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Nachtigall

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28.12.2009
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Nachtigall

Ich lebe in niedrigen Gebäuden; kein Gebäude, in dem ich jemals gelebt habe, hatte mehr als drei Stockwerke. Doch meine Tochter lebt in einem hohen Gebäude, in einem sehr hohen Gebäude, es hat mehr als dreißig Stockwerke. Ich war noch nie im obersten Stockwerk. Ich denke: Was ist, wenn ausgerechnet jetzt das Gebäude zusammenstürzt? Man kann darüber lachen, ja. Aber man kann auch darüber nachdenken, ob die immer genau wissen, was sie da machen? Weiß man das?

Ich halte mich die meiste Zeit über in der Wohnung auf. Ich sitze in der Küche und rauche, obwohl meine Tochter das nicht will, nie gewollt hat. Ich öffne das Fenster, ich kippe es nur an, ich sehe dabei nicht durch die Scheiben oder nach unten. Auch das macht mir Angst. Ich rauche die schwarzen American Spirit, die es hier in der Stadt noch zu kaufen gibt, ich habe gleich eine Stange gekauft. Ich rauche zwei hintereinander, ich habe das schon immer so gemacht, ich kann nicht nur eine Zigarette rauchen. Ich trinke dazu eine Tasse Kaffee, ich trinke sie aus einer dieser modernen Schalen, die meine Tochter besitzt. Sie hat gleich eine ganze Serie gekauft, alle in der gleichen Form, jedoch in unterschiedlichen Farben, es sind blasse Farben, die ich nur schlecht unterscheiden und auseinanderhalten kann. Braun? Beige? Erdfarben? Ich weiß es nicht. Ich asche auf einen Unterteller, der die Farbe einer aufgeplatzten Frucht hat. Ich spüle diesen Unterteller nach jeder Kippe unter heißem Wasser ab, damit es meiner Tochter nicht auffällt, aber ich denke, sie würde es merken, so oder so.

Ich bin seit drei Wochen hier, in dieser Wohnung, in ihrer Wohnung. Die Wohnung liegt im 22 Stock. Es klingt seltsam, das einfach auszusprechen, zweiundzwanzig Stockwerke, weil ich glaube, dass Menschen dafür einfach nicht gemacht sind. Menschen sollten nicht in diesen Höhen leben, kochen, schlafen. Menschen gehören nah an die Erde, auf die Erde. Ich passe auf die Wohnung auf, doch im Grunde müsste ich das nicht tun, es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme.

Ich brauche Routine. Ich bin ein Mensch, der eine gewisse Routine benötigt. Also stehe ich jeden Morgen um sechs Uhr auf und mache mir einen Kaffee. Das ist das Erste, was ich tue. Ich benutze immer die gleiche Tasse, es ist eine schwarze Tasse mit dem Aufdruck SPREEWALD, und ich weiß nicht, wann meine Tochter im Osten gewesen ist, aber ich erinnere mich, dass sie gesagt hat, sie hat eine Tasse aus dem Osten mitgebracht, als Andenken. Sie muss ja dort gewesen sein, sonst würde das alles keinen Sinn machen.
Ich kippe richtige Milch in meinen Kaffee, Milch aus Kühen, doch meine Tochter hatte nur Hafermilch da, aber die Tüte war schon umgekippt und sauer geworden, obwohl ich darüber nicht genau Bescheid weiß, wird Hafermilch sauer?
Es gibt einen Supermarkt, der am Ende der Straße liegt, es ist eine lange Straße, ich gehe sie jeden Mittag entlang genau bis zu diesem Markt. Ich kaufe dort immer nur für den Tag ein, da ich nicht weiß, wie lange ich bleiben werde. Ich will nicht, dass etwas schlecht wird oder faulig. So bin ich eben. Ich kaufe eine Tüte Milch, echte Milch, und dann eine Gurke, vielleicht drei oder vier Tomaten, eine Zwiebel. Der Metzger dort ist gut, das hätte ich nicht gedacht, sie nennen es einfach Fleischtheke, aber es müssen ja doch Metzger sein, sie wissen jedenfalls, was sie tun. Meistens kaufe ich ein Stück vom Rind, heute hatte ich Hüftsteak, scharf angebraten, mit einem kleinen Salat und ein paar Scheiben Weichkäse. Danach rauchte ich meine zwei Zigaretten und wusch das Geschirr ab, ich lasse es nicht einfach so abtropfen, sondern trockne es mit einem neuen Handtuch ab, räume alles gleich wieder an seinen Platz. Alles hat seinen Platz. Alles hat seine Zeit. Das denke ich. Ich denke auch, dass ich nicht hierhin gehöre, aber das ist eine andere Geschichte. In dieser Geschichte geht es um meine Tochter, auf die ich seit drei Wochen warte.

In einem solchen Haus, in einem solch großen Haus mit so vielen Stockwerken, scheint immer etwas zu passieren, Türen gehen auf und zu, Stimmen, Lachen, die Hydraulik des Aufzuges, da ist immer etwas, nie ist es still, und mich muss mich schon in die Küche setzen, dieser Raum liegt weit innen und hat nur ein kleines Fenster, um so etwas wie Stille zu haben, doch auch hier brodelt es hinter den Wänden, in den Wänden, alles vibriert und klingt und ist unruhig. Ich setze mich in den letzten Winkel der Küche, gegenüber des Kühlschranks, die Wand hinter mir ist eine tragende Wand, und dann lehne ich meinen Kopf an die Stuhllehne und schaue an die Decke, von der ich glaube, dass sie sich manchmal bewegt.

Ich rauche nur hier in der Küche. Ich rauche und trinke Kaffee, den löslichen Kaffee, den meine Tochter trinkt, sie trinkt nur löslichen Kaffee, und ich messe drei Esslöffel Milch ab, echte Milch, die Milch einer Kuh, so viel Milch rühre ich in den Kaffee, drei Esslöffel, dann kann ich ihn trinken. Ich trinke ihn langsam, und ich rauche langsam, so langsam, bis ich den letzten Schluck nach dem letzten Zug nehmen kann, dann ist es gut, dann ist es ein guter Tag, wenn ich das wenigstens einmal geschafft habe.

Es ist auch eine große Wohnung, ich war erstaunt, wie groß sie ist, es eröffnen sich immer neue Räume, einer hier, der andere da, und dort noch eine Schrankwand, die mir zuerst nicht aufgefallen ist, vollgestellt mit Winterkleidung und alten Koffern und Stiefeln, wie sie mal in Mode waren, aber längst nicht mehr sind, ein paar Bilder, Familie und Urlaub, wie man da so macht, glaube ich, jeder macht das, oder?, und eine Abstellkammer, in der Putzmittel und Besen stehen, Desinfektionsmittel und Spülschwämme, Konserven und ganz hinten noch zwei Gläser eingelegte Gurken, ich überlegte kurz, ließ es dann aber bleiben, denn ich muss auf meine Linie achten. Früher, da habe ich mit meiner Tochter Gurken selbst eingelegt, wir haben sie auf dem Markt gekauft, und sie hat dann später in der Küche die Zutaten abgewogen, Salz, Zucker, Essig und die Gewürze, wir haben die Gurken geviertelt und in die ausgespülten Gläser getan und sie mit dem heißen Sud aufgefüllt; das Schlimmste war das Warten, man muss doch warten!, mindestens einen, besser zwei oder drei Tage. Sie war ungeduldig, schon immer, so ungeduldig. Aber sind nicht alle Kinder ungeduldig?

Man fühlt sich klein, ich fühle mich klein, in einer solchen Wohnung, in einem solchen Haus. Zweiundzwanzigstes Stockwerk! Es gibt da etwas, ein kleines Geheimnis, und das wird meine Tochter nie herausfinden, das kann sie gar nicht herausfinden, denn wie will sie das anstellen? Ich bade jeden Abend. Ich lasse mir jeden Abend ein Bad ein. Jeden Abend. In meiner allerersten Wohnung, das war eine Zwei-Zimmer Dachgeschosswohnung in der Hopfengartenstraße, nichts Besonderes, aber da habe ich eine Badewanne gehabt, eine richtig schöne, große Badewanne, in der ich mich ausstrecken konnte. Ich bin nicht gerade klein, knapp Einsneunzig, und in den meisten Wannen muss ich meine Füße auf den Rand legen, doch nicht in dieser, das war eine Wanne wie für mich gemacht. Und so ist diese Wanne hier auch, ich meine die Badewanne in der Wohnung meiner Tochter, sie ist auch wie für mich gemacht, und so liege ich manchmal eine Stunde nur so da, die Ohren unter Wasser und höre auf das Gluckern in den Rohren, unter Wasser klingt ja alles anders, ganz fremd und seltsam, ich liege da bis das Wasser eiskalt und meine Haut wellig ist.

Ich komme mir dann später, wenn ich mich abtrockne und alles, immer jünger vor, jünger als ich wirklich bin, weil ich mich über solche Kleinigkeiten noch freuen kann, so Kleinigkeiten wie eine Badewanne, in die ich reinpasse. Man darf das nicht verlieren, man muss das behalten, dass man sich von Zeit zu Zeit mal zurücklehnt und sagt, das ist gut so, das ist schön, sonst weiß man nachher nicht mehr, warum man das überhaupt alles tut. Und für wen? Für wen tut man das? Ich putze die Badewanne danach, ich putze sie jedes Mal gründlich, damit sie richtig sauber ist, ich mag es nicht, irgendwelchen Schmutz zu hinterlassen, ich nehme die Scheuermilch und einen Schwamm und dann … jedes Mal, damit es keinen Rand gibt. Es soll so aussehen, als hätte ich die Wanne nie benutzt, als sei ich gar nicht dagewesen, in der Wanne und in der Wohnung meiner Tochter.

Ich schlafe auf der Couch, das ist etwas schwierig, weil sie schmal ist und ich zugelegt habe, ich bin breit und wiege einhundert Kilo, meine Tochter sagte immer Club 100 dazu, und sie hat mich oft versucht zu überreden, dass ich mich endlich in einem dieser Fitnessstudios anmelde, aber ich habe es dann doch nie gemacht, ich habe es auch nicht vor, ich glaube, das ist einfach nichts für mich. Die Couch steht im Wohnzimmer, und ich schaue noch fern, bis ich dann endlich einschlafen kann, weil es keine richtigen Vorhänge gibt, es wird nie dunkel, dunkel genug für mich, und ich höre auch den Verkehr von draußen, weil ich nicht mit geschlossenen Fenster schlafen kann, ich brauche frische Luft, es hört nie auf, immer Autos und Lastkraftwagen und Flugzeuge und Leute, die schreien und lachen, nie ist Ruhe. Das Fernsehen lenkt mich ab, meine Tochter hat Kabel, auf jeden Fall jede Menge Sender, mehr als man braucht, und irgendwann schlafe ich ein, meistens zu einem alten Film, die Stimmen beruhigen mich, sie sind so gleichmäßig und leise.

Unten im Haus, ganz unten, im Keller, da gibt es einen Raum mit Waschmaschinen, man wirft ein paar Münzen ein und kann seine Wäsche waschen, sie haben da auch Trockner. Ich habe nicht viel mitgebracht, im Grunde nur das, was ich anhabe und ein paar Unterhosen und Socken, die sowieso immer im Auto liegen, für Notfälle, ich musste mir sogar eine Zahnbürste kaufen in dem Supermarkt am Ende der Straße. Ich war heute unten, in diesem Keller, bei den Waschmaschinen, und habe Unterhosen und Socken und mein Hemd gewaschen, nur drei Teile, aber es musste sein, es ging nicht mehr anders, und ich kenne mich aus, Buntwäsche, Kochwäsche, ich habe gewartet, weil ich nicht wieder den langen Weg nach oben gehen wollte, ich benutze immer das Treppenhaus, nie den Aufzug, ich misstraue Aufzügen, weil ich mal in einem stecken geblieben bin, seitdem gehe ich zu Fuß, aber es ist natürlich anstrengend, Club 100 und dann in den zweiundzwanzigsten Stock!, das überlegt man sich schon. Ich hab der Waschmaschine zugeguckt, wie sich die Trommel dreht, und hab die Frau zuerst gar nicht bemerkt, sie stand einfach da und hat ihre Wäsche sortiert, und dann hat sie auf einmal dieses Geräusch gemacht, man kennt das. Jeder hat das schon einmal gehört, so ein Geräusch, und ich konnte dann nur noch fragen, was los ist, und sie hat geantwortet, dass ich das gar nicht wissen will. Dass ich es nicht so genau wissen will, das waren ihre Worte, genau.
Ich wohne nicht hier, habe ich gesagt, ich wohne nicht in diesem Haus, ich bin nur zu Besuch, noch ein paar Tage, dann geht es wieder zurück.
Sie meinte, das Haus sei gräßlich, es würde in der letzten Zeit nach Pisse stinken, nach Pisse, und früher sei sowieso alles viel besser in Schuss gewesen, es würde sich keiner kümmern, keiner kümmert sich, hat sie gesagt, man lässt uns mit allen Problemen hier alleine. Und wer, wen würde ich besuchen?
Meine Tochter, sagte ich, zweiundzwanzigster Stock, und sie sagte, sie wohne im elften Stock, das sei ja genau die Hälfte, und dass sie immer hier ihre Wäsche macht, eine eigene Waschmaschine würde sich nicht lohnen.
Von wo ich komme, wollte sie wissen, und ich sagte ihr, dass sie das wahrscheinlich nicht kenne, und dass ich noch nie in einem Haus gelebt habe, das höher als drei Stockwerke ist.
Dann wollte sie noch wissen, ob sie meine Tochter kennt, meine Tochter, die auf dem zweiundzwanzigsten Stock wohnt, und ich habe gesagt, dass ich das nicht sagen könne, ich es aber nicht glaube.
Ja, so sei das, in einem solchen Haus, man kennt nicht mal mehr seine Nachbarn, in einem solchen Haus lebt man immer wie ein Fremder, und dass sie eigentlich viel lieber weiter draußen wohnen wollen würde, im Grünen, wie sie sagte, so nannte sie es, im Grünen, und ich habe gesagt, dass wir beide wohl jetzt in einem Alter sind, wo man sich damit abfinden muss, nicht mehr alles machen zu können, was man machen will oder machen wollte, wir sind jetzt in einem Alter, wo manches eben so ist, wie es ist und auch so bleiben wird, manche Dingen ergeben sich eben und andere nicht, und manche Dingen lassen sich nicht erzwingen, auch wenn man das gerne so haben würde, es geht nicht.
Ja, sagte sie, so ist das wohl.
Morgens hört man hier manchmal Vögel, habe ich noch gesagt, meine Wäsche war fertig und ich wollte nicht einfach so gehen, ich wollte nicht einfach so dieses Gespräch beenden, weil ich Manieren habe und man so etwas einfach nicht macht, wo die Frau mir doch gerade erst erzählt hatte, dass alle hier im Grunde Fremde sind, ich höre sie, sagte ich, ich weiß nicht, ob die anderen im Haus sie auch hören können, können Sie die Vögel hören?, in der Wohnung meiner Tochter kann ich sie jedenfalls hören, es sind Tauben, ja, Tauben, sie nisten in der Nähe, ihr Gurren ist oft ganz nah, und deswegen glaube ich auch, sie könnten gleich hier unter dem Dach nisten, oder auf dem Dach, aber das weiß ich nicht, weil ich da noch nie gewesen bin. Nein, sie würde keine Vögel hören, im elften Stock könnte sie das nicht, da würde sie keine Vögel hören, nur den Lärm der Autos und der Nachbarn, aber keine Vögel, und auf den Gängen würde es nach Pisse stinken, ständig stinkt es dort nach Pisse in letzter Zeit.

Ich habe abends in der Badewanne gelegen und darüber nachgedacht. Da wo ich herkomme, da hört man Vögel, alle Vögel, die es so gibt, denke ich. Es ist nichts Besonderes, es ist einfach so. Ein Haus mit dreißig Stockwerken wäre etwas Besonderes, aber nicht, dass man Vögel hört. Drei Wochen bin ich jetzt hier, in diesem Haus, und ich weiß jetzt, dass manche Menschen sterben, bevor sie eine Nachtigall singen gehört haben. Das ist nicht weiter schlimm, es war nur so ein Gedanke, den ich hatte, der mir einfach so gekommen ist, es gibt Menschen, die nie eine Nachtigall singen hören werden, und es gibt Menschen, die nie in einem Haus mit dreißig Stockwerken leben werden. So ist das manchmal im Leben.

Ich warte auf meine Tochter. Seit drei Wochen warte ich auf meine Tochter. Das ist ein seltsames Gefühl, hier, in ihrer Wohnung auf sie zu warten, in diesem Haus, aber es ist nicht zu ändern, auch wenn es mir nicht gefällt, es ist, wie es ist, und ich denke, lange wird es nicht mehr dauern, nicht mehr dauern können, sie kommt, sie kommt in den nächsten Tagen, vielleicht bis zum Wochenende, bis zum Wochenende muss ich warten, bis zum Wochenende warte ich noch auf meine Tochter.

 

Ich habe keine Ahnung, was da passiert ist. Ist ein schräger Text irgendwie, und ich habe da etwas probieren wollen, nachdem ich letztens die Gordon Lish Notes gelesen habe, wo ich einiges beherzigt habe, was er postuliert. Ich habe nicht nach einem roten Faden oder einem expliziten Sinn gesucht, sondern eher nach einem gewissen Sound. Na ja, mal sehen, oder?

 

Hey @jimmysalaryman

Lesefluss 1A

Sprachlich wirklich treffend. Es hat sehr zu deinem Protagonisten gepasst.

Es gab ein paar Sachen, die mich "meine Augenbraue haben heben lassen".

Es gibt einen Supermarkt, der am Ende der Straße liegt, es ist eine lange Straße, ich gehe sie jeden Mittag entlang genau bis zu diesem Markt.
Die Person wohnt seit 3 Wochen im 22. Stock, geht täglich einmal runter und hoch und geht auch noch jeden Tag eine lange Straße und dann:
noch zwei Gläser eingelegte Gurken, ich überlegte kurz, ließ es dann aber bleiben, denn ich muss auf meine Linie achten.
Also bei mir hat sich schon nach 1 Woche das 5 Stock ohne Lift bemerkbar gemacht.
Und er / sie wohnt ja dazu noch immer tief. (Ist anscheinend auch nicht fit), also nicht mal routiniert Treppen zu steigen.

Ich schlafe auf der Couch, das ist etwas schwierig, weil sie schmal ist und ich zugelegt habe, ich bin breit und wiege einhundert Kilo, meine Tochter sagte immer Club 100 dazu, und sie hat mich oft versucht zu überreden, dass ich mich endlich in einem dieser Fitnessstudios anmelde, aber ich habe es dann doch nie gemacht, ich habe es auch nicht vor, ich glaube, das ist einfach nichts für mich.

Hier dachte ich, kennt die Tochter das Elternteil so schlecht? Selbst ich habe in dieser Kürze erkannte, dass das nie was werden würde.
Vielleicht ist er aber sehr vielseitig, da das Rauchen ebenso nicht zu seinem restlichen Lebensstil passt.


, in der Wohnung meiner Tochter kann ich sie jedenfalls hören, es sind Tauben, ja, Tauben, sie nisten in der Nähe, ihr Gurren ist oft ganz nah, und deswegen glaube ich auch, sie könnten gleich hier unter dem Dach nisten, oder auf dem Dach, aber das weiß ich nicht, weil ich da noch nie gewesen bin.

Hier kam mir der Gedanke, dass dein Protagonist, nicht da ist, wo er glaubt zu sein.
Im 22. Stock in der Stadt, Tauben am Nisten, auf welchem Baum? Welches Hochhaus hat ein Dach, unter dem sie nisten könnten.

Es würde aber auch wieder Sinn machen. Dass er aus einer schwarzen Tasse trinkt, dass seine Tochter genau die passende Badewanne für ihn hat, dass er so problemlos in den 22. Stock kommt, täglich. Die Schwere, mit der er seine Gedanken führt.

Es ist auch eine große Wohnung, ich war erstaunt, wie groß sie ist, es eröffnen sich immer neue Räume, einer hier, der andere da, und dort noch eine Schrankwand, die mir zuerst nicht aufgefallen ist, vollgestellt mit Winterkleidung und alten Koffern und Stiefeln, wie sie mal in Mode waren, aber längst nicht mehr sind, ein paar Bilder, Familie und Urlaub, wie man da so macht, glaube ich, jeder macht das, oder?, und eine Abstellkammer, in der Putzmittel und Besen stehen,
wie man das so macht*

Alles in allem mochte ich deinen Text. Ich glaube das ich kein Geschlecht rausgelesen habe, aber ihn für männlich halte. (sry wenn ich da was überlesen habe und auch für alles was ich falsch interpretiert habe. Das ist meine erste Korrektur)

Grüsse Smoke

 

Hi @jimmysalaryman ,

auch wenn in deiner Story extrem wenig passiert, passt das, wie ich finde, durchaus zu dem melancholisch-nachdenklichen Protagonisten, der recht eigenartig vor sich hin sinniert und tagträumt und sich dabei wundersamen Details in Gedanken widmet, die den meisten Menschen wahrscheinlich die meiste Zeit entgehen dürften.

Am Ende habe ich mich dann gefragt, warum die Tochter seit drei Wochen nicht gekommen ist - so lange Zeit die eigene Wohnung nicht zu betreten, hat mich dann doch etwas misstrauisch bezüglich des Schicksals, das sie womöglich heimgesucht hat, gemacht: Habe ich etwas überlesen? Vielleicht hat mein Vorkommentator auch Recht und der Protagonist ist gar nicht in der Wohnung, in der er zu sein glaubt bzw. zu sein vorgibt?

Gerne gelesen!

Gruß, Sam

Anmerkungen:


dass sie gesagt hat, sie hat eine Tasse aus dem Osten mitgebracht,
Würde ich in den Konjunktiv setzen, da indirekte Rede: sie habe eine Tasse
Ich kippe richtige Milch in meinen Kaffee, Milch aus Kühen, doch meine Tochter hatte nur Hafermilch da, aber die Tüte war schon umgekippt und sauer geworden, obwohl ich darüber nicht genau Bescheid weiß, wird Hafermilch sauer?
Der erste Satz hat mich irritiert, weil ich erst dachte, der Erzähler kippe in diesem Moment 'richtige Milch' in seinen Kaffee. Aber anscheinend macht er das ja sonst so, aber nicht da, insofern würde ich auch 'ansonsten richtige Milch' schreiben.
'Milch aus Kühen' klingt auch schräg, finde ich - vielleicht eher ganz simpel 'Milch von Kühen'?
Dazu wirfst du in diesem Absatz mit den verschiedenen Tempusformen nur so um dich, teils Gegenwart, teils Vergangenheit, dabei war der Teil davor doch in der Gegenwart erzählt, oder? Du siehst, ich bin auf jeden Fall verwirrt.
und mich muss mich schon in die Küche setzen,
ich muss mich
man muss doch warten!,
Ich bin kein Fan von doppelten Satzzeichen, weder in Haupt-, noch in Nebensätzen.
Ich komme mir dann später, wenn ich mich abtrockne und alles, immer jünger vor,
'und alles' würde ich streichen oder etwas Konkretes nennen. Cremt er sich ein? Bürstet er sich? So klingt es eher unschön, finde ich.
ich nehme die Scheuermilch und einen Schwamm und dann … jedes Mal, damit es keinen Rand gibt.
'und dann ...' lässt mich erwarten, dass jetzt ein spannendes Handlungsdetail kommt. Kommt aber nicht, finde ich nicht gut. Im Grunde ersetzen die drei Punkte doch lediglich den Umstand, dass er mit Schwamm und Scheuermilch die Wanne putzt, Punkt.
und sie hat mich oft versucht zu überreden,
vielleicht besser: 'und sie hat oft versucht, mich zu überreden', klingt zumindest in meinen Ohren besser.
Sie meinte, das Haus sei gräßlich, es würde in der letzten Zeit nach Pisse stinken, nach Pisse,
Wenn du 'nach Pisse' wiederholst, fehlt mir als Leser hier ein zusätzliches Detail, um die Doppelung auch sinnvoll zu machen. Zum Beispiel 'nach Pisse stinken, nach Suffpisse'. Nur ein Beispiel, du weißt, was ich meine.
und ich habe gesagt, dass wir beide wohl jetzt in einem Alter sind, wo man sich damit abfinden muss, nicht mehr alles machen zu können, was man machen will oder machen wollte, wir sind jetzt in einem Alter, wo manches eben so ist, wie es ist und auch so bleiben wird, manche Dingen ergeben sich eben und andere nicht, und manche Dingen lassen sich nicht erzwingen, auch wenn man das gerne so haben würde, es geht nicht.
Ja, sagte sie, so ist das wohl.
Das ist hier so eine Mischform aus direkter und indirekter Rede, oder? Liest sich zumindest irgendwie ein klein bisschen seltsam, zumindest für mich, teils erwarte ich hier den Konjunktiv, so vom Gefühl her zumindest, will hier aber keine Alternative anmerken.

 

Sprachlich wirklich treffend. Es hat sehr zu deinem Protagonisten gepasst.

Hallo @Smoke

herzlich Willkommen hier und danke dir für Zeit und Kommentar. Freut mich zu lesen, wenn es für dich passt. Ist ja immer so eine Sache.

Also bei mir hat sich schon nach 1 Woche das 5 Stock ohne Lift bemerkbar gemacht.
Und er / sie wohnt ja dazu noch immer tief. (Ist anscheinend auch nicht fit), also nicht mal routiniert Treppen zu steigen.
Sehr aufmerksam gelesen. Entweder der Erzähler ist unzuverlässig, oder ich habe etwas übersehen. Mischform aus beidem? Ich füge da noch etwas an, dass er trotz seiner hundert Kilo die Treppen benutzt.
Hier dachte ich, kennt die Tochter das Elternteil so schlecht? Selbst ich habe in dieser Kürze erkannte, dass das nie was werden würde.
Vielleicht ist er aber sehr vielseitig, da das Rauchen ebenso nicht zu seinem restlichen Lebensstil passt.
Das kann man so oder so sehen. Sie kann ihn ja trotzdem fragen oder ihn bitten, etwas zu tun an sich, auch wenn der Mißerfolg vorprogrammiert ist. Das ist ja so ein Beispiel auch für fence gossip oder repetitiver small talk, der uns aber einiges und manchmal viel über die Charaktere erzählt.

Im 22. Stock in der Stadt, Tauben am Nisten, auf welchem Baum? Welches Hochhaus hat ein Dach, unter dem sie nisten könnten.
In der Stadt sind überall Tauben, die nisten in Betonlöchern und auf Reklametafeln, überall. Das hat, denke ich, nichts mit der Höhe zu tun. Aber natürlich kann es auch an einem unzuverlässigen Erzähler liegen, das verrät der Text ja nicht.

Ist schwierig, dazu etwas zu sagen, weil ich selber noch so uneins bin mit dem Text. Da greifen so bestimmte Prinzipien, was Wiederholung und Auslassung angeht, Satz für Satz-Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes, dass ich selber noch nicht so genau weiß, wie ich dazu stehe. Ist der seltsamste Text, den ich in der letzten Zeit geschrieben habe, das auf jeden Fall.

Gruss, Jimmy

wird fortgesetzt

 

Lieber @jimmysalaryman ,

eine sehr schöne Story. Was anderes kriegt man von dir ja auch nicht. Weiß nicht, ob ich mal eine schlechte Story aus deiner Feder gelesen habe. Egal.

Der Disclaimer zu deiner Story hat sich wenig erstaunlich als für mich überflüssig erwiesen. Habe schon vermutet, dass das so eine 'ich find komisch, was ich geschrieben habe – andere lesen das aber total linear mit dem Autor'-Dynamik hat.

Spannende Erzählsituation. Warten auf Godot. Warum genau wartet er? Wartet er wirklich oder vist das so ein Psychoplot? Ich glaube, er wartet. Ungewöhnlich ist es trotzdem. Aber das kommt ganz beiläufig. Wird nicht künstlich dick gemacht. Ansonsten ein einfühlsamer Text, wie man das von dir kennt. Sehr routiniert geschriebene, starke Details (Badewanne, immer zwei Zigaretten etc.). Bisschen viel Geraune so eines alten Clint Eastwood Antihelden. Aber die kleine Spitze – bitte – verzeih mir. Das ist eben die Figur, genau das (für mich). Und das ist ja auch eine Auseinandersetzung mit Identität, die sich auch sehr treffend an der hier im Gegensatz zu anderen Storys abwesenden Tochter reibt. Die beiden sind schon ein starkes Duo. Die Wendung hin zur Entfremdung ist natürlich schön gemacht. Allerdings liegt für mich der Fokus mehr auf den Ritualen dieses Mannes und den Gedanken an seine Tochter als auf dem vielstöckigen Gebäude, wenngleich das hier auch bedeutend ist, aber für mich eben nicht so sehr wie das andere.

Man kann darüber lachen, ja. Aber man kann auch darüber nachdenken, ob die immer genau wissen, was sie da machen?

Mag dieses Bemühen darum ernstgenommen zu werden, was da für mich drinsteckt.

Ich rauche die schwarzen American Spirit, die es hier in der Stadt noch zu kaufen gibt

so ein richtiger Jimmysalaryman, brauche ich nix zu sagen, oder :D

ich kann nicht nur eine Zigarette rauchen

schönes Detail. Finde ich toll, wie du dem immer so Raum gibst sich zu entfalten. Da immer noch drei vier Sätze nachschießt, die dem erst das Gewicht verleihen, dass es hat.

Die Wohnung liegt im 22 Stock.

Müsste ein Punkt hinter die 22, oder?

Ich passe auf die Wohnung auf, doch im Grunde müsste ich das nicht tun, es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme.

Sehr gut :-)

wird Hafermilch sauer

So ein richtiger old Clint Eastwood Seitenhieb :-) sorry

und mich muss mich schon in die Küche setzen

hier ist irgendwas nicht richtig

den löslichen Kaffee

iiieh

ich überlegte kurz, ließ es dann aber bleiben

warum wechselst du hier ins Präteritum? Habe ich was verpasst?

in der Küche die Zutaten abgewogen, Salz, Zucker, Essig und die Gewürze, wir haben die Gurken geviertelt und in die ausgespülten Gläser getan und sie mit dem heißen Sud aufgefüllt

Sehr schön. Musste neulich an dich denken, als ich so eine Netflix-Serie durch Zufall angeschaut habe und dann noch ein paar Mal. Die Folge über Sean Brock – da vor allem :D
Manche würden sicher sagen: überemotionalisierte Hipster Gourmetsendung – ich finds tatsächlich ziemlich genial oder zumindest habe ich es sehr gerne geschaut.

Sie war ungeduldig, schon immer, so ungeduldig

schönes Bild, was da bei mir entsteht.

Ich lasse mir jeden Abend ein Bad ein. Jeden Abend.
das war eine Wanne wie für mich gemacht

Auch so ein sehr gut eingeführtes und ausgebautes Detail

Ich schlafe auf der Couch, das ist etwas schwierig, weil sie schmal ist und ich zugelegt habe, ich bin breit und wiege einhundert Kilo, meine Tochter sagte immer Club 100 dazu, und sie hat mich oft versucht zu überreden, dass ich mich endlich in einem dieser Fitnessstudios anmelde, aber ich habe es dann doch nie gemacht, ich habe es auch nicht vor, ich glaube, das ist einfach nichts für mich. Die Couch steht im Wohnzimmer, und ich schaue noch fern, bis ich dann endlich einschlafen kann, weil es keine richtigen Vorhänge gibt, es wird nie dunkel, dunkel genug für mich, und ich höre auch den Verkehr von draußen, weil ich nicht mit geschlossenen Fenster schlafen kann, ich brauche frische Luft, es hört nie auf, immer Autos und Lastkraftwagen und Flugzeuge und Leute, die schreien und lachen, nie ist Ruhe. Das Fernsehen lenkt mich ab, meine Tochter hat Kabel, auf jeden Fall jede Menge Sender, mehr als man braucht, und irgendwann schlafe ich ein, meistens zu einem alten Film, die Stimmen beruhigen mich, sie sind so gleichmäßig und leise. Unten im Haus, ganz unten, im Keller, da gibt es einen Raum mit Waschmaschinen, man wirft ein paar Münzen ein und kann seine Wäsche waschen, sie haben da auch Trockner. Ich habe nicht viel mitgebracht, im Grunde nur das, was ich anhabe und ein paar Unterhosen und Socken, die sowieso immer im Auto liegen, für Notfälle, ich musste mir sogar eine Zahnbürste kaufen in dem Supermarkt am Ende der Straße. Ich war heute unten, in diesem Keller, bei den Waschmaschinen, und habe Unterhosen und Socken und mein Hemd gewaschen, nur drei Teile, aber es musste sein, es ging nicht mehr anders, und ich kenne mich aus, Buntwäsche, Kochwäsche, ich habe gewartet, weil ich nicht wieder den langen Weg nach oben gehen wollte, ich benutze immer das Treppenhaus, nie den Aufzug, ich misstraue Aufzügen, weil ich mal in einem stecken geblieben bin, seitdem gehe ich zu Fuß, aber es ist natürlich anstrengend, Club 100 und dann in den zweiundzwanzigsten Stock!, das überlegt man sich schon. Ich hab der Waschmaschine zugeguckt, wie sich die Trommel dreht, und hab die Frau zuerst gar nicht bemerkt, sie stand einfach da und hat ihre Wäsche sortiert, und dann hat sie auf einmal dieses Geräusch gemacht, man kennt das. Jeder hat das schon einmal gehört, so ein Geräusch, und ich konnte dann nur noch fragen, was los ist, und sie hat geantwortet, dass ich das gar nicht wissen will. Dass ich es nicht so genau wissen will, das waren ihre Worte, genau.
Ich wohne nicht hier, habe ich gesagt, ich wohne nicht in diesem Haus, ich bin nur zu Besuch, noch ein paar Tage, dann geht es wieder zurück.
Sie meinte, das Haus sei gräßlich, es würde in der letzten Zeit nach Pisse stinken, nach Pisse, und früher sei sowieso alles viel besser in Schuss gewesen, es würde sich keiner kümmern, keiner kümmert sich, hat sie gesagt, man lässt uns mit allen Problemen hier alleine. Und wer, wen würde ich besuchen?

Das würde ich auf paar Sätze eindampfen.

und ich habe gesagt, dass wir beide wohl jetzt in einem Alter sind, wo man sich damit abfinden muss, nicht mehr alles machen zu können, was man machen will oder machen wollte, wir sind jetzt in einem Alter, wo manches eben so ist, wie es ist und auch so bleiben wird

Finde ich stark und fühle ich.

Hat mir Freude gemacht und meine Finger sind jetzt auch wieder warmgetippt.
Beste Grüße von
Carlo – und Sting (höre ich gerade)

 

Am Ende habe ich mich dann gefragt, warum die Tochter seit drei Wochen nicht gekommen ist - so lange Zeit die eigene Wohnung nicht zu betreten, hat mich dann doch etwas misstrauisch bezüglich des Schicksals, das sie womöglich heimgesucht hat, gemacht: Habe ich etwas überlesen? Vielleicht hat mein Vorkommentator auch Recht und der Protagonist ist gar nicht in der Wohnung, in der er zu sein glaubt bzw. zu sein vorgibt?

Hallo @Sam Slothrop

ist die eigentliche Frage, die so im Text impliziert ist. Gibt es überhaupt eine Tochter? Und wenn ja, was ist mit mir geschehen? Ich habe da auch keine Antwort drauf, und der Text soll ja nichts erklären, nichts deuten, nur ganz explizit nicht-explizit sein. Man kann damit zu weit gehen, mit dem Wahren des Geheimnisses, und vielleicht ist das auch ein Versuch um das mal wieder zu testen, die Grenzen, wie weit der Leser mitgeht, bevor er sagt, nun, jetzt brauche ich aber mal mehr Konkretes. Ich gehe immer von mir aus, und mir sind die allermeisten Texte zu explizit, mir wird in den ersten Absätzen verraten, worum es geht, und dann lese ich nicht mehr weiter oder verliere die Lust. Mich interessiert das Untergründige, diese kleine, feine Stimmung, die da irgendwo wabert, das kleinste Element.

Der erste Satz hat mich irritiert, weil ich erst dachte, der Erzähler kippe in diesem Moment 'richtige Milch' in seinen Kaffee. Aber anscheinend macht er das ja sonst so, aber nicht da, insofern würde ich auch 'ansonsten richtige Milch' schreiben.
'Milch aus Kühen' klingt auch schräg, finde ich - vielleicht eher ganz simpel 'Milch von Kühen'?
Dazu wirfst du in diesem Absatz mit den verschiedenen Tempusformen nur so um dich, teils Gegenwart, teils Vergangenheit, dabei war der Teil davor doch in der Gegenwart erzählt, oder? Du siehst, ich bin auf jeden Fall verwirrt.
Da ist ja ein quasi-oraler Text, und für mich funktionieren die etwas anders als Texte, die von einem nicht monologisierenden Erzähler erzählt werden. In der gesprochenen Sprache korrigieren wir uns ja oft selbst, wiederholen Dinge unwillkürlich, brechen ab, reden aneinander vorbei. Mit den Tempi bin ich total unsicher, muss ich zugeben, da vertraue ich auf Cracks wie uns Friedel, ich habe das so aufgeschrieben, wie ich es gesprochen habe, ich spreche meine Texte mir immer selbst laut vor, wie sie und ob sie richtig klingen. Es kann gut sein, dass da jede Menge Fehler drin sind!

'und alles' würde ich streichen oder etwas Konkretes nennen. Cremt er sich ein? Bürstet er sich? So klingt es eher unschön, finde ich.
Aber obwohl da nur und alles steht, weißt du, was gemeint ist. Das ist ja auch etwas, was in einer gewissen oralen Tradition steht, man verfügt über ein gewisses intersubjektives Wissen, man kennt das ja. Ich mag es, damit ein wenig herumzuspielen.
'und dann ...' lässt mich erwarten, dass jetzt ein spannendes Handlungsdetail kommt. Kommt aber nicht, finde ich nicht gut. Im Grunde ersetzen die drei Punkte doch lediglich den Umstand, dass er mit Schwamm und Scheuermilch die Wanne putzt, Punkt.
Hier genauso.
Wenn du 'nach Pisse' wiederholst, fehlt mir als Leser hier ein zusätzliches Detail, um die Doppelung auch sinnvoll zu machen. Zum Beispiel 'nach Pisse stinken, nach Suffpisse'. Nur ein Beispiel, du weißt, was ich meine.
Auch hier. Die Wiederholung ist ja einer gewissen Ungläubigkeit geschuldet, dass die Frau soetwas überhaupt sagt, ausspricht, und er wiederholt es für sich noch einmal, wie um sich zu vergewissern.

Das ist hier so eine Mischform aus direkter und indirekter Rede, oder? Liest sich zumindest irgendwie ein klein bisschen seltsam, zumindest für mich, teils erwarte ich hier den Konjunktiv, so vom Gefühl her zumindest, will hier aber keine Alternative anmerken.
Ja, ich fürchte, da sind Fehler drin, ich bin mir aber nicht sicher, wie und ob man tatsächlich auch im Konjunktiv spricht, tut man das? Ich weiß es nicht, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Es ist nach Klang geschrieben, wie gesagt.

vielleicht besser: 'und sie hat oft versucht, mich zu überreden', klingt zumindest in meinen Ohren besser.
Das wird gekauft!

Ja, danke nochmals für Lesen und Kommentieren, ist spannend, wie sich das zu einem fremden Leser verhält immer, weil ich bei manchen Texten mir natürlich eine gewisse Lesart und Wirkung erhoffe, bei anderen Texten ist das etwas vollkommen anderes, da erwarte ich einfach gar nichts und bin total neugierig, wie die gelesen werden.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman,

dieses etwas geheimnisvolle Element, wer und wo ist die Tochter, gibt es die überhaupt, das habe ich irgendwie gar nicht so wahrgenommen, erst mit den Kommentaren dann. Was ich hier zuvorderst sehe, ist die Entfremdung zwischen den beiden, wobei das ein zu negatives Wort ist. Insgesamt klingt das hier weniger bitter als viele Sachen von dir, mehr so, wie der Prot selbst sagt: Ist halt manchmal so.

Darum reitet er auch so auf der Milch aus der Kuh rum, denke ich. Die Tochter ist jetzt City, Haus mit mehr als zwanzig Stockwerken, andere Welt, da sind alle Veganer. Also, in seiner Wahrnehmung ist das zumindest so, auch wenn es nicht direkt gesagt wird. Wie ihn das auch positiv überrascht, dass die ordentliche Metzgertheke haben da. Die Tochter ist hoch hinaus, er ist zu Gast in ihrer Welt, die er alles in allem, womöglich auch das wider Erwarten, dann eigentlich ganz gut findet, erst recht wegen der Wanne.

Ein bisschen Schwierigkeiten hatte ich mir der sozialen Verortung. Ist sie auch einkommensmäßig abgehoben? Zwanzig Stockwerke Glas und Stahl und die zwölf besetzt komplett McKinsey oder Plattenbau? Große Wohnung mit großer Wanne klingt nach überdurchschnittlichem Gehalt, aber dann berichtet die eine Mieterin, wie alles langsam auseinanderfällt und nach Lulu riecht.

Hat mir alles in allem gefallen und ich wollte das unbedingt mit der Milch loswerden. Ich dachte ich hab vielleicht den roten Faden gefunden, den du selbst gar nicht gesucht hast.


Viele Grüße
JC

 

eine sehr schöne Story. Was anderes kriegt man von dir ja auch nicht. Weiß nicht, ob ich mal eine schlechte Story aus deiner Feder gelesen habe. Egal.

Danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar @Carlo Zwei, hat mich sehr gefreut. Na ja, sagen wir so, ich kann da selber immer so wenig zu sagen, ich denke aber, ich habe auch schon echten Schrott abgeliefert, vor allem so rückblickend.

Der Disclaimer zu deiner Story hat sich wenig erstaunlich als für mich überflüssig erwiesen. Habe schon vermutet, dass das so eine 'ich find komisch, was ich geschrieben habe – andere lesen das aber total linear mit dem Autor'-Dynamik hat.
Das ist interessant, weil ich dachte, der Text ist schon ungewöhnlich vom Stil her, aber mag sein, dass das eben gar nicht so ist, man sieht das selbst ja anders, kann das nicht so einschätzen. Siehste mal!

Spannende Erzählsituation. Warten auf Godot. Warum genau wartet er? Wartet er wirklich oder vist das so ein Psychoplot? Ich glaube, er wartet. Ungewöhnlich ist es trotzdem. Aber das kommt ganz beiläufig. Wird nicht künstlich dick gemacht.
Damit experimentiere ich ja gerade: nichts erklären, nichts verraten. Ich weiß nicht, ob und wie das funktioniert, deswegen teste ich das ja hier aus. Freut mich, wenn es nicht so dick und aufgesetzt konstruiert rüberkommt.

Bisschen viel Geraune so eines alten Clint Eastwood Antihelden.
Haha, ja. Ich habe den anders vor Augen, aber ich weiß, was du meinst.
Die beiden sind schon ein starkes Duo. Die Wendung hin zur Entfremdung ist natürlich schön gemacht. Allerdings liegt für mich der Fokus mehr auf den Ritualen dieses Mannes und den Gedanken an seine Tochter als auf dem vielstöckigen Gebäude, wenngleich das hier auch bedeutend ist, aber für mich eben nicht so sehr wie das andere.
Ich glaube, vielleicht ist ein einziges Ding; das Haus, die Tochter und er, wie das alles in Beziehung zueinander steht. Für mich dreht es sich um das Warten, aber da hängt natürlich auch alles andere dran.
Sehr schön. Musste neulich an dich denken, als ich so eine Netflix-Serie durch Zufall angeschaut habe und dann noch ein paar Mal. Die Folge über Sean Brock – da vor allem :D
Manche würden sicher sagen: überemotionalisierte Hipster Gourmetsendung – ich finds tatsächlich ziemlich genial oder zumindest habe ich es sehr gerne geschaut.
Danke für den Tip, Sean Brock kannte ich nicht. Aber ich koche tatsächlich wirklich gerne, Cajun habe ich mich eingelesen und mache da auch viel, aber eher oldschool Paul Prudhomme. Ich finde das gar nicht hip oder so, ich finde es eher gut. Man wird immer noch schräg angesehen, wenn man sagt, man kocht gerne, weil das viele einfach ihre Frauen oder Freundinnen machen lassen, und ich finde das vollkommen beknackt. Ich bin jetzt nicht versessen auf mega Gourmetzeug oder so, aber wenn ich mit ein paar kitchen hacks ein gutes Rezept bekomme und besser mache und das Essen gut ist, why not? Ich sehe mich da eher in der Jim Harrisson Tradition. Essen ist wichtig!, vor allem, wenn man es für andere Menschen zubereitet und gemeinsan isst.

Das würde ich auf paar Sätze eindampfen.
Ich glaub, das wird schwer. Ich schau, was ich tuen kann.

Hat mir Freude gemacht und meine Finger sind jetzt auch wieder warmgetippt.
Beste Grüße von
Danke dir sehr, und freue mich, wenn du wieder aktiver bist, du fehlst.

Gruss, Jimmy

wird fortgesetzt

 

dieses etwas geheimnisvolle Element, wer und wo ist die Tochter, gibt es die überhaupt, das habe ich irgendwie gar nicht so wahrgenommen, erst mit den Kommentaren dann.

Danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar, und hat mich gefreut, dich zu lesen.

Ja, das ist so eine Sache, der eine liest es so, der andere so. Ich denke mir auch, dass ist auf der einen Seite ja gut, wenn es mehrdeutig lesbar ist und bleibt. Das Geheimnis wahren sozusagen, bis keiner mehr weiß, was genau los ist, haha. Nein, mal im Ernst.

Was ich hier zuvorderst sehe, ist die Entfremdung zwischen den beiden, wobei das ein zu negatives Wort ist. Insgesamt klingt das hier weniger bitter als viele Sachen von dir, mehr so, wie der Prot selbst sagt: Ist halt manchmal so.
Entfremdung ist ein gutes Wort. Das ist auch so eine seltsame Sache; was bedeutet das eigentlich? Man könnte hier ja auch vermuten, dass das so ein recht einfältiges Schwarz-Weiß Ding ist, Stadt vs Land, und das ist vielleicht auch ein wenig so beabsichtigt, weil ich mir immer denke, so simpel, wie man das der Erzähler hier im Text sagt, funktioniert das aber nicht, da liegt noch eine Ebene dazwischen, will sagen: Entfremdung aufgrund fehlender Nähe, das würde ich mal so als Kern des Textes nehmen. Es ist ja so eine Selbsterzählung über etwas, das er nicht ganz versteht, das Haus, die Leute da, aber auf mich wirkt der etwas entrückt, so als könnte er sich selbst nicht ganz begreifen, als wäre das alles wie in einem Traum. So kam es mir beim Schreiben vor, als sei der Charakter ein etwas wunderlicher Typ.

Große Wohnung mit großer Wanne klingt nach überdurchschnittlichem Gehalt, aber dann berichtet die eine Mieterin, wie alles langsam auseinanderfällt und nach Lulu riecht.
Ja, das ist ein guter Punkt. Eine Freundin von mir wohnt in einem solchen Kasten, der ja bundesweit Furore gemacht hat, Ankerstraße, gab es auch mal eine Doku im Trash-TV, nur ist es eben so, die Wohnungen wurden für ehemalige Diplomaten und Bundeswehrangehörige gebaut und sind erstklassig ausgestattet und geschnitten, die sind dann nur langsam verrottet wegen Sozialbau etc, also das ist so eine seltsame Kombi aus Verfall und Bling, bzw ehemaligem Bling, sehr skurril. Es geht also beides, es muss nicht so sein, dass sie viel Geld verdient hat und auch nicht, dass sie da jetzt irgendwo absackt, ich empfinde das eher als schwebend.
Hat mir alles in allem gefallen und ich wollte das unbedingt mit der Milch loswerden. Ich dachte ich hab vielleicht den roten Faden gefunden, den du selbst gar nicht gesucht hast.
Danke dir. Die Milch, ja. Jeder hat da so seins, finde ich. Ich weiß nicht, ob das ein roter Faden ist, aber ist ein interessanter Punkt, weil ich selbst keinen roten Faden hier im Text erkennen kann, deswegen analysiere ich das jetzt nochmals genau, mit dem Fokus auf die Milch!

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman

Nur ein kurzer Eindruck:

Ich denke, der rote Faden ist für mich die Nachtigall – schliesslich hat sie es sogar in deinen Titel geschafft – und das, wofür sie steht. Oder zumindest habe ich davon ausgehend nach Anhaltspunkten gesucht, teilweise vielleicht auch gefunden, wenn man das auf einer symbolischen Ebene betrachtet: Sie steht für mich hier für die Sehnsucht, die Sehnsucht nach seiner Tochter, das lange Warten auf sie, auch für Melancholie, dann für die andere Welt, abseits vom Lärm und Atem der Stadt, in der man die Vögel noch singen hört, im Grünen. Aber leider kommt die volle Kraft ihrer Symbolik meiner Meinung nach erst sehr spät zum Tragen. Vielleicht bin ich ein ungeduldiger Leser, aber ich wurde auf die Folter gespannt und musste warten, bis zum Gespräch mit der alten Dame im Waschkeller, da geht es um sie, um die Vögel, ihr Name fällt einen Absatz darauf, wenn er über dieses Gespräch nachdenkt, dann hat die Nachtigall ihren ersten und einzigen echten Auftritt. Deshalb habe ich das Gefühl, was mir die Geschichte sagen will, kulminiert sich dort, im und irgendwo um dieses Gespräch mit der alten Dame herum.

Dieses schlussendliche Gesamtbild, das ist natürlich schön und belohnt mich auch als Leser, ich empfand den Weg dahin aber als etwas lang, weil vorher dieses gedankliche Kreisen und die Ausschweifungen des Prots mich immer weiter davon entfernt haben. Klar, es baut alles aufeinander auf, etabliert die Stimmung des Textes, aber da entsteht auch eine gewisse Ambivalenz bei mir. Ich habe das Gefühl, hier wird ziemlich weit ausgeholt, um diese zwei Stränge – das Warten, die Sehnsucht, die Tochter und daneben die Entfremdung, auch die Unsicherheit in dieser Umgebung – zu erläutern und dann zusammenzuführen. Es hat mich teilweise etwas ermüdet. Für mich drohte die Wirkung irgendwo auf halber Strecke zu verpuffen, und die Luft war schon bisschen draussen, als die Story endlich auf den Punkt kam. Es kann ja sein, dass er genau so denkt, eben in diesen Gedankengängen, Tochter, Haus mit vielen Stockwerken, grosse Wohnung, Badewanne, Milch und Metzgertheke, aber da könnte man sich auch fragen, ob das auf die Strecke genügend Spannung bzw. Potential bietet.

Alles hat seinen Platz. Alles hat seine Zeit. Das denke ich. Ich denke auch, dass ich nicht hierhin gehöre, aber das ist eine andere Geschichte.
Nein, ich finde nicht, dass das eine andere Geschichte ist, dafür macht er sich viel zu viele Gedanken darüber. In den ersten zwei Dritteln der Geschichte geht es doch auch sehr stark darum, dass er sich eben fremd fühlt, in dieser grossen Wohnung, in diesem mehr als dreissig Stockwerke hohen Gebäude, in dieser Stadt, das schwingt da immer mit, auch wenn er gewisse Annehmlichkeiten wie die Badewanne und die Metzgertheke zu schätzen weiss. Das läuft für mich parallel zum Warten auf die Tochter und nimmt doch viel Raum ein.

Noch was zum Titel der Geschichte: Der ist meines Erachtens sehr lang geraten und das macht ihn klobig, behäbig auch, deshalb klingt der in meinen Ohren noch nicht so richtig rund. Finde kurze, prägnante Titel einfach schöner, die so richtig über die Zunge fliessen, aber ist natürlich Geschmackssache. Auch das direkte Ansprechen des Lesers ... ich weiss nicht recht.

Das zu meinem Leseeindruck, natürlich alles subjektiv.

Grüsse,
d-m

 

Menschen sollten nicht in diesen Höhen leben, kochen, schlafen. Menschen gehören nah an die Erde, auf die Erde.

Ha, da bin ich ja mit dem Klassiker "Wer die Nachtigall stört" ziemlich da neben, aber kurz was hierzu

Da ist ja ein quasi-oraler Text, und für mich funktionieren die etwas anders als Texte, die von einem nicht monologisierenden Erzähler erzählt werden. In der gesprochenen Sprache korrigieren wir uns ja oft selbst, wiederholen Dinge unwillkürlich, brechen ab, reden aneinander vorbei. Mit den Tempi bin ich total unsicher, muss ich zugeben, da vertraue ich auf Cracks wie uns Friedel, ich habe das so aufgeschrieben, wie ich es gesprochen habe, ich spreche meine Texte mir immer selbst laut vor, wie sie und ob sie richtig klingen.

Und da isser endlich, wohl wissend, dat zu Ffm. und Mannheim an einer Grammatik der „jesprochenen“ Sprache gearbeitet wird (vllt. isse auch schon feddich) und ich mich frag, welcher Kumpel mit türkischer oder sonstiger Wurzel sich einstens daran halten wird ( - da darf jeder mal raten …, besonders wenn ich Änderungen am Duden erlebe, die durch den täglichen Gebrauch erzwungen werden und vor allem durch Jugendsprech bewirkt wird) - da hätt’ ich viel zu tun, bereits hier

Ich lebe in niedrigen Gebäuden; kein Gebäude, in dem ich jemals gelebt habe, hatte mehr als drei Stockwerke.
Da fänd ich viel schlimme, wenn ganz ausgefeilte Füxe dem zwoten „haben“ nicht das Recht auf Vollverb gönnen. Da stört mich eher, grundlos in Konjunktiefen zu versinken wie hier
Ich spüle diesen Unterteller nach jeder Kippe unter heißem Wasser ab, damit es meiner Tochter nicht auffällt, aber ich denke, sie würde es merken, so oder so.
wenn m. E. mutmaßlich mit dem engl. „would“ gespielt wird – als wenn das indikative „werden“ in seiner Zwowertigkeit – entweder es wird, oder eben nicht – unbestimmt genug ist, entweder sie merkt’s oder eben nicht.

Aber ein paar „Anweisungen“ an den Autor:

Die Wohnung liegt im 22PUNKT! Stock.

Dann will ich mal von altem Bock zu Bock noch kleinere Korrekturen vorschlagen
In einem solchen Haus, ..., da ist immer etwas, nie ist es still, und [...]ich muss mich schon in die Küche setzen, dieser Raum liegt weit innen und hat nur ein kleines Fenster, um so etwas wie Stille zu haben, doch auch hier brodelt es hinter den Wänden, in den Wänden, alles vibriert und klingt und ist unruhig. Ich setze mich in den letzten Winkel der Küche, gegenüber dem Kühlschrank[...], die Wand hinter mir ist eine tragende Wand, und dann lehne ich meinen Kopf an die Stuhllehne und schaue an die Decke, von der ich glaube, dass sie sich manchmal bewegt.
Willkommen bei den Kleistverehrern!, und im Angedenken an meine Anfänge (Einsatzgeschichte zB).

Hier zB

Es ist auch eine große Wohnung, ich war erstaunt, wie groß sie ist, es eröffnen sich immer neue Räume, …
kommt durch die Vorsilbe ein bisschen Slapstick in die Rede … was unter realer Bedingung gar nicht erst auffiele – kaum ausgesprochen ist der Satz schon wieder weg und erst recht die entbehrliche Vorsilbe ...

Später (vllt, sogar erst in den nächsten Tagen) mehr vom

Friedel

 

Ich denke, der rote Faden ist für mich die Nachtigall – schliesslich hat sie es sogar in deinen Titel geschafft – und das, wofür sie steht.
Danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar,

tja, das ist so eine Sache. Für mich geht es ganz klar um die Tochter, die nicht erscheint und die Frage, warum das so ist. Ich denke, oder frage dich: Würdest du die Nachtigall auch als roten Faden betrachten, wenn sie gar nicht im Titel stehen würde? Ich denke eher nicht, oder? Ich bin mit dem Titel auch nicht zufrieden, aus eben jenem Grund, er weckt so eine Erwartungshaltung, die eigentlich nicht im Text angelegt und enthalten ist.

Dieses schlussendliche Gesamtbild, das ist natürlich schön und belohnt mich auch als Leser, ich empfand den Weg dahin aber als etwas lang, weil vorher dieses gedankliche Kreisen und die Ausschweifungen des Prots mich immer weiter davon entfernt haben.
Ja, ich weiß, ist denke ich auch, dass ist schon ein wenig der Erwartungshaltung bezüglich des Titels geschuldet. Die gedankliche Ausschweifung, wie du es nennst, das Kreise, das Mäandern, das ist ja hier das narrative Prinzip; es ist das, was die Geschichte grundsätzlich ausmacht. Ich zum Beispiel lese da keine Entfremdung, sondern eine gewisse Verwunderung heraus, aus dem, wie und was er bewertet. Das ist so ein entrücktes Erstaunen, als sähe er das alles zum ersten Mal; ich denke, es passiert ihm alles in einer seltsamen Stimmung, so eine erhöhte Vulnerabilität, alles wirkt intensiver, er empfindet das als krasser. Für mich ist es so, dass er auf seine Tochter wartet, sie aber nicht mehr kommen wird, da sie bereits gestorben ist. Er wartet also umsonst, er findet sich damit aber noch nicht ab, vielleicht hat er sich bis zum Wochenende damit abgefunden - so steht das in meinem Drehbuch jedenfalls, keine Ahnung, wie das andere lesen. Das ist ja das Schönste, jeder liest so einen Text anders.

Ich habe ja mit Begriffen wie Spannung meine Probleme. Ich glaube, weil ich mit Spannung eine Art treibendes Element verstehe, das auf eine Lösung hinarbeitet. Hier war es ja sozusagen die Aufgabenstellung, das Geheimnis des Textes einfach so lange wie möglich zu bewahren, nichts zu erklären, nichts vordergründig verstehbar zu machen; ein wenig bewusst verschleiern. Nicht, um da jetzt ein Rätseltext draus zu machen, einfach um das Konzept auszuprobieren, wie weit man etwas reduzieren kann, wie weit man auf Erklärungten verzichten kann, wie spät man einsteigen kann. Der Text war mal viel länger und viel voller. und ich habe bewusst Blöcke da rausgehauen, um zu dieses Ziel zu erreichen. Ich hatte da eine gewisse Idee im Kopf, nach einer Art "Vorgabe" zu schreiben, und wollte das einfach mal probieren.

Noch was zum Titel der Geschichte: Der ist meines Erachtens sehr lang geraten und das macht ihn klobig, behäbig auch, deshalb klingt der in meinen Ohren noch nicht so richtig rund. Finde kurze, prägnante Titel einfach schöner, die so richtig über die Zunge fliessen, aber ist natürlich Geschmackssache.
Ich bin auch damit unzufrieden, aber noch auf der Suche nach einer guten Alternative. Ich überlege noch!

Gruss, Jimmy

 

Ha, da bin ich ja mit dem Klassiker "Wer die Nachtigall stört" ziemlich da neben, aber kurz was hierzu

Moin Friedel,

nee, das ist ja auch ein Klassiker! Da wage ich mich nicht ran.

Willkommen bei den Kleistverehrern!, und im Angedenken an meine Anfänge (Einsatzgeschichte zB).
Ich habe Kleist nie gelesen, deswegen verstehe ich nicht so ganz, was du damit meinst. Ich verbessere den Rest! Aus würd wird wird. Haha! Hole ich alles in den kommenden Tagen nach.

Dank dir für Zeit und Kommentar, lieber Friedel, und immer gerne mehr.

Gruss, Jimmy

 

Willkommen bei den Kleistverehrern!, und im Angedenken an meine Anfänge (Einsatzgeschichte zB).
/bemerkte ich und darauf gestehstu,
lieber jimmy.
Ich habe Kleist nie gelesen, deswegen verstehe ich nicht so ganz, was du damit meinst. ...
Kleist fällt durch seinen komplexen Satzbau auf. So beginnt der Michael Kohlhaas

»An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Rosshändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit. – Dieser außerordentliche Mann würde, bis in sein dreißigstes Jahr für das Muster eines guten Staatsbürgers haben gelten können. Er besaß in einem Dorfe, das noch von ihm den Namen führt, einen Meierhof, auf welchem er sich durch sein Gewerbe ruhig ernährte; die Kinder, die ihm sein Weib schenkte, erzog er, in der Furcht Gottes, zur Arbeitsamkeit und Treue; nicht einer war unter seinen Nachbarn, der sich nicht seiner Wohltätigkeit, oder seiner Gerechtigkeit erfreut hätte; kurz, die Welt würde sein Andenken haben segnen müssen, wenn er in einer Tugend nicht ausgeschweift hätte. Das Rechtgefühl aber machte ihn zum Räuber und Mörder...
...«

um ein kleines Beispiel zu liefern.

Tschüss & schönen Sonntag aus’m Pott vom

Friedel

 

Hallo @jimmysalaryman,

Hochhaus, alter Mann, und seine Gedanken.

einem solchen Haus, in einem solch großen Haus mit so vielen Stockwerken, scheint immer etwas zu passieren, Türen gehen auf und zu, Stimmen, Lachen, die Hydraulik des Aufzuges, da ist immer etwas, nie ist es still, und mich muss mich schon in die Küche setzen, dieser Raum liegt weit innen und hat nur ein kleines Fenster, um so etwas wie Stille zu haben, doch auch hier brodelt es hinter den Wänden, in den Wänden, alles vibriert und klingt und ist unruhig.
Müsste es nicht „ich“ heißen?
Ich setze mich in den letzten Winkel der Küche, gegenüber des Kühlschranks, die Wand hinter mir ist eine tragende Wand, und dann lehne ich meinen Kopf an die Stuhllehne und schaue an die Decke, von der ich glaube, dass sie sich manchmal bewegt.
Habe mich gefragt, warum du da nicht geschrieben hast gegenüber „vom“ Kühlschrank.
. Ich trinke ihn langsam, und ich rauche langsam, so langsam, bis ich den letzten Schluck nach dem letzten Zug nehmen kann, dann ist es gut, dann ist es ein guter Tag, wenn ich das wenigstens einmal geschafft habe.
Diese kleinen Ziele, die ältere Menschen sich im Laufe der Zeit setzen.
man sich von Zeit zu Zeit mal zurücklehnt und sagt, das ist gut so, das ist schön, sonst weiß man nachher nicht mehr, warum man das überhaupt alles tut.
Dem Leben einen Sinn geben.
aber es ist natürlich anstrengend, Club 100 und dann in den zweiundzwanzigsten Stock!,
:) Hochhaushumor.
und dann hat sie auf einmal dieses Geräusch gemacht, man kennt das. Jeder hat das schon einmal gehört, so ein Geräusch, und ich konnte dann nur noch fragen, was los ist, und sie hat geantwortet, dass ich das gar nicht wissen will
War für mich schlimm, dass ich nie erfahren habe, was für ein Geräusch das ist. Ich habe den Text weiter gelesen, in der Hoffnung, es zu erfahren.
dass wir beide wohl jetzt in einem Alter sind, wo man sich damit abfinden muss, nicht mehr alles machen zu können, was man machen will oder machen wollte, wir sind jetzt in einem Alter, wo manches eben so ist, wie es ist und auch so bleiben wird, manche Dingen ergeben sich eben und andere nicht, und manche Dingen lassen sich nicht erzwingen, auch wenn man das
Dito
Ein Haus mit dreißig Stockwerken wäre etwas Besonderes, aber nicht, dass man Vögel hört.
Ying Yang.

Ich mag diesen Text. Wobei ich ständig das Gefühl hatte, dass Du selber nicht genau wusstest, wohin der Text mit Dir geht und ob es überhaupt eine Tochter gibt.
Ich fand es interessant dieses suchen, ohne finden zu begleiten und dabei doch Teilnahme und Empathie zu spüren. (Auch wenn das nicht Deine Intention war.)

Ich wünsche einen schönen Sonntag
Liebe Grüße CoK

 

Kleist fällt durch seinen komplexen Satzbau auf. So beginnt der Michael Kohlhaas

Hallo Friedel, und ich verstehe, was du meinst. Ist natürlich schwer zu vergleichen, und im Grunde bin ich auch kein Freund von so komplex gebauten Sätzen, weil sie eben immer etwas Konstruiertes haben, und ich glaube, das ist eine grundsätzliche Entscheidung, was man von Literatur erwartet: einen literarischen und glaubwürdigen Charakter, oder einen Autoren, der alles mit seiner Autorenschaft durchdringt. Mir sind uneitle Texte von uneitlen Autoren da jedenfalls lieber. Ich würde also gerne so umkomplex wie möglich schreiben, mit möglichst wenigen Fremdwörtern, Metaphern und Bildern oder Vergleichen. Aber das bin halt nur ich.

Danke dir für deine nochmalige Beschäftigung mit dem Text.

Ich mag diesen Text. Wobei ich ständig das Gefühl hatte, dass Du selber nicht genau wusstest, wohin der Text mit Dir geht und ob es überhaupt eine Tochter gibt.
Ich fand es interessant dieses suchen, ohne finden zu begleiten und dabei doch Teilnahme und Empathie zu spüren. (Auch wenn das nicht Deine Intention war.)
Hallo @CoK,

danke dir für Zeit und Kommentar. Werde noch ein paar Verbesserungsvorschläge von dir übernehmen die Tage, kommt Zeit, kommt Tat.

Das ist wohl richtig, ich wusste selbst nicht wohin damit, es hat sich so ergeben. Für mich gibt es die Tochter schon, oder gab es sie, aber in meinem Kopf, in meiner Vorstellung vom Text lebt sie nicht mehr, und der Vater nimmt sich die Zeit, um ein wenig das Leben seiner Tochter nachzuleben, sich so damit abzufinden. Das ist meine Vorstellung von dem, was passiert oder nicht passiert, aber dadurch, das alles so vage ist, kann und wird man das aber auch sicher anders lesen können. Ich arbeite gerade an Texten, die ihr Geheimnis bewahren sollen und die nichts erklären, das ist so eine kleine Aufgabe von mir, die ich mir selbst gestellt habe, alles nicht offensichtlich zu machen, weil ich das Gefühl habe, das sehr viele Texte so operieren, die verraten direkt alles im ersten Satz, und ich glaube, die Stimmung, die Atmosphäre, das Feeling des Textes muss und soll im ersten Satz enthalten sein, aber danach müssen sich die Sätze konsekutiv verhalten, sich den jeweils vorangegangenen einverleiben, man schreibt dann vorwärts, weil man rückwärts blickt, und so entwickelte sich auch dieser Text.

Ein relativ kurzer Text, in dem alles, aber wirklich alles, in Bild und Handlung aufgelöst ist.
Hallo Manuela,

ich verstehe nicht so ganz, was dein verlinkter Text mit meinem zu tun haben sollte oder der Diskussion darüber? Friedel ging es doch um komplexen Satzbau, und nicht darum, wie man alles in Bild und Handlung auflöst? Prinzipiell habe ich nichts gegen solche Empfehlungen, aber wenn sie nicht auf diese oder jene Weise mit dem ursprünglichen Text oder der Diskussion zu tun haben, gibt es doch elegante Möglichkeiten, sein Wissen mitzuteilen und preiszugeben.

Gruss, Jimmy

 

Das war nur als Lesetipp gedacht. Ich schrieb ja: Sorry, für offtopic.
Nix für ungut!

 

Hey jimmy,

ich weiß, Du hast einen neuen Text und man will ja immer zu dem neuen was hören, aber ich wollt Dir doch noch sagen, nachdem ich diesen hier gelesen hab vor ner Weile, dass dieser Text mich total angefasst hat, der hat was mit mir gemacht. Ich fand den total schön. Ich kann Dir gar nicht mal sagen, warum jetzt genau, die vielen Wiederholungen, die Details auf die Du total den Fokus lenkst, diese Langsamkeit, die Ruhe, ich weiß nicht. Ich mochte den Vater total und by the way - ich fand den langen Titel viel! besser. Jetzt steht da Nachtigal und es nimmt bisschen was von der Tragik, die im Text steckt. Für mich jedenfalls. Denn ich war gar nicht so auf Tod aus, eher auf ... sie ist für unbestimmte Zeit weg, ins Ausland, was weiß ich, oder halt spurlos verschwunden, den Todesgedanken brachte erst der Titel für mich ins Spiel. Und Trauerverarbeitung oder quälende Ungewissheit, das sind schon zwei Paar Schuhe für mich. Schön aber, dass der Text beide bedient. Das fand ich total fazinierend. Ist aber auch, weil er so nach außen fokosiert ist, das "Problem" selbst ja gar nicht benennt, sondern das drumherum so penibel beobachtet. Nicht Innenschau, sondern wirklich nur sehen, obwohl oder gerade aus der Ich-Perspektive geschrieben. Bricht hübsch mit den Erwartungen der Leser und ja, ich steh drauf, wenn es gut gemacht ist. Könnte man dem Text jetzt vorwerfen, muss man aber nicht. Ich fand es jedenfalls total spannend.

Ich rauche zwei hintereinander, ich habe das schon immer so gemacht, ich kann nicht nur eine Zigarette rauchen.
Der hat so seine Rituale. Und es funktiniert ganz prima, Menschen über ihre Rituale zu charakterisieren. Hab ich aus dem Text gelernt.

Ich passe auf die Wohnung auf, doch im Grunde müsste ich das nicht tun, es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Ich war ja wie gesagt, dem Todesgedanken erstmal gar nicht auf der Spur und ich fand das sehr sweet irgendwie.

Ich brauche Routine. Ich bin ein Mensch, der eine gewisse Routine benötigt.
Ja, das habe ich vorher schon bemerkt ;).

Ich kippe richtige Milch in meinen Kaffee, Milch aus Kühen, doch meine Tochter hatte nur Hafermilch da,
mich stört das sooo - weil, er spricht ja sonst auch nicht so krude

Alles hat seinen Platz. Alles hat seine Zeit. Das denke ich. Ich denke auch, dass ich nicht hierhin gehöre, aber das ist eine andere Geschichte. In dieser Geschichte geht es um meine Tochter, auf die ich seit drei Wochen warte.
Und jetzt begann der Text zu kippen für mich, also so emotional jetzt. Er benimmt sich so, als dürfte er da gar nicht sein, reinigt penibel jede Spur, die ihn "verraten" könnte und er tut das ja in der Absicht ... ??? Klar, wenn da Trauerarbeit hinter steht, dann weiß er sicher, er sollte da nicht sein, nach dem Tod in die Privat/intimssphäre so einzudringen, schon fraglich, aber er braucht das, er braucht die Nähe. Wenn sie jetzt spurlos verschwunden ist, dann versteht man dieses Warten dort, weil sie ja dorthin sicher auch zuerst zurückkommen würde und das er ihr dann das Gefühl geben will, ich bin Dir nicht zu Nahe getreten, habe nicht in deinen Sachen gewühlt ... okay, das will er ihr ja auch im Todesfall "zeigen". Aber dieses Eindringen hätte für mich je ein anderes Vorzeichen. Auf jeden Fall spielt in seine Vorsicht aber ein ganz große Liebe rein, weil er alles, was er in dieser Wohnung tut (oder eben nicht tut), mit Respekt tut. Und im Todesfall halt nicht hinzugehen, alles zu durchwühlen und aufzulösen, sondern es noch eine Weile so belassen, weil der Schmerz sonst zu groß wäre, oder gar tatsächlich auf sie zu warten, um dann schnell und unauffällig wieder zu gehen - guck, war gar nicht lang hier - je nach Lesart ändert sich so bisschen meine Sicht auf Figur und die Deutung der Beziehung zwischen den beiden. Ich mag das gern, den einen oder den anderen weg für mich durchzuspielen.

Ich hoffe, ich konnte mich irgendwie klar ausdrücken, mir scheint das sehr verwirrend zu sein, was ich hier tippe. Falls nicht, hier die Kurzfassung: Da ist für mich sehr viel Schönes in dem Text, auch stilistisch mit den Wiederholungen und ich habe das sehr, sehr gern gelesen! Und ich mochte diesen Mann. Ob trauernd oder wartend/hoffend.

Liebe Grüße, Fliege

 

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