt wo sie ihre langersehnte Rache endlich erhalten hatte. Sollten sie doch über sie richten, ändern können würden sie nichts mehr. Der Gerechtigkeit war Genüge getan.
Sie hatte sich keinen Zentimeter bewegt, als sie sie fanden, blutüberströmt und mit nacktem Oberkörper im silbrigen Schein des Mondes, immer noch entrückt lächelnd.

 

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