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Master Key

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05.03.2022
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Master Key

Prolog

Wie hatte es nur so weit kommen können? Pat kauerte zusammengesunken im Dreck, den Kopf auf seinen Knien. Fasziniert und zugleich erschüttert beobachtete er wie das Gebäude, dass er in Brand gesteckt hatte, nach und nach in sich zusammenfiel. Die Flammen erhoben sich bis hoch in den Nachthimmel. Der schwarze Rauch verschlang die letzten Sterne dieser Nacht.

Immer wieder tauchte das Bild ihrer vor Angst geweiteten Augen auf. Dieser Blick würde ihn noch lange in seinen Träumen verfolgen, da war er sich sicher.
Immer noch lag die Pistole schwer in seiner Hand. Er versuchte sich verzweifelt einzureden, dass er das Richtige getan hatte. Dass es die einzige rationale Entscheidung gewesen war, sie zu erschießen. Was hätte er denn sonst tun sollen? Aber seine Gefühle und sein ganzer Körper rebellierten dagegen. Er fror und zitterte. Vermutlich eher wegen des Schocks als aufgrund der nächtlichen Temperaturen. Sein Schädel tat höllisch weh und alles, was die Sinne seines Körpers erreichte, fühlte sich an, als hätte es zuvor einen dichten Filter überwinden müssen. In seinen Ohren gellten noch immer ihre Todesschreie wieder und wollten einfach nicht verstummen. Sie gingen Pat durch Mark und Bein und er war kurz davor zu heulen. Es hatte drei Schüsse gebraucht, bis sie endlich still war.

Wie hatte heute Nacht nur alles so verdammt schieflaufen können?

3 Stunden früher

„Etwas stimmt nicht“, dachte Pat.

Der Mond goss sein kaltes Licht in einem glatten Parallelogramm durch die hohe Glasfront bis zehn cm vor seine Füße. Pat saß auf der Bettkante. Grauer Bezug, weiß schimmernde Satinbettwäsche. Sein Blick wanderte ausdruckslos zwischen dem Gemälde, das neben Phil am Boden lehnte und dessen Bruder Logan hin und her. Logan stand etwas unschlüssig mit dem Brecheisen neben Phil und wartete. Man sah ihm förmlich an, dass er nicht wusste, was er mit seinen nervösen Händen tun sollte. Normalerweise hätte er sich in so einer Situation längst lässig eine Kippe in den Mund geschoben und wäre das Abbild eines coolen Mittvierzigers in schwarzer Lederjacke, dunklen Jeans und Dreitagebart gewesen. Aber während eines Bruchs war Rauchen natürlich tabu. So umklammerte er sein Brecheisen mit beiden Händen vor der Brust, wie ein Soldat sein Gewehr. Als er Pats Blick bemerkte, schaute er grimmig, senkte die Arme und schob eine von zwei unnötigen Händen lässig in die Hosentasche, wo er sie halbwegs stilsicher aufbewahren konnte.

Das abgehängte Bild war gigantisch. Zumindest, nein, ausschließlich, in seinen Ausmaßen. Es war über drei Meter lang, gut anderthalb Meter hoch und zeigte mehrere weiße geometrische Figuren, die der Länge nach ineinander verschlungen waren. Der Hintergrund war getüncht in dem vielschichtigen Grau einer Schallschutzmauer, an der sich jahrzehntelang der schwarze Ruß der Abgase abgelagert hatte. Das Kunstwerk bestätigten Pats schlechten Eindruck von dem, was er bisher von der Villa gesehen hatte. „Reduziert“, hieß das Modewort, dass man hier in den Villen Hollywoods des Öfteren antreffen konnte. Steril, leblos, unpersönlich - so hätte es Pat wohl beschrieben. Aber eben auch irgendwie eindrucksvoll und elegant, was allein schon - oder vielleicht ausschließlich - an den Ausmaßen der großen Glasfronten, die sich zum Pool hin erstreckten, den vielen glatten Marmorflächen und klaren Kanten des Gebäudes lag, das ebenfalls aufgebaut war, wie ineinander verschachtelte geometrische Figuren. Irgendwie passt es eigentlich doch ganz gut hierher, dachte er sich.

„Hab’s gleich“, grummelte Logans ungleicher Bruder Phil vor sich hin, der gerade dabei war die dritte Ladung Thermit anzubringen. Dieses kleinere Päckchen schob er in die Rille über dem Tresorschloss.

Pat ignorierte ihn und starrte weiter, scheinbar gelangweilt auf das Gemälde. Aber der Schein trog. In Pats Hirn ratterte es. „Irgendwas passt nicht“, überlegte er fieberhaft. Ein flaues Gefühl flatterte von seinem Magen bis in seine Fingerspitzen. Wieso löste dieses Bild ein so dermaßen schlechtes Gefühl in ihm aus? Der minimalistische Stil war generell nicht so sein Fall. Aber irgendwie … es sah hier aus wie in einem Architekturjournal, nicht wie an einem Ort, wo Menschen wirklich lebten. Pats Blick schweifte durchs Zimmer. Es gab nicht viel mehr zu sehen. Schlafzimmer eben. Außer … diese Leerstellen an den Wänden. Auf dem makellosen weiß, das sonst von den Wänden ausging, sprangen die beiden etwas angegrauten Quadrate einem sogar im Mondlicht ins Auge. Da mussten zwei relativ kleine Bilder gehangen haben. Vielleicht Familienfotos, überlegte Pat. Denn … ja, das war eines der Dinge, die fehlten. Aber warum hängte man sie ab? Gab es Streit mit Shoans Eltern? Würde Pat nicht wundern, wenn sie so einen Lackaffen wie Chris Grainhold anschleppte.

„Wo sind eigentlich die Grammys?“, brummelte Logan.
„Das werden wir gleich wissen“, murmelte Phil der gerade vertieft darin war den Zünder anzubringen.
„Wie?“
„Na, vermutlich da drin“. Phil nickte in Richtung des Tresors, der hinter dem Bild in der Wand eingelassen war.
„Fuck!“, stieß Pat hervor und sprang aus seiner kauernden Haltung hervor wie ein Klappmesser. Jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
„Was?!“ Die beiden Brüder starrten ihn erschrocken an.
„Die Grammys, … die sind nicht im Tresor! Eine dermaßen arrogante Person wie Shoan Shines würde niemals ihre Grammys im Tresor verstecken. Vielmehr würden sie beleuchtet in einer Vitrine oder sonst wie gut sichtbar im Haus stehen.“
„Da war’n aber keine, “ erwiderte Logan. "Sonst wär'n se längst im Sack."
„Eben! Außerdem sind hier Bilder abgehängt worden. Vermutlich Pärchenfotos oder zumindest irgendwelche persönlichen Fotos“, insistierte Pat.

„Und?“, antwortete Logan ungeduldig.
„Hmm …“, brummte Phil. „Du meinst, unser Traumpaar ist keins mehr?“
„Oh“, entfuhr es Logan dumpf.
„Aber wieso sind die beiden dann zusammen nach Chicago zu Shoans Eltern geflogen?“, überlegte Pat.
„Sind sie das?,“ Phil starrte seinen älteren Bruder grimmig an.
„Ich hab sie nicht ins Flugzeug begleitet, aber sie sind auf jeden Fall beide am Flughafen aus dem Taxi gestiegen“, antwortete Logan forsch.
„Bist du dir sicher, dass es Chris Grainhold war!?“
„Na ja, ich … glaub schon … ich mein, er hatte so ne‘ Sonnenbrille auf, wie Promis das halt so haben… also…keine Ahnung Mann! Sie war es auf jeden Fall. Is ja auch echt ne Erscheinung. Ich mein, über ihn hab ich da jetzt so gar nicht weiter nachgedacht…!“
„Fuck“, fluchte Pat erneut.
„Na dann lass uns mal lieber schnell loslegen“, sagte Phil. Und zündete die dicke Lunte des Thermitzünders, während Logan und Pat sich in Position begaben und ihre dunklen Löschdecken möglichst nah zu beiden Seiten über den Tresor hielten. Sie hatten natürlich nicht vor den bevorstehenden Brand zu löschen, wollten so aber verhindern, dass sich allzu viel verdächtiges Licht ausbreitete. Soweit die Theorie. Danach ging alles ganz schnell.

Als Pat die Geräusche von Reifen, die die Einfahrt hochfuhren, vernahm, wich augenblicklich alle Kraft aus ihm. Als die kalten, harten Lichtstrahlen der Scheinwerfer den Raum durchschnitten, verwandelten sie die drei Personen in Sekundenbruchteilen zu Statuen. Nicht mal Pats Herz wagte zu schlagen.

Eine Sekunde später, als wieder allein der Mond die graue Szenerie erhellte, zersprang es dafür fast und mit ihm die Statik der Figuren. Logan ließ die Löschdecke fallen und stürze aus der Tür. Pat hieb ein paar Mal tollpatschig mit seinen in der Löschdecke steckenden Händen auf den Zünder ein, merkte aber instinktiv, dass dies nichts bringen würde. Er spürte wie sich sein flaues Gefühl krampfhaft zu einem Knoten zusammenzog. Panik und Übelkeit schwappte wie eine Welle über ihn und drohten ihn unter der schweren, dunklen Decke zu begraben. „Wir müssen abbrechen“, entfuhr es Pat. „Mach den scheiß Zünder aus.“
„Wie denn?“ Phil stand da, als wolle er losrennen, konnte sich aber nicht entscheiden in welche Richtung.
„Wasser?!“, schnappte Pat nur panisch.
„Bringt nichts. Das ist ein Magnesiumzünder, der reduziert sogar den Sauerstoff im H2O und brennt dann nur… NICHT!“, rief Phil als Logan mit einer Art Zahnputzbecher vermutlich aus dem gegenüberliegenden Bad gerannt kam und diesen schwungvoll über den Tresor lehrte. Der Blitz, der die Augen der Anwesenden zerschlug, war so hell und kam für Pat und Logan zumindest so unvorbereitet, dass beide, wie von einem physischen Schlag getroffen, zurücktaumelten und die Hände vor ihr Gesicht pressten. Dann passierte nichts… während sich die Augen der Einbrecher langsam wieder von dem Schock erholten und das Zimmer nach und nach begann wieder Konturen zu entwickeln, war es vollkommen still. Sekundenlang. So lange, dass in Pat schon die Hoffnung keimte, die Löschaktion sei doch von Erfolg gekrönt gewesen.

Dann ging das Feuerwerk los.
Der Übergang vom Magnesiumzünder zum Thermit war von einigen kurzen, knatternden Lichtblitzen gekennzeichnet, welche die hektischen Bewegungen der Männer noch abgehackter erscheinen ließen. Dann begann sich die heiße Feuersäule brausend aufzubauen.

Fast zeitgleich fiel eine Autotür ins Schloss und die berühmte, unaufgeregte tiefe Moderatorenstimme von Chris Grainhold sowie das amüsierte Gezwitscher einer Frau drangen durch den prasselnden Funkenregen an sein Ohr. Offensichtlich hatten sie den ersten Lichtblitz im Obergeschoss des Hauses nicht bemerkt oder für ein entferntes Wetterleuchten gehalten. Doch ihre ersterbenden Stimmen und deren direkt darauf deutlich veränderter Klang machten deutlich, dass sie bemerkt hatten.

Schneller als Pat schauen konnte, waren die Murray-Brüder die Treppen hinunter gefegt. Er stürzte ihnen hinterher, während die Feuershow im Schlafzimmer infernalische Ausmaße annahm und sich flüssiges Metall in einem beeindruckenden Funkenregen in die bereitgestellte Schale am Boden ergoss.

Logan hatte am anderen Ende des ellenlangen Wohnzimmers wohl die Glastür zur Poolterrasse aufgerissen. Pat sah gerade noch, wie seine Umrisse mit dem Dunkel des Gartens verschmolzen. Während er ihm nachrannte und gerade über den überdimensionalen Couchtisch sprang, erhellte sich mit einem Schlag die ganze Villa. Der erneuten Wechsel vom Dunkel zur Helligkeit irritiert ihn, doch in letzter Sekunde erkannte er, dass die Öffnung in der Glasfront, weiter links war, als er angenommen hatte und er gerade schwungvoll auf eine Scheibe zu rannte. Pat versuchte zu bremsen und schlitterte über den Marmorboden. Im spiegelnden Glas erkannte er, hinter einer erschrockenen bärtigen Grimasse mit gehetztem braunen Augen, und dahinter am anderen Ende des weitläufigen Wohnzimmers, das naht- und wandlos in den Eingangsbereich überging, eine dunkle Gestalt im Türrahmen stehen. Um ein Haar wäre er gegen die Scheibe geknallt. Konnte sich aber so eben noch fangen, schlüpfte durch die Tür, sprintete den Pool entlang und warf sich mit wummerndem Herzen entschlossen durch die hohen Hecken in den Nachbargarten.

***​

Samantha war mit ihrer Freundin Jill und deren neuen Lover Downtown etwas trinken gewesen. Etwas viel vielleicht, denn ihre Reaktion entsprach nicht dem, was sie eigentlich von sich erwartet hätte – hielt sie sich doch für ein ziemlich taffes L.A.-Girl.

Es ging einfach zu rasch. Sie liefen gerade den Canyon Drive nach Hause, als plötzlich die Hecke gut zehn Meter vor ihnen unter Knarren und wilden Bewegungen barst und der Irre auf die Straße stürzte. Er war etwas untersetzt, aber recht groß. „Wie ein Hund. Nein, ein Werwolf“, hatte Samantha gedacht. Keine Ahnung weshalb sie sofort diese blödsinnige Assoziation hatte – vielleicht lag es an den vielen Haaren, die ihr zuerst aufgefallen waren. An seinem etwas wabbligen Bauch, den man kurz sehen konnte, denn das schwarze, weite Metall-Shirt, das er trug, war bei der Aktion verrutscht. Sein Gesicht war bärtig und voll kleiner blutiger Kratzer. Sein Pferdeschwarz wirbelte herum, als er orientierungslos wirkend und hechelnd seinen Blick durch die Gegend schweifen ließ. Schließlich blieb er an Samantha haften. Seine Gesichtszüge hatten etwas Verzweifeltes, Getriebenes. Er zögerte und schien mit sich selbst zu kämpfen, seine grünen Hände auf die Knie gestürzt. Dann stürmte er wie wild auf sie zu. Er war schnell, aber seine Bewegungen wirkten nicht ganz rund, hatten etwas Torkelndes. Als würde er brennend aus einem in Flammen stehende Haus stürzen. An diesen ganzen Scheiß dachte sie, aber an das Pfefferspray in ihrer Handtasche oder all das, was sie mal im Selbstverteidigungskurs gelernt hatte, erinnerte sie sich erst, als er nur noch wenige Schritte entfernt war. Stattdessen hatten sie und ihre Freundin sich klein gemacht und an die Mauer des Anwesens zu ihrer rechten gedrückt. Der neue Freund entpuppte sich als wahrer Held und hatte sich gleich hinter einem parkenden Auto in Sicherheit gebracht. Die Bestie starrte ihr genau in die Augen, als sie diese begleitet von einem kreischenden Schrei schloss und sich wegduckte.

Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung passierte nichts. Er rannte einfach weiter. Und als sie ihm nachblickte, sah sie eine grünliche Schleife in seinem Haar. „Ey yo, spinnst du eigentlich?“, rief der Neue, der gleich hinter dem Auto hervorgehüpft war und ihm mit großen Gesten hinterher fuchtelte. „Verdammter scheiß, was war’n das für’n crazy Motherfucker“, sagte er und nahm Jill fest in den Arm. „Und wieso hatte er eine OP-Haube in seinen Haaren hängen?“, rätselte Jill.

***​

Endlich erreichte er das Fluchtfahrzeug. Für alle Fälle hatte Pat sich einen Zweitschlüssel von den Murrays aushändigen lassen – darauf hatte er bestanden. Es hatte ihn einiges an Überwindung gekostet, die offene Straße zurück in Richtung Tatort zu laufen – unsicher, ob ihr Fluchtfahrzeug überhaupt noch da war. Aber da mittlerweile der öffentliche Verkehr komplett videoüberwacht war, schien ihm keine andere Wahl zu bleiben. Außerdem durften sie den Wagen nicht am Tatort zurücklassen.
Seine Lungenflügen brannten wie Feuer, während er sich umschaute, aber die beiden Brüder konnte er nirgends sehen. Sein schlechtes Gewissen hielt sich daher in Grenzen, als er sich auf den Fahrersitz des schwarzen Pick-ups schwang. Seine Hände benötigten mehrere Versuche, um das Schlüsselloch des Dodge Ram zu treffen. Als der Motor endlich startete, warf er noch einen Blick in alle Rückspiegel.
Hatten sie die Murrays erwischt? Eher nicht.
Er hatte noch nichts von der Polizei gesehen, obwohl er jetzt nur knapp fünfzig Meter Luftlinie vom Tatgrundstück entfernt war. Auch Chris Grainhold war vermutlich gar nicht so scharf darauf drei Einbrecher durch das nächtliche Hollywood zu jagen. Die Straße war leer. Aber dafür erblickte er im Spiegel etwas anderes, das ihm hätte Sorgen bereiten können. Er sah scheiße aus. Richtig scheiße! Was unter anderem natürlich an der lächerlichen OP-Haube lag, die auf der Flucht durch die Gärten wohl verrutsch war, aber sich zum Glück irgendwie in seinen Haaren verfangen hatte. Die anderen beiden hatten sich fast schlapp gelacht, als er bei ihrem ersten Einbruch so aufgekreuzt war. Dazu die grünen Gummihandschuhe.
„Dr. Pat“ hatten sie ihn die ganze Nacht lang gefoppt. Aber das war ihm gleichgültig. Coolness war ihm schon immer recht egal gewesen. Vermutlich, weil ihm eh nie jemand dieses Attribut zugeordnet hätte – aber beim Einbrechen, wo es ja darum ging, nicht gesehen zu werden, war es nun wirklich scheißegal. Heutzutage durfte man keine Spuren hinterlassen. Schon gar nicht, wenn man so lange Haare hatte wie er. Er wollte so viel Sicherheit, wie man bei so einer blöden Sache nur haben konnte. Er wollte das Ganze hier eigentlich gar nicht. Verdammt! Er wollte auf keinen Fall ins Gefängnis.

Er pfefferte die Haube auf den Beifahrer sitzt und riss sich die widerlichen Handschuhe von seinen schweißnassen Händen, die darin zu ersticken drohten und fuhr los.
Er musste sich beherrschen das Gaspedal nicht voll durchzutreten, als er bemerkte, dass der Wagen, der sich ihm in der Straße näherte – ein Polizeiauto war. Ohne Blaulicht oder Martinshorn– aber mit satter Geschwindigkeit. Er versuchte den Kopf starr geradeaus zu halten, schielte nur aus den Augenwinkeln zu den Insassen des Wagens. Das Polizeifahrzeug fuhr ungebremst weiter, aber er hatte genau gesehen, dass ihn beide Officer direkt angestarrten. Hatten sie sich so schnell sein Nummernschild merken können? Er hätte es nicht gekonnt. Aber die übten den Scheiß vermutlich. Für die Fahndung nach dem Wagenbesitzer war es egal. Die Murrays waren nicht blöd und verwendeten gefälschte Nummernschilder. Aber falls die Bullen gleich vorsorglich eine Fahndung nach dem Dodge rausgaben, hatte er ein ernsthaftes Problem. Der V8 des Ram heulte auf und Pat beschleunigte das Monster, das die Amis euphemistisch noch den Pkws zurechneten, hinaus aus den Lichtern der Stadt.


***​

Wie ein Pfeil flogen die Lichtkegel der Scheinwerfer strikt gerade aus gen Norden. Pat war ohne Zwischenfälle aus der Stadt gekommen und wollte einfach nur möglichst viele Kilometer zwischen sich und alles, was passiert war, bringen. Die Sterne boten einen beeindruckenden Hintergrund für die sonst eintönige Kulisse. Den urbanen Raum hatte er schon eine Weile hinter sich gelassen. Hier draußen gab es nur noch Steppe oder riesige Felder mit einzelnen verstreuten Farmen. An den Hängen der Sierra Nevada, die soeben begonnen hatte sich in der Ferne zu erheben, gab es Wein. Die Berggipfel umrahmte bereits ein kaum zu erahnender rötlicher Schimmer, der sich mit dem Schwarz der mondlosen Nacht mischte.

Die Ruhe hier draußen hatte langsam begonnen, sich auch auf Pat zu übertragen. Er wurde müde und seine Gedanken schweiften immer wieder von den Scheinwerfern hinter sich ab, die Pat trotz deutlich überhöhter Geschwindigkeit einfach nicht abschütteln konnte.

Warum musste er auch so ein Pech haben? Die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen war verschwindend gering. Er hatte gründlich recherchiert. Die „Chance“ bei einem halbwegs professionell durchgeführten Einbruch auf frischer Tat ertappt zu werden, lag im Promillebereich. Und sie hatten den Master Key - die Sache war todsicher gewesen. Hatte er geglaubt. Hätte er sich nicht ausgerechnet diese beiden Idioten ausgesucht. Aber dies würde der letzte Bruch gewesen sein. Das schwor er sich. Selbst wenn Google Ventures sich morgen von Huang Fu distanzieren sollte. Wieso tat er auch sowas? Wie konnte er nur so tief gefallen sein?

Bisher hatte es in seinem Leben eigentlich nur eine Richtung gegeben. Bergauf.
Nach der Highschool hatte er eines der super begehrten Stipendien an der Stanford University erhalten, die spätestens seit 1998, als ein bleichgesichtiger Kerl namens Larry Page seine Dissertation dort abbrach, um im nahe gelegenen Pao Alto ein kleines Unternehmen namens „Google“ zu gründen, zum Mekka aller jungen Programmierer wurde. Standford, die Keimzelle des Silicon Valley war nicht einfach nur irgendeine Elite-Uni. Was Standfort einmalig machte, war das versammelte Risikokapital vor Ort. Es war der American Dream 2.0. Der vom ganz großen Geld, welcher nirgends eher Wirklichkeit werden konnte als hier.
Pat hatte sicher nicht den Anspruch der neue Mark Zuckerberg zu werden. Aber er wollte die Welt verändern. Wollte etwas erschaffen, das man kannte. Das man nutzte. Und ja okay, reich sein fand er auch ziemlich attraktiv.

Als er dort anfing war das Internet der Dinge, „the next big thing“ gewesen. Jeder arbeitete daran alles zu digitalisieren, was digitalisiert werden konnte, um irgendetwas vermeintlich zu optimieren und zu vermarkten. Smart Home – war etwas mit seiner Meinung nach riesigem Potenzial – und vor allem war es damals noch ein fast komplett unerschlossener Markt. Kaum jemand hatte bisher sein Zuhause vernetzt und steuerte alles über WLAN. Aber man musste kein Prophet sein, um sich denken zu können, dass dies in ein paar Jahren ganz anders sein würde.

Sein Projekt war es Schlüssel zu digitalieren. Jeder Mensch brauchte Schlüssel, oft ziemlich viele, was heutzutage eigentlich so unnötig war, wie Bargeld. Er wollte eine App entwickeln, die automatisch die Türen zum Haus, später auch zu Garage, Auto, Büro öffnen sollte. Natürlich würden die Leute erst mal Bedenken haben.

Manche waren sogar berechtigt. Die Schwachstelle war die Kommunikation zwischen Tür und Smartphone. Ähnlich wie beim keyless entry bei Autos wurde ein Signal übertragen und egal wie gut man es verschlüsselte, grundsätzlich konnte man das mitschneiden und knacken. Die große Kunst war es also erstens mit möglichst vielen Herstellen zu kooperieren. Dafür brauchte man ein gutes Netzwerk – sprich große Geldgeber. Und um die an Land zu ziehen, brauchte man zweitens: eine super sichere Verschlüsselung. Eine, welche die Bedenken der potenziellen Kunden wirklich zerstreuen konnte. Er persönlich glaubte nicht, dass es so etwas langfristig gab. Natürlich gab es sehr gute Verschlüsselungssoftware, aber alles war zu hacken, früher oder später.

Pat verfolgte eine andere Strategie: Seine Schließsystem-App funktionierte rein optisch. Das heißt, die App erzeugte einen QR-Code, den man vor einen optischen Sensor an der Tür halten musste und dies entriegelte dann die Tür. Natürlich hatte dieses System gegenüber der Konkurrenz Nachteile – vor allem beim Komfort. Man musste eben wie bisher den Schlüssel, das Handy aus der Tasche holen, die App öffnen und konnte dann erst die Türe entriegeln.

Außerdem brauchte man Mini-Kameras in der Tür, was diese etwas teurer machte. Aber seine Zielgruppe war ja ohnehin eine sehr gut betuchte. Und während alle anderen an einer unglaublich raffinierten Verschlüsselung arbeiteten, die alles angeblich super sicher machte. War seine App einfach von Grund auf sicher. Davon war er überzeugt. Nur bei ihm gab es keinen Datentransfer, der mitgeschnitten oder ausgelesen werden konnte. Der QR-Code erzeugte ja kein Signal. Man konnte ihn nur mit einer Kamera auslesen und das ging nur, wenn die App auf dem Handy Screen geöffnet war und das passierte ausschließlich vor der eigenen Haustür. Während das Funksignal theoretisch die ganze Zeit abgegriffen werden konnte.
Das sahen zum Glück auch die Geldgeber so. Es hatte lange gedauert, er war nicht der Beste im Networking, und Networking war im Silicon Valley alles. Aber schließlich wurde er auf die Partys der ganz Großen eingeladen. Er hatte es fast geschafft … fast.

Der Druck, der auf den Gründern im Silicon Valley lag, war enorm. Die Investoren erwarteten, dass man all seine Zeit und Energie in das Projekt steckte. Am schlimmsten waren die Ungewissheit und der Zeitdruck. Pat war hier zu deutsch. Er wollte es perfekt machen. Die Amis tickten anders. Präsentiert wurden prealpha-Versionen. Die Kunden halfen, das unfertige Produkt zu verbessern. Sie waren die wichtigsten Kritiker. „3 Monate sind im Silicon Valley eine Ewigkeit“, hatte Ken Kaufman, sein Dozent in Standfort im beizubringen versucht. Er hatte ihn ignoriert. Sein vielleicht schwerster Fehler.

Anfangs lief alles wie am Schnürchen. Jim Braier hatte sein Projekt in der ersten Finanzierungsphase mit einer halben Million Dollar unterstützt. Für Jim Braier und das Silicon Valley war eine halbe Million nichts. Für Pat war es der Hammer. Fast genauso wichtig wie die Summe, war der Name des Geldgebers. Braier hatte schon oft einen guten Riecher gehabt, er war früh bei Facebook eingestiegen und hatte seine Anteile gehalten.

Pat rechnete sich daher gute Chancen aus, in der zweiten Runde deutlich mehr Geld einzustreichen.

Natürlich war ihm klar, dass er nicht der Einzige war, der an so einer App arbeitete. Dafür war es viel zu mainstream. Und der Konkurrenzkampf im Valley war hart.
Hier konnten wenige Monate, die man zu spät dran war, das Aus bedeuten. Dann hatte man Pech.
So wie Pat. Statistisch gesehen hatte er vermutlich einfach nur kein besonderes Glück. Aber so sehr er sonst mathematisch dachte, diese Perspektive konnte er in seinem eigenen Fall einfach nicht einnehmen. Er hatte verdammtes Pech! Und sein Pech hatte einen Namen: Huang Fu.

Pat hatte noch nie etwas von ihm und seinem Projekt gehört. Die Investoren leider schon. Pat musste feststellen, dass sich alle von ihm abwandten. Er hätte vielleicht noch zwei Monate gebraucht.

Google Ventures und einige andere Investoren hatte eine beachtliche Summe investiert. Außerdem hatte Google Fus Master Key als feature in ihr „Smart Home“-Programm zur digitalen Steuerung des ganzen Hauses via App übernommen. Das war Pats Untergang. Seine App war fast marktreif, die größten Probleme hatte er ausgemerzt. Aber es interessierte keinen mehr.

Auch Braier stieg aus und wollte ihn nicht mehr sehen. Es lag nicht an seinem Produkt, schrieb Braier selbst in einer Mail. Er glaube einfach nicht, dass er neben Fus „Master Key - App“ und deren Google-Kooperation bestehen konnte. Bei einem Produkt, bei dem es darauf ankam, mit möglichst vielen anderen Herstellern von Türen, Autos, etc. zu kooperieren, gab es keinen Platz für kleine Alternativen.
Fus App nutzte Bluetooth, brauchte keine Kameras, was vielfältiger anwendbar und günstiger machte, komfortabler sei und extrem gut verschlüsselt.

Was Pats App konnte, wo ihre Vorteile lagen, was er geleistet hatte … interessierte kein Schwein mehr. Er konnte machen, was er wollte. Sie gaben ihm nicht mal eine Chance.

Er war so enttäuscht, so frustriert, so sauer. Er sah nur noch eine Möglichkeit. Master Key musste scheitern. Er musste nur die Schwachstelle finden und offenlegen. Dann würden alle sehen, dass sie Fu auf den Leim gegangen waren. Dass er, Pat, die einzig sichere Lösung anbot.
Er hatte sich die Alpha-Version geholt. Stand als vermeintlicher Kunde sogar im Austausch mit den Programmierern. Hatte sich tief in Hackerforen eingegraben. Aber die App war wirklich solide programmiert. Das musste er zugeben. Doch es musste eine Schwäche geben. Alles war hackbar! Es war seine letzte Chance. Sie wurde zu seiner Manie.
Es dauerte drei frustrierende Monate, bis er endlich einen Anhaltspunkt für eine Schwachstelle fand. Er wäre fast verzweifelt. Nein, er war verzweifelt – ohne Frage. Unter normalen Umständen hätte er schon längst aufgegeben. Aber er konnte nicht. Er konnte sich sein erneutes Versagen nicht eingestehen. Es musste möglich sein. Zwei weitere Monate dauerte es, bis er eine wirksame Schadsoftware programmiert hatte. Fast ein halbes Jahr in dem er mehr und mehr sein eigentliches Projekt vernachlässigt hatte. In dem er sich selbst vernachlässigte hatte. Er hatte sich kaum noch von seinem Laptop wegbewegt und sah mittlerweile wirklich aus, wie schlechte Sitcoms Programmierer eben so darstellen.
Doch nach seinem Triumpf und dem ersten Freudentaumel wusste er nicht recht, was er mit seinem Wissen anstellen sollte. Würde er die Schwachstelle bei den Investoren öffentlich machen, seine Leistung offen zeigen, würde ihn das nicht gerade sympathisch machen. Vermutlich würden sie die Lücke einfach mit einem Update schließen. Nein, er brauchte einen Skandal!
Es war ihm etwas mulmig dabei, aber Pat begab sich in die Tiefen des Darknet und versuchte dort sein Wissen zu Geld zu machen. Das erwies sich als schwerer als gedacht. Hatte er doch eine Möglichkeit gefunden, mit etwas Vorarbeit einfach in ein Haus zu spazieren und dieses auszuräumen. Natürlich gab es noch nicht viele User, der Markt war noch klein, aber überaus lukrativ.

Es gab auch einige Interessenten. Einmal kam es sogar zu einem persönlichen Treffen, das Pat in äußerst unangenehmer Erinnerung hatte. Das Problem war immer dasselbe. Sie wollten es sehen. Und sie wollten nicht nur den Code. Sie wollten ihn.

So hatte es auch der Russe gesagt, mit dem er sich getroffen hatte. Er wirkte deutlich professioneller als die Murraybrüder. Beängstigend professionell. Er hatte immer wieder versucht klar zu machen, wie einfach es war. Was man tun musste, um an den konkreten Code des Handyusers zu kommen. Vergebens. Sie brauchten oder wollten ihn als Experten. Aber er wollte nicht. Das war nicht seine Welt. Pat wusste, dass er das nicht langfristig machen wollte. Vielleicht auch gar nicht konnte. Wenn er sein Ziel erreichte, die Einbruchserie bei Masterkey-Usern publik wurde und das Unternehmen vielleicht gar aufgeben musste, war er nutzlos. Und falls sie es irgendwie fixen und sich doch retten konnte, war er nutzlos. In jedem Fall wurde Pat klar, als er in die kalten, steinernen Gesichtszüge des Russen sah, dass es gar nicht gut war, wenn man nutzlos wurde und zudem keine Lust mehr hatte mitzumachen.

Nach mehreren erfolglosen Versuchen traf Pat die beiden irischen Brüder etwas klischeehaft in einem Pub in L. A.. Die Murrays waren ganz anders – ziemlich locker und menschlich und es wurde ein erstaunlich netter und feuchtfröhlicher Abend. So etwas hatte Pat so gefehlt. Er war einsam, verletzlich, sozioemotional ausgehungert und zumindest angetrunken, als er einschlug. Wie hatte er nur so dumm sein können?

Die ersten beiden Male war alles trotz seiner enormen Nervosität glatt gelaufen, aber heute …

Pat blinzelte, als er von den Scheinwerfern im Rückspiegel geblendet wurde. War der andere Wagen näher gekommen? Auf jeden Fall. Kein Wunder hatte er doch in seinen Gedanken versunken die Geschwindigkeit wieder merkbar gedrosselt. Pat gab Gas und die Lichter im Rückspiegel entfernten sich wieder langsam. Doch Abschütteln ließen sie sich nicht.

***​

Das machte ihm Sorgen. Das und dass die Bullen sein Auto gesehen hatten. Er war sich irgendwie sicher, dass sie nach ihm suchten. Welche Spur sollten sie sonst auch haben, außer einem in der Straße unbekannten und nicht eben unauffälligen Pick-up, der sich kurz nach der Flucht der Täter vom Tato…rt entfernte. Sollten die Cops wirklich geistesgegenwärtig genug gewesen sein, sich sein Nummernschild zu merken und dieses mittlerweile geprüft haben, würden sie wissen, dass es eigentlich nicht an einen schwarzen Dodge Ram gehörte. Fuck, daran hatte er gar nicht gedacht! Sie würden nicht wissen, auf wen er zugelassen war. Aber sie würden wissen, dass es das Tatfahrzeug war. Und jede verdammte Streife in Kalifornien würde sofort jeden schwarzen Ram kontrollieren. Mit der Ruhe war es nun endgültig vorbei. Der Gedanke, in welcher Gefahr er sich womöglich gerade befand, lies erneut Panik in ihm ausbrechen. Hastig streifte seine Hand durch seinen Bart, versuchte dort verzweifelt Halt zu finden. Das war einfach zu viel für ihn. Er war nicht für das Leben als Krimineller gemacht. Das hatte er doch gewusst. Er versuchte sich gerade einzureden, dass alles ja nur möglicherweise so geschehen war. Außerdem war er schon ein gutes Stück von LA weg. Um diese Uhrzeit gab es hier draußen praktisch keine Streifen – hoffte er. Da entdeckte er in weiter Ferne einen weißen Punkt. Er konnte es nur sehen, weil eine gute Meile vor ihm ein kleines Nest lag. Entlang der Interstate gab es nur einige große Gebäude, vielleicht eine kleine Mall oder eine Werkstatt. Etwas abseits der Straße eine kleine Siedlung, die er nur aufgrund der Straßenlaternen erahnen konnte. Das Einzige, was klar zu erkennen war – war eine hellerleuchtete Tankstelle mit einem großen rot beleuchteten Schild, über der Anzeige mit den Preisen vermutlich. Er war zu weit weg, um irgendetwas genauer erkennen zu können. Aber er war sich sicher, dass soeben ein Fahrzeug die Tankstelle verlassen hatte – eine weiße Limo, glaubte er erkannt zu haben. So eine, wie sie die Ranger oder die California State Police fuhren. „Beruhig dich“, sagte er zu sich selbst. Es war unmöglich auf die Entfernung irgendetwas zu erkennen. Selbst mit der Farbe konnte er sich nicht zu 100 % sicher sein. Oder doch? Doch, es war weiß. Und es kam ohne jeden Zweifel auf ihn zu. Schließlich näherte sich ihm ganz langsam und klein, aber dennoch bedrohlich der weiße Stern der Frontscheinwerfer. Bei diesen elendig langen Geraden fiel es ihm immer noch schwer Entfernungen abzuschätzen. Es konnte tausend andere Autos sein? Aber wer war schon gegen 4 Uhr morgens unterwegs. Jetzt hatte ihn die Angst endgültig erfasst. Er schlug die Hände vor sein Gesicht. Unschlüssig, was er tun sollte. Er blickte zurück. Auch die Scheinwerfer hinter ihm waren immer noch da. Verdammt. Womöglich waren es ja auch gar nicht die Bullen. Das war sogar wahrscheinlich. Aber für seinen Geschmack nicht unwahrscheinlich genug. Warum musste er so ein verdammtes Pech haben! In 1 – 2 Minuten würde er es wissen. Nein! Er wollte nicht ins Gefängnis von L.A.

Seine linke Hand Griff zum Lichtschalter und drehte ihn aus. Gleich darauf zog er das Lenkrad nach rechts und holperte die Böschung des Highways hinunter. Der Hang war weder allzu steil noch allzu hoch. Dennoch krachten und ächzten die Räder gewaltig, als sie unten angekommen bis in die Seitenschweller gedrückt wurden. Sein Gurt griff und hielt ihn davon ab, mit der Nase auf das Lenkrad aufzuschlagen. Direkt danach machte der Ram seinem Namen alle Ehre und fetzte in ein Maisfeld. Pat sah nichts, nicht mal das Feld sah er richtig. Nur die Maispflanzen, die an die Scheibe geschleudert wurden. Er hatte die irrationale Vorliebe der Amis für Pick-ups nie teilen können, aber auf diesem holprigen Acker war er verdammt froh, in einem zu sitzen. Was sich die Bullen oben wohl dachten, als seine Scheinwerfer verschwunden waren. Hoffentlich nichts. Vielleicht hielten sie Ausschau nach einer Ausfahrt. Auf jeden Fall war es mehr als unwahrscheinlich, dass sie im Vorbeifahren und bei dieser Dunkelheit die kleine Lücke im Maisfeld bemerken würden. Danach suchen würden sie wohl kaum, schließlich konnten sie auch sein Fahrzeug unmöglich erkannt haben. Plötzlich war die Zombiearmee aus Maispflanzen, die über sein Auto herfiel, verschwunden und vor ihm erschien etwas Dunkl…


***​

Das Erste, was Pat wieder wahrnahm, war das tinitusartige Sausen in seinen Ohren. Dann kam langsam, ganz langsam sein Sehsinn zurück. Aber zuerst sah er nur einen langen, dunklen Tunnel. Erstaunt stellte er fest, dass er sich bewegen konnte. Er tastete nach dem Gurthalter, löste ihn, öffnete irgendwie die Tür und ließ sich mehr oder weniger aus dem Auto fallen. Was war passiert? Er war irgendwo reingefahren. In ein Gebäude? Der Tunnel vor seinen Augen begann sich zu weiten und seine Sinne kehrten rasch wieder. Das war auf der einen Seite beruhigend. Sein Kopf dröhnte zwar schmerzhaft und auch sein Gesicht fühlte sich irgendwie taub an. Der Airbag hatte ihm vielleicht das Leben gerettet, ihn auf jeden Fall vor schlimmeren Verletzungen bewahrt. Denn wie er sich so in sich hineinfühlte und langsam versuchte sich aufzuraffen, schien er sonst unverletzt. Vielleicht hätte sich sogar ein Gefühl der Erleichterung in ihm breit gemacht, wären da nicht die beiden anderen Sinne gewesen, die Alarm schlugen. Die Geräusche, die an sein Ohr drangen, waren ein infernalisches Gekreische, Gequieke und Getrampel und es war nicht dunkel.

Pat schaffte es, sich langsam in den Vierfüßlerstand zu erheben und sich umzusehen. Im flackernden Licht fegten ca. fünfzig Schweine laut grunzend und quiekend durcheinander. Eine genauere Betrachtung der Umgebung ergab, dass er wohl in einen Schweinestall gerast war. Ein klaffendes Loch in der Bretterwand belegte diese Einschätzung. Der Holzverschlag war es aber wohl nicht, der den Dodge zum Stehen gebracht hatte. Im vorderen Teil des Stalls standen zwei Traktoren und mehrere Anhängevorrichtungen. Einer der beiden Traktoren brannte lichterloh. Der Pick-up hatte ihn offensichtlich gestreift oder eher gerammt, war zum Glück aber erst 5 m weiter im Stall zum Stehen gekommen. Vermutlich hatte der Dodge Tank oder Ölwanne des Traktors aufgerissen. Zu allem Unglück lagerten direkt daneben nicht nur große Mengen an weißen Säcken, die sich zu einem gut 1,50 m hohen Stapel erhoben und vermutlich Dünger oder Futter enthielten, sondern auch quadratische Strohballen, die sich auf die doppelte Höhe auftürmten und schon zu einem großen Teil Feuer gefangen hatten. Auch die dort anschließende Stallwand stand bereits in Flammen, die langsam begannen, die Dachbalken empor zu züngeln. Das Dach selbst war ein einfacher Wellblechverschlag. Der sich anschließende Schweinestall wurde durch einen traktorbreiten Gang in zwei Hälften geteilt. Die gegenüberliegende Hälfte war fast leer, da ein Großteil bereits durch das Loch in der Wand ins freie geflüchtet war. Der Rest rannte noch irgendwo panisch im Stall umher, da Pat auch die Absperrgitter auf dieser Seite des Stalles durchbrochen hatte. In der anderen Hälfte des Stalles herrschte tierisches Chaos. Ein rauchender Höllenkreisel aus Gekreische und trampelnden Beinen.

Pat sah sich im Stall um, ob er einen Feuerlöscher oder Ähnliches entdecken konnte. Nichts. Das Feuer breitete sich rasend schnell aus und Pat wusste, dass er handeln musste, wenn er es durch das Loch in der Bretterwand nach außen schaffen wollte. Schon jetzt kratzte sein Hals von den tiefschwarzen Rauchschwaden, die sich unter dem heißen Wellblech stauten und langsam nach unten sanken.

Er lief zu einem Tor im Schweinegitter, legte einen metallenen Hebel um, schob die Verriegelung nach oben und öffnete das Gattertor. Die meisten Schweine machten ihrem Ruf als kluge Tiere alle Ehre und rannten an Pat vorbei, der schnell einen Schritt zur Seite trat, um nicht umgeworfen zu werden, und steuerten zielsicher in Richtung der kühlen Nachtluft. Nur zwei wohl eher zurückgebliebene Exemplare taten genau das und rannten immer wieder von einer Ecke des Gatters in die andere. Aber allein das Chaosprinzip sollte schon dafür sorgen, dass sie früher oder später den Weg nach draußen finden sollten.

Zu Pats Verwunderung hörten die entsetzlichen Schreie nicht auf. Sie kamen von der anderen Seite des Dodge, die in Richtung der Landmaschinen lag und damit auf der Seite des Feuers, das auch das Fluchtfahrzeug in wenigen Minuten erfassen würde.

Als er den Pickup umgangen hatte, schlug ihm bereits so viel Hitze und Rauch entgegen, dass er sich sofort keuchend wegdrehte. Was immer in den weißen Säcken war, es brannte wohl auch nicht schlecht. Dennoch hatte er die Quelle der Schreie entdecken können. Neben den beiden großen Gattern gab es noch zwei sehr kleine, enge Gatter. Eines war leer. In dem anderen lag eine große Muttersau mit insgesamt 6 kleinen Ferkeln. Nur wenige Wochen alt, schätzte Pat. Die Sau war mit einem großen Metallgestänge am Boden fixiert, sodass sie nur säugen, fressen und trinken, aber nicht aufstehen konnte. Auch hier riss Pat das Gatter auf, doch die Kleinen drückten sich nur enger an den Bauch ihrer Mutter. Pat schnappe sich zwei und versuchte sie unter seinen Armen zu klemmen, doch sie entwanden sich im bald wieder und plumpsten unbeholfen in den Stall zurück. Eins allein konnte man aber gut halten. Also rannte Pat. Sechs Mal rannte er durch die Feuerbrunst. Jedes Mal wurde die Rauchentwicklung schlimmer und jedes Mal schaute sie in von der Seite an. Sie wusste, was er tat. Das spürte Pat. Die Augen der Muttersau waren irgendwie beängstigend menschlich. Als hätte Circe irgendeine unglückliche Seele in diesem Körper gefangen. Sie beobachtete ihn genau. In ihrem Blick lag ein Flehen, das ihn anspornte weiterzurennen. Er hatte sich vor Husten fast erbrochen und einige Mal tief durchgeatmet, bevor er zum siebten Mal in den Stall gelaufen war. Das Feuer war jetzt sehr nah und das Einzige, was einem vor dem in der Lunge kratzenden Rauch schützend konnte, war rechtzeitig und möglichst lang die Luft anzuhalten. Es war bereits so heiß, dass es schmerzte bei ihr zu sein. Seine Haut glühte. Sie schrie jetzt nicht mehr, sondern wand sich nur verzweifelnd und keuchend. Aber vergebens. Die dicken Stahlrohre hielten sie fest am Boden. Pat suchte auch hier nach einem Hebel, irgendeiner Art Mechanismus, aber er konnte nichts finden. Seine Augen tränten und er musste Luft holen. Ein Fehler! Er hatte es ja gewusst. Seine Lungen füllten sich mit beißendem Rauch und er hustete heftig. Mit all seiner Kraft riss er an den schmerzhaft heißen Metallverstrebungen, aber es half nichts. Er konnte nichts mehr für sie tun. Ein letztes Mal blickte er in die vor Angst weit aufgerissen, geröteten Augen und bemerkte den widerlichen Gestank von versengten Haaren. Als er sich abwandte, um nach draußen zu rennen, fing die Sau an zu schreien. Auch jetzt wusste sie genau, dass er sie aufgeben hatte. Sie schrie entsetzlich, nur unterbrochen von Lauten, die Pat als Husten deutete. Ihm war klar, dass er sie in einen grässlichen Tod entließ. Einen Tod, für den er allein die Schuld trug.

Draußen angekommen stützte er sich mit beiden Armen auf seine Knie und sog gierig die kühle, klare Nachtluft ein. Ein Hustenanfall schüttelte ihn, aber er hatte es wieder nach draußen geschafft. Doch das Gekreische aus dem Inneren des Stalls drang immer noch an seine Ohren. Da fasste Pat einen Entschluss.

Er nahm einen tiefen Atemzug mit in den Stall und rannte auf kürzestem Weg zur Beifahrerseite des Dodge, riss die Tür und anschließend das Handschuhfach auf und tastete nach der Waffe. Die Murrays entsprachen, was den Besitz und die Einstellung zum Mitführen von Schusswaffen anging, allen Vorurteilen. Als Einbrecher wussten sie immerhin aus eigener Erfahrung, dass man jederzeit Opfer eines Verbrechers werden konnte. Es war die erste Waffe, die er abfeuerte, aber er lebte nun lange genug in der USA, dass er wusste, wie man eine Knarre entsicherte. Als er auf sie zielte, hatten sie die Flammen fast erreicht. Er hoffte, dass die Pistole auch geladen war, aber auch hier wurde er von den Murrays nicht enttäuscht.

Er drückte ab.

***​

Erst draußen, als er an dem Pfahl lehnte und die Anlage genauer betrachtete, kam er wieder richtig zu sich. Konnte wieder klare Gedanken fassen, die nicht von Adrenalin und Rauchschwaden vernebelt wurden. Neben dem Schweinestall gab es auf der gegenüberliegenden Seite eines Feldwegs noch einen kleinen Schopf und einen größeren Wellblechverschlag, dem auf einer Seite eine Wand fehlte und in dem diverse landwirtschaftliche Gerätschaften und vor allem drei Erntemaschinen untergebracht waren. Wohngebäude gab es weit und breit keines. Pat schätzte, dass der Abstand zwischen dem Brand und den anderen Gebäuden groß genug war, sodass das Feuer nicht ohne Weiteres übergreifen konnte.

In das noch immer dominierende, immer schmerzhafter werdende Dröhnen in seinem Kopf, das Brausen des Brandes und ihre in seinem Kopf nicht verstummen wollenden Schreie mischte sich ein neues Geräusch. Er brauchte etwas - nicht um es zu identifizieren, sondern um es zu realisieren. Es war die logische Konsequenz, aus dieser Kette von Ereignissen, die ihn dahin gebracht hatten, wo er jetzt war.

Die Sirenen kamen näher.

Sein Verstand befahl ihm aufzustehen und zu fliehen. Aber er hatte keine Kraft mehr. Am liebsten wäre er einfach sitzen geblieben, hätte sich mitnehmen lassen und dann einfach geschlafen. Aber er wusste, dass sie ihn nicht schlafen lassen würden. Sie würden ihn mitnehmen, befragen, ihm seine Wertgegenstände und den Gürtel abnehmen, ihn mit zig anderen Kerlen in eine Zelle im Revier quetschen, vielleicht ihn später in die U-Haft überweisen. Und er würde telefonieren dürfen. Aber wen sollte er anrufen? Er hatte keinen Anwalt, hatte nie einen gebraucht. Wirklich enge Freunde hatte er in den USA nicht. Seine Eltern würde er auf keinen Fall anrufen. Was sollte er ihnen auch sagen. Sie waren so stolz auf ihn gewesen. Auf sein Vorzeige-Abi, seine großen Pläne, seinen Platz in Standfort University, den heiligen Hightech-Hallen. Sie hatten immer an ihn geglaubt. Er konnte seinen Eltern das nicht antun.

Er hätte es nie so weit kommen lassen dürfen. Er stand auf und trat hinaus auf den Feldweg. Wieso sollte er rennen. Er konnte nicht mehr. Sie würden ihn kriegen. Wenn er Widerstand mit der Waffe leistete, würden sie ihn erschießen und mit Pech riss er noch einen Unschuldigen mit in den Tod. So weit durfte er es nicht kommen lassen. Die Knarre hatte ein gutes Gewicht. Sie fühlte sich gut an. Er schloss die Augen, öffnete den Mund und biss auf die Mündung. Es konnte alles so einfach sein. Er musste das, was jetzt kommen würde nicht durchleiden. Er könnte endlich schlafen.

Aber er konnte nicht abdrücken. Wollte es nicht. Es war alles so surreal. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie sein Leben bzw. das was noch davon übrig war, jetzt verlaufen sollte. Er wollte noch nicht, dass es endete. Keuchend nahm er die Pistole aus dem Mund. Es würgte ihn und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Er merkte, dass er feuchte Augen hatte, strich sich die Tränen mit dem Armrücken aus den Augen und blickte seinem Schicksal entgegen.

Der rote Schimmer über den Bergen im Osten war zu einem hellen Leuchten geworden und hatte die Nacht bis in den fernen Westen gejagt. Die Sterne waren bereits verschwunden und die Morgendämmerung tauchte alles in ein warmes mildes Licht. Der Feldweg, der zu dem Stall führte, war breit und pfeilgerade. Soeben waren die Einsatzfahrzeuge auf ihn eingebogen und verdrängten mit ihrem blauen Blitzlichtgewitter den morgendlichen Frieden. Aber was war das? Das vorderste Fahrzeug war rot. Auch danach war von den schwarz- oder grünweisen Limousinen der Polizei nichts zu entdecken. Jetzt konnte er genau die stählerne Leiter auf dem vordersten Fahrzeug erkennen. Es war die Feuerwehr.

Fast wäre Pat vor Erleichterung die Waffe aus der Hand gefallen. Hatte er eine zweite Chance bekommen? Dieses nächtliche Gefühlschaos brachte ihn noch um den Verstand. Aber bevor es dazu kam, nahm er sich zusammen, lief in das Maisfeld, aus dem er gekommen war. Rannte, bis er glaubte, mittendrin zu sein. Dann warf er sich auf den Boden, die Gliedmaßen weit von sich gestreckt und den Blick nach oben gerichtet. Die Maiskolben waren fast erntereif und wiegten sich sacht im Wind. Der Himmel, rosablassblau, war weit und frei.

 

Prolog

Hallo,

Elmore Leonard, der Großmeister, schrieb immer: keine Prologe! Die langweilen nur.

In seinen Ohren gellten noch immer ihre Todesschreie wieder und wollten einfach nicht verstummen. Sie gingen Pat durch Mark und Bein und er war kurz davor zu heulen. Es hatte drei Schüsse gebraucht, bis sie endlich still war.
Die ist aber zäh, wenn die nach drei Schüssen noch Todesschreie von sich gibt. Oder ist das eine .22 LfB und er schießt ihr extra ins Bein und lässt sie langsam verbluten? Auch hier, auf wording achten: heulen. Das ist wie: der Killer tapste. Das kann ich jedenfalls nur schwer ernst nehmen. Und was bringt dieser ganze Prolog, was man nicht in der Geschichte an sich erzählen könnte? Warum steht der da?

Wie hatte heute Nacht nur alles so verdammt schief laufen können?
Da will ich eigentlich nicht mehr weiterlesen. Warum nur verrätst du hier alles? Das verstehe ich nicht. Wie soll da Spannung aufkommen?

Fasziniert und zugleich erschüttert beobachteten seine Augen wie das Gebäude, dass er in Brand gesteckt hatte, nach und nach in sich zusammenfiel.
Haben seine Augen ein Eigenleben? Es sind doch nicht nur die Augen, die das brennende Gebäude fasziniert und erschüttert betrachten, oder? Vielleicht mit einem solchen Blick oder ähnliches, das ist sprachlich auch recht unpräzise.

Man sah ihm förmlich an, dass er nicht wusste, was er mit seinen nervösen Händen tun sollte.
Ich frage mich, was das für Verbrecher sind, wenn die nervös werden. Machen die das zum ersten Mal? Wenn ja, irgendwie erwähnen.

Die Einfachheit der Kunst, sowohl in Wirkung als vermeintlich auch in der Herstellung durch den Künstler, bestätigten Pats schlechten Eindruck von dem, was er bisher von der Villa gesehen hatte. „Reduziert“, hieß das Modewort, dass man hier in den Villen Hollywoods des Öfteren antreffen konnte. Steril, leblos, unpersönlich, kalt - so hätte es Pat wohl beschrieben. Aber eben auch irgendwie eindrucksvoll und elegant – was allein schon, oder vielleicht auch nur, an den Ausmaßen der großen Glasfronten, die sich zum Pool hin erstreckten, den vielen glatten Flächen und klaren Kanten des Gebäudes lag, das ebenfalls aufgebaut war, wie ineinander verschachtelte geometrische Figuren.
Ist der Einbrecher oder Feng Shui Berater?
Es gab sicher bessere Arten einen Tresor zu knacken, als fast den halben Inhalt durch die Feuersbrunst zu vernichten. Aber keine zuverlässigere und vor allem keine einfachere. Diese Einfachheit passte gut zu den Murrays. Pat war sich nicht sicher, ob die beiden ihn trotz oder wegen der vermeintlichen Einfachheit seiner Methode engagiert hatten. Aber er wusste insgeheim, dass es unter anderem dieser sympathische Wesenszug gewesen war, weswegen er sich ihnen angeschlossen hatte.
Die brechen in die Villen von Hollywood-Stars ein um was zu tun? Grammies zu klauen? Wertpapiere? Belastende Materialien? Schmuck? Die sind zu dritt. Die sind vollkommen unorganisiert und wenden eine Methode an, die die Hälfte des Tresorinhalts beschädigt. Wirklich? Ich frage mich: Was sind das für Verbrecher? Die haben das angeblich schon mehrmals gemacht, das mag man kaum glauben. Wie kommen die an der Security vorbei? Die meisten Hollywoodvillen sind bewacht wie Schmitz Katz mit eigenem Sicherheitspersonal. Surveillance etc. Wie kommen die da so rein? Ist es ein Insider-Job? Wer ist der Vermittler? Würde man an solche Pfeifen einen solchen Job vermitteln wollen?
Pat war seit der Oberstufe nicht mehr so gerannt.
Ja, da müsste man wissen, wie die Oberstufe in den US of A so genannt wird, oder? Oder ist Pat kein Ami, dann brauche ich da aber ein bißchen backstory für.

Ich musste hier abbrechen. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wo du mit deinem Text hinwillst. Für einen echtes Crime-Ding ist das zu wenig scharf, zu harmlos, zu erklärend, zu langsam. Sprachlich zu behäbig. Lies dir mal Richard Stark oder so durch, wie die das aufziehen. Eiskalt und präzise. Hier habe ich das Gefühl, du führst deine Figuren vor. Die wirken nicht echt. Das fängt schon damit an, dass das alles Amis sein sollen. Warum? Eine Metropole wie L.A einzufangen, das kann eventuell James Ellroy, aber man sollte sich das genau überlegen, denn es wird halt auch schnell unfreiwillig komisch.

Ich finde Haltung in einem Text wichtig. Was ist deine Haltung in diesem Text? Alle Figuren wirken wie Schablonen, wie Karikaturen. Sollte das so sein? Und wenn das witzig und eine Komödie werden sollte, dann fehlt mir dieses Element einfach. Das wirkt einfach alles sehr trashig auf mich, ich bin mir aber nicht sicher, ob du das so wolltest. Trash ist ja vielmehr eine Rezeptionshaltung. Ed Wood hat das alles bitterernst gemeint, nur sein Unvermögen rezipieren wir heute so distanziert vergnüglich. Man kann meiner Meinung nach Trash nicht wirklich planen. In Texten, die mit Gewalt als Kategorie operieren, erwarte ich eine gewisse Ernsthaftigkeit. Das darf inszeniert und auch mit Gore sein, aber irgendwo braucht es da Schwerkraft, sonst wirkt es beliebig.

Für mich passt hier leider wenig. Die Sprache wirkt oft albern und überzogen, unpräzise und unpassend. Die Dialoge sind auch albern bis unfreiwillig komisch. Deine Figuren sind mir ein Rätsel, Pappkameraden und Stichwortgeber. Es gibt kaum Fallhöhe, keine Spannung, nichts. Nur dieser Prolog und der Epilog als Klammer. Was wolltest du eigentlich erzählen?

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Ogsesl,

ich finde, du hast gute Ansätze in deinem Text. Der Fokus liegt auf einem Einbrecher, der seine kriminelle Aktion bereut und am Ende wieder Hoffnung findet. Leider ist diese Idee noch nicht ideal als Geschichte umgesetzt. Ich habe sie relativ schnell gelesen, weil sie schon am Anfang sehr ausschweifend ist. Der Einbruch am Anfang könnte bereits einige Kürzungen vertragen. Besonders die Business-Angelegenheiten danach waren mir etwas zu viel. Ich vermute, du willst damit Hintergrundinfos unterbringen, ich fand diesen Infodump aber recht langweilig. Die Geschichte funktioniert auch völlig ohne diese langen Absätze.

Ich habe einen Vorschlag: Speichere diese Version in einem eigenen Dokument und probiere dann, den Text so viel wie möglich zu kürzen. Am besten in mehreren Durchgängen. Streiche so viel, bis nur mehr die Hälfte oder sogar nur mehr ein Viertel vom ursprünglichen Inhalt da ist, um zu sehen, was dabei herauskommt. Ich finde, das würde dem Text gut tun. Vielleicht gefällt er dann auch dir besser.

Du hast außerdem einen Epilog, der eigentlich keiner ist. Es reicht, den Beginn des Abschnitts wie die anderen mit drei Sternchen zu markieren.
Hast du dich für einen Prolog entschieden, um einen actionreichen Einstieg zu haben? Ich würde darauf verzichten, weil es den Text nicht aufwertet.

Und noch ein Hinweis: Abgesehen davon, dass man Zahlen in einer Geschichte üblicherweise als Wort ausgeschrieben schreibt, ist mir aufgefallen, dass du oft genaue Meterangaben einsetzt. Das habe ich früher auch gemacht, bis ich erkannt habe, dass es nicht so wirkungsvoll ist, wie ich dachte. Als Techniker fand ich es früher hilfreich, weil ich dann eine genaue Vorstellung hatte. Das ist aber nicht notwendig, wenn man stattdessen die richtigen Worte verwendet. Versuche es mal mit einem armlangen Brecheisen statt einem 40 cm langen, oder ein paar Schritten Entfernung statt 5 m.

Ich wünsche dir noch viel Spaß und Erfolg damit, an deinem Text weiterzuarbeiten!

Viele Grüße
Michael

 

Hallo @Michael Weikerstorfer,

vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, diese ganz schön lange Geschichte zu lesen.
Das mit den vielen unnötig präzisen Zahlen und Angaben, war Absicht, weil der Prota ja eigentlich gar kein "richtiger" Einbrecher, sondern frustrierter Programmierer ist. Aber nur weil ich mir das so denke, heißt das ja nicht, dass das beim Leser ankommt.

"Epilog" werd ich streichen, aber ich verstehe nicht, was alle gegen den Prolog haben. Du sagst, das würde auch ohne gehen und bringt keinen Mehrwert?

Für mich bezieht die gesamte Geschichte ihren Spannungsbogen daraus, dass man überhaupt nicht versteht, wer denn da eigentlich erschossen werden soll und warum. Wie soll das in dieser Nacht noch passieren? Und dann kommt eben, die sicher unerwartete, wenngleich etwas getrickste Auflösung am Schluss.

Dein wichtigster Vorschlag war das Ding zu kürzen. Und ich würde das liebend gern tun. Ich kann die Langversion ja immer noch behalten, aber ich würde es wirklich gerne kürzer haben, weil der Text einfach eine ungute Länge hat. Viel zu kurz für ein Buch und viel zu lang für eine Kurzgeschichte.

Aber es fällt mir echt extrem schwer. Prolog und Stallszene haben für mich eigentlich ordentlich drive, da will ich höchstens minimal kürzen. Aber am liebsten hätte ich ja wirklich ein paar Seiten weniger. Und da bietet sich natürlich total der Infodumb an. Ich muss ja zugeben, dass ich beim Lesen gern was dazu lerne und sowas mag. Aber wenn einen die Thematik nicht interessiert, ist das natürlich wirklich nur Infodump.

Mein Problem ist nur, dass man durch diesen Infodump ja eigentlich die gesamte Hintergrundgeschichte erfährt. Wieso er einbricht, obwohl er dazu ganz offensichtlich nicht geschaffen ist, weil er viel zu ängstlich ist.

Wenn du mir zum Kürzen noch ein paar Tipps hättest, wäre ich dir sehr dankbar. Ansonsten werde ich das mal selbst versuchen und mit dem Infodump anfangen.

Danke dir @Michael Weikerstorfer

Ogsesl

 

@Ogsesl

Ich fänds ganz nett, wenn du wenigstens in irgendeiner Art reagieren würdest. Ich weiß, eine negative Kritik ist nicht das Geilste von der Welt, aber ein kurzer und knapper Wink reichen schon. Ansonsten ist es eben vergebene Müh und das wiederholt sich dann auch nicht mehr.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

@jimmysalaryman Tut mir leid,

ich weiß ja, die Kritik ist hier hart und eigentlich kann ich mit sowas auch umgehen, aber deine Kritik, war einfach nur destruktiv und ganz oft einfach nicht angebracht.

Vor allem, weil du die Geschichte nicht fertig gelesen hast.

Pat war seit der Oberstufe nicht mehr so gerannt.
Ja, da müsste man wissen, wie die Oberstufe in den US of A so genannt wird, oder? Oder ist Pat kein Ami, dann brauche ich da aber ein bißchen backstory für.
Diese Hintergrundstory gibt es, aber dafür müsste man eben weiter lesen. Das würde auch erklären, warum er so abartig nervös ist und sich ganz offensichtlich nicht wie ein abgebrühter Krimineller verhält.

Und ja, ich hab das ins Krimi-Genre angesiedelt, weil es nun mal um ein Verbrechen geht, aber die Geschichte soll nicht wirklich hart sein. Es soll kein Gore geben.
Es geht hier nicht so sehr, um das Verbrechen, es soll mehr ein Crime Drama ähnlich wie Breaking Bad sein. Dort steht für mich ja vor allem die extrem interessante Entwicklung der Persönlichkeit von Walter und Jessy im Vordergrund.

Und meine Idee war tatsächlich etwas Trashiges zu schreiben! So ein bisschen noir von der Stimmung, nur in der Moderne. Mag sein, dass das nicht so gelungen ist und ich will mich auch gar nicht so sehr für den Text rechtfertigen. Es gibt ja auch einfach verschieden Geschmäcker.

Aber du hast den Text einfach nicht verstanden (wie denn auch) und einfach drauf losgeprügelt, obwohl die Hälfte deiner Kritik unnötig war, wie du gemerkt hättest, wenn du weitergelesen hättest. Was du nicht wolltest, weil es dir nicht gefiel.

Das hat mir also einfach nichts gebracht.

So... jetzt hast du noch deine Antwort.

 
Zuletzt bearbeitet:

Na, jetzt hast du es mir aber gegeben! Ist ganz einfach so: hätte hätte Fahradkette. Hättest du eine gute, spannende und ansprechende Geschichte geschrieben, hätte ich sie weitergelesen. Hast du aber meiner Meinung nach nicht. Andere sehen das anders. Aber einen Kommentar beantworten sollte man aus Prinzip der Höflichkeit und des Respekts. Ich habe dir ein paar sehr genaue Fragen gestellt, warum die Geschichte in den USA angesiedelt sein muss, warum du den Prolog verfasst, warum du dir jeglichen Spannungsaufbau schon vorher selbst sabotierst. Was irgendwann später in einer Geschichte passiert, spielt keine Rolle, das ist kein Argument, vor allem nicht bei einem Text, in dem es sich um Crime oder um einen Spannungstext dreht. Bei dir wirkt einfach alles wie aus dem Baukasten zusammengesetzt, es tut mir leid, das so sagen zu müssen. Da kommt keinerlei Atmoshäre auf. Ich sage nicht: so eine Geschichte kann nie funktionieren. Aber sie funktioniert hier, so wie sie jetzt da steht, einfach nicht. In meinen Augen. Das hat auch etwas mit der Sprache zu tun. Sprachlich ist das alles schon sehr pubertär. Da "fetzt es", da sind "L.A Girls taff", da fahren monsterartige RAMs durch die Gegend - es tut mir leid, ich kann das nicht ernst nehmen. Und von einer Charakterentwicklung, wie du sie in Breaking Bad vorfindest ... das kann hier gar nicht funktionieren, weil du dein Personal gar nicht ernst genug nimmst. Das müsstest du ganz anders aufziehen.

Und was "Noir" als Genre bedeutet und was da der Inhalt ist, solltest du vielleicht nochmals genau nachlesen.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

@Ogsesl

Wenn du Schwierigkeiten beim Kürzen hast, empfehle ich dir, erst einmal den roten Faden der Geschichte festzulegen. Beschränke den Fokus auf ein Geschehnis. Wenn es eine Kurzgeschichte werden soll, muss nicht alles genauestens erklärt werden.
Es ist ja dein Text und ich kann dir nur Vorschläge geben, die meine subjektive Meinung wiedergeben. Ich kann dir nicht die Arbeit übernehmen, bestimmte Sätze zu finden, die man streichen könnte. Dafür ist der Text noch nicht genug ausgereift.
Jimmy hat schon recht, dass hier noch einiges nicht funktioniert. Ich finde aber, dass zumindest Ansätze da sind, aus denen man etwas machen kann. Es ist nicht schlimm, wenn du den Text nicht gleich so hinbekommst, wie du möchtest. Das geht mir auch oft so.

Deine Idee mit den genauen Zahlenangaben, die Pat als Programmierer charakterisieren sollen, hat mich leider nicht erreicht. Mit dem Tipp show don't tell kannst du bestimmt etwas anfangen. Ich finde es wesentlich spannender, wenn man einen Charakter durch die aktuellen Handlungen erlebt und nicht durch Rückblicke. Es ist schwierig, das nachträglich in einer Geschichte umzusetzen, aber versuche es einfach!

Kopf hoch und viele Grüße
Michael

 

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