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Mister Spectacular kann nicht fliegen
Ja, dies ist Central City.
Wäre diese Stadt nicht so erschreckend real, man könnte sie beinahe für die Karikatur einer überdrehten Comicwelt halten. Doch nichts würde ihrer Wahrheit weniger entsprechen. Diese Stadt zeichnet kein Klischee, sie ist selbst eines.
So gibt es auch hier die gewaltigen Wolkenkratzer, die sich in grotesker Überzogenheit gen Himmel erheben, weite Teile der Stadt in immerwährenden Schatten hüllen und mit ihrer dekadenten Mischung aus Protzerei und Überlegenheit den ständigen Kampf der Menschen gegen ihr eigenes Schicksal symbolisieren. Auch in Central City sitzen die wenigen Privilegierten in den oberen Etagen und laben sich an den Früchten ihrer durch Korruption und Falschheit erlangten Positionen, während die vielen Unteren alles dafür geben würden, ihren Traum vom ebensolchen Aufstieg Realität werden zu lassen. Es ist eine Stadt der unendlichen Möglichkeiten, der Träume. Eine Stadt , die jedem Menschen eine Chance gibt, nach ganz oben aufzusteigen. Eine Chance, niemals mehr.
Natürlich ist Central City ein finsterer und doch so faszinierender Moloch, in dem Hunger, Armut und Gier eine Gesellschaft aus Kriminalität, Korruption und Hass geformt haben.
Und, wie sollte es anders sein, natürlich gibt es auch in Central City diejenigen, die sich diesem Chaos entgegenstellen. Furchtlose und einsame Kämpfer gegen das Unrecht. Die einen nennen sie Helden, die anderen nennen sie romantische Wirrköpfe, die tatsächlich glauben, ein Stück Gerechtigkeit in diese Stadt bringen zu können. Recht haben beide.
Einige Superhelden können sich das Feuer Untertan machen, andere gigantische Eisberge aus dem Nichts entstehen lassen oder mit den Tieren reden. Auch wenn ihre Kräfte und Methoden unterschiedlicher kaum sein könnten, so haben sie alle eines gemein:
Superhelden können nicht fliegen.
...
"Wie lange machen Sie das jetzt schon?"
"Das kommt drauf an."
"Worauf?"
"Wann Sie mich fragen. Es gibt Tage, da erinnere ich mich an ein Datum. Und dann gibt es Tage, so wie heute, da kommt es mir vor, als hätte ich das schon immer gemacht."
"Langer Tag?"
"Nein. Nein, gar nicht. Eigentlich hat meine Schicht gerade angefangen. Es ist nur dieses Gefühl, das einem die Stadt manchmal gibt."
"Als wäre man nur ein Stück Nichts, das von einem liebenswerten Monster aufgefressen wird?"
"So in Etwa, ja. Stört es Sie, wenn ich rauche?"
"Es ist Ihr Taxi."
"Aber Sie sind der Fahrgast. Und, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber bei jemandem wie Ihnen weiß man nie so Recht, woran man ist."
"Wie meinen Sie das?"
"Kennen Sie den Iceman? Der wäre beinahe durchgedreht, als ich mir eine angezündet habe."
"Henry dreht auch durch, wenn draußen die Sonne scheint. Er ist ein wenig... naja, eigen."
"Jedenfalls frage ich seitdem immer nach. Was machen Sie eigentlich?"
"Ist das nicht offensichtlich?" Der Fahrgast grinste, deutete auf seinen Anzug und ließ einen Teil seines weißen Capes bedeutungsvoll in seiner Hand flattern. "Ich möchte nicht zur Bank, weil ich da hinter dem Schalter arbeite."
"Ich meinte, genau."
"Naja, es ist mein erster Einsatz. Da ist es verzeihlich, daß sie mich noch nicht kennen." Er deutete mit einer heroischen Geste auf die beiden Buchstaben MS, die in feurigem Rot auf seiner Brust prangten, "Mein Name ist Mister Spectacluar."
"Klingt ziemlich wichtig."
"Es ist sogar spektakulär."
"Was können Sie denn?"
"Naja, ich..."
"Lassen Sie mich raten. Sie verwandeln Pistolenkugeln in Gold."
"Was sollte sowas bringen?"
"Ich weiß nicht... Kennen Sie irgendwas, von dem es in dieser Stadt mehr gibt, als Pistolenkugeln?"
"Drogen."
"Verwandeln Sie Drogen zu Gold?"
"Nein. Nein, das liegt mir fern."
"Was dann?"
"Naja, das ist ein wenig schwierig zu erklären..."
"Lassen Sie mich raten. Sie können die Zeit anhal... ach nein, das war Chronoman. Können Sie es vielleicht regnen lassen?"
"Rainman. Nein, ich... können Sie ein Geheimnis für sich behalten?"
"Ich bin Taxifahrer. Wenn ein Wort dieses Taxi verlässt, liege ich morgen am Grund des Flusses."
"Ja, natürlich. Ihre Organisation zwingt Sie zur Geheimhaltung. Warten Sie." Der weiß gekleidete Superheld nahm seine schwarze Hornbrille ab, griff sich an die Brust und nestelte an seinem Anzug. Das aufgestickte MS erwies sich als kleine Tasche, in der er nun die Brille verschwinden ließ.
"Bürgermeister Wilkins!"
"So ist es."
"Jetzt weiß ich! Sie sind Kampfmagier."
"Beinahe. Ich bin lizensierter Feuerkampfmagier der dritten Stufe. Außerdem bin ich der letzte praktizierende Ninja der Welt, Professor der Archäologie, Entdecker des geheimen Stammes der Epiloprophen und nicht zuletzt Inhaber des höchsten IQ aller Zeiten. Aber nur tagsüber. Nachts rette ich dann die Welt."
"Die Sonne scheint."
"Naja... Nachts und in meiner Mittagspause rette ich die Welt."
"Ah ja... verstehe. Und Sie haben wirklich den größten IQ aller Zeiten?"
"Soll ich es beweisen? Sagen Sie irgendeine Zahl."
"Hundertvier."
"Sehen Sie, mein IQ liegt darüber."
"Das ist kein Beweis."
"Nein, aber es ist witzig."
"Geht so... Also können Sie Feuerbälle... äh... feuern?"
"Nein. Nein, das geht nicht. Ich muss meine geheime Identität wahren."
"Wie bitte?"
"Naja, in meiner zivilen Tarnidentität ist das kein Problem. Bürgermeister Wilkins ist immerhin ein Kampfmagier. Als Mister Spectacular kann ich das aber nicht. Es würde auffallen, wissen Sie? Jeder würde merken, daß Mister Spectacular der Bürgermeister ist, weil jeder weiß, daß nur der Bürgermeister Feuerbälle... äh... feuern kann."
"Aber, wenn Sie ihre ganzen Fähigkeiten gar nicht nutzen können, wie wollen Sie dann die Schurken aufhalten?"
"Naja, ich kann..." Schüsse hallten in der Ferne und brachten den Superhelden zum Schweigen. "Können sie mich hier rauslassen und dann auf mich warten?"
...
"Ah, wenn das nicht der von uns allen so hochgeschätzte Mister Spectacular ist! Nehme ich an... ich meine, ich kenne Sie ja gar nicht. Aber denn ist es überaus erfreulich, Sie zu sehen. Nehmen Sie doch Platz."
"Danke. Aber ich stehe lieber. Ich mag es, wenn das Cape wehen kann."
"Darf ich Ihnen wenigstens etwas zu Trinken anbieten?" Big D klatschte in die Hände und auf einmal stand eine zierliche Chinesin neben ihnen, lautlos und ohne Vorwarnung, beinahe als hätte sie sich aus einem Paralleluniversum materialisiert. "Kim! Einen Tee für unseren Freund."
"Es wird nicht lange dauern."
"Ich hoffe doch, Sie begegnen diesem Ort der Ruhe mit der angemessenen Würde und sind unbewaffnet. Ich muss offen gestehen, es würde mich ein wenig nervös machen, meinen Tisch mit einem bewaffneten Mann zu teilen."
"Ich glaube", sagte der größte Superheld aller Zeiten, "jemand Ihres Schlages ist es gar nicht anders gewohnt. Aber ja, ich bin unbewaffnet."
Die Royal Majestic Bank of Central City beschäftigte eigentlich gar keine Kellnerinnen aus Paralleluniversen. Normalerweise wurde auch kein Tee ausgeschenkt und es war auch ganz und gar unüblich, daß ein dicker Mann an einem reich gedeckten Tisch mitten im Schalterraum saß und sich ein halbes Hähnchen einverleibte. Aber Big D war auch nicht irgendein Bankräuber. Er besaß Stil. Und wenn er schon geiselnehmend in einer Bank sitzen musste, dann wollte er dabei wenigstens nicht hungrig sein.
In diesem Ambiente mochte der Superheld ein wenig deplatziert wirken in seinem hautengen und schneeweißen Kostüm, das von Weitem ein wenig an einen fetischisierten Schlafanzug erinnerte - ein Eindruck, der auch bei näherem Hinsehen nicht komplett von der Hand zu weisen war - aber da er mit seinem selbstsicheren Auftreten normalerweise dafür sorgte, daß im Gegenteil alles um ihn herum deplatziert wirkte, hoben sich die Effekte hier auf und alles war in bester Ordnung.
"Sagen Sie mir doch, Mister Spectacular, wie kann ich Ihnen behilflich sein?"
"Es geht um die Sache mit den Geiseln im Tresorraum und den Skorpionen. Es wäre toll, wenn wir eine friedliche Lösung dafür finden könnten."
"Aber aber... wollen Sie sich wirklich wegen dieser Kleinigkeit den Tag verderben? Sehen Sie hinaus. Es ist so ein herrlicher Tag. Die Sonne scheint, die Luft ist klar und vielleicht finden Sie auch einen Vogel, der singt. Ich hatte einen sehr befriedigenden Morgenstuhl, mein Essen ist hervorragend und die Gesellschaft prächtig. Sehen Sie sich nur diese Brüste an..." Er deutete auf eine seiner Komplizinnen, die nicht nur weitläufig freizügig gekleidet war, sondern auch, das musste Mister Spectacular zugeben, wirklich fantastische Brüste hatte. "Und Sie wollen mir jetzt wirklich vorschlagen, meinen tollen Plan aufzugeben und nach Hause zu gehen? Einfach so?"
"Ja, einfach so. Ich nehme an, Big D, Sie wissen, daß dort draußen hunderte Polizisten nur darauf warten, Ihnen eine Kugel in den Hintern zu jagen."
"Wissen Sie eigentlich, wem diese Stadt gehört, Superheld? Haben Sie auch nur den Hauch einer Ahnung, auf wessen Gehaltsliste diese von Ihnen so hochgeschätzten Polizisten stehen? Ich könnte jede einzelne dieser Geiseln in eine Schlangengrube werfen und hinterher trotzdem unter Polizeischutz und vollbeladen mit mehr Gold, als ich in meinem Leben essen kann, ganz einfach nach Hause fahren."
"Nein. Nein, Big D, ich fürchte, da irren Sie sich. Dies ist meine Stadt und ich werde alles dafür tun, daß Subjekte wie Sie sie nicht weiter bedrohen."
"Soll das eine Drohung sein, Superheld? Damit sollten Sie in diesem Teil der Stadt vorsichtig sein. Man könnte ihre Leiche morgen im Fluss finden und niemand, nicht einmal Ihre Mutter, würde hinterher wagen, Fragen zu stellen. Hmm... wenn ich so recht darüber nachdenke, ist das ein durchaus interessanter Gedanke. Brocken! Kante! Luigi! Macht was mit ihm! irgendwas Gemeines am besten."
Big D drückte einen in der Tischplatte verborgenen Knopf, woraufhin sich eine gläserne Barriere fächerartig aus dem Tisch entfaltete und den Supergangster durch eine durchsichtige, aber - soviel war mal klar - vollkommen undurchdringliche Wand von Mister Spectacular trennte. Und noch während Big D mit seinem gewohnten Fehlen jeglicher pantherhafter Agilität aus dem Raum tänzelte, traten zwei ziemlich gebirgig aussehende Schlägertypen an seine Stelle. Und, als wäre das nicht genug, trugen sie Maschinengewehre und kannten ganz offensichtlich keine Scheu, diese einzusetzen. Der ebenfalls aufgetauchte kleine Italiener, vollgepackt mit wurfbereiten und sicherlich extrem heißen Pizzen schien da im Vergleich wirklich das kleinere Übel zu sein.
Noch als die Kugeln und Teigscheiben Mister Spectacular um die Ohren flogen und Kim endlich den Tee brachte, bereute der Bürgermeister zum ersten Mal an diesem Tag die Wahl seiner Zweitidentität.
...
"Sind Sie frei?"
"Leuchtet mein Schild?"
"Nein."
"Also?"
"Naja, es könnte kaputt sein."
"Es ist nicht kaputt."
"Dann sind Sie nicht frei?"
"Leuchtet mein Schild?"
"Jaja, schon gut. Aber warum stehen Sie dann einfach hier so rum? Sollten Taxis nicht fahren?"
"Sollten Superhelden nicht die Welt retten?"
"Eins zu Null für Sie, Kumpel." Er streckte seine Hand durch das offene Fahrerfenster. "Paperman."
"Lass mich raten, du trägst Zeitungen aus."
"Nein. Nein, ich... ja, ich trage Zeitungen aus. Aber nur tagsüber. Nachts bin ich der Paperman."
"Wenn du ein Superheld bist, warum willst du dann weg von hier? Da vorne ist gerade eine Geiselnahme in Gange."
"Das ist nicht mein Fachgebiet."
"Was ist denn dein Fachgebiet?"
"Naja... ich hab einen Erzfeind", sagte der junge Superheld und schlug sich stolz auf die Brust.
"Akne?"
"Den Evil Alchimisten. Er verwandelt Bleikugeln in Gold."
"Und warum willst du ihn daran hindern?"
"Weil es... naja, es ist einfach nicht richtig."
"Ich sag dir was, Junge. Wenn ich hier fertig bin, dann fahre ich dich zu deinem Evil Alchimisten."
"Fertig womit?"
"Ich warte."
"Worauf?"
Die Limousine war schwarz, natürlich. Und sie bewegte sich verdammt schnell, bog mit quietschenden Reifen aus der Tiefgarage auf die Straße und donnerte in vollem Tempo am Taxi vorbei. Das Dachfenster öffnete sich und ein Mann in grüner Kittelschürze warf eklig klebrig aussehende Pizzen auf den Asphalt. Natürlich war es für einen Superhelden vom Formate eines Mister Spectacular kein Problem gewesen, mit den beiden Maschinengewehrtypen fertig zu werden, aber matschigem Käse hatte auch nichts entgegenzusetzen gehabt.
Wenig später gab es einen Knall, der sich verdächtig nach einer brechenden Glasscheibe anhörte, gefolgt von einem fluchenden Superhelden, der sich aufrappelte und diverse Scherben von seinem Anzug stricht, bevor er ein wenig humpelnd auf den Wagen zu rannte.
"Lassen Sie den Motor an", brüllte er von Weitem.
"Siehst du, Junge? Darauf warte ich."
"Oh, das sieht total aufregend aus. Kann ich mitkommen?"
"Was? Nein... nein, auf keinen Fall! Das hier ist ein Superheld auf einer Mission. Da haben wir keinen Platz für einen Zeitungsjungen."
"Wer ist das denn?", fragte Mister Spectacular, als er den Wagen erreicht hatte und sich an seinem Superheldenkollegen vorbei in das Taxi drängen wollte.
"Ich bin Paper..."
"Ja, schon recht."
"Ich habe grad schon mit Ihrem Fahrer gesprochen und würde gerne mitko..."
"Hör mal, wir haben keine Zeit für sowas... Lass mich vorbei oder steig ein!"
...
"Normalerweise fahre ich keine zwei Helden gleichzeitig. Gibt nur Ärger."
"Könnten Sie bitte auf die Straße sehen?"
"Ist kein Problem. Ich hab alles im Griff. Der Himmel ist oben, die Straße unten und vorne ist die Limousine von ihrem Superschurken. Was mir Sorgen macht, ist hinter mir."
"Wir werden verfolgt?"
"Nein. Aber, wie gesagt, ich fahre normalerweise keine zwei Helden gleichzeitig. Einmal, da hatte ich den Woodmann und Bibretooth hinten im Wagen."
"Bibre..."
"Ja. Sie war der Meinung, es klingt besser, wenn man es so ausspricht. Jedenfalls hat sie ständig versucht, ihn anzuknabbern."
"Keine Sorge, ich knabber nicht an dem rum. Das wäre irgendwie schwul", sagte Paperman. "Außerdem sieht der komisch aus und hat Peperoni im Haar."
"Und ich bin auf einer fettfreien Diät", gab Mister Spectacular zurück.
"Hey, Mann, ich kann nichts dafür. Das nennt man Pubertät."
"Du vielleicht. Ich nenne das..."
"Wenn da hinten nicht gleich Ruhe ist, dann drehen wir sofort wieder um! Streitereien in meinem Taxi kann ich nicht leiden."
"Ja, tut mir Leid", sagte Mister Spectacular. "Ich habe mich hinreißen lassen. Links!"
"Ja, ich sehs."
"Warum fahren wir dann rechts?"
"Abkürzung."
"Wie, Abkürzung? Woher wollen Sie denn wissen, wo er als nächstes hinfährt?"
"Hören Sie, ich mach diesen Job nicht zum ersten Mal. Niemand kennt diese Straßen so wie ich."
"Aber..." Der größte Superheld aller Zeiten konnte diesen Satz nicht beenden, denn genau in diesem Moment schoss die Limousine aus einer Seitenstraße und fädelte sich genau vor dem Taxi in den Verkehr ein. Wobei fädeln in diesem Fall jede Menge Blechschäden, wild hupenden Gegenverkehr und ganz gewiss keinen Schulterblick beinhaltete. "Sie sind gut."
"Manche sagen, ich wäre der Beste."
"Vorsicht!" Das Seitenfenster der Limousine öffnete sich und Luigi schleuderte eine Hand voll Pizzen auf die Windschutzscheibe des Taxis, wodurch sich die Sicht auf die Straße empfindlich verringerte.
"Ich kann nichts mehr sehen."
"Haben Sie keine Scheibenwischer?"
"Natürlich. Sekunde." Die Wischblätter versuchten, die Pizza beiseite zu schieben, aber schon nach wenigen Sekunden war klar, daß es so keinen Sinn hatte. Die Wischerblätter hatten sich hoffnungslos im klebrigen Teig verkleistert und bewegten sich keinen Millimeter. Da war nichts zu machen.
"Ich habe eine Idee", sagte der Paperman, kurbelte die Seitenscheibe herunter und beugte sich durch das Fenster. "Sie fahren, Kumpel, und ich führe."
"Ja... gute Idee. Aber wenn ich ehrlich bin, würde ich lieber anhalten. Ich meine, ich kriege das Taxi nicht bezahlt und..."
"Wir haben keine Zeit zum Anhalten!", fuhr Mister Spectacular dazwischen. "Ich kann es mir nicht leisten, Big D laufen zu lassen. Machen wir es so."
Und so kurvte das Taxi blind durch den Verkehr, folgte der schwarzen Limousine, schlitterte in sehr stilvollen Neunziggradkurven um die Ecken, wich hier und da einer Salamipizza aus und gab sich ansonsten jede Mühe, die Szenerie möglichst spektakulär wirken zu lassen. Der größte Superheld aller Zeiten saß auf der Rückbank und achtete darauf, bei der wilden Fahrt seine Brille nicht zu verlieren, um seine geheime Identität nicht zu enthüllen. Kaum auszudenken, wenn dieser Zeitungsjunge herausfinden würde, daß er der Bürgermeister war.
Nach einigen Minuten kam dann, was kommen musste.
Irgendwo weiter vorne verlor ein Fahrer die Kontrolle über seinen Autotransporter, der schlingernd mitten auf der Straße zum Stehen kam, woraufhin die Rampe am hinteren Ende sich absenkte. Nachdem drei Sportwagen nicht bremsen konnten und wirklich äußerst sportlich über diese Rampe und den Transporter flogen - woraufhin einer in einem Schaufenster landete, welches in diesem Moment von zwei Glasern neben der Straße getragen wurde - rollten die auf dem Transporter lagernden Fahrzeuge auf die Straße und versperrten den Weg. Die Limousine von Big D konnte nicht mehr bremsen und musste auf den Gegenverkehr ausweichen, woraufhin ein LKW ins Schlingern kam, umkippte und siebzehn Tonnen Streusalz für den Winter auf die Fahrbahn entweichen ließ. Irgendwo explodierte irgendein Auto, dann begann es zu regnen, ein Kind schrie und zu guter Letzt lief in diesem Moment ein niedlicher Hund über die Fahrbahn. Und als dann auch noch der Fahrer der Limousine niesen musste, verlor er endgültig die Kontrolle über seinen Wagen und fuhr gegen eine Straßenlaterne.
"Das hättet ihr sehen müssen." Der Paperman sank atemlos zurück auf die Rückbank.
"Ja, vermutlich. Blöd nur, daß da Pizza auf meiner Scheibe ist."
"Können wir anhalten? Ich muss das regeln und ihn fangen. Immerhin bin ich Mister Spectacular."
Der größte Superheld von allen sprang aus dem Taxi und nahm zu Fuß die Verfolgung von Big D auf, der sich angesichts des nachwievor totalen Mangels jeglicher pantherhafter Agilität auf seiner Flucht durch die Massen der Schaulustigen pflügte.
...
"Sagen Sie, Kumpel, irgendwie sind Sie komisch."
"Warum?"
"Naja... da hat dieser Spectacular eben nicht nur im Alleingang Big D und diesen Pizzatypen verhaftet, sondern auch noch nebenbei den niedlichen Hund gerettet und kaum zehn Minuten später können Sie schon wieder locker durch die Gegend fahren, als wäre nix passiert."
"Man gewöhnt sich dran. Ich hab schon so viele Helden gefahren..."
"Aber Sie müssen zugeben, es war ne coole Nummer. Er ist schon ein echter Held."
"Hat er nicht schlecht gemacht. Vor allem, weil er auf seine Feuerbälle verzichten musste."
"Feuerbälle?"
"Ach nichts..."
"Aber es gibt nur einen Menschen auf der Welt, der Feuerbälle..."
"Ich glaube, ich kriege diesen Gestank nie wieder raus."
"Ja. Ziemlich gemein, daß er mit Thunfischpizza geworfen hat, oder?"
"Du kannst nicht zufällig nen Duftbaum zaubern, oder?"
"Ich bin Paperman, nicht... keine Ahnung... Duft... wasweißich..."
"Übrigens danke, daß du den Spachtel organisiert hast. Sonst hätte ich die Pampe nie von der Scheibe gekriegt."
"Kein Ding. Wo fahren wir eigentlich hin?"
"Naja, du suchst doch noch diesen Typen mit dem Gold, oder?"
"Der Alchimist. Wirklich ein ganz eviliger Typ. Der muss gestoppt werden."
"Eben. Und ich kenne eine Abkürzung."
"Meinen Sie, Kumpel, wir werden diesen Spectacular jemals wiedersehen?"
"Davon gehe ich aus. Ich bin sicher, er wird mir noch ein paarmal über den Weg laufen. Dies ist immerhin Central City. Hier können die Superhelden nicht fliegen."