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Mattis kommt

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07.10.2015
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Mattis kommt

Wir sitzen im Wohnzimmer, meine Mama und ich, der Tisch ist gedeckt. Wir sitzen schon eine Weile mit geraden Rücken da, Mama hat die Hände gefaltet und zwischen die Knie geklemmt. „Sie sind sicher noch auf der Autobahn“, sagt sie. „Vielleicht ja schon bei Nürnberg, was denkst du?“
Vier Teller stehen da, das Zwiebelmuster-Service, von dem man eigentlich nicht isst. Meine Mama hat einen Kuchen gebacken, der steht mitten auf dem Tisch. Mattis kommt: Er will mich sehen.
„Wir können eine CD anhören“, sagt Mama. „Willst du?“
Die Sonne kommt durch die großen Fenster hinter mir und wärmt meine Wange und den Nacken. Es gibt eine Stelle im Raum, da dreht sich der Staub und leuchtet im Licht, und wenn man die Flusen mit dem Auge verfolgt, sind sie plötzlich weg.
Hermann Bihler ist nochmal los, Schlagsahne kaufen, und wir warten so lange zu zweit.

„Vier Uhr wollen sie da sein“, sagt Mama. „Vielleicht wird es früher, falls es keinen Stau gibt. Freust du dich?“ Sie legt die Hände auf den Tisch, streicht das frisch gebügelte Tischtuch glatt, schiebt mit dem Zeigefinger die Gabel vor sich her und lässt sie auf der Tischplatte kreisen. Sie schaut mich an und legt die Gabel wieder gerade an den Teller.
„Weißt du“, sagt sie, „ich mach jetzt einfach ein Kreuzworträtsel.“ Sie schiebt ihren Teller zur Seite, nimmt aus dem Korb eine Zeitschrift, blättert und lässt sie dann aufgeschlagen liegen. Einen Stift holt sie sich nicht.

Von draußen hören wir Schritte, jemand kommt die Eingangstreppe hoch. Wenn es gleich klingelt, ist er es! Mama stützt sich mit den Händen auf den Tisch, fischt mit den Füßen nach ihren Hausschuhen, um aufzustehen, aber dann hört man, wie draußen jemand den Schlüssel ins Schloss steckt. Sie lässt sich wieder ins Polster fallen. Ich laufe Hermann Bihler entgegen, nehme ihm die Einkaufstasche ab, trage sie in die Küche und stecke auch gleich das Rührgerät zusammen.
Ich will meinem Bruder zeigen, wie ich hier lebe. Durch die Fensterwand kann ich über die Terrasse in den Garten sehen. Das hohe Gras leuchtet in der Sonne, später werden die Grillen zirpen. Hinten haben wir einen echten kleinen Wald.
„Stell sie am besten so lange noch mal kalt“, sagt Hermann Bihler.

Als es schließlich doch klingelt, greift Mama erst nach der Tischkante und dann nach meiner Hand. Ich schaue sie an und sie mich. Dann springe ich zur Tür. „Mensch, Kleiner“, sagt Mattis, und hält mir die offene Hand hin. Er zieht mich zu sich und haut mir auf den Rücken. „Ey Kleiner,“, sagt er, „alles klar?“
„Du kannst deine Mutter ruhig umarmen,“ sagt sie von hinten her, sie steht auf der Schwelle zum Wohnzimmer in der offenen Tür, die Schulter berührt den Rahmen, und dann drückt Mattis sich an mir vorbei und legt wirklich die Arme um sie. Er gibt sogar Hermann Bihler die Hand. „Setz dich“, sagt der, und streckt den Arm zum Kaffeetisch hin aus. Er hat die goldene Uhr an.

Aber Mattis will keinen Kuchen. „Nein“, sagt er, „das mag ich gar nicht.“ Er hat sowieso keinen Hunger. Er will lieber mit mir hochgehen, unterm Dach sind meine Räume. Ich führe ihn gleich auf den Balkon. Mattis schiebt sich tief in den Stuhl und legt die Hände in den Nacken. Seine Knie schieben sich aus der halblangen Hose. An den Beinen wachsen richtige Haare.
„Cool hier,“ sagt er.

Dann erzählt er von Lucia. Das ist eine, die zum Schüleraustausch da ist. Er sagt immer nur Lucia, als würde ich sie kennen, und es stimmt ja, ich weiß wer das ist. In seinen Mails hat er auch schon ständig von ihr geschrieben. Von der Theatergruppe erzählt er, und das weiß ich ja, dass sie da mitmacht. Wie sie den Text lernt und wie sie ihn spricht, macht er mir vor. „Man muss immer so lachen, wenn sie spricht“, sagt er. Nur ob das jetzt seine Freundin ist, das hat er nie erzählt, er sagt immer nur Lucia, als wüsste ich alles.
Beim Aufwärmen, beim Improvisieren, sagte er, ist sie rumgehoppelt wie ein Hase. „Mann, hat das peinlich ausgesehen.“ Er presst sich die Handballen auf die Augen und schüttelt den Kopf und macht ein Geräusch. „Aber süß“, sagt er.

Mein Bruder hat sich verändert. Die Stimme ist stärker.
Wenn man von meinem Balkon guckt, ist nur Weide, ganz bis runter, erst zum Bach dann weiter bis zur Straße, dahinter erst kommen wieder Häuser. „Da drüben wohnen Jakob und Sophia,“ sage ich und male mir aus, wie wir morgen da hingehen und klingeln, dann vielleicht alle zusammen im Bach baden gehen, da wo er langsam und tief ist, und Jakob und Sophia sehen meinen Bruder. „Aha“, sagt Mattis, und reckt kurz den Hals, als wollte er wirklich besser sehen können. „Jedenfalls, Lucia“, sagt er. Wie sie Pillen aus der Tasche zieht, erzählt er. „Und ich denk noch, was ist denn das für ein Zeugs. Du weißt schon, oder? Und die macht sich eine raus und schluckt die, und dann sagt die, dass sie die immer zur gleichen Zeit nehmen soll, zeigt so auf ihre Uhr, und dass ich drauf achten soll, hält mir so ihre Uhr unter die Nase. Gute Idee, oder?, sagt die. Gute Idee, sagt die, einfach so.“ Er schaut mich schräg an. „Du weißt schon, oder?“ „Kann sein“, sag ich, und ich denke mir auch was, aber weiß nicht, ob es stimmt, ob es sein kann, dass diese Lucia so eine ist.
Er rutscht tiefer in seinen Stuhl und legt die Füße auf das Geländer. „Jedenfalls: Letzte Woche hab ich sie zweimal gepäckt.“ Ich versuche zu grinsen, lasse es dann, weil Mattis auch nicht grinst, sondern Luft kaut und durchs Geländerglas in den Garten runter schaut. Die Waden ragen bis zu den Knien aus der halblangen Hose und ich kann gar nicht richtig wegschauen.
Drüben im Beet steht meine Mama mit dem Gartenschlauch. Sie sieht uns nicht.

Das hat der also gemacht, der Mattis. Das gehört jetzt zu ihm, das geht nicht mehr weg, das klebt da jetzt, und ihm macht das gar nichts. Hoffentlich schwindelt der, denke ich. Gepäckt, sage ich mir im Kopf immer vor. Schaue ihm von der Seite auf die Lippen wenn er redet und komme nicht davon los. Nachts im Bett sage ich mir das Wort vor, um es zu bannen, unter der Decke, in die Decke hinein, immer wieder das Wort: gepäckt. Der Mattis. Mein Bruder. Mit seinen haarigen Beinen wie ein Mann.

Anderntags nehmen wir die Räder und fahren nach Roregg zur Burgruine hoch. Da ist es schon wieder besser. Der schwindelt sicher, denke ich mir, und dann redet er ja heute auch nicht so viel von ihr.
„Was macht Vater eigentlich den ganzen Tag“, frage ich, als wir später wieder im Garten im Gras sitzen, bei den Johannisbeeren. Wenn sie am Nachmittag ganz warm sind von der Sonne, schmecken sie am besten. Die Zunge schmerzt von der Säure, aber wir hören nicht auf. Mattis zuckt mit den Schultern. „Der cruist irgendwie durch die Stadt, turnt durch paar Museen, glaub ich, da steht der ja drauf.“ Er zieht eine Rispe durch die Zähne.
Mama schaut von der Terrasse aus zu und winkt. Mattis winkt auch.
„Wie kann man so was auf einen Kuchen tun“, sagt Mattis. „Voll die Verschwendung.“

„Wie sich dein Bruder entwickelt hat,“ sagt Mama später. „Ich hab euch gesehen, wie ihr mit den Rädern rausgefahren seid. Ihr seid zum See runter, nicht? Ach ja“, sagt sie, „dein Bruder ist ein junger Mann geworden.“ Sie klatscht die Hände vor der Brust zusammen und hält sie fest. „Und morgen koche ich uns ein Menü.“

Er ist dann gleich wieder mit mir hoch. Wir stehen auf dem Balkon, haben die Hände auf das Geländer gestützt und schauen über die Wiese, den Bach, die Siedlung dahinter. Ob wir da unten schwimmen gehen wollen nach dem Essen, denke ich und bin mir nicht sicher, ob ich das vorschlagen soll, aber dann dreht sich Mattis um und schlägt mir eine Hand auf die Schulter. „Brüderchen“, sagt er, „ich zieh Leine. Papa will rechtzeitig los, der will nicht alles am Stück fahren. Wir kucken uns noch Rothenburg an, unterwegs. Da steht son Altar rum, den der geil findet. Also tschüss, grüß unsre Mutter.“ Wir schlagen die Hände ineinander, dann geht er. Ich schaue ihm die Treppe hinunter nach, wie er sich die Jacke anzieht. Als er die Schuhe anhat, rennt er noch mal hoch, drückt mich richtig fest, und dann geht er wirklich. Eigentlich würde ich ja bis zur Tür mitgehen, aber da könnte Vater mich sehen. Das will ich nicht.

In der Küche lärmt die Dunstabzugshaube. „Ihr habt aber eine gute Nase“, sagt meine Mama. Sie schneidet Kräuter. „Es ist gleich fertig. Kuck mal da rein.“ Sie zeigt auf den Ofen mit dem Messer. An der Schneide kleben die Schnittlauchröllchen.
„Ihr könnt schon mal ins Esszimmer gehen, ist schon gedeckt.“
„Mama“, sage ich.
„Du kannst den Rechaud auf den Teewagen stellen. Ich mach das Ragout fin erst am Tisch rein, wenn er das nicht mag, kann er die Pastete so knuspern.“
„Mama“, sage ich, „der ist schon abgecruist.“ Aber das klingt nicht gut, so kann man das nicht sagen, das merke ich gleich. Und zwar von selbst, nicht weil Mama plötzlich so dasitzt. Sie stützt den Kopf in die Hand, wischt sich mit dem Handballen über den Mund und schließt die Augen, trinkt einen Schluck und lächelt, aber nur mit dem Mund, nicht mit den Augen. „So, Rothenburg. Ja, das ist ja schön.“
Auf dem Schneidebrett hält sie mit der linken Hand immer noch das Schnittlauchbündel fest, nur nimmt sie das Messer nicht mehr in die Hand.
Ich stehe da und bin mir nicht sicher, ob ich den Rechaud immer noch auf den Teewagen stellen soll. Aber dann finde ich besser, ich mach’s einfach.

