Was ist neu

Mit der Tochter meiner Frau

Mitglied
Beitritt
19.12.2017
Beiträge
43
Zuletzt bearbeitet:

Mit der Tochter meiner Frau

Statt zu stoppen gab ich Gas, der Junge sprang panisch nach hinten, was lächerlich aussah. Ich sah seine grotesk entgleisten Gesichtszüge, sie erfreuten mich wie ein Sonnenaufgang. Nach einer Schrecksekunde sprang er wütend auf mich zu und donnerte theatralisch mit der Hand auf den Kühler meines Wagens. Eine junge Frau, die ich nicht bemerkt hatte, riss die Autotür auf.
„Scheißwichser, Scheißwichser, bist du verrückt oder was.“
Ich bejahte kurz und stieg aus, und das bedeutete, dass ich direkt vor ihr stand, unsere Körper berührten sich leicht, bis ihr Typ sie wegdrängte und mich packte. Es ging um die Ehre, darum, dass ich ihn dazu gebracht hatte, sich zu bewegen wie ein Feigling, wie eine Frau, auf weibische Art, weglaufend statt sich stellend: Das war garantiert nichts, was er mir, dem alten Mann im großen BMW, durchgehen lassen wollte. Als er an meiner Anzugsjacke zerrte, dachte ich, jetzt bekomme ich die Schläge, die ich seit Jahren erwarte. Wie heißt du, fragte ich, spinnst du, war seine Antwort.
„Spinnst du. Du spinnst. Du alte Sau.“
Er hatte einen Akzent, und weil er mir seinen Namen nicht verriet, nannte ich ihn Zlatko.
„Ich habe Freunde bei der Polizei, Zlatko.“
„Ohhh, huuu, ich zittere aber jetzt. Der alte Zwerg hat einen Freund bei der Polizei. Hast du gehört, Kick, die kleine, fette Drecksau will mir drohen! Huh, gefährlich, ich piss mich voll. Ich reiß dir gleich den Arsch auf, Mann.“
Zlatko hielt mich einfach weiter fest und starrte mir in die Augen. Fremder als er kann ein Mensch mir nicht sein, das gefiel mir so sehr, dass ich glaubte, unempfindlich für den körperlichen Schmerz zu werden, der kommen würde. Ich hielt seinem Blick stand, aber ich spürte, wie meine Knie wackelten, wie ich langsam die Kontrolle über meine Beine verlor.
„Ich gebe dir 500 Euro für deine kleine Freundin.“
Der junge Mann, dessen größte Lebensleistung darin bestand, nachts im Frankfurter Bahnhofsviertel zu den Leuten zu gehören, die keine Angst hatten, sondern sie zu verbreiten (was einem Mann in seinen Augen zweifellos ein größeres Prestige verlieh als der rechtschaffene Besitz eines dicken BMW), rammte mir sein Knie zwischen die Beine, ich stöhnte auf, sackte zusammen und landete seitlich auf dem Fahrersitz. Zlatko spuckte mir ins Gesicht und verschwand. Tatsächlich, er spuckte mir ins Gesicht und ging wortlos ab. Ich saß noch ein paar Minuten da und wartete, dass der Schmerz, der überwältigend war, verging.

Als ich die Tür schloss und den Wagen startete, war alles wieder in Ordnung. Es ist nicht nur mein BMW, es sind alle Dinge, die ich besitze.
Ich halte es für eine Dummheit, wenn Menschen verächtlich über Besitz sprechen als sei es etwas Oberflächliches, etwas rein Äußerliches, und nicht das Ergebnis eines Lebens. Wenn ich zuhause an meinem Schreibtisch sitze und auf unseren Garten mit den Bäumen, Beeten, Blumen, Pool und Tennisplatz blicke, erfüllt mich eine Dankbarkeit des Herzens, die nicht eitel ist, sondern spirituell. All die Dinge, die Maria und ich gekauft haben von meinem Geld, die wir haben anfertigen lassen, sind keine toten Gegenstände, Besitz ist nicht banal, es ist absurd, es so zu sehen. Ich sage nicht, dass ich als Hartz-IV-Empfänger in einer billigen Mietwohnung ein schlechterer Mensch wäre, natürlich nicht, ich bin ein gläubiger Christ und messe den Wert eines Menschen nicht an seinem Besitz. Ohne Geld wäre ich kein schlechterer Mensch, aber ich wäre ohne Zweifel ein anderer Mensch. Das Geld, das ich habe, versetzt mich in die Lage, der zu sein, der ich sein will. Es streichelt meine Seele, jedes Mal, wenn ich eine Kirche aufsuche, einen 50-Euro-Schein in den Opferstock zu tun. Dass ich großzügige Trinkgelder gebe, meinen Kindern eine gute Ausbildung ermöglicht habe, dass ich fünf Prozent meines Einkommens spende. Das alles wärmt mein Herz. Ich zahle brav meine Steuern, ich verzichte auf die Tricks der Reichen, da kommt einiges zusammen bei meinem Gehalt. Es ist wichtig, auf der Seite der Geber zu sein, anders könnte ich das Leben schwer ertragen.

Als ich das Einfahrtsgitter und danach das Garagentor vom Wagen aus elektronisch öffnete, sah ich, dass im Wohnzimmer noch Licht war.
Die Fakten sprachen gegen mich, aber die Fakten hatten nichts mit mir zu tun. Ich empfand es als ungeheuere Ungerechtigkeit, mit der Tochter meiner Frau geschlafen zu haben, ohne zu wissen, wer sie ist. Es war meine Schuld, aber ich war nicht wütend auf mich, sondern auf die Situation. Es war eine Zumutung, dass ich Angst vor einer Enthüllung haben musste. Es ist wahr, ich habe mit Jennifer geschlafen, aber ich konnte in diesem Moment nur denken: Es ist anders. Selbst wenn mein Beischlaf mit Jennifer Maria auf einem Video vorgeführt werden würde, würde ich denken: „Es ist nicht so, wie es aussieht, Maria.“

Maria stand im Wohnzimmer und sah mich an mit einem Blick, der sagte, dass sich alles verändert hatte. Ich wollte auf sie zugehen und sie umarmen, aber es war nicht möglich.
„Warum bist du noch auf?“
Ihre Augen schimmerten, sie hatte geweint oder zu viel Alkohol getrunken. Maria musste schweigen, sie durfte nichts sagen, das war alles, worauf es nun ankam.

 

Hallo JP,

Zunächst Einzelnes:

das war garantiert nichts, was er mir, dem alten Mann im großen BMW, durchgehen lassen wollte.
"Das" groß, da Satzanfang.

Wie heißt du, fragte ich
Kann man vielleicht als Stilmittel so machen ... Ich würde dennoch ein Fragezeichen setzen.

Hast du gehört, Alte, die kleine, fette Drecksau will mir drohen!
Ich stecke da nicht so drin, aber ich glaube, hier hast du den Soziolekt (pöbelnder Macho-Migrant) nicht ganz getroffen. Nennt so jemand seine "Freundin" wirklich "Alte"? Passt "Drecksau" hier?

Wenn ich zuhause an
zu Hause

aber ich konnte in diesem Moment nur denken: es ist anders.
"Es" groß.

Als ich das Einfahrtsgitter und danach das Garagentor vom Wagen aus elektronisch öffnete, sah ich, dass im Wohnzimmer noch Licht war.
Mir ist nicht ganz klar, warum du hier in die Vergangenheit springst?

Ihren Augen schimmerten,
Ihre


Leider bin ich mir nicht sicher, dass ich die Geschichte richtig verstehe, was mit meinem anderen großen Kritikpunkt zusammenhängt: Die Absätze stehen für mich recht beziehungslos nebeneinander, was durch den Zeitsprung (s.o.) noch deutlicher wird.

Die Einstiegsszene habe ich ganz gern gelesen. Du triffst da einen speziellen Ton, der mir über die Handlung hinaus etwas vom Innenleben des Protagonisten zeigt, dieses sehr Distanzierte, Analytische, abschätzig Beobachtende. Wie er da Zlatkos Gewalt berechnend auf sich zieht hat mich etwas an das Ende von "Gran Torino" denken lassen ... Und ich habe ehrlich gesagt vermutet, dass der Protagonist "Zlatko" zu einer Straftat verleiten will, um ihn dann bei der Polizei anzuzeigen. Komischerweise fehlt aber genau dieser Schlussstein der Erzählung.

Dafür folgt dann dieser Einschub über die Haltung des Protagonisten zu materiellem Besitz. An sich gar nicht mal uninteressant und ich lerne wieder Neues über ihn, aber: Es ist leider nur eine theoretische Abhandlung, die die Handlung nicht weiterbringt. Die Geschichte an sich würde genau so gut oder schlecht ohne diese 40% des Textes funktionieren.

Was ich ganz grundsätzlich nicht verstehe: Hat der Protagonist Jennifer denn noch nie zuvor gesehen? Und wie hat er dann aber später erfahren, dass es sich um Marias Tochter handelt? Und ja, warum ist Maria denn noch wach, woher hat sie von all dem erfahren?

Wie gesagt: Gerade die erste Szene funktioniert für mich schon. Aber ich glaube, den Text müsste man noch mal konsistenter machen, stellenweise auch streichen und den Fokus klar auf das richten, was hier eigentlich erzählt werden soll.

Frohe Weihnachten!
Meridian

 

Hallo JP,

ich hatte ebenso wie Meridian das Gefühl, dass du mit der ersten Szene bzw. Absatz eine ganz interessante Situation auch sprachlich gut beschrieben hast. Leider fehlt mir der Zusammenhang zu dem weiteren Verlauf der Geschichte. Für mich könnte auch jeder Absatz alleine stehen. Ich denke weiterhin, dass das, was du mit der Geschichte sagen möchtest, etwas mehr Raum braucht und zwischen den einzelnen Absätzen noch etwas fehlt.

Bei Slang kenne ich mich nicht aus, finde aber, dass dieser immer gut überlegt sein sollte, denn schon nur ein "falsches"/nicht passendes Wort, kann die ganze Atmosphäre zerstören, die man damit aufbauen will und es wirkt eben nicht authentisch, sondern gestellt.

 

Hej JPHoffmann,

Statt zu stoppen gab ich Gas, der Junge sprang panisch nach hinten, was lächerlich aussah.
Besser fänd ich:
Statt zu stoppen gab ich Gas. Der Junge sprang panisch nach hinten, was lächerlich aussah.

Ich sah seine grotesk entgleisten Gesichtszüge, es erfreute mich wie ein Sonnenaufgang.
... sie erfreuten mich wie ...

„Scheißwichser, Scheißwichser, bist du verrückt oder was.“
Warum "Scheißwichser" doppelt (ich hab durchaus schon mal eine Autotür aufgerissen, ich weiß, wie sich das anfühlt)

Wie heißt du, fragte ich, spinnst du, war seine Antwort.
Hö, wenn das wörtliche Rede ist, warum dann kursiv, später wieder nicht?

weil er mir seinen Namen nicht verriet, nannte ich ihn Zlatko.
:confused:

sondern sie verbreiteten
sondern sie zu verbreiten

was einem Mann in seinen Augen zweifellos ein größeres Prestige verlieh als der rechtschaffene Besitz eines dicken BMW
Auweia.

Tatsächlich, er spuckte mir ins Gesicht und ging wortlos ab.
Hab ich auch beim ersten Mal nicht dran gezweifelt, einmal würde für mich reichen.

mit der Tochter meiner Frau geschlafen zu haben, ohne zu wissen, wer sie ist.
Aber er nennt sie doch gerade selbst die "Tochter seiner Frau", wieso weiß er da nicht, wer sie ist?

Also, dieser Mann im BMW ist sehr aufgeregt, weil er mit der Tochter von Maria geschlafen hat und lässt das an einem Passanten aus, von dem er findet, der hat es irgendwie verdient und kehrt dann zu seiner Frau zurück.

Gut finde ich Deinen Anspruch, Chaos zu zeigen.
Schlecht ist, dass mir Deine Hauptfigur superunsympathisch ist und es mir dadurch schwer fällt, irgendwas an dem interessant zu finden. Vielleicht solltest Du ihn weniger eindimensional zeigen und ihm auch eine nette Seite andichten.

Gruß
Ane

 

Ganz herzlichen Dank für die wirklich guten und hilfreichen Anmerkungen!
Meridian:
Zunächst mal Danke für die gefundenen Fehler, die ich natürlich gleich korrigiert habe.
Mit Deiner Anmerkung, dass die einzelnen Teile recht unvermittelt nebeneinander stehen, liegst Du wohl sehr richtig,wie auch die beiden anderen Kommentare zeigen.
@LysanderII:
Tja, ganz ehrlich: So richtig kenne ich mich mit Jungend-Slangs auch nichts aus. Da ist die Gefahr tatsächlich groß, dass man nicht den richtigen Ton trifft, was dann den ganzen Text unglaubwürdig macht. Muss ich noch mal drüber nachdenken.
Ane:
Danke für das Aufspüren der Fehler!!!!
Die Sache, wer mit wem geschlafen hat, kommt offensichtlich total verwirrend rüber, mein Fehler. Das Mädchen am Anfang war es nicht; es sind tatsächlich zwei abgetrennte Geschichten, die nichts miteinander zu tun haben. Ganz grundsätzlich: Die Idee hinter der Geschichte ist es, einen Mann zu zeigen, der irgendwie in Problemen ist und sich dies und das denkt; einen wirklichen Plot oder so gibt es also gar nicht. Meine Rechnung geht wohl nicht ganz auf.
Euch allen Drei noch mal ein herzliches Dankeschön - und ein glückliches 2018!
Gernot Hoffmann

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom