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Monster!!!

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24.09.2003
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Monster!!!

„Gute Nacht, Roman“, sagte Romans Vater. Roman hebt seine kleine Hand und erwidert den Gruß. Dann holt er tief Luft: Das allabendliche Martyrium würde wieder einmal beginnen. Er legt seine rechte Hand auf die Türklinke seines Kinderzimmers und lehnt vorsichtig den Kopf an die Tür, die Augen fest geschlossen und den Atem fest anhaltend. Er hört nichts von drinnen. Rasch reißt er die Tür auf, und seine Hand fährt in das Zimmer, die Wand von links unten nach links oben tastend, dorthin, wo sich eigentlich der Lichtschalter befinden sollte. Einmal verfehlt er ihn, und Roman glaubt schon, dass es aus mit ihm ist. Doch dann treffen seine Finger doch noch den Lichtschalter, und fast augenblicklich verdrängt ein gleißendes Licht die Dunkelheit. Roman atmet auf – der erste Schritt war vollbracht. Vorsichtig sieht er sich um. Offenbar waren die Monster noch nicht gekommen. Aber der gefährliche Teil seines allabendlichen Rituals würde ja noch kommen.

- - -

Roman steht ruhig auf seinem Bett. Alle Vorbereitungen waren getroffen, aber sicherheitshalber überprüft er noch einmal alles. Ärgerlich denkt er an seinen großen Bruder Michael, der, wenn er da gewesen wäre, die Ungeheuer schon vertrieben hätte. Aber er würde wahrscheinlich erst lange nach Mitternacht kommen. Wozu waren große Brüder eigentlich da?

Gott sei Dank hatte ihm Michael die drei Regeln des Überlebens beigebracht. Die Ungeheuer waren zwar Geschöpfe des Chaos, doch selbst sie mussten sich an die Regeln halten, die große Brüder weltweit zum Schutze ihrer kleineren Brüder aufstellten - so hatte ihm Michael das einmal erklärt. Deshalb kam Michael immer so spät nach Hause: Er trifft sich mit anderen größeren Brüdern auf Konferenzen, um mit ihnen gemeinsame Strategien gegen die Monster der Nacht zu überlegen. Denn diese Wesen unter dem Bett sind ziemlich raffiniert.

Michaels erste Regel war, dass die Wesen Roman nicht bei Licht angreifen konnten. Licht würde sie verbrennen! Die zweite war, dass sie Roman nicht unter der Decke hervorholen konnten. Michael hatte erklärt, dass diese Decke mit einem besonderen Schutzzauber behaftet ist und sie von Generation zur Generation innerhalb der Familie weitergereicht wird. Die dritte und wichtigste Regel lautete, dass, wenn Roman die Ungeheuer nicht sah, sie auch gar nicht existieren konnten.

Und so steht Roman, genau wie gestern und den Abend davor, eingewickelt in einer Decke auf seinem Bett, die Augen so fest geschlossen, dass es fast schon weh tut, und den Atem fest anhaltend. Wieder einmal versucht er, mit seinen tastenden Fingern den Lichtschalter zu finden. Als er merkt, dass das Licht ausgeht, lässt er sich wie ein Stein auf das Bett fallen. Er verbeißt sich den Schmerz, als sein Knie auf einem harten Knopf auftrifft (wie auch gestern und den Abend zuvor) und schließt die Augen noch fester. Wie ein blinder Maulwurf sich seine Gänge durch die schwerfällige Erde gräbt, so wühlt auch Roman sich noch tiefer in die Decke ein, wo er sich nachher die Stelle an seinem Knie massieren wird.

Heute hat er es wohl wieder mal geschafft.


THE END

 
Zuletzt bearbeitet:

Willkommen auf Kg.de, globetrotter!

In Deiner ersten Geschichte hier hast Du ein paar sehr nette Ideen verarbeitet: Mir gefallen die Tipps, die Michael seinem kleinen Bruder zur Bekämpfung der Monster gibt, gut. Auch die Erklärung für das späte Heimkommen von Michael (er besucht Konferenzen mit anderen großen Brüdern, um mit denen gemeinsam Strategien zur Bekämpfung der Monster zu besprechen) fand ich witzig.

Trotzdem ist Deine Geschichte keine von denen, die ich meinen Kindern vorlesen würde. Und das liegt einfach daran, dass Dein Held Roman mit seiner kindlichen Angst, die ja wirklich grauenhaft sein kann, ganz allein gelassen wird und dass er es auch nicht wirklich schafft, diese Angst zu besiegen. Am Ende Deiner Geschichte weiß jedes Kind: "Morgen Abend wird Roman die gleiche Angst haben und Hilfe ist nicht in Sicht."

Warum setzt sich Romans Vater nicht zu ihm? Wieso schickt er seinen Sohn allein ins dunkle Zimmer? Natürlich gibt es solche Eltern, aber in einer Kindergeschichte, die womöglich noch vor dem Einschlafen vorgelesen wird, gefällt mir dies Szenario gar nicht. :)

Versteh mich nicht falsch, ich bin nicht für ein Happy End um jeden Preis, aber bei Kindergeschichten wünsche ich mir schon, dass sie den Kindern Mut machen und Lösungsmöglichkeiten (oder auch kleine Wunder) zeigen.

Zu Deiner Art zu schreiben: Mein Eindruck ist, dass Du sonst eher für Erwachsene schreibst. Wenige Kinder zum Beispiel werden Begriffe wie "Martyrium", "Konferenzen" und "Strategien" kennen.

Zum Schluß noch eine kleine Bemerkung zu den Zeiten. Du erzählst überwiegend im Präsens, fällst aber manchmal - wahrscheinlich versehentlich - ins Imperfekt, was mich beim Lesen störte. Wenn Du diese Stellen korrigieren willst, so wirst Du sie sicher finden. :)

Viel Spaß weiterhin hier auf KG.de und liebe Grüße
Barbara

 

Hi Globetrotter,

willkommen auf kg.de.

Und dann auch noch gleich mit einer so guten Geschichte.

Da ich Horrorfan bin, hat mir das Ende sowieso gefallen, und auch die Erklärungen des Bruders waren einsame spitze...

Al-Dente hat angefragt, warum der Vater nicht reagiert.
Wahrscheinlich weiss er nichts von der Angst seines jüngeren Sohnes.
Wenn der Bruder schon so phantasievolle Einfälle hat, was Ausreden betrifft, dann hat er bestimmt noch phantasievollere Einfälle, um seinen kleinen Bruder dazu zu bringen, von seinen Ängsten nichts zu erzählen.
:D :D :D

Ich fand die Geschichte jedenfalls von vorne bis hinten gut. Die kleinen Fehler sind verzeihlich und stören den Redefluss nicht...

Willkommen also!

Henry Bienek

 

Vielen Dank einmal, dass ich so freundlich aufgenommen wurde.

@ al-dente

Ja, es ist nicht unbedingt eine "leichte" Geschichte für Kinder. Wahrscheinlich wurde sie von Filmen wie "Watership Down" (in welchem ein schwarzer Hase den Tod verkörpert), "Die Brüder Löwenherz" oder jenen Film (Titel leider vergessen), in dem ein Vater seinem todkranken Sohn sämtliche Wünsche erfüllt (Er stiehlt sogar Wölfe), geprägt. Gerade solche Geschichten haben meine Phantasie am meisten angeregt - und deswegen habe ich sie mit der Zeit auch besonders lieb gewonnen.

Was Romans Vater betrifft - da hat Henry Bienek genau die richtige Schlussfolgerung gehabt. Romans Vater weiß nichts von den Ängsten seines Sohnes. D.h. aber nicht, dass er ein schlechter Vater ist - aber Geheimnisse unter Brüdern werden nicht ausgeplaudert.

Was meine Wortwahl (für Erwachsene) betrifft - ich bekenne mich "Schuldig"! Allerdings muss ich sagen, dass "Monster!!!" meine erste Kurzgeschichte überhaupt ist. Das mit den Zeiten hat sich einfach so ergeben. Ursprünglich war alles in der Vergangenheit, aber wie ich die Geschichte posten wollte, habe ich mir gedacht, dass sie vielleicht in der Gegenwart besser klingen würde. Hab wohl nicht genau durchgelesen.

Viele Dank und liebe Grüße (auch an Henry Bienek)

Rodja

 

Hallo Globetrotter,

deine Geschichte liest sich gut, ist spannend und einfühlsam geschrieben. Mir gehts da allerdings ähnlich wie al-dente: Vorlesen würde ich sie meinem Kleinen lieber nicht, ich hätte da Bedenken, ihn auf Ideen zu bringen :)

Ich freu mich schon auf deine nächste Geschichte.

Gruß
Rainman

 

Hallo globetrotter,

Du schilderst treffend, was der arme Kerl durchmacht. Und dann dieser große Bruder: Seine Tipps sind zwar nützlich, aber er gibt auch ganz schön an...

Hat mir gut gefallen.

Tschüß... Woltochinon

 

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