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Mittellos am Mittelmeer

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21.09.2001
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Mittellos am Mittelmeer

Mittellos am Mittelmeer

Die folgenden Zeilen, sind einfach nur eine Geschichte, die das Leben schrieb. Weit entfernt von literarischer Qualität oder dem Anspruch besonderer Erzählkunst.

… wir wollten nur weg, raus aus diesem verregneten Land, wo zu allem Überfluss auch noch die Konkurrenten aus dem Boden schossen wie die Pilze. Na ja, wen wundert es, bei der permanenten Bewässerung. Es wurde eng, nein, zu eng auf dem Markt für kleine Werbestudios wie das unsere und somit wurde es auch zunehmend enger auf unserem Konto. Die Enge beruhte aber leider nicht auf übermäßigem Zahlungseingang, seine Brötchen konnte man mit dieser Arbeit nicht mehr verdienen. Es blieben nur noch einige Krümel, um die man sich mit der ständig wachsenden Anzahl an Wettbewerbern streiten konnte. Das war nicht das Leben, von dem unsere kleine dreiköpfige Familie träumte...


…Auf ein Inserat erhielten wir ein Angebot, als Marketingleitung ein kleines Unternehmen mit aufzubauen und nach oben zu bringen. Eine verdammt reizvolle Aufgabe, die uns da von einem Immobilienmakler an der sonnigen Küste Spaniens angeboten wurde. Es folgte ein Wechselbad aus freudiger Aufregung und Skepsis. Etliche Telefongespräche und viele Faxe wurden nun hin und her gesandt und boten letztlich nicht nur der Telecom genügend Anlass zur Freude. Außerdem beschlossen wir auch noch weitere Unternehmen an unserem Tatendrang verdienen zu lassen. Wir flogen im Laufe von zwei Jahren vier mal zu Verhandlungen an die sonnige Küste, und verbrachten auch einige nette Tage dort. Die Nächte waren übrigens auch nicht ohne. Wir waren begeistert, unser Bankdirektor nicht!

Eines Tages war es dann soweit und es hieß: “Butter bei die Fische!” Es regnete wieder mal und wie erwähnt, war auch der Kontostand alles andere als sonnig. Verdammt, das Angebot könnte schon Licht in unsere Zukunft bringen. Also, was soll’s, wir konnten ja gar nicht nein sagen. Alle Beteiligten waren sich einig und außerdem, was hatten wir schon zu verlieren? Also trennten wir uns auch noch von unserem letzten Kunden und lösten unser eh schlecht laufendes Studio innerhalb von 3 Monaten auf.

Tausende träumen davon, diesen Schritt zu wagen, wir wagten ihn! Denn heißt es nicht: Träume nicht Dein Leben, sondern lebe Deinen Traum? Genau das wollten wir, leben! Arbeiten müssten wir dort zwar auch, aber dem ständigen Kampf um Aufträge und den damit verbundenen magersüchtigen Einkünften konnten wir so ein Ende bereiten. Das war die Chance!

Sonne, Palmen und jede Menge Arbeit erwarteten uns. An der Costa Blanca, wo die Sonne das Land verwöhnt, das Meer türkisblau schimmert und die Pinien Schatten spenden, sollten wir künftig leben dürfen. Etwas Geld vorausgesetzt, war dies ein verdammt schönes Fleckchen Erde, auf dem es sich leben lassen würde. Dass mit dem Lotto hatte nie geklappt und für einen Banküberfall waren wir einfach immer zu feige. So befanden wir uns zwar nicht in der glücklichen Lage einen Koffer Geld dabeizuhaben, aber wir hatten ja unsere Arbeit, von der wir hier dann leben konnten. Was will man mehr?

Von einem kleinen unangenehmen Zwischenfall einmal abgesehen wurden wir herzlich begrüßt, an der weißen Küste Spaniens. Der Blick von unserem Bürofenster reichte weit über das Meer, fast bis nach Ibiza. Unmittelbar unter mir befand sich der kleine Yachthafen und auf den sanften Wellen tanzte das Licht der mediterranen Sonne. Mal ehrlich, kann man sich einen schöneren Arbeitsplatz wünschen? Die vereinbarte Entlohnung war für den Anfang auch okay und bot zumindest eine gute Basis. Außerdem konnten wir mit etwas Fleiß ja auch noch einiges mehr erreichen. Wenn alles gut läuft, sind wir in ein paar Jahren Teilhaber einer florierenden Makleragentur …
… An Fleiß und Ideen hatte es uns noch nie gemangelt. Also, Ärmel hochkrempeln und ran an die Arbeit. Schnell ein paar Kartons mit Fliesen zur Seite räumen, die aus uns unbekannten Gründen noch auf dem Boden unseres Büros lagerten. Dann noch einen Schreibtisch aus dem Nebenraum holen und auch die Computeranlage, die wir mitbrachten, war schnell aufgestellt. Was jetzt noch fehlte, waren Bürostühle, Sie wissen schon, diese praktischen Dinger zum draufsetzen. Fehlanzeige, so etwas gab es nicht. Nun ja, nicht unbedingt eine perfekte Vorbereitung. Immerhin wusste man ja auch in diesem Hause nun seit 3 Monaten, dass wir dieses Büro beziehen werden. Aber nun, was soll’s: wird bestellt, so der prompte Kommentar unseres Chefs. Na bitte, geht doch. Dann kam die erste Besprechung am runden Tisch der Geschäftsleitung. Wir präsentierten die Prospekte, die wir schon im kalten Deutschland gefertigt hatten. Begeisterung, Lob, Prima, Klasse …

… ja, wir hatten uns bemüht, denn ohne Fleiß keinen Preis, das war bekannt.

Es vergingen einige Tage und der mit ihnen auch der Glanz der über allem zu liegen schien.
Und so wurde das, was viele geahnt hatten, schnell erbarmungslose Realität. Keine 14 Tage hatte es gebraucht, um auf den anfangs soooo freundlichen Gesichtern unserer neuen Arbeitgeber ein Gewitter aufziehen zu lassen, das eine Sintflut unangenehmer Ereignisse mit sich brachte …

Erster Streitpunkt war die Bürozeit! Entgegen jeglicher Vereinbarung wurde nun von meiner Frau und mir erwartet, dass wir uns an die Bürozeiten zu halten hätten. Im Klartext: von 10.00 bis 14.00 Uhr und von 16.00 bis 19.30 Uhr. Klingt ja auch irgendwie normal. Wenn, ja wenn, es nicht anders vereinbart gewesen wäre. In einem der täglichen Gespräche am runden Tisch erlaubten wir uns unseren Chef nochmals auf das zuvor Vereinbarte aufmerksam zumachen. Erfolglos! Auch der Hinweis, dass wir ja nun einmal unsere Tochter Janina zu betreuen hätten und diese um 17.00 Uhr aus der Schule käme, fruchtete nicht so, wie wir es gewünscht hatten. Für das Argument mit der Tochter habe er als Vater von 3 Kindern natürlich volles Verständnis, so sprach Cheffa und vollendete den Satz dann: „Aber als Chef interessiert mich das nicht, das ist euer Problem”
Tja, das mit dem „nicht interessieren“ ging es uns dann sehr ähnlich. Wir ignorierten den Wunsch unseres Chefs, arbeiteten die Pausen durch und einer von uns ging dann um 17 Uhr nach Hause. Nicht nur diese Tatsache wollte der neue Arbeitgeber nicht so ganz akzeptieren. Ein weiterer Streitpunkt war dann das liebe Geld. Fast täglich wurde an den Vereinbarungen herumgebastelt. Leider immer zu unserem Nachteil. So wurden dann aus 15% aller eingehenden Schwarzgelder, was ein enormer Anteil der Gesamteinnahmen ist, 5% von den offiziellen Gewinnen. Am nächsten Tag waren es dann nur 3 % und diese auch nur nach Abzug aller Kosten. Also, eigentlich mehr so um die 0 %! Dann kam auch noch der dritte Streitpunkt, mein Einsatzgebiet. Prinzipiell hatten wir im Vorfeld schon vereinbart, dass ich auch mit in den Verkauf gehen sollte. Ja mehr noch, es war sogar mein Wunsch. Das Büro war zwar sehr schön, aber bei dem Wetter immer nur in diesen Wänden hocken, war nicht mein Ding. Also, warum nicht mit raus und Häuser verkaufen? Hätte ich wirklich gerne gemacht, aber doch nicht160 Kilometer von meinem Wohnort entfernt! Nein, das war ebenfalls nicht abgemacht!! Aber nun, wir waren gesprächsbereit. Wenn ich dort verkaufen sollte, okay, nicht gerne, aber dann zögen wir dorthin. Ich schlug vor ein Zweitbüro zu errichten, welches von uns betrieben würde. Das „Büro“ könnte dort auch eine Ecke in unserem Wohnzimmer sein. Cheffa lehnte mit dem Hinweis ab: „Büro ist Auto und Handy, mehr brauchen wir dafür nicht” Nun, hätte er damit nicht mein Auto und mein Handy gemeint, hätte man vielleicht sogar noch eine Gesprächsbasis gefunden. Da ich aber trotz aller Fehler, die ich in meinem Leben so gemacht hatte, ein klein wenig rechnen konnte, lehnte ich ab! Da legte ich ja drauf! Cheffa meinte noch, ich wäre jetzt nicht mehr selbständig, sondern bei ihm angestellt und hätte das zu tun, was er wolle. Doch da irrte er sich! Ab sofort war ich wieder selbständig! Nach einigem hin und her, schlug ich ihm vor, für ihn auf freiberuflicher Basis tätig zu werden. Begeisterung! Na also, wer sagt’s denn...
Auf den Vorschlag meine Frau könne ja weiterhin für ihn arbeiten und wie gewünscht den Aufbau einer Vermietagentur organisieren, ging er aber nicht ein. Was soll’s, dann nicht.

... am nächsten Morgen kamen wir in’s Büro um, wie besprochen, unsere Computeranlage abzuholen. Wir packten auch die von uns in Deutschland gefertigten und noch immer nicht komplett bezahlten Prospekte ein. Dann fuhren wir heim. Vorsichtshalber hinterließ ich eine Notiz auf seinem Schreibtisch. Eine Reflektion des Gespräches vom Vortag. Wie gestern vereinbart bla bla bla ...
... rufen Sie uns zwecks Terminvereinbarung zur Übergabe der Prospekte und unserer Bezahlung unter der Rufnummer 669 ... an!

Schon wenige Stunden später kam der erwartete Anruf: „Ihr freundliches Lachen wird Ihnen gleich vergehen“, meinte uns Cheffa. „Wenn Sie nicht in 10 Minuten mit den Büroschlüsseln und MEINEN Prospekten hier sind, schicke ich Ihnen die Polizei auf den Hals! Meine Antwort wurde mit den Worten: „Mit Ihnen diskutiere ich nicht“ unterbrochen. Mit den Worten: „Nun, dann müssen Sie die Polizei wohl schicken, verabschiedete ich mich. Prinzipiell war es das Letzte, was wir von diesem Mann jemals wieder gehört haben. Unsere Versuche für Gespräche ins Büro zu kommen, verliefen ergebnislos, „Büroverbot“, sagte uns das Mädel am Empfang und das arme „Ding“ lief rot an. Auch der Versuch über einen Mittelsmann zu verhandeln scheiterte genauso wie der Gang zum Anwalt.

... es tat schon etwas weh, als wir die wunderschönen Prospekte nach knapp 6 Monaten ins Altpapier warfen.

Auch diese 6 Monate, waren Monate voller spannender und sehr verwunderlicher Geschichten, die wir vielleicht mal in einer Fortsetzung erzählen wollen.

Nur dies noch: Nach einigen weiteren schlechten Erfahrungen, haben uns beruflich wieder auf eigene Beine gestellt. Nun, ja, sagen wir besser, wir versuchen es zur Zeit. Hier an der sonnigen Küste Spaniens, ist es fast unmöglich, eine halbwegs ordentlich bezahlte Beschäftigung zu finden. Es gibt hier halt mehr „Verbrecher“ und „Betrüger“ als Palmen. Und es gibt hier viele Palmen! Was soll’s, dachten wir, zu Hause im Regeland können wir auch nichts weiter machen. Hier aber gibt es ja vielleicht doch noch eine Chance für uns. Aus etlichen Ideen die wir im Laufe der Monate so hatten, kristallisierte sich eine als die vielversprechenste heraus. Wir bieten jetzt Fitness- und Sportreisen sowie Yoga, Meditation und Meer an. Ob und was daraus wird, hängt stark von der Resonanz unser Werbung ab, die wir aber mangels größerer Anzahl Peseten, nur mit mehr als bescheidenen Mitteln schalten können. Derweil leben wir von Prospekten, die ich für einen treuen Kunden in Deutschland fertige und davon, dass meine liebe Frau Putzen geht.
Tja, nicht der Traum vom Leben im Süden, aber ein Anfang ist es schon ...

 

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