 

Hi erdbeerschorsch,

Ich leg mal gleich los.

„Wir können eine CD anhören“, sagt Mutter, „willst du?“

Guter Satz, der das trostlose Warten deutlich macht. Gefällt mir. Nur nach "Mutter" muss ein Punkt, kein Komma.

De Sonne kommt durch die großen Fenster hinter mir und wärmt meine Wange und den Hals.

1) Das i bei "die" fehlt
2) "kommen" ist ein recht schwaches Verb. Ich bin sicher, dir fällt was besseres ein
3) Die Sonne kommt von hinten, warum wärmt sie dann Hals und Wange, nicht Nacken und Hinterkopf?

Lies ruhig noch was“, sagt sie. „Weißt du“, sagt sie, „ich mach jetzt einfach ein Kreuzworträtsel.“

Einmal "sagt sie" kannst du streichen, das stört nur. Außerdem wieder Punkt statt Komma

Ich will meinem Bruder zeigen, wie ich hier lebe, und freue mich darauf.

Ist das so? Ich hab die Stimmung bisher nicht so als freudig interpretiert. Außerdem greift hier die Binsenweisheit "Show don't tell". Zeig wie er sich freut, es kaum erwarten kann, sich ausmalt, wie es wird, sich schon mal ein paar Sätze zurechtlegt, whatever. Ich will sehen, wie er sich freut, so wie es jetzt da steht, glaube ich dir das nicht.

An den Beinen wachsen richtige Haare.

Huch. Hier beginne ich mich zu fragen, wie alt dein Protagonist eigentlich ist. Ich bin davor von ca 17-18 ausgegangen. Das typische Alter, in dem der ältere Bruder schon ausgezogen ist und der Jüngere noch daheim sitzt. Jetzt glaube ich aber, damit falsch zu liegen ...?

Das ist eine, die zum Schüleraustausch da ist.

Aha. Der Bruder beim Vater, der Protagonist bei der Mutter? Ich rätsel noch.

und ich gar nicht richtig wegschauen.

Hier fehlt ein Verb.

Das gehört jetzt zu ihm, das geht nicht mehr weg, das klebt da jetzt, und ihm macht das gar nichts. Hoffentlich schwindelt der, denke ich. Gepäckt, sage ich mir im Kopf immer vor. Schaue ihm von der Seite auf die Lippen wenn er redet und komme nicht davon los. Nachts im Bett sage ich mir das Wort vor, um es zu bannen, unter der Decke, in die Decke hinein, immer wieder das Wort: gepäckt. Der Mattis. Mein Bruder. Mit seinen haarigen Beinen wie ein Mann.

Sehr gut!

Der schwindelt sicher, denke ich mir, und dann er redet er ja heute auch nicht so viel von ihr.

Das ist etwas unverständlich. Vielleicht Doppelpunkt nach "dann"? Mindestens ein Komma. Oder zwei Sätze.

Als er die Schuhe anhat, rennt noch mal hoch,

rennt er noch mal hoch ...

„Mama“, sage ich, „der ist schon abgecruist.“ Aber das klingt nicht gut, so kann man das nicht sagen, das merke ich gleich. Und zwar von selbst, nicht weil Mutter plötzlich so dasitzt. Sie stützt den Kopf in die Hand, wischt sich mit dem Handballen über den Mund und schließt die Augen, trinkt einen Schluck und lächelt, aber nur mit dem Mund, nicht mit den Augen. „So, Rothenburg. Ja, das ist ja schön.“

Gefällt mir auch sehr gut.

Okay, du hast mich überzeugt. Voll und ganz. Da steckt so viel drin, das ist so authentisch. Die Bewunderung für den älteren Bruder, den er auch zu kopieren versucht. Die Mutter, die total außen vor gelassen wird. Die tut mir leid. Der ältere Bruder, der insgeheim weiß, was er für eine Wirkung auf den jüngeren hat, das aber nur für seine Selbstdarstellung nutzt. Das alles passt unglaublich gut.

Ich hätte gerne noch etwas früher einschätzen können, wie alt dein Protagonist ist. Die Beschreibungen am Anfang sind mir zu kühl, zu abgeklärt, deshalb schätze ich den Prot sofort älter, als er dann letztendlich wohl ist.
Außerdem hat sich einige Male der Fehler mit dem Komma eingeschlichen bei der direkten Rede. Auch wenn du das "sagt sie" in den laufenden Satz der direkten Rede einfügst, wird danach ein Punkt gemacht, kein Komma.

Das ist aber alles meckern auf hohem Niveau. Hat mir super gefallen, mich hast du im Sack.

Viele Grüße,
dein Salomon

 

Lieber erdbeerschorsch,

ich kann es nicht fassen, ein neuer Text von erdbeerschorsch? Aha: Ich sehe gerade, du hast dieses Jahr schon ein Märchen hochgeladen. Schande. Ich bin zu selten hier ... dafür nun aber umso gespannter, was mich in den folgenden Zeilen erwartet :-)

»Wir sitzen im Wohnzimmer, meine Mutter und ich, der Tisch ist gedeckt. Wir sitzen schon eine Weile mit geradem Rücken da, Mutter hat die Hände gefaltet und zwischen die Knie geklemmt. „Wahrscheinlich sind sie noch auf der Autobahn“, sagt sie. „Vielleicht schon bei Nürnberg, was denkst du?“«

Hier scheinst du sehr auf Rhythmus (und Wiederholung) zu setzen. Ich würde etwas mit der Satzlänge variieren, sonst leihert es. Etwa so:

Wir sitzen im Wohnzimmer, meine Mutter und ich. Der Tisch ist gedeckt. Wir sitzen schon eine Weile mit geradem (!) Rücken da, Mutter hat die Hände gefaltet und zwischen die Knie geklemmt. „Sie sind auf der Autobahn (dieses »wahrscheinlich« relativiert das Bild für mich sehr und macht es weniger plastisch)“, sagt sie. „Vielleicht schon bei Nürnberg, was denkst du?“

»Die (!) Sonne kommt durch die großen Fenster hinter mir und wärmt meine Wange und den Hals«

Die Sonne kommt nicht. Sie dringt vielleicht.

Ansonsten gefallen mir stellen wie diese gut:

»Die Sonne kommt durch die großen Fenster hinter mir und wärmt meine Wange und den Hals. Es gibt eine Stelle im Raum, da steht das Licht wie ein Block und lässt den Staub leuchten, der darin kräuselt.
Der Partner meiner Mutter ist nochmal los, Schlagsahne kaufen, und wir warten so lange zu zweit.«

Das hast du sehr schön getextet. Man bekommt schnell einen Eindruck von deinem handwerklichen Können.

»„Vielleicht wird es früher, falls es keinen Stau gibt. Kann sein, oder? Freust du dich?“«

Das «kann sein, oder« erschließt sich mir nicht und kann für mich auch raus, weil du mit dem »freust du dich?« schon eine Frage analog zu den vorangegangenen unbeantworteten Fragen stellst.

»Sie legt die Hände auf den Tisch, streicht das frisch gebügelte Tischtuch glatt, schiebt mit dem Zeigefinger die Gabel vor sich her und lässt sie auf der Tischplatte kreisen, schaut mich an und legt die Gabel wieder gerade an den Teller.«

spiel doch hier mal wieder mit der Satzlänge. Das tut deinem Rhythmus gut.

Sie legt die Hände auf den Tisch, streicht das frisch gebügelte Tischtuch glatt, schiebt mit dem Zeigefinger die Gabel vor sich her und lässt sie auf der Tischplatte kreisen. Sie schaut mich an. Dann legt sie die Gabel wieder gerade neben den Teller.

Das zweite »legt« ist schwach, mir fällt aber auch gerade nichts besseres ein :(

»„Du kannst doch in deinem Buch lesen. Lies ruhig noch was“, sagt sie. „Weißt du“, sagt sie, „ich mach jetzt einfach ein Kreuzworträtsel.“ Sie schiebt ihren Teller zur Seite, nimmt aus dem Korb eine Zeitschrift, blättert und lässt sie dann aufgeschlagen liegen. Einen Stift holt sie sich nicht.

Von draußen hören wir Schritte, jemand kommt die Eingangstreppe hoch. Wenn es gleich klingelt, ist er es! Mutter stützt sich mit den Händen auf den Tisch, angelt mit den Füßen nach ihren Hausschuhen, um aufzustehen«

Hier nimmt die Beschreibungsdichte etwas überhand. Ein paar von den Beobachtungen kannst du m. E. geflissentlich streichen. Auch wenn sie sehr schön getextet sind!

»An den Beinen wachsen richtige Haare.«

feiner Satz, der die kindliche Begeisterung für junge Erwachsene schön auf den Punkt bringt

»da wo er langsam und tief ist«

--> Dort wo er tief ist und langsam fließt.

»Die Waden schauen bis zu den Knien aus der halblangen Hose und ich gar nicht richtig wegschauen.«

»schauen« finde ich hier nicht so passend. Vielleicht »ragen«? Außerdem hast du »schauen« schon im vorangegangenen Satz.

»Nachts im Bett sage ich mir das Wort vor, um es zu bannen, unter der Decke, in die Decke hinein, immer wieder das Wort: gepäckt. Der Mattis. Mein Bruder. Mit seinen haarigen Beinen wie ein Mann.«

auch wenn mir das Wort gepäckt nichts sagt, gefällt mir hier die heimliche Begeisterung.

»„Der cruist irgendwie durch die Stadt, turnt durch paar Museen, glaub ich, da steht der ja drauf.“«

hier hat Mattis auf einmal ne ziemlich andere Ausdrucksweise in der Geballtheit an Anglizismen und Verkürzungen. Das cruist brauchst du für später. Vielleicht so: Der cruist durch die Stadt, zu ein paar Museen. Glaub, der steht dadrauf.

»Er zieht eine Rispe durch die Zähne.«

tolles Bild!

»Und morgen koche uns ich ein Menu«

Koche ich uns ein Menü«

»Wir kucken«

wir gucken

»Das steht son Altar rum« --> ohne »s«, bitte

Also tschüss“, sagt er, „grüß Mama.“ Wir schlugen die Hände ineinander, dann geht er.

Hier wechselst du einmal ins Präteritum. Außerdem hattest du ziemlich oft sagt er im Absatz. Hier kannst du es m. E. einfach streichen.

-->»Also tschüss, drück Mama!« Wir schlagen die Hände ineinander. Er geht.

»Als er die Schuhe anhat, rennt er noch mal hoch«

hier gegen Ende mehrt sich die Dichte an Flüchtigkeiten ganz schön :Pfeif:

»geht er wirklich. Eigentlich würde ich ja bis zur Tür mitgehen«

zweimal »gehen«

»Du kannst das Rechaud auf den Teewagen stellen. Ich mach das Ragout fin erst am Tisch rein, wenn er das nicht mag, kann er die Pastete so knuspern«

gegen Ende würde ich hier sparsam mit solchen kulinarischen Fremdwörtern sein. Das reißt mich kurz raus, weil ich denke, wow, solche Begriffe kennt der Knirps schon? Vielleicht bin das aber nur ich ^^

Das Ende nimmt nochmal die Mutter mit in den Fokus. Deutet auf eine innere Bewegung hin, die nicht ausformuliert wird. Das fand ich an der Stelle aber gut. Sie ist nicht die Hauptfigur

Insgesamt hat mir deine Geschichte gut gefallen. Sehr einfühlsam geschrieben und gut beobachtet. Den Fehlerchen könntest du mit ein paar Mal mehr Korrekturlesen entgegenwirken (ich ahne, dass du es dennoch oft Korrektur gelesen hast). Es hätte am Ende noch einen Knaller geben können, aber auch so, habe ich es genossen. Die Gefühle deines Prots werden mir klar und durchströmen den gesamten Text. Ein paar sanfte Augenblicke sind dir da gelungen!

Liebe Grüße
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber erdbeerschorsch,

eine schöne melancholische Geschichte von einer zerrissenen Familie, von dem einen Bruder, der jetzt bei der Mutter lebt, und Mattis, der beim Vater lebt. Mattis Verhältnis zur Mutter ist gestört, vielleicht weil er die neue Beziehung der Mutter nicht verwindet. Er findet keinen rechten Draht mehr zu ihr, brüskiert sie sogar, macht ihr unsinnige Vorwürfe:

„Wie kann man so was [Johannisbeeren] auf einen Kuchen tun“, sagt Mattis. „Voll die Verschwendung.“

Sehr sensibel beschreibst du die Beziehung der beiden Brüder zueinander und es wird deutlich, wie eng ihre Bindung war und noch ist. Gleichzeitig deutet sich an, wie ihre beiden Welten auseinanderdriften: Das Denken des Älteren nimmt jetzt Lucia ein, der Jüngere, der den größeren Bruder bewundert, möchte diesem seine neue Welt vermitteln, ihn daran teilhaben lassen:

Ich will meinem Bruder zeigen, wie ich hier lebe, und freue mich darauf. Durch die Fensterwand kann ich über die Terrasse in den Garten sehen. Das hohe Gras leuchtet in der Sonne, später werden die Grillen zirpen. Hinten haben wir einen echten kleinen Wald.

Diese und auch andere Stellen gefallen mir, weil sie auf einfache Weise sensibel die neu entstandene Situation beschreiben. Für alle ist sie nicht einfach, alle verhalten sich unsicher und versuchen gleichzeitig so etwas wie Normalität. Doch am Ende bleibt er ältere Bruder nur kurz und gibt der Mutter keine Möglichkeit zur Nähe. Der Jüngere findet sich ab.

Und das ist auch schon deine Geschichte. Du skizzierst diesen kleinen Ausschnitt, diesen kurzen Besuch des Bruders, gekonnt mit einfachen Sätzen und Worten. Gefallen hat mir vor allem, wie du es schaffst, dass über dieser kleinen Episode spürbar diese Melancholie liegt: Da ist etwas zerbrochen, was sich nicht mehr herstellen lässt. Die beiden Jungen werden ab jetzt getrennte Wege gehen. Ein schlichter, aber bewegender Text, wie ich finde.

Es gibt ein paar Unaufmerksamkeiten, besonders zum Ende hin:

De Sonne kommt durch die großen Fenster

Der Partner meiner Mutter ist nochmal los
noch mal

und lässt den Staub leuchten, der (sich) darin kräuselt.
kräuseln sollte mMn refelxiv sein

und es stimmt ja, ich weißK wer das ist.

Wie sie den Text lernt und wie sie ihn sprichtK macht er mir vor.

Er schaut mich schrägt an.

sondern Luft kaut und durchs Geländerglas in den Garten runter schaut.
Ich glaube, das ist ein Wort.

Die Waden schauen bis zu den Knien aus der halblangen Hose und ich gar nicht richtig wegschauen.

Schaue ihm von der Seite auf die LippenK wenn er redet und komme nicht davon los.

„Und morgen koche uns ich ein Menu.“

Wir kucken uns noch Rothenburg an, unterwegs.
gucken

Wir schlugen die Hände ineinander, dann geht er.
Präteritum?

Als er die Schuhe anhat, rennt (er) noch mal hoch,

Kuck mal da rein.“

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo erdbeerschorsch,

Deine Geschichte gefällt mir so gut, dass ich zum allerersten Mal kommentiere! Du hast mich immer tiefer in diese zarttraurige Abschiedsstimmung reingezogen. Am Anfang war ich irritiert und hab mich gefragt, ob deine Figur im Rollstuhl sitzt oder in einer anderer Weise eingeschränkt ist. Nur die Mutter agiert, dein Ich-Erzähler ist passiv. Jetzt muss ich sagen, dass das passt, er wartet schließlich sehnsüchtig und auch ein bisschen furchtsam.

Den Textkram können andere schneller und besser, nur drei Sachen:

1. Mit geraden Rücken — das n kann meiner unmaßgeblichen Meinung nach bleiben, es sind ja zwei (von Mutter und Sohn), wahrscheinlich geht n oder m.

2. Für „gepäckt“ bin ich wahrscheinlich zu alt, ich vermute es ist ein Synonym für den Beischlaf. Die mir bekannten umgangssprachlichen Bezeichnungen dafür sind vermutlich zu konventionell oder obszön. Ich bin aber trotzdem über deine gestolpert.

3. Ganz anders bei "gecruist". Zitieren muss ich noch lernen, sonst würde ich den Ausschnitt einstellen. Sehr, sehr schön, wie er der Mutter erklärt, dass der Bruder "abgecruist" ist. Dieser vorsichtige Versuch, doch noch einen Zugang zur Welt des Großen zu finden. Und dann zu merken, dass das nicht klappt. Super gemacht und sehr berührend!!!

Vielen Dank fürs Hochladen! Deine Geschichte ist kein Zeitdieb, man merkt, dass sie nicht mal eben so "hingerotzt" wurde. Ich werde bei Zeiten und Gelegenheiten mal gucken, was ich sonst noch bei dir finde. Ich glaube, dabei kann ich einiges lernen!

Viele Grüße,
Nelles

 

Hallo erdbeerschorsch,

Mensch, da fällt mir auf, dass ich noch nie eine Geschichte von dir kommentiert habe. Ich glaube, ich komme mit deinem Stil nicht so richtig zu recht. Das ist alles so sanft, so viel passiert im Verborgenen – und ich steh ja mehr auf die Haudraufsachen. ;)

Aber heute will ich doch mal etwas von mir hier lassen. Ich weiß, du hast viele Fans, aber vielleicht hilft es ja mal einen Blick von der anderen Seite zu bekommen.

Der Ich-Erzähler ist ein Junge, vielleicht 10 Jahre alt? Wieso sagt er immer „meine Mutter“? Das ist super distanziert. Sollte er nicht „Mama“ oder „meine Mama“ sagen?
Noch krasser wird es bei „der Partner meiner Mutter“. Die wohnen zusammen, oder? Welche Junge würde das so sagen? Nennt er ihn nicht eher beim Namen?

Es gibt eine Stelle im Raum, da steht das Licht wie ein Block und lässt den Staub leuchten, der darin kräuselt.
Ich bezweifel, dass einem Jungen so etwas auffällt.

Sie legt die Hände auf den Tisch, streicht das frisch gebügelte Tischtuch glatt, schiebt mit dem Zeigefinger die Gabel vor sich her und lässt sie auf der Tischplatte kreisen Sie schaut mich an und legt die Gabel wieder gerade an den Teller.
Die Nervosität der Mutter zeigst du sehr gut, die Stimmung ist richtig unangenehm.

aber dann hört man,
Warum so unpersönlich?

„Du kannst deine Mutter ruhig umarmen,“ sagt sie von hinten her, sie steht auf der Schwelle zum Wohnzimmer in der offenen Tür, die Schulter berührt den Rahmen, steht leise da, zerbrechlich und anklagend, und dann drückt Mattis sich an mir vorbei und legt wirklich die Arme um sie.
Starkes Bild.

Er hat die goldene Uhr an.
Welche goldene Uhr? Müsste ich die kennen? Oder soll das zeigen: Sogar er hat sich schick gemacht?

Mattis schiebt sich tief in den Stuhl und legt die Hände in den Nacken. Seine Knie schieben sich aus der halblangen Hose.
Ist die Wiederholung Absicht? Du scheinst das Verb „schieben“ zu mögen, das gibt’s oben noch zweimal.

„Jedenfalls, Lucia“, sagt er. Wie sie Pillen aus der Tasche zieht, erzählt er.
Echt arschig der Mattis. Interessiert sich null für seinen Bruder und will lieber zeigen was für ein toller Hengst er ist.

ob es stimmt, ob es sein kann, dass diese Lucia so eine ist
Was denkt er denn, was Lucia da tut?

Letzte Woche hab ich sie zweimal gepäckt
Bitte was hat er? Das habe ich ja noch nie gehört. Sagt man das heute so? Ich dachte, man läd zu netflix and chill ein, aber bin da ja eh immer hinterher.

sondern Luft kaut und durchs Geländerglas in den Garten runter schaut.
Puuh, ist der ätzend.

Das gehört jetzt zu ihm, das geht nicht mehr weg, das klebt da jetzt, und ihm macht das gar nichts. Hoffentlich schwindelt der, denke ich.
Es ist für den kleinen so schlimm, dass der große Bruder Sex hatte?

grüß Mama
Mensch, die mag er wohl wirklich nicht.

Ich finde, die Stimmung dort bringst du sehr gut rüber; die verzweifelte Mutter, die irgendwie versucht an ihren Sohn ranzukommen, den kleinen, der seinen großen Bruder anhimmelt, der aber auch irritiert ist, weil dieser auf einmal anders ist. Auch Mattis' Überheblichkeit kommt gut rüber.

Aber irgendwie stehe ich jetzt am Ende der Geschichte und fühle mich etwas verloren. Du zeigst mir einen Einblick in eine zerrissene Familie, und dieser Einblick ist nicht schön. Im Gegenteil, er ist sehr bedrückend. Und ich mag so etwas nicht lesen. Aber das liegt dann eben an mir.
Man möchte wissen, was da los ist, warum die Mutter so nervös ist und was es mit diesem Mattis auf sich hat. Zumindest ich habe auf irgendetwas besonderes erwartet. Aber du gibst mir nichts. Ich verstehe, dass die Eltern getrennt sind und die Brüder auseinandergerissen wurden. Aber wieso kann Mattis seine Mutter nicht mehr leiden? Warum möchte sich der Kleine nicht seinem Vater zeigen?
Also insgesamt passiert mir einfach zu wenig. Die Geschichte ist mir zu alltäglich.

Ich sehe, dass das genau das ist, was manche lesen wollen. Und ich lese immer wieder fasziniert die Kommentare und versuche zu verstehen und das zu sehen, was sie sehen. Teilweise gelingt es mir und ich sehe auf jeden Fall, dass du das was du tust, gut machst. Aber es eben nicht so mein Ding. :shy:

So jetzt ist er fertig, mein Kommentar, und ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Hi Salomon,

ich danke herzlich für deinen Kommentar! Die Fehler sind - wenn ich keinen übersehen habe - ausgemerzt, die Anregungen habe ich zum Teil schon aufgenommen. z.B. hier:

Ich hab die Stimmung bisher nicht so als freudig interpretiert.
Das kommt, weil er aufgeregt ist, er freut sich nicht ausgelassen.Trotzdem ist das jetzt der Einfachheit halber weg. Ich hab den Eindruck, man sieht genug, das würde ich nicht noch mehr aufblähen wollen, und ob man es dann als Freude oder anders interpretiert, muss ich ja nicht vorschreiben.

Huch. Hier beginne ich mich zu fragen, wie alt dein Protagonist eigentlich ist.
Hm, mal kucken, wie sich das eventuell machen lässt, das zu erläutern.

Das typische Alter, in dem der ältere Bruder schon ausgezogen ist und der Jüngere noch daheim sitzt. Jetzt glaube ich aber, damit falsch zu liegen ...?
Jetzt wo du's sagst: Das sollte am besten insgesamt früher deutlich werden, also auch, dass er sich vom Vater bringen lässt. Nur wie - ohne dass ich den Holzhammer schwinge?

Die Beschreibungen am Anfang sind mir zu kühl, zu abgeklärt, deshalb schätze ich den Prot sofort älter, als er dann letztendlich wohl ist.
So 13 bis 14 würde ich ihm maximal geben. Wäre das akzeptabel?

So, schön dass es dir gefallen hat!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

--------------------------

Hi Carlo Zwei,

das:

ich kann es nicht fassen, ein neuer Text von erdbeerschorsch?
ist ja mal ne schöne Begrüßung :D

mit geradem Rücken da
Das hab ich mir in der tat so gedacht, wie Nelles das erklärt. Vielleicht ist das aber ein subtiler Anglizismus. Jedenfalls hört sich für mich "mit geradem Rücken" tendenziell falsch an, während ich zugleich den Verdacht habe, dass es korrekt wäre.


Mutter hat die Hände gefaltet und zwischen die Knie geklemmt. „Wahrscheinlich sind sie noch auf der Autobahn“, sagt sie. „Vielleicht schon bei Nürnberg, was denkst du?“«

Hier scheinst du sehr auf Rhythmus (und Wiederholung) zu setzen. Ich würde etwas mit der Satzlänge variieren
Hab ich probiert. Jetzt ist mir allerdings aufgefallen, dass mir zweimal "sie" so kurz hintereinander nicht perfekt gefällt. Das war vorher auch schon, aber es ist mir halt erst jetzt aufgefallen ...

Die Sonne kommt nicht. Sie dringt vielleicht.
Könnte gehen, klingt mir im Augenblick aber noch zu - drängend. Irgendwas dazwischen wäre gut, nicht zu schwach und nicht zu aufdringlich.

Das «kann sein, oder« erschließt sich mir nicht und kann für mich auch raus
Jo, ist weg.

spiel doch hier mal wieder mit der Satzlänge. Das tut deinem Rhythmus gut.
Hab ich behutsam versucht, mehr folgt, weil ja das doppelte "Legen" noch verändert werden will.

Hier nimmt die Beschreibungsdichte etwas überhand.
Im ersten Beispiel hab ich eins von beiden rausgenommen. Vielleicht tausch ich noch mal und lasse das andere drin. In jedem Fall da nur eins, da hast du mich schon üb erzeugt. (Im zweiten Beispiel muss ich nochmal kucken)

Ein paar von den Beobachtungen kannst du m. E. geflissentlich streichen. Auch wenn sie sehr schön getextet sind!
Ich danke herzlich für das Kompliment :shy:

Vielleicht »ragen«?
Ja, warum nicht. Hab ich, glaub ich, jetzt so gemacht.


in der Geballtheit an Anglizismen
Tja, das war zu befürchten: "turnt" wie "törnt" - ich dachte an "turnen" wie "Sport machen".

wir gucken
"Kucken" ist aber erlaubt - und schreibe ich lieber, weil man es ja auch so ausspricht.

-->»Also tschüss, drück Mama!«
Ach so: drück Mama! Das sehe ich ja jetzt erst so richtig. Eigentlich schön, nur drückt Mattis nachher den Bruder, kännte zu viel sein.

gegen Ende würde ich hier sparsam mit solchen kulinarischen Fremdwörtern sein. Das reißt mich kurz raus, weil ich denke, wow, solche Begriffe kennt der Knirps schon?
Hab ich mich auch gefragt. Andrerseits: Wenn die Mutter das täglich so sagt, weiß der Sohn das natürlich. Sollte eigentlich gehen.

(ich ahne, dass du es dennoch oft Korrektur gelesen hast).
Tja, was soll ich sagen: stimmt leider ...

Schön, dass es dir gefallen hat!
Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo erdbeerschorsch,

wie so oft machst du es spannend, bis ein gesichertes Bild deines Protas auftaucht. Ist es ein Kind, ein Junge, ein Mädchen, womöglich eines, das die besondere Zuwendung seiner Mutter braucht?
Mir gefällt das, ich habe es gar nicht eilig, alles gleich serviert zu bekommen. Ich habe Vertrauen in den Autor, dass er mich bei der Hand nimmt und langsam in das Szenario einführt.

Die berührende Geschichte einer schmerzlichen Entfremdung innerhalb einer Familie, zwischen Brüdern, zwischen Mutter und älterem Sohn, zwischen jüngerem Sohn und seinem Vater. Nichts Spektakuläres, eben eine Alltagsgeschichte, die viele Menschen (leider) erfahren müssen.

Das hat er also gemacht, der Mattis. Das gehört jetzt zu ihm, das geht nicht mehr weg, das klebt da jetzt und ihm macht das gar nichts.

Der Mattis. Mein Bruder. Mit seinen haarigen Beinen wie ein Mann.

Besonders rührend finde ich, wie der kleine Bruder sich an den großen klammert, indem er ihm sprachlich in dessen neue Erfahrungswelt folgen möchte, fasziniert von der Veränderung des Bruders zu einem jungen Mann.

Ich stehe da und bin mir nicht sicher, ob ich das Rechaud noch immer auf den Teewagen stellen soll. Aber dann finde ich besser, ich mach's einfach.

Ein schmerzhafter Schritt ins Erwachsenenleben, kaschiert durch den Übergang zur Tagesordnung.

Die Geschichte ist subtil erzählt und sprachlich (natürlich) gekonnt. Sehr schön.

kleine Anmerkung: Im süddeutschen Sprachraum sagt man übrigens der Rechaud. Laut Fremdwörterduden ist aber beides möglich.:klug:

Herzliche Grüße
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey erdbeerschorsch

Sehr schöner Text, den ich gerne und mehrfach gelesen habe.

Es gab ja die Rückmeldung, dass das Alter des Erzählers zunächst nicht klar wird. Ging mir auch so, finde das grundsätzlich nicht schlimm, habe aber eine Hypothese dazu, die das Ganze eventuell doch ein wenig problematisch macht: Die Erzählstimme ist nicht einheitlich.

Erste Absätze:

Es gibt eine Stelle im Raum, da steht das Licht wie ein Block und lässt den Staub leuchten, der darin kräuselt.
Mutter stützt sich mit den Händen auf den Tisch, angelt mit den Füßen nach ihren Hausschuhen, um aufzustehen, aber dann hört man, wie der Schlüssel ins Schloss geht.
„Du kannst deine Mutter ruhig umarmen,“ sagt sie von hinten her, sie steht auf der Schwelle zum Wohnzimmer in der offenen Tür, die Schulter berührt den Rahmen, steht leise da, zerbrechlich und anklagend, und dann drückt Mattis sich an mir vorbei und legt wirklich die Arme um sie.

Du hast in diesen ersten Abschnitten schon ein paar Stellen drin, die auf einen jungen Erzähler verweisen, der «echte kleine Wald», ein paar kürzere Sätze, die kindlich klingen. Aber der Grundton wird durch die von mir zitierten Sätze gebildet und die sind syntaktisch relativ komplex, beinhalten nicht alltägliche Begriffe wie «kräuseln», «angeln», «zerbrechlich / anklagend» und es gibt kaum Füllwörter.

Nächste Absätze:

Von der Theatergruppe erzählt er, und das weiß ich ja, dass sie da mitmacht.
Nur ob das jetzt seine Freundin ist, das hat er nie erzählt, er sagt immer nur Lucia, als wüsste ich alles.
Das hat der also gemacht, der Mattis. Das gehört jetzt zu ihm, das geht nicht mehr weg, das klebt da jetzt, und ihm macht das gar nichts.

Hier hast du eine sehr einfache Wortwahl, und diese gebrochene Syntax mit den eingeschobenen, «und das», «das hat er» als Füllwörter.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das wirklich ein Problem ist, man könnte ja sagen, dass sich die Erzählstimme mit der Ankunft des Bruders ändert, das wäre schon ein Argument. Dennoch habe ich das so empfunden, dass du als Autor erst mit der Ankunft des Bruders deine Erzählstimme gefunden hast, die mir übrigens sehr gefällt.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Diagnose stimmt, ich habe ja bloss je drei Beispiele genannt. Aber ich würde mir das an deiner Stelle noch mal anschauen.

Das von mir. Mir läuft die Zeit davon. Ich muss schreiben. Tagespensum und so. :)

Wunderschöner Text, schwebend, authentisch, ohne grosses Drama, äusserlich, aber eben doch, innen drin.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe barnhelm,

schön, dich hier anzutreffen. Die meisten Fehler, die du gefunden hast sind ausgebügelt, den Rest mach ich mal gleich.

kräuseln sollte mMn reflexiv sein
Stimmt, fand ich auch selbst nicht ganz richtig vom Klang her. Aber sich kräuseln, das wäre dann ja eher wenn etwas kraus wird, Haare zu Locken oder so. Ich brauche da wohl ein anderes Wort - kreisen vielleicht.

Ansonsten sagst du da ja sehr schöne Dinge über die Geschichte. Da gibt es für mich gar nicht viel zu antworten, ich kann mich nur still darüber freuen.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi Nelles,

Wenn das os ist:

Deine Geschichte gefällt mir so gut, dass ich zum allerersten Mal kommentiere!
dann hat sie ja schon was bewegen können. :) Freut mich zu hören!

Für „gepäckt“ bin ich wahrscheinlich zu alt
Nee, glaub ich gar nicht. Ich habe das mal vor längerem von einem aufgeschnappt, und für den Mattis fand ich das passend. Das ist eher so seine private Spielerei, nicht unbedingt das Wort, das alle sagen. Es gibt das ja so, diese absichtlich falsch in eine englische Aussprache rübergezogenen Wörter, so wie: "eine dämpen" oder auch "eine schmoken gehen" für Rauchen. So in der Art macht der Mattis das.

Deine Geschichte ist kein Zeitdieb
Höchstens für mich :D

Herzlichen Dank für deinen erfreulichen Kommentar!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi Nichtgeburtstagskind,

Mensch, da fällt mir auf, dass ich noch nie eine Geschichte von dir kommentiert habe.
Na - dann wir's aber Zeit :peitsch:

Der Ich-Erzähler ist ein Junge, vielleicht 10 Jahre alt?
10 Jahre könnte vielleicht gerade so sein, aus meiner Sicht eher 12 oder vielleicht 13.

Wieso sagt er immer „meine Mutter“? Das ist super distanziert. Sollte er nicht „Mama“ oder „meine Mama“ sagen?
Gute Frage, mir klingt "Mama" dann eben doch eine Spur zu kindlich.

Noch krasser wird es bei „der Partner meiner Mutter“. Die wohnen zusammen, oder? Welche Junge würde das so sagen?
Vielleicht einer, der diese Nähe zu dem Partner trotz allem merkwürdig findet? Öffentlich sagt der natürlich Peter oder Franz oder wie immer der Mann heißt. Aber still für sich hat er damit Schwierigkeiten. Das ist ja merkwürdig, finde ich immer wieder, wie Kinder da plötzlich jemanden als Papa oder Mama vorgesetzt bekommen, nur weil die jeweiligen echten Mamas oder Papas den Mensch toll finden. Nicht, dass das nicht in oft ganz gut klappen würde. Aber komisch ist es schon, oder? Vor allem, wenn das Kind schon etwas älter ist.

Warum so unpersönlich?
Tja, das ist auch eine Frage, die sich immer wieder stellt. "Ich" ist mir in dem Fall zu einzeln, "wir" greift mir schon etwas zu sehr auf die Mutter über, also "man" - er hört es und geht davon aus, dass "man" es eben allgemein hört. Ist das eine Erklärung? Ich kann nur sagen, dass ich offensichtlich deutlich weniger Schwierigkeiten mit diesem "man" habe als viele andere (ist mir schon ein paar mal aufgefallen). Das ist ja ein häufig wirklich gebrauchtes Wörtchen, da wäre es doch künstlich verfremdend, wenn man (ups!) es künstlich vermeiden würde. Im Bewerbungsschreiben ist das was anderes ... Naja, zu viel davon ist sicher trotzdem nicht gut.


Welche goldene Uhr? Müsste ich die kennen? Oder soll das zeigen: Sogar er hat sich schick gemacht?
Jo, war so gedacht. Nicht gut? :hmm:

Ist die Wiederholung Absicht?
Nee, schon geändert! Danke für den Hinweis.

Echt arschig der Mattis. Interessiert sich null für seinen Bruder und will lieber zeigen was für ein toller Hengst er ist.
Sooo schlimm hab ich mir den gar nicht gedacht. Klar, der merkt das nicht so richtig, wie er den armen Bruder zulabert. Aber er ist halt auch in einem Alter, wo das in Ordnung ist, sich viel mit sich selbst zu beschäftigen. Es geht ja für ihn schon auch um was. Und immerhin will er ja den Bruder besuchen, trotz der Funkstille, die zwischen dem Bruder und dem Vater besteht. Also, ich dachte mir so was dazwischen: Schon eine raumgreifender Junge, aber auch einer, der was für die Bindung tut.


Bitte was hat er? Das habe ich ja noch nie gehört.
Siehe oben: Eher so eine private Prägung.

Es ist für den kleinen so schlimm, dass der große Bruder Sex hatte?
Schlimm nicht im Ernst, aber anders. Die haben sich vielleicht ein Jahr nicht gesehen, und jetzt ist der Bruder so einen großen Schritt weiter. Der Kleine kommt da nicht mehr ganz mit, und das beschäfigt ihn.

Mensch, die mag er wohl wirklich nicht.
Entweder das - oder es ist seine Weise, zu zeigen, dass er mit der Trennung nicht zurecht gekommen ist.

Ich finde, die Stimmung dort bringst du sehr gut rüber
Na, das ist doch schon mal nicht wenig. Und ich würde auch sagen, dass das unterm Strich ziemlich so beabsichtigt war, wie du es auffasst.

Die Geschichte ist mir zu alltäglich.
Hoffentlich nicht! Aber stimmt schon, es passiert nicht viel.

Herzlichen Dank für's Lesen und Kommentieren!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo erdbeerschorsch,

der Einstieg in deine Geschichte erschlägt mich mit einem Gefühl von Kleinbürgertum, aber auch mit einer familiären Wärme, die durch die einfallende Sonne noch verstärkt wird.

"Es gibt eine Stelle im Raum, da steht das Licht wie ein Block und lässt den Staub leuchten, der darin kräuselt."

Hier hattest du bestimmt ein tolles Bild im Kopf, leider kommt es bei mir nur so halb an. Ich sehe diesen leuchtenden, sich kräuselnden Stab nicht.

"und lässt sie auf der Tischplatte kreisen Sie schaut mich an"

Hier fehlt ein Punkt

Dann kommt Mattis, und auf den ersten Blick sehe ich ihn in einer Lederjacke mit abgeschnittenen Ärmeln vor mir, mit zurückgegelten Haaren und einem Zahnstocher im Mund. Er wirkt ein bisschen gewollt lässig, finde ich, mit seinem "Kleiner" und "Cool hier".

Die Sicht durch die Augen des Erzählers gefällt mir sehr, ich kann mich gut in ihn einfühlen, wenn er dem coolen Mattis mit großen Augen und Ohren lauscht, der von einem Leben erzählt, das so weit weg von seinem ist und von dem er höchstens eine leise Ahnung bekommt.

"Er schaut mich schrägt an."

schräg

"„Wie sich dein Bruder entwickelt hat,“ sagt Mutter später. Ich hab euch gesehen, wie ihr mit den Rädern rausgefahren seid. Ihr seid zum See runter, nicht?"

Hier fehlen die Anführungszeichen vor "Ich habe euch gesehen" und hier

"„Und morgen koche ich uns ich ein Menü.“"

hast du ein ich zu viel

"Wir kucken uns noch Rothenburg an"

gucken

"Als er die Schuhe anhat, rennt noch mal hoch,"

Hier fehlt ein er, glaube ich

"Kuck mal da rein.“"

Guck

"Aber dann finde ich besser, ich mach’s einfach."

Finde ich ein bisschen eigenartig, die Formulierung

(Ich habe mir die anderen Kommentare nicht durchgelesen, vielleicht wurdest du auf all das schon hingewiesen, dann überlies es einfach)

Ja, ich mag deine Geschichte sehr gerne, ich mag die Sprache und die Atmosphäre und auch, dass im Grunde nur wenig passiert, wenn man nicht zwischen den Zeilen liest. Da lässt sich nämlich einiges entdecken.

Für mich liest es sich so, als würde der Erzähler Mattis bewundern, sich aber auch über ihn wundern. Richtig nah kommen die beiden Brüder sich nicht, dafür ist Mattis schon zu weit weg. Ich habe so den Verdacht, dass Mattis seiner Mutter ihren neuen Partner nicht verzeiht, den er offenbar nicht akzeptieren will, und die Mutter weiß wohl schon von Mattis Entfremdung. Der Kleine noch nicht, er ahnt es höchstens unterbewusst.

Und es fühlt sich auch so an, vor allem dann am Ende, bei der "Cruisen"-Sache, dass dieser Schritt auch beim Erzähler nicht mehr lange auf sich warten lässt, dass es bald vorbei sein wird mit gemeinsamem CD-hören mit Mutti – eine Szene, die ich übrigens sehr gemocht habe. Ganz klar wird das aber nicht. Vielleicht bleibt er auch, vielleicht hat er kein Interesse an irgendwelchen Lucias in fremden Städten mit Pillen in der Handtasche und ist zufrieden mit der Nachbarstochter. Ich würde es mir wünschen. :)

Vielleicht wiederhole ich nur das Offensichtliche, vielleicht liege ich auch komplett daneben, aber das waren so meine Gedanken zu deiner schönen Geschichte.

Liebe Grüße,

Lani

 

Lieber erdbeerschorsch,
deine Geschichte hat so einen Sog, der bei mir in erster Linie durch deine Art zu erzählen und Atmosphäre zu schaffen gegriffen hat. Rein äußerlich passiert ja erstmal nicht so viel, es geht eher um das, was zwischen den Zeilen steht, das Psychogramm einer zerrütteten Familie. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es der neue Partner der Mutter war, der Mattis so hat auf Distanz gehen lassen, eher die Mutter selbst. Die will ihn einerseits immer bemuttern, schlägt ihn aber mMn mit ihrer latent vorwurfsvollen Art in die Flucht.
"Kannst deine Mutter ruhig umarmen." Das klingt so beleidigt, so nach:"Du liebst mich nicht mehr." So wie ich es verstanden habe, war er doch noch mit seinem Bruder zu Gange, sie stand dahinter, war also noch gar nicht dran. Oder steht er schon mit hängenden Armen vor ihr? Nee, ich denke nicht. Nett, als Begrüßung gleich gesagt zu bekommen, was man falsch gemacht hat. Denn gelacht hat sie dabei ja wohl nicht.

Das Gespräch zwischen den Brüdern wirkte nicht ganz authentisch auf mich. Das kann aber auch daran liegen, dass ich keine Ahnung hab, wie die in dem Alter ( ich denke mal, der Kleine ist zehn, elf, der Große vierzehn, fünfzehn) miteinander reden. Ok, dass er Lucia gepoppt hat - wenn's denn stimmt - kann ich mir noch vorstellen, aber es geht doch auch darum, dass sie die Pille nimmt, wenn ich das richtig verstanden habe. Falls ja, verstehe ich nicht, wieso die so rumdrucksen. Wissen Kinder in dem Alter nicht, was das ist? Er weiß doch sicher schon, dass die Kinder nicht vom Klapperstorch kommen. Aber vielleicht hab ich da auch irgendwas fehlinterpretiert.

Das Ende hat mir dann wieder gut gefallen. Wie die Mutter auf heile Welt machen will und sich dann doch damit abfindet, dass Mattis sich nicht mal von ihr verabschiedet hat.

Trauriges Familienporträt, bei dem ich den Eindruck hatte, jeder versucht, so zu tun, als wäre alles ganz normal. Hat mir gefallen.

Viele Grüße von Chai

 

Hallo erdbeerschorsch,

wenn ich deine Geschichte oder ähnliche, zum Beispiel die von Jimmy oder peeperkorn oder Raymond Carver, lese, dann blicke ich auf Alltagsdramen, in diesem Fall das einer zerstörten Familie. Das Ungesagte, das Schweigen verhüllt Angst, Trauer und Schmerz. Die Geschichte macht dann etwas mit mir, lässt mich an selbsterlebte oder auch nur wahrgenommene Tragödien denken, holt Gefühle hervor, vor denen ich mich fürchte – über die ich niemals schreiben wollte, die ich auch niemals lesen wollte, um sie zu bannen (benutzt du nicht dieses Wort in dem Text?). Solche Geschichten gehören ins Nachtprogramm, was sie nicht weniger großartig machen. Von „gern gelesen“ im Wortsinn kann also überhaupt nicht die Rede sein, Kunstfertigkeit, Ausdrucksstärke, ja. Leichtigkeit, Poesie, Schweben, entsprechen meiner Kunstidee weitaus mehr. Dennoch: ein beeindruckender Text voller Kraft.

Textstellen:

Es gibt eine Stelle im Raum, da steht das Licht wie ein Block und lässt den Staub leuchten, der darin kräuselt.
im Grunde ein super Bild, aber wie soll ich mir diesen Block vorstellen? Da denke ich sofort an irgendwelche eckigen Quader.

Ich laufe dem Partner meiner Mutter entgegen, nehme ihm die Einkaufstasche ab, trage sie in die Küche und stecke auch gleich das Rührgerät zusammen.
du ziehst das durch mit dem „Partner“, klingt für mich distanziert mit Tendenz zur Affektiertheit

Sogar dem Partner meiner Mutter gibt er die Hand. „Setz dich“, sagt der, und streckt den Arm zum Kaffeetisch hin aus. Er hat die goldene Uhr an.
Mine gelegt, die goldene Uhr, aber passt!

Beim Aufwärmen, beim Imrovisieren, sagte er, ist sie rumgehoppelt wie ein Hase. „Mann, hat das peinlich ausgesehen.“ Er presst sich die Handballen auf die Augen und schüttelt den Kopf und macht ein Geräusch. „Aber süß“, sagt er.
hä? Mir ist das zu kryptisch, soll ich mir jetzt überlegen, was die improvisiert (kleiner Vettipper)haben?

Ich versuche zu grinsen, lasse es dann, weil Mattis auch nicht grinst, sondern Luft kaut und durchs Geländerglas in den Garten runter schaut. Die Waden ragen bis zu den Knien aus der halblangen Hose und ich kann gar nicht richtig wegschauen.
finde ich übertrieben: warum kann der nicht wegschauen?

Nachts im Bett sage ich mir das Wort vor, um es zu bannen, unter der Decke, in die Decke hinein, immer wieder das Wort: gepäckt. Der Mattis. Mein Bruder. Mit seinen haarigen Beinen wie ein Mann.
das wiederum super: Gedankenprosa

wischt sich mit dem Handballen über den Mund und schließt die Augen, trinkt einen Schluck und lächelt, aber nur mit dem Mund, nicht mit den Augen. „So, Rothenburg. Ja, das ist ja schön.“
klasse, was du da und im Folgenden mit der Gestik machst

Liebe Grüße und Erdbeerzauberabend für dich
Isegrims

 

Hi liebe wieselmaus,

freut mich, dich hier zu finden. Ich danke herzlich für den schönen Kommentar. Da gefällt mir natürlich alles sehr gut, was du schreibst. Da ist wohl alles bei dir so angekommen, wie ich es nicht besser hoffen könnte!

Im süddeutschen Sprachraum sagt man übrigens der Rechaud.
Sieh an. Klingt auch passabel und müsste demnach, wo die Handlung ja offenbar nicht weit von Nürnberg spielt, so heißen. (Ich bin zwar mit dem süddeutschen Sprachraum, mal so allgemein gesprochen vertraut, habe aber gemischte Sprachraumwurzeln (oder so), da bin ich deshalb letztlich nirgends der Experte für's Detail.)

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi Peeperkorn,

schön, dich anzutreffen!

den ich gerne und mehrfach gelesen habe.
Gleich mehrfach, das ist aber sehr schmeichelhaft.

Die Erzählstimme ist nicht einheitlich.
Ja, Mensch, guter Tipp. Zwei Möglichkeiten schweben mir vor. Eine ist, das Ich zum Er zu machen. Ich finde die Ich-Perspektive häufig vor allem aus Übersichtsgründen vorteilhaft. "Ich" bezieht sich immer nur auf eine Figur und spart sich Überschneidungen mit anderen. Das ist zwar nicht der einzige Grund, aber kein ganz nebensächlicher. Also, wäre denkbar, den Ich-Erzähler rauszunehmen, dann säe das eventuell annehmbarer.
Aber einheitlich ist sicher die bessere Lösung. Das könnte eigentlich gehen. Mit den Füllwörtern möchte ich es lieber nicht übertreiben, da freue ich mich schon, dass derer im zweiten Teil nicht zu viele sind. Der Lichtblock könnte aber schon weg, auch die Mutter muss nicht unbedingt anklagend usw. dastehen, es reicht eigentlich, wenn sie sich an die Tür lehnt. Das war jetzt zwar auch wieder nur auf deine Beispiel bezogen, aber es erscheint mir schon machbar, ohne dass ich es verhunze. Werd ich also wohl mal so angehen.

dass du als Autor erst mit der Ankunft des Bruders deine Erzählstimme gefunden hast, die mir übrigens sehr gefällt.
Das höre ich gern, und doch frage ich mich, ob man dieses Stimme lange aushalten würde oder ob das nicht relativ schnell eintönig wird. Schön wäre, wenn nicht. Und es gibt ja Beispiele für lange Texte in vergleichsweise einfacher Sprache, wo das funktioniert.

Herzlichen Dank für den Kommentar.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi Lani,

der Einstieg in deine Geschichte erschlägt mich mit einem Gefühl von Kleinbürgertum, aber auch mit einer familiären Wärme, die durch die einfallende Sonne noch verstärkt wird.
Zwiespältige Eindrücke sind immer gut, sofern sie doch irgendwo zusammenpassen :)

Hier hattest du bestimmt ein tolles Bild im Kopf, leider kommt es bei mir nur so halb an.
Ja, ist in Ordnung. Der Block ist inzwischen zumindest ein Wackelkandidat.

Vielleicht wiederhole ich nur das Offensichtliche, vielleicht liege ich auch komplett daneben, aber das waren so meine Gedanken zu deiner schönen Geschichte.
Zu einer Einschätzung, was offensichtlich sei und was nicht, darfst du mich nicht befragen, dazu kenne ich die Absichten des Autors zu gut. Aber ich finde in jedem Fall, dass du das sehr schön sagst. Und natürlich: treffend, nicht daneben.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi Chai,

freut mich, dass ich dich einsaugen konnte :)

Was du sagst:

Ich hatte nicht den Eindruck, dass es der neue Partner der Mutter war, der Mattis so hat auf Distanz gehen lassen, eher die Mutter selbst. Die will ihn einerseits immer bemuttern, schlägt ihn aber mMn mit ihrer latent vorwurfsvollen Art in die Flucht.
klingt eigentlich ganz annehmbar. Und dann hast du es noch so schön begründet. Dann wird es wohl so sein, mich zumindest überzeugt das.

Das Gespräch zwischen den Brüdern wirkte nicht ganz authentisch auf mich.
Tja, hm, schade. Aber kann schon sein. Ich kann das natürlich auch bestenfalls zu imitieren versuchen. Dieses Rumgedruckst könnte ich aber immerhin noch halbwegs erklären. Mattis weiß nicht sicher, ob dem jüngeren Bruder klar ist, dass man die Pille regelmäßig nehmen soll usw., und er prahlt vielleicht ein bisschen damit, dass er davon ausgeht, dass man solche Dinge eigentlich nicht mehr erklären muss. Der jüngere weiß ganz sicher, dass es die Pille gibt, aber über den Umgang damit muss er nichts wissen. So wäre das gedacht gewesen.

Ich danke herzlich für den Kommentar. Schön dass es dir gefallen hat!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo, erdbeerschorsch

Ich habe jetzt die vorherigen Kommentare nur überflogen, aber ich denke, das macht nichts, weil ich kaum etwas zu meckern habe, und Lob kann man ja nicht oft genug hören, wa?

Mir ist aufgefallen, dass in Deiner Geschichte vordergründig praktisch nichts passiert. Und trotzdem hat sie mich total gefesselt. Woran liegt das? Das liegt v.a. an dieser verrückten Familienkonstellation. Der eine Sohn geht anscheinend der Mutter aus dem Weg, der andere will den Vater nicht sehen. Das ist ja wirklich was Besonderes. Ich kenne nur eine Scheidungsfamilie, wo sich Ähnliches zugetragen hat. Da waren zwei Kinder aber schon erwachsen und haben sich nach langen Trennungsstreitigkeiten für die Mutter entschieden, während der Vater den Sorgerechtsstreit um die minderjährige Tochter gewonnen hat. Was für ein Drama!

Und da frage ich mich direkt, was für ein verzwicktes Drama sich bei der Familie, um die es hier geht, zugetragen hat, dass diese Kreuz-Konstellation entstanden ist, in der jeweils ein Kind jeweils ein Elternteil nicht wirklich sehen will. Dass ich mir diese Frage stelle, ist gar nicht schlimm. Gerade, dass ich darauf keine Antwort bekomme, macht den Text für mich so fesselnd.

NGK hatte sich über den „Partner der Mutter“ beschwert. Das fand ich auch total seltsam. Ich glaube, die meisten Leser/innen würden schon verstehen, wer diese Person ist, wenn sie einfach einen Namen bekommen und der Mutter vielleicht mal ein Küsschen geben würde. Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen als den, dass Du Angst hattest, dass wir nicht verstehen, wer diese Person ist, eine solche Bezeichnung zu wählen.

Vielleicht einer, der diese Nähe zu dem Partner trotz allem merkwürdig findet? Öffentlich sagt der natürlich Peter oder Franz oder wie immer der Mann heißt. Aber still für sich hat er damit Schwierigkeiten. Das ist ja merkwürdig, finde ich immer wieder, wie Kinder da plötzlich jemanden als Papa oder Mama vorgesetzt bekommen, nur weil die jeweiligen echten Mamas oder Papas den Mensch toll finden. Nicht, dass das nicht in oft ganz gut klappen würde. Aber komisch ist es schon, oder? Vor allem, wenn das Kind schon etwas älter ist.

Dazu sagst Du das. Anscheinend gibt es doch einen anderen Grund. Sorry, überzeugt mich überhaupt nicht. Du willst damit Distanz ausdrücken, aber es klingt nur umständlich und auch komplett unkindlich. Nenn ihn doch Hermann-Manfred, irgendeinen super-umständlichen Namen. Das fände ich tausendmal authentischer. Denn srsly, ich kann mir nicht vorstellen, dass es auf dieser Welt irgendein Kind gibt, dass ständig „der Partner meiner Mutter“ denkt. Ich meine, gerade beim Denken! Wenn er den Partner seiner Mutter aus Protest so nennt, könnte ich das irgendwie nachvollziehen. Aber diese Umständlichkeit auf Dauer in Gedanken festzuhalten? Dafür braucht es doch ein hohes Maß an Selbstkontrolle, denke ich.

Ich habe gerade gesagt, dass in der Geschichte beinahe nichts passiert und dass gerade dies ihren Zauber ausmacht – weil alles im Verborgenen vonstatten geht. Da fällt für mich diese Stelle ein bisschen raus:

Anderntags nehmen wir die Räder und fahren nach Roregg zur Burgruine hoch. Da ist es schon wieder besser. Der schwindelt sicher, denke ich mir, und dann redet er ja heute auch nicht so viel von ihr.

Du hast diese drei Sätze, die sagen: Die Brüder unternehmen was. Dann kommt ohne irgendeinen Absatz ein Zeitsprung, in dem sie wieder zu Hause sind. Ich weiß nicht, ich finde es überhaupt nicht wichtig zu wissen, was die den Tag über machen. Dass sie irgendwas gemeinsam unternommen haben, erschließt sich mir von selbst. Ich dachte aber erst, sie liegen an der Burgruine rum, und dann ist plötzlich auch die Mutter da. Also entweder, Du machst nach diesen drei Sätzen einen neuen Zeilenumbruch, oder Du streichst das. Bin für Letzteres. ;)

Irgendjemand meinte noch, dass das mit dem gepränkt komisch war. Ich kannte das Wort auch nicht, aber ich denke, das ist gar nicht schlimm. Ich kann mir ja denken, was das heißt, und das ist doch eigentlich viel spannender, nicht wahr? Das ist quasi das kleine Detail zu dem, was Deine Geschichte bedeutet. Ich weiß es nicht genau, aber ich kann mir alles Mögliche darunter vorstellen. Also, ich würde dafür plädieren, das so zu lassen. ;)

Das war auch schon mein einziges Gemäkel. Hab’s sehr, sehr gerne gelesen.

Mach Dir einen schönen Abend!

Hintergründig,
Deine Maria

 

Hallo erdbeerschorsch,

es ist schon einiges gesagt worden zu deinem Text. Das mit dem Alter des Erzählers beschäftigt mich auch - „einen echten kleinen Wald“ versus „der Partner meiner Mutter“?
Vielleicht nicht ganz leicht zu lösen, weil die beiden Themen, die du gewählt hast (der kindliche Blick auf das erste Mal des großen Bruders und der doch eher erwachsen-abgeklärte Blick auf eine zerrüttete Familie), unterschiedliche Anforderungen an die Erzählstimme stellen.

Wir sitzen schon eine Weile mit geraden Rücken da, Mutter hat die Hände gefaltet und zwischen die Knie geklemmt.

Das ist gleich ein intensives Bild. Diese Körperhaltung der Mutter, sie wirkt auf mich schon ein wenig seltsam, aus der Zeit gefallen, welche Frau von heute sitzt so da? Mutet kindlich brav an oder madonnenhaft, voller Demut. Ja, seltsam. Betet sie den Mattis, den Erstgeborenen denn so an? Weiter unten im Text wirkt sie dann kraftlos, weit jenseits aller Resignation, und bleibt rätselhaft, weil die Kamera dann auf die beiden Jungs schwenkt.

und lässt den Staub leuchten, der darin kräuselt.

Tja, kräuseln steht im E-VALBU nicht drin. Schön für dich. :D Ich hätte entweder ein Akkusativobjekt oder ein Reflexivpronomen erwartet, aber so als stand-alone Verb?

Wenn man vom meinem Balkon guckt

Oder auf die Endungen …

Die Waden ragen bis zu den Knien aus der halblangen Hose

Das ist schon schräg, weil redundant. Bis wohin sollen die denn sonst ragen, wenn nicht bis zu den Knien? Die Beine … bis zu den Knien - das wäre schlüssig. Mit den Waden wird so die Rückseite der Unterschenkel betont, im Gegensatz zum Schienbein. Das lenkt irgendwie ab, finde ich, bzw. ich verstehe nicht, warum der Fokus hier so gesetzt ist.

Wenn sie am Nachmittag ganz warm sind von der Sonne [,] schmecken sie am besten.

Könnte sein, dass noch irgendwo ein Komma fehlte, jetzt finde ich es nicht mehr.

So viel oder so wenig für heute, hat mir gut gefallen!

Beste Grüße
Anne

 

Hi Isegrims,

freut mich, dass du vorbeischaust. Da findest du aber schöne Worte für meinen Text :shy: Und das von dir, wo du doch (zum Glück) nicht mit Samthandschuhen hier herumschleichst. Und das sagst du ja auch, dass dir der Text auf einer Ebene nicht liegt. Das lese ich übrigens gar nicht als Kritik (und habe auch nicht den Eindruck, dass es als solche gedacht war).

aber wie soll ich mir diesen Block vorstellen?
Der Block wankt, ich denke, er wird noch fallen. Aber das ist doch manchmal so: Wenn der Übergang in den Schatten richtig scharfkantig ist. Das ist dann zwar nur an einer Seite so, weil von der anderen her ja das Locht kommt, aber so was säulen- oder blockartige, finde ich, kann da als Gebilde schon entstehen. Nun ja, passt, wie andere gesagt haben, aber wohl nicht so richtig zu dem Jungen, deswegen werd ich das sicher nochmal rausnehmen (und anderswo verwursten :) ).

du ziehst das durch mit dem „Partner“, klingt für mich distanziert mit Tendenz zur Affektiertheit
Tja, schau'n wir mal. Ich habe eine Idee, aber auf die bin ich durch TeddyMaria gekommen, deswegen muss ich das zu ihr schreiben. Also sag ich mal: siehe unten.
Eine Anmerkung lass ich dazu trotzdem mal noch los. Dieser Text ist nämlich eine heimliche Fortsetzung zu einem früheren ("Die Machete"). So im Sinne von: ein Jahr später. Da hieß es eben auch "Partner meiner Mutter", allerdings in dem Fall vermutlich auch nachvollziehbarer und weniger aufdringlich. Trotzdem soll diese Geschichte ein eigenständiger Text sein (weswegen ich auch die erst unabsichtliche Mutation von "Mathis" zu "Mattis" nicht korrigiert habe), deswegen ist es überhaupt nicht Pflicht, diese Merkwürdigkeit aufrecht zu erhalten. Ist also ein ernsthafter Änderungskandidat.

hä? Mir ist das zu kryptisch, soll ich mir jetzt überlegen, was die improvisiert (kleiner Vettipper)haben?
Ach so - nee, eigentlich nicht. Der erzählt halt so. Stört das dann? Ich dachte, es sollte einen Vorlauf zu der Sache mit der Pille geben, dass er nicht gleich damit einsteigt. Was die dann genau machen mit ihren Improvisationsübungen ist an sich weniger wichtig.

finde ich übertrieben: warum kann der nicht wegschauen?
Weil er auf etwas unangenehme Weise fasziniert von dem, äh, Fleischbrocken ist. Aber vielleicht klingt das zu stark, kann schon sein.

Herzlichsten Dank für den Kommentar!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

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Hi TeddyMaria,

Wenn du mich so direkt fragst:

Lob kann man ja nicht oft genug hören, wa?
dann kann ich da gar nicht widersprechen

Du findest also auch den "Partner meiner Mutter" seltsam:

Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen als den, dass Du Angst hattest, dass wir nicht verstehen, wer diese Person ist, eine solche Bezeichnung zu wählen.
Und schau an, ich könnte mir sogar vorstellen, wie ich das behalte, was ich behalten will, ohne dass es ganz so seltsam klingt. Der
Hermann-Manfred
ist auf jeden Fall schon mal witzig. Das wäre allerdings auch schon fast das Problem damit, dass es nämlich dann ins ulkige kippen könnte, wo gar nichts ulkig ist. Aber Vorname, Nachname - das könnte ich mir vorstellen. Was, wenn er immer "Hermann Bleibtreu" (oder so) zu dem Typ sagt? Auch merkwürdig, aber vielleicht schon noch eher denkbar.

Ich sehe den Punkt ein, dennoch unterscheiden wir uns hier:

ich kann mir nicht vorstellen, dass es auf dieser Welt irgendein Kind gibt, dass ständig „der Partner meiner Mutter“ denkt.
Ich kann mir das schon vorstellen. Ich kenne zwar keins, aber es kommt mir nicht unrealistisch vor, dass ein Kind zu anderen, Unbeteiligten so reden würde. Wenn sich der Vorname zu nah anfühlt, dann ist die Vermeidung im Kopf auch nicht umständlich. Mit der Einschränkung, dass das Kind wohl eher "der Partner von meiner Mutter" sagen würde. Das wäre die Minimaleingriffversion, die mir sozusagen gar nichts abverlangen würde und zumindest dann vom Ton her nicht schief klingt. Aber es klingt halt trotzdem auch nicht besonders schön ...

Ich meine, gerade beim Denken!
"Denken" habe ich als Antwort, glaube ich, sogar selbst vorgeschlagen. Jetzt würde ich eher versuchen, mich aufs Erzählen rauszureden. Hast du ja gesehen :)

Du hast diese drei Sätze, die sagen: Die Brüder unternehmen was. Dann kommt ohne irgendeinen Absatz ein Zeitsprung, in dem sie wieder zu Hause sind. Ich weiß nicht, ich finde es überhaupt nicht wichtig zu wissen, was die den Tag über machen.
Ja, gut, kann schon sein. Es ist ja automatisch der andere Tag, wenn zuvor von der Nacht die Rede ist. Mir ist das etwas flott vorgekommen: Gleich der Garten und gar nichts davon, wie sie den Tag füllen. Und: wenn sie mit den Rädern weg sind, ist auch klar, dass die Mutter den Bruder nicht zu Gesicht bekommen hat. Das ist mir nicht ganz unwichtig, denn die Mutter ist ja so etwas wie die heimliche Hauptfigur, mit ihren vergeblichen Versuchen, an den Bruder heranzukommen, und dass sie sich dabei wahrscheinlich selbst im Weg steht.
Auf der anderen Seite ist das so eine Stelle, von der ich beim Schreiben gedacht habe, dass ich die anderen wahrscheinlich unter die Nase reiben würde: Ein Schlenker irgendwohin, aber er führt eben nirgendwo hin.

Dass du allerdings die Johannisbären bei der Burgruine zu verorten versucht bist, bin ich *hüstel, hüstel* behutsam dir anzukreiden geneigt, denn sie sind ja, wie es heißt, "später im Garten" ...

So, das wär also das, was mir zu dir einfällt. Schön, dass du mich an ein paar Stellen herausgefordert hast. Mal sehen, wie sich das entwickelt.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hinten haben wir einen echten kleinen Wald.

Nur ob das jetzt seine Freundin ist, das hat er nie erzählt, er sagt immer nur Lucia, als wüsste ich alles.

Patchwork!

Was in der vertrauten 1. Person Plural als "wir" beginnt, reduziert sich auf Mutter und (dem erzählenden) Kind und - ein zwotes - dem

Partner meiner Mutter,
der nun grammatisch gesehen ein zwotes, anderes "wir" erzeugt zwischen sich und der Mutter des Erzählers, dem sich als viertes ff. der ältere Sohn und Bruder zugesellt und aus den drei Zweierbeziehungen (Mutter + ich / Mutter + Partner, ich + Partner der Mutter), die nächsten dualistischen "wir" erzeugt - und ausgerechnet der Bruder hat eine Freundin und nur die beide haben jenseits aller Rollenspiele - Namen (die Freundin sogar einen "leuchtenden", Lucia), denn selbst der Vater bleibt NN,

lieber erdbeerschorsch,

da hätten Individualpsychologen ihre Freude wie auch Sozialpsychologen und gerne hätte ich auf die Melancolia des Albrecht Dürer, genauer deren literarische Umsetzung in Gottfried Kellers gleichnamigen Gedicht zurückgegriffen - aber da ist schon der nächste Schritt der modernen Gesellschaft vorweggenommen: Vereinsamung/-zelung.

Aber: Noch kooperiert der potentielle Singlehaushalt noch im "wir", bevor er sich auf "mich" reduziert.

Ich bin überzeugt, dass das zumindest unterm Diktat der Ökonomie gewollt (steigert ja auch den Konsum, angefangen beim Telefon etc.) ist und einem das Singeldasein als Krönung der Individualität dargeboten wird - denn nun wird das Ringen um Solidarität (nix anderes als die politische Seite der Nächstenliebe) anstrengend, wenn man jedes weitere Individuum dazu bewegen muss, solidarisch zu sein und den Arsch mal für andere hochzukriegen.

Vielleicht ist diese Warnung gar nicht von Dir beabsichtigt, aber so'n Querkopp wie ich, fürchtet sich vor solchen Verhältnissen ... insofern ist es neben allen literarischen Qualitäten eine kleine soziale Studie - mit Mattis (mit seiner namentragenden Freundin) ein mehr oder weniger unfriwilliger Repräsentant der alten Welt und somit ein Gottesgeschenk, die Übersetzung seines Namens hebräischer Herkunft.

Triviales jenseits gesellschaftlicher Tendenzen

..., aber dann hört man, wie der Schlüssel ins Schloss geht.
Wird der Schlüssel nicht eher gegangen, pardon, geschoben?

Er sagt immer nur Lucia, als würde ich sie kennen, und es stimmt ja, ich weiß[,] wer das ist.

..., zeigt so auf ihre Uhr, und dass ich drauf achten soll, ...
"Drauf",eigentlich "darauf", wird eigentlich nur i. S. psychischer Befindlichkeit verwendet - etwa, ich bin gut drauf - oder in Verbindung mit dem verkürzten "dran" als "drauf und dran sein", etwas zu tun. Ansonsten empfiehlt sich die Mutter des drauf, "darauf".

„Du weiß[t] schon, oder?“

Wenn sie am Nachmittag ganz warm sind von der Sonne[,] schmecken sie am besten.
Da steht so[']n Altar rum, ...
„..., kann er die Pastete so knuspern[.]“[/QUOTE

Trotz unguter Gefühle gern gelesen vom

Friedel,
der noch einen schönen Restsonntag wünst!

 

Hallo erdbeerschorsch,

ich steige mal sofort ein.

der Partner meiner Mutter.
Dadurch, dass das öfter gesagt wird, wirkt die Fremde, die fehlende Vertrautheit zum Mann fast schon trotzig.
Ja, passt gut. :thumbsup:

Mattis schiebt sich tief in den Stuhl und legt die Hände in den Nacken. Seine Knie schieben sich aus der halblangen Hose.
Dieses 2x schieben mag ich irgendwie nicht. Wegen der Wiederholung, aber auch: wie sollen sich Knie selbständig aus der Hose schieben? Es ist doch eher die Hose, die hochrutscht und die Knie freigibt.

„Du weiß schon, oder?“ „Kann sein“, sag ich, und
Normal würde ich dagen, fehlender Zeilenwechsel wegen Sprecherwechsel, aber hier wirkt das wie aus einen Guß.

hab ich sie zweimal gepäckt
gepäckt? Was ist das? :confused:

Die Waden ragen bis zu den Knien aus der halblangen Hose und ich kann gar nicht richtig wegschauen.
Was geht denn da ab?
Warum werden so "oft" Knie, Beine, halblange Hose erwähnt?
Mal sehen, was da noch kommt.

„Und morgen koche ich uns ein Menü.“
Ein Menü kochen? Komische Aussage der Mutter. Ist da als Vorspeise ein Salat und als Nachtisch ein Eis dabei, das sie auch "kocht"? :D

Eigentlich würde ich ja bis zur Tür mitgehen, aber da könnte Vater mich sehen. Das will ich nicht.
Das irritiert mich ein wenig.
Einserseiits ist da diese Kühle gegenüber dem "Parner seiner Mutter", andererseits will er seinen leiblichen Vater nicht sehen.
Schämt er sich, zuzugeben zu müssen, dass er bei Mutter und ihrem Partner unglücklich ist? Auf jeden Fall ist das Stoff zum Nachdenken.

Kuck mal da rein.
Dass die Mutter genauso wie Mattis "kucken" anstatt "gucken" sagt, scheint wohl eine Familiensache zu sein. :Pfeif:

die Pastete so knuspern(PUNKT)“

Nur kommen mir in der Geschichte zu veile Gesten, Bewegungen, Körperteile vor.
Wir sitzen schon eine Weile mit geraden Rücken da, Mutter hat die Hände gefaltet und zwischen die Knie geklemmt.
Sie legt die Hände auf den Tisch, streicht das frisch gebügelte Tischtuch glatt, schiebt mit dem Zeigefinger
Sie schiebt ihren Teller zur Seite
angelt mit den Füßen
greift Mutter erst nach der Tischkante und dann nach meiner Hand.
hält mir die offene Hand hin. Er zieht mich zu sich und haut mir auf den Rücken.
ruhig umarmen
die Schulter berührt den Rahmen
legt wirklich die Arme um sie. Sogar dem Partner meiner Mutter gibt er die Hand. „Setz dich“, sagt der, und streckt den Arm
Das war das erste Drittel der Story. Später geht es ähnlich weiter.
Ich empfehle, einiges zu kürzen/streichen.

Ja, irgendwie fehlt mir da noch der besondere Touch. Mehr Gemeinsamkeiten oder halt Unterschiede zwischen den Brüdern vielleicht. Mehr Melancholie vielleicht, mehr Hintergrund. Weiß nicht.
So weiß ich nicht genau, was die (eine) Aussage des Textes sein soll.

Da wird so einiges angerissen. Vielleicht willst du das so und jeder Leser sucht sich seinen eigenen Schwerpunkt heraus?

Dennoch: Gerne gelesen.

Schönen Abend noch und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hi Friedel,

es hat ja nun leider eine kleine Weile gedauert, bis ich mich zurückmelde, dabei hab ich ich gleich gefreut, als ich deinen Kommentar unter meinem Text gesehen habe.
Ein paar Kleinigkeiten hab ich geändert, unter anderem - das ist auch schon die größte Kleinigkeit - den "Partner meiner Mutter", der jetzt einen Namen hat. Dadurch passt die schöne rigide Zuordnung nicht mehr:

und ausgerechnet der Bruder hat eine Freundin und nur die beide haben jenseits aller Rollenspiele - Namen (die Freundin sogar einen "leuchtenden", Lucia), denn selbst der Vater bleibt NN
aber Opfer muss man in die eine oder andere Richtung halt bringen. Kann ja alles wieder zurück gesetzt werden.

Dua hast hiermit:

Wird der Schlüssel nicht eher gegangen, pardon, geschoben?
sicher recht, aber geschoben wird hier schon so viel, da müsste etwas anderes her.

Der Restsonntag, den du mir gewünscht hast:

Friedel,
der noch einen schönen Restsonntag wünst!
passt ja inzwischen immerhin schon wieder! Juchhe.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

----------------------


Hi GoMusic,

soso, dir war das also zu wenig. Oder auch zu viel, an anderer Stelle. Ich fang mal mit dem zu vielen an:

Nur kommen mir in der Geschichte zu veile Gesten, Bewegungen, Körperteile vor.
(...)
Das war das erste Drittel der Story. Später geht es ähnlich weiter.
Ich empfehle, einiges zu kürzen/streichen.
Ich sehe ein, dass einem das zu viel sein kann, fällt mir aber schwer, das grundsätzlich als gestalterischen Mangel zu erkennen. Ich werd das wohl erst mal so lassen. Abgesehen davon, natürlich, dass ich gerne noch variiere, z.B. das doppelte "Schieben" einmal ersetzte u.ä. Vielleicht Sind es auch zu viele Hände und Arme, das sieht zumindest in deiner Zusammenstellung wirklich etwas dicht aus.

Also, also, lieber GoMusic:

Dass die Mutter genauso wie Mattis "kucken" anstatt "gucken" sagt, scheint wohl eine Familiensache zu sein.
- wer sagt denn "gucken"? Hab ich zumindest selten gehört. Und wenn, dann allenfalls mundartlich, wenn auch andere "K" zum "G" werden. Geschrieben mag das was anderes sein, da ist "gucken" vielleicht immer noch die häufigere Form, aber gesprochen ist das bestimmt nicht Standard. Es heißt ja auch nicht "Guguck" ... Oder sollte ich mich so sehr täuschen? Naja, jedenfalls erlaubt das Wörterbuch beides.

Diesen Eindruck:

Da wird so einiges angerissen. Vielleicht willst du das so und jeder Leser sucht sich seinen eigenen Schwerpunkt heraus?
habe ich selbst ehrlich gestanden nicht so sehr. Eigentlich gibt es doch nur ein Thema: Der Bruder kommt zu Besuch und es zeigt sich, dass da etwas zwischen den beiden auseinander geht (bzw. gegangen ist). Der Partner und die Mutter sind dir zu viel, so dass dir der Schwerpunkt verloren geht? Oder ist dir Lucia zu viel? Die empfinde ich eigentlich alle drei nicht als Ablenkung oder Abschweifung, sondern sie gehören halt dazu, um das jeweilige Umfeld zu zeichnen. Ach so, ja, und die Mutter natürlich außerdem, weil auch da eine Entfremdung ist.

Besten Dank für's Vorbeischauen und Kommentieren! Du hast mich diesmal zwar eine Spur ratloser zurückgelassen als sonst, aber umso wichtiger sind deine Beobachtungen vielleicht.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

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