Was ist neu

Nadine

Mitglied
Beitritt
31.05.2006
Beiträge
112
Zuletzt bearbeitet:

Nadine

„Soll ich jetzt Nadine fragen, ob sie mit mir poppen will, oder nicht?“, fragt mich Paul und schlenkert mit den Armen, denn er will cool wirken.
„Mann, frag das doch nicht mich“, sage ich und beiße in meinen Pausenapfel, als wir vor dem Schultor auf die Bahn warten.
„Sag schon, was meinste?“, bohrt Paul nach.
„Warum sagst du ihr nicht einfach, dass du sie magst, dass du mit ihr ins Kino gehen willst, oder so?“, sage ich.
Paul stöhnt auf und verzieht das Gesicht.
„Mann, du checkst das nicht. Darum geht’s doch gar nicht. Ich find die doch einfach nur geil und ich will mit ihr ficken, das ist alles. Außerdem will die das doch gar nicht, ins Kino gehen! Das ist ne Fickbraut.“
„Was soll das denn sein?“, frage ich.
„He Mann, ist doch klar“, sagt Paul. „Das ist eine, die auch einfach nur ihren Spaß haben will. Einfach nur ficken, so aus Laune, ohne den ganzen Beziehungsstress.“
„Was weißt du denn von Beziehungsstress?“, frage ich Paul.
„Na, die Sache mit Silke letztes Jahr …“, sagt Paul.
„Die zwei Wochen?“, frage ich.
„Egal, jedenfalls ist Nadine ne echte Fickbraut, das kannste mir glauben, die hat doch schon mit der halben Klasse gepoppt. Die will doch nicht ins Kino, die will ficken“, sagt Paul.
Ich sage nichts dazu. Paul redet zwar meistens Blödsinn, aber er ist so ziemlich der einzige, der überhaupt mit mir redet. Ob es stimmt, was er über Nadine sagt, weiß ich nicht. Ich finde sie nur nett. Vielleicht sagen die anderen Jungs auch nur, dass sie eine Fickbraut ist, weil sie sie abblitzen lässt.
„Ich glaub, ich frag sie wirklich“, sagt Paul. „Der werd ich’s besorgen.“
„Mensch Paul, red doch nicht so, als wenn du so viel Ahnung vom Ficken hättest. Mehr als Wichsen machst du doch auch nicht.“
„He, du Arsch. Nicht von dir auf andere schließen, okay?“
„Weil du ja schon so oft gefickt hast“, sage ich.
„Fuck you. Nur weil du keine Chancen hast bei den chicks, brauchste nicht zu glauben, dass das bei mir genauso ist.“, sagt Paul. Er schaut mich böse an.
„Ach ja“, sage ich, denn jetzt werde ich langsam sauer. Paul hat meinen wunden Punkt getroffen, tatsächlich habe ich keine großen Chancen bei Mädchen.
„So spannend kann dein Sexleben nicht sein“, sage ich. „Meistens hängst du doch bei mir rum.“
„Also“, sagt Paul. „Da war diese Kleine im Urlaub ...“
Er holt Luft, um wieder einmal die Geschichte von einem Wahnsinnsfick in Spanien zu erzählen, als er unterbrochen wird. Plötzlich steht nämlich Nadine vor uns und lächelt uns an. Toll sieht sie ja schon aus.
„Hi Jungs“, sagte Nadine.
„Hi“, sage ich.
Paul hat es auf einmal die Sprache verschlagen.
„Worüber redet ihr gerade“, fragt Nadine.
Paul bekommt einen roten Kopf und starrt Nadine an.
„Och“, sage ich. „Nichts besonderes. Paul hat mir nur von seinem letzten Urlaub erzählt.“
„Ach so“, sagt Nadine. „Warst du nicht mit deinen Eltern in Südtirol? Deine Schwester hat so was erzählt.“ Pauls Schwester ist auch auf unserer Schule.
Paul hustet und will widersprechen, aber Nadine achtet gar nicht auf ihn. Sie lächelt mich an und ich schmelze fast unter ihrem Blick.
„Sag mal ...“, sagt sie dann und wirkt auf einmal ganz schüchtern. „Im Kino läuft doch gerade der neue James Bond und ich wollte da eigentlich hingehen. Magst du nicht mitkommen?“
„Sicher“, sage ich völlig überrumpelt. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Paul der Mund weit offen steht. Er ist nicht imstande, irgend etwas zu sagen.
„Cool“, meint Nadine und lächelt. „Ruf mich später an, okay?“
„Okay“, sage ich.
Dann geht sie und als sie um die Ecke biegt, dreht sie sich noch mal um und lächelt.

 

Die Geschichte oben ist ein Versuch, eine Kurzgeschichte für Jugendliche zu schreiben, eine Fingerübung gewissermassen. Ich danke schon jetzt für schonungslose Reaktionen.

Der Platoniker

 

Hallo Platoniker,

freue mich sehr, mal wieder von Dir zu lesen.
Deine Fingerübung gefällt mir im Ganzen und im Kontext, daß sie _für_ Jugendliche sein soll recht gut. Die Dialoge sind flüssig und lebendig, und auch das Thema, wie Jungens mit den neuen Gefühlswelten der Pubertät umgehen finde ich gut umgesetzt.
Paul als cooles Großmaul, Klischee zwar, doch Klischees finden ihre Entsprechung in der Realität, und Paul gibt es, beginnend in diesem Alter und sich bis in die Demenz fortsetzend. Das reicht nicht unbedingt für große Literatur, woanders als unter Jugend hätte ich vermutlich genau das zu bemängeln, doch so finde ich die Botschaft wichtig und angemessen verpackt.
Da muss es dann nicht das große Kino sein, da finde ich es viel wichtiger eine Sprache zu finden, die den möglichen Lesern einen Zugang gewährt, und das ist Dir gelungen, denke ich (nicht mehr ganz jugendlich).

War das schonungslos genug ?
:hmm:
:Pfeif:

Grüße,
C. Seltsem

eine Fingerübung gewissermassen
Dennoch, ein bisken Feinarbeit ist auch bei Fingerübungen noch sinnvoll :

„Der wird ich’s besorgen.“
werde
„Ach ja“, sage ich, denn jetzt werde ich langsam sauer, denn Paul hat meinen wunden Punkt getroffen. Denn tatsächlich habe ich keine großen Chancen bei Mädchen.
Plötzlich steht nämlich Nadine vor uns und lächelt uns an. Toll sieht sie ja schon aus.
Paul hat auf einmal keine Sprache mehr.
keine Sprache mehr haben klingt gut, doch nicht in dieser Geschichte. Ihm verschlägt es die Sprache oder keine Stimme mehr haben würde dem Tonfall der restlichen Geschichte besser entsprechen.

 

Hi C.Seltsem,

danke für deine Schonungslosigkeit, die schonungsloser ist, als du vielleicht beabsichtigt hast. Deine Vorschläge bzw. Korrekturen habe ich z. T. bereits umgesetzt.

Das reicht nicht unbedingt für große Literatur, woanders als unter Jugend hätte ich vermutlich genau das zu bemängeln, doch so finde ich die Botschaft wichtig und angemessen verpackt.

Das trifft mich hart. "Große Literatur" - klar, das muss eine Fingerübung nicht sein, aber bei der Unterscheidung "für Jugendliche" und "für Erwachsene" kann ich so nicht mitgehen. Literatur für Jugendliche muss anders sein - das ist klar. Aber darf sie schlechter sein? Ich glaube nicht.

Insofern muss ich wohl noch an meinem Stil für Jugendliche arbeiten. Insofern vielen Dank.

Der Platoniker

 

Hallo Platoniker,

Literatur für Jugendliche muss anders sein - das ist klar. Aber darf sie schlechter sein? Ich glaube nicht.
Nein, besser/schlechter sind auch hier nicht die richtigen, passenden Kategorien. Eher Vielschichtigkeit ggb. Reduziertheit. Für Jugendliche darf sie sprachlich klarer, präsenter, direkter sein, und auch in der Zeichnung der Charaktere oberflächlicher bleiben, muss nicht die Tiefen und Erfahrungen des Lebens inkludieren, die ich bei großer Literatur dann auch gerne sprachlich komplexer erlese.

Und Du hast eingestanden, einleitend festgestellt, daß es eine Fingerübung ist. Ich bin sicher, daß es auch für Jugendliche Geschichten gibt, die besser sind als andere, tiefer, größer, doch sind das vermutlich mehrfach überarbeitete und gereifte Fingerübungen.
Und ich halte es für einfacher, eine gute Geschichte für Erwachsene zu schreiben als eine für Jugendliche, und gut finde ich Deine, das habe ich versucht zu verdeutlichen.

Ich wollte wirklich nicht _so_ schonungslos sein, vielleicht kann meine nachgeschobene Erklärung meine Leichtfertigkeit in der Wortwahl relativieren, verdeutlichen.

Grüße,
C. Seltsem

 

Hi C. Seltsem,

jetzt habe ich dich besser verstanden. -

Jetzt mal abgesehen von meiner Geschichte, die tatsächlich zwar nur eine Fingerübung ist, aber dennoch in meinem Stil geschrieben ist, nämlich stark dialogisch und eher lakonisch als sprachlich ausgeschmückt, möchte ich doch noch etwas zum Unterschied zwischen Jugendliteratur und Erwachsenenliteratur sagen.

Machen wir es uns nicht zu leicht, wenn wir sagen, ich zitiere jetzt mal aus deinem Posting:

Für Jugendliche darf sie sprachlich klarer, präsenter, direkter sein, und auch in der Zeichnung der Charaktere oberflächlicher bleiben, muss nicht die Tiefen und Erfahrungen des Lebens inkludieren, die ich bei großer Literatur dann auch gerne sprachlich komplexer erlese.

?

Beim ersten Teil kann ich ja noch mitgehen, aber warum "oberflächlicher in der Zeichnung der Charaktere", keine "Tiefen und Erfahrungen des Lebens"?

Ich kenne viel Jugendliteratur, die wesentlich tiefer und sprachlich komplexer ist, als das meiste, was wir von Erwachsenen oder so genannten Erwachsenen auf dem Markt haben und was für Erwachsene sein soll. Dieses ganze Thrillerzeug a la Dan Brown oder die postpubertären, uninteressanten Verlautbarungen von Stuckrad-Barre und anderen werfe ich in den Mistkübel - verzeih die Ausdrucksweise - für Salingers "Catcher in the rye", Endes "Die unendliche Geschichte" oder auch nur Preusslers "Die kleine Hexe".

Selbstverständlich hast du von "großer Literatur" gesprochen, wozu weder Brown noch Stuckrad-Barre zählen, ich frage mich nur manchmal, ob die "große Literatur" wirklich immer so "groß" ist.

Als ich zum Beispiel Grass' "Beim Häuten der Zwiebel" angefangen haben zu lesen, habe ich es bald wieder weggelegt, denn, ehrlich gesagt, interessiert mich der Zustand des Penis von G. G. herzlich wenig, über den ich recht bald aufgeklärt werde.

Ich muss jetzt aufpassen, dass ich mich nicht vergaloppiere, ich wollte nur deutlich machen, dass ich eher dazu neige, die Unterschiedung von Jugendliteratur und Erwachsenenliteratur thematisch festzumachen und nicht stilistisch, bzw. die Tauglichkeit für bestimmte Literatur hängt außerdem vom Individuum ab, nicht von seinem Alter. - Jugendlicher können, so meine Meinung, Kordon, Nöstlinger, Funke etc. lesen - also ausgesprochen gute Literatur für Kinder/Jugendliche -, sie können aber auch Thomas Bernhard lesen, wenn er ihnen entspricht (und der ist meiner Meinung nach wirklich "große" Literatur). Umgekehrt gibt es Erwachsene, die selbst für "Hochzeitsfest im Zwergenwald" zu dumm sind, und ich meine damit nicht "dumm" in irgendeinem medizinischen Sinn, sondern "dumm" im Sinne von "selbstverschuldeter Unmündigkeit".

Jetzt habe ich mich ein wenig in Rage geschrieben, aber das ist alles nicht persönlich gemeint, sondern nur der Versuch, deutlich zu machen, wo ich den Unterschied festmache.

Nix für ungut

Der Platoniker

 

Hallo Platoniker,

leider hat es mir nicht so gut gefallen. Ich fand deine Geschichte einfach nur ziemlich platt. Es wird zwar klar, das mehr dahintersteckt und du etwas aussagen möchtest - aber das geht unter dem ganzen Fickgerede irgendwie unter.
Aber das war noch nicht einmal der Punkt, der mich am Meisten gestört hat - vielmehr sind mir die Charaktäre etwas sauer aufgestoßen. Was Paul angeht, so bedienst du mit ihm ziemlich viele Klischees. Außerdem erfährt man auch nichts über ihn außer, dass er gerne mit Nadine in die Kiste hüpfen möchte. Das ist ein bisschen wenig finde ich.
An deinem Ich-Erzähler hat mich gestört, dass er so altklug spricht - seine Antworten klingen nicht nach jemandem, der in Pauls Alter ist, sondern nach jemandem der schon um einiges älter und insofern auch schon mehr Erfahrungen hat.

„Was weißt du denn von Beziehungsstress?“, frage ich Paul.
Dieser Satz ist ein gutes Beispiel dafür. So etwas sagt doch nur jemand, der schon eine längere Beziehung hinter sich hat und entsprechend auch von Beziehungsstess eine Ahnung hat.

Im Ansatz sicherlich gut, die Umsetzung allerdings meines Erachtens weniger.

Lieben Gruß, Bella

 

Hallo Platoniker.
Da ich ja auch schon nocht mehr ganz jung bin, lese ich das ganze auch eher mit gemischten Gefühlen... Alsooooo. Der Aufbau im allgemeinen ist ganz in Ordnung. Dennoch sollte selbst das Großmaul eher von: "Bitch" reden, als von "Fickschlampe", das ist unter Pubertierenden eher im Gebrauch. Etwas weniger "Ficken" hinein, dafür mehr Erguss, wie man es sich von ihr besorgen lassen will, respektive, wie er gedenkt, es ihr zu besorgen, und warum er glaubt, dass sie eigentlich auf sowas wie ihn steht...
Der Ruhige darf etwas mehr innerlich geschildert werden, was diese großmäuligen verbalergüsse in ihm bewirken, zumal er ja auch vielleicht seine eigenen, aber dafür romantischen Träume von diesem Mädchen hat, deren Erfüllung aber im Reiche der Fiktion vermutet. Dann sollte die derart besprochene im Rücken des Großmauls auftauchen, was er VOR dem Großmaul bemerkt, aber aus Genugtuung nichts sagt, bis sie vielleicht gerade während einer besonders pikanten Aussage des Großmauls hinter ihm stehenbleibt, das letzte in aller Ruhe mit anhört, und dann erst etwas sagt, und ihn damit abblitzen lässt... so würde es noch spannender, und auch nachvollziehbarer, was die Moral der Gschicht´angeht. Das würde auch den Punktsieg des "lieben" größer wirken lassen.
Lord

 

aber bei der Unterscheidung "für Jugendliche" und "für Erwachsene" kann ich so nicht mitgehen. Literatur für Jugendliche muss anders sein - das ist klar. Aber darf sie schlechter sein? Ich glaube nicht.
hier und bei Deinen anderen Ausführungen bekommst Du von mir ein zustimmendes Nicken. Deshalb hab ich auch die Augenbrauen gerunzelt, als Du schriebst, Du hast sie als Fingerübrung geschrieben. ;)

Hallo Platoniker,

nuja - in gewissem Sinn gebe ich Lord Arion recht - "Bitch" ist ein gebräuchlicherer Ausdruck. Auch wenn mir in dem Text eh zuviel Rede von Ficken etc war ;) aber es ist sonst durchaus eine Sprache und Situation, die für Jugendliche mE nach realistisch ist und eine gewisse Brisanz hat. Allerdings sind mir - auch für eine Fingerübung! Die Charaktere zu schwarz-weiß, blass und klischeehaft. Eigenlich weiß ich nichts über die Jungs, außer dass der eine ein Großmaul ist, und über das Mädel weiß ich ebenfalls nichts. Das stört mich. Dass Du gern und oft in Dialogen erzählst, merkt man der Geschichte an, die erfolgen flüssig und lebendig.

schöne Grüße
Anne

 

Nun, nach einiger Zeit, ein paar Antworten auf Eure hilfreichen, wenn auch ernüchternden Postings.

Hallo Bella,

beim Bedenken dessen, was Du schreibts und beim nochmaligen Lesen der eigenen Geschichte muss ich Dir recht geben - nicht besonders gelungen. Das was vermittelt werden sollte bzw. könnte, wird nicht so recht vermittelt.
Eine Sache sehe ich allerdings etwas anders: die Altklugheit - natürlich soll der Ich-Erzähler altklug wirken, aber ist es nicht gerade das Zeichen von "Altklugheit" im Gegensatz zu "Lebenserfahrung", das sie sich eben nicht aus Erfahrung, sondern aus Nachdenken und Grübeln speist und dabei natürlich oft eben dem Alter unangemessen und die Realität verfehlend ist?

Hallo Lord Arion,

danke für die Anregungen. Was die Jugendsprache angeht, sollte man vielleicht tatsächlich Feldstudien machen, ich nehme für mich nicht in Anspruch, zu wissen, wie Jugendliche heute reden, wobei das vermutlich auch wieder völlig unterschiedlich ist, je nachdem aus welchem regionalen bzw. sozialem Umfeld sie stammen. - Deine Anregungen zum anderen Aufbau bzw. zur Ausgestaltung finde ich interessant, weiß aber noch nicht, ob ich sie übernehmen will. Ich denke ich nehme sie lieber als Hinweis bei künftigen Geschichten etwas stärker ins Detail nicht so sehr der Beschreibung als der Motivierung zu gehen.

Hallo Maus,

nun, dem was Du schreibst hab ich kaum etwas zu entgegnen. Nach euren Kommentaren scheint mir tatsächlich, die Fingerübung ist misslungen, aber das ist nicht schlimm, sondern bringt mich weiter.

Danke für Eure konstruktive Kritik.

Beste Grüße vom Platoniker

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom