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23.08.2008
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Heinz Körber
Kategorie : Humor

Was eine Originalität ist, darüber mach ich mir schon selbst ein Bild, sagte ein verärgerter
Jodl-Bauer zum Ober im Cafe Orient.
Noch vor einer halben Stunde liebte er die Menschen in seinem Stammlokal.
All die Städter, die so liebevoll mit ihren Tieren umgingen und so freundlich zu ihnen sprachen.
Dann aber – es war von dem Augenblick an, als der stolze Herr mit dem gläsernen Schildkröten-
käfig zur Tür hereinkam – fiel seine Städterstatue, vorerst kleinweis, dann rapide zusammen.
Nach dem Sinn des Kaffeehaus-Besuches von Panzertieren befragt, antwortete der Ober Franz dem
Jodl-Bauern, dass jetzt viele Hunde- und Katzenverleihanstalten saisonbedingt geschlossen hätten.
Das verstand der Mann vom Lande nicht, und so mußte er weiterfragen :
Was sind denn das für Leihanstalten, wo man Haustiere ausborgen kann ?
Das sind, so der Kellner, Geschäfte, in denen man für beliebige Zeit, seien es Stunden oder Wochen,
Vierbeiner oder Vögel mieten könnte. Man läßt das gewünschte Tier modisch auf die eigene
Kleidung abstimmen, bekommt seinen Namen mitgeteilt und kann hierauf den treuen Begleiter
zu Spaziergängen und auf Gesellschaften mitnehmen.
Danach gibt man das Leihviech wieder zurück ?!?!, entfuhrt es dem erbosten Ferdinand Jodl
aus Plotzenbichel.
...und zahlt und geht alleine wieder von dannen. Kein Aufpassen, kein Steuerzahlen, keine Tierarzt-
besuche, mit einem Wort keine Umstände.
Und die Schildkröten...will Jodl wissen.
Ja, das ist der letzte Schrei, die werden in tragbaren Klarsicht-Labyrinthen ausgeführt – rosa und
blau getönt – je nach Geschlecht.
Aber diese Käfige schauen ja aus wie durchsichtige Menage-Schüsseln !
Ganz recht, sagte der Herr Franz und fügte hinzu : Hübsch, nicht wahr -
Da sah der Jodl, wie ein zweiter Glaskäfig zur Tür hereinkam, diesmal war es ein rosafarbener und
wurde von einem sehr eleganten Herrn getragen. Als dieser vom Eingang aus den Besitzer des
anderen, in einem blauen Terrarium hausenden Reptils erspähte, gesellte er sich spontan zu ihm, und die beiden plauderten äußerst angeregt miteinander. Als sie ihre Glasbehausungen öffneten und die Tiere auf die Tischplatte setzten, standen nach und nach mehrere Kaffeehaus-Gäste auf und begaben sich – unter oder auch ohne Mitnahme der eigenen Haustiere – zu dem Krötentisch und beobachteten interessiert, wie die beiden Kontakt aufnahmen.
Der ob der Ereignisse recht verwirrte Jodl-Bauer mußte nun wieder auf Herrn Franzens Erfahrung
bezüglich urbanen Gehabens zurückgreifen.
Ungeduldig fragte er, was denn da vor sich ginge.
Schildkrötenbefruchtung mit Wetten über die Eieranzahl.
Längere Zeit überlegte der Jodl, was denn diese, auf dem Lande gänzlich unbekannte Zeremonie bedeuten sollte.
Während er so beobachtete und nachdachte, fiel ihm ein kleiner Mann mit Schirmmütze auf, der mit einem Schreibblock von Zuseher zu Zuseher ging, emsig Notizen machte und danach Geldscheine
in seiner Rocktasche verschwinden ließ.
Dieser Mann war also das ambulante Wettbüro - - -
Idiotisch, dachte der simple Landwirt bei sich und rief : Herr Franz, zahlen !
Als der Ober die Originalität des Wettens auf dieses besondere Ereignis hervorhob, geriet der Jodl
in Wut, sosehr in Wut, dass er energisch seine Meinung kundtun wollte, aber er beließ es beim Kopfschütteln, weil – no weil man sich mit einem Kellner nicht zerstreitet. Und das war auch gut so, denn er hatte noch vor, diesen um einen Hinweis zu bitten.
Das Trinkgeld fiel somit schon im Vorhinein etwas hoch aus, als er mit dem leicht pfiffigen
Blick eines Agrarmesse-Besuchers sein Anliegen vorbrachte :
Herr Franz, können sie mir vielleicht einen Tipp geben wo man sich in der Nähe ein wenig unterhalten könnte. Und leise fügte er hinzu : Mit Damen.
Diskret beugte sich der Frack zum Fragesteller herunter und meinte : Wohl angeregt durch die Schildkröten, was - !
Als er keine Reaktion bekam, fuhr der Ober Franz fort :
War bloß ein Scherz, Herr Jodl. Zur Sache – vor kurzem erst hat ein Haus seine Pforten geöffnet, das sich bereits eine ausgezeichnete Reputation erarbeitet hat. Es heißt Lorelei und ist in der Unterbergenstraße, zehn Gehminuten von uns entfernt. Elfriede und Suse heißen die begehrten
Unterhaltungskünstlerinnen. Sie verstehen sich auf ihr Fach.
Noch eine Banknote floß in die Nähe des Frackärmels, und ein seliger Ferdinand Jodl verließ erwartungsvollen Schritts das Lokal.
War es doch gute, alte Tradition, zur Zeit der Frühjahrsmesse auch einmal ein junges, hübsches
Stadtmädchen zu erobern und sich nicht ausschließlich um Landwirtschaftsmaschinen und
Düngemittel zu kümmern. Auf jeden Fall kam ihm diese Gewohnheit viel natürlicher und sinnenerfrischender vor als das abgeschmackte Schildkrötenwurf-Wetten...

Suse war sofort greifbar, gut gelaunt und zum Herzerfrischen aufgelegt.
Champagner, zärtlich hingehauchte Fragen, Komplimente, begleitet von wonniglichen Streichel-
einheiten, dazwischen heftige Küsse mit strammen Umarmungen, wie es halt der Jodl so gern hat.
Unversehens entglitt ihm ein Arm, worauf Suse denselben mit einem lüsternen Schrei unter
ihrem kurzen Rock hervorholte.
Nein, Ferdinand, du mein wilder Wilder aus Plotzenbichel !
Dies war aber nur eine letzte, nicht ernst zu nehmende Verweigerung, danach sperrte sie das Separee von innen ab und schritt hypnotisierend auf den Jodl-Bauern zu. Dieser machte einen
tiefen Schluck aus der Champus-Flöte, lachte ein wenig, trank wieder, lachte und trank.
Das Schicksal zeigte sich jetzt von seiner allmächtigsten Seite - - -
Plötzlich hämmerten die Worte seiner Frau in seinem Kopf : Die Stadtweiber sind schlecht und
krank – manchmal auch beides. Sein Sohn hatte ihn unlängst ausgelacht, als man ganz allgemein
über konservative Verhütung und Liebe im fortgeschrittenen Alter sprach, und der Junge darauf den vernichtenden Kommentar abgab : Geh Vater, du und die Mamma – noch immer - ?
Dann mußte er jetzt auch noch an die Perverslinge denken, wie sie im Cafe Orient gerade den
Schildkröten bei der Vermehrung zusahen...
Dies alles zusammen verursachte die Schlappe, die nicht einmal die überaus geschickte Suse
mit all ihrem Einfühlungsvermögen abzuwenden vermochte.
Als die Zeit nicht und nicht verstreichen wollte, und sämtliche Register von Rafinesse und
Willensdressurakten von beiden Seiten bloß als vergebliche Liebesmüh empfunden wurden, entkam
es dem Jodl-Bauern ganz urplötzlich :
Wo gibt’s in der Nähe eine Kostümleihanstalt ?
Suse, froh über jeden neuen Impuls in der Unterhaltung, dachte kurz nach und sagte :
Zwei Häuserblocks von hier – in einer Seitengasse.
Jetzt brach das Kernige im Charakter des Jodl durch – voriges Jahr gab es eine sehr gute Weizenernte, auch der Rinderverkauf brachte guten Gewinn, sodass er mit einigen überschüssigen
Finanzen gesegnet war. Also konnte er großzügig sein.
Er stand mit einer für dieses Manöver hochdotierten Suse vor dem Spiegel und knöpfte das Gorilla-fell unter ihrem Kinn zu. Der Verleiher ließ noch sein übliches „Paßt ganz ausgezeichnet“ hören, dann rauschte der Jodl-Bauer mit der Affen-Suse in einem Taxi in Richtung Cafe Orient ab.
Er wird es denen schon zeigen, was eine wirkliche Originalität ist. Die ausgeliehenen Hunde und
Katzen und die sich paarenden Kröten – das alles wird verblassen neben dem, was sich gleich
abspielen wird. Dachte er – und er hatte recht !
Sein Einzug mit der sich noch etwas aufreizend bewegenden Äffin Suse – er machte sich gar nicht
die Mühe, ihr einen Tiernamen zu geben – gestaltete sich zu einem Auftritt, der im Moment nur
die Stadt, später jedoch die gesamte Öffentlichkeit aufhorchen ließ.
Im Nu saßen ein, zwei, drei aus dem Nichts gewachsene Reporter neben der Bananen-Frapee
schlürfenden Suse. Fragen nach Ferdinand Jodl´s genialer Eingebung, nach seiner Familie, den Lieblingsfarben wurden von einem Blitzlicht-Gewitter begleitet, das alle anderen Tierhalter rundherum neidisch erblassen ließ.
Als Suse der Trubel ein wenig zu bunt wurde, ging sie auf den Tisch eines professoral aussehenden
Herrn zu, legte einige Zeitschriften zu einem Stapel zusammen, öffnete den Zipp an der Innenseite
ihres Schenkels und entleerte sich quietschend ihres Blaseninhaltes.
In der jetzigen Situation bewahrten jedoch alle Kaffeehaus-Besucher Disziplin, stand doch die Menschheit an einem Wendepunkt, wurde damit das Jahr eins in der Geschichte der Großtierhaltung
eingeläutet, und zwar mit Kaffeelöffeln an den Wassergläsern...
Dies war der nur zu verdiente Applaus für einen überlegen wirkenden Jodl-Bauern.

Zur nächsten Frühjahrsmesse wurde der geniale Neuerer von seiner Frau begleitet, die seinen glorreichen Auftritt von den Pressemeldungen rückwärts verfolgend, dort beginnen sah, wo sich all
ihre Verdachtsmomente bestätigt sahen.
Einträchtig saßen die beiden nebeneinander im Cafe Orient und wurden von einem überhöflichen
Ober Franz bedient, der sich respektsvoll die Bemerkung erlaubte, dass heutzutage bereits
mehr Affen mit Menschen an der Leine herumsäßen – als umgekehrt.
Das fand jetzt auch der tierliebende Ferdinand Jodl aus Plotzenbichel höchst originell.

 

Hallo Heinzkoerber.

Das sind, so der Kellner, Geschäfte, in denen man für beliebige Zeit, seien es Stunden oder Wochen,
Vierbeiner oder Vögel mieten könnte. Man läßt das gewünschte Tier modisch auf die eigene
Kleidung abstimmen,
:sconf: Ich hoffe doch sehr, dass diese Geschichte in dem Punkt keinen realen Bezug hat ...

Zwei Häuserblocks von hier – in einer Seitengasse.
Damn, mir ist jetzt erst aufgefallen, dass du die wörtliche Rede gar nicht gekennzeichnet hast. Und ich scroll noch hoch und such oben nach Anführungszeichen, dachte, du hättest sie nur hier vergessen. :lol:

Hm, also ich finde die Ideen in der Geschichte originell, mit den Modetieren und der als Affe verkleideten Prostituierten ... Interessant ja, witzig leider gar nicht.

Grüße von Jellyfish

 

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