- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 6
Nebenan ... ( Sie wohnt da ... )
Sie wohnt da, ich wohn hier. Sie lacht da, ich wein hier.
Sie steht in der Tür und sagt „Komm doch rein“. Aber sie sagt es nicht zu mir.
Sie steht da, sieht mich an und meint einen Anderen. Ich blicke in ihre Augen. Kann es sein, daß ich sie sprechen höre, sprechen in einer Sprache welche ohne Worte spricht?
Sprechen in Sätzen, die durch den stechenden Blick ihres Hasses zu mir schreien wollen „Hau ab, Du Arsch ... nein bleib ... Du Arsch ... bitte bleib ... ich liebe Dich doch ...“
Ich sehe wie der Andere, die Anderen, Fremde und Bekannte zu ihr gehen, mit ihr den Tag, den Abend, die Nacht verbringen. Ich sehe sie alle kommen und gehen. Meistens lachen sie. Haben gute Laune. Sie hat gute Laune. Sie lacht laut und viel. Sie lacht zu laut und zu viel.
Es ist einfach viel zu viel um wirklich echt zu sein. Es ist viel zu viel um aus ihrer gekränkten Seele zu kommen.
Ich sehe sie ... und der Stein auf meiner Brust nimmt mir die Luft, verlangsamt meinen Herzschlag. Das Wasser in meinen Augen versucht den Weg zurück in die Tränenkanäle zu finden.
Vergeblich ... Ich kann den Fluß der Feuchtigkeit nur bedingt zurückhalten. Meine Augen sind gerötet. Ich höre wie sie lachend den Anderen überschwänglich begrüßt, sehe wie sie ihn innig umarmt.
Wieso macht sie das, wieso zeigt sie mir das?
Sie will mich leiden sehen, so wie ich sie leiden ließ. Es ist ihre kleine Rache. Sie hat ihre kleine Rache. Sie weiß, daß sie ihre kleine Rache hat und sie genießt es, scheinbar mit Genuß...
Aber ihre Augen sagen etwas anderes, sie flüstern flehend „ ... bitte komm ... ich liebe Dich immer noch ... ich werde Dir verzeihen ... bitte komm.“
Aber der tonnenschwere Stein auf meiner Brust und mein „ich“ lassen ein Zurück nicht zu.
Ich hatte gelernt hart zu sein. Ich war und bin ein Stein, ein Klotz aus Beton und Stahl, ein Wesen ohne Gefühl. Ich bin der, der niemals zurückschaut, der nie eine Entscheidung revidiert. Egal ob falsch oder richtig. Ich bin der, der durch die Wand geht. Wenn es sein muß mit dem Kopf voran.
Der, der das Recht hat. Der, der immer recht hat. Ich bin das Recht.
Ich war einfach nur unglücklich. Ich war der ohne Glück. Der ohne Gefühl. Der, der nicht fühlen konnte, wollte, durfte. Ich lebte in meiner Welt aus Schatten. In der Welt zwischen Leben und Tot.
Im Nirwana.
In dem Land der trockenen Tränen, der schlaflosen Nächte, der nimmer ruhenden Gedankenströme.
Und wieder sah ich ihren sprechenden Blick, und hörte den Wind, der mir die Möglichkeit zum Atmen nahm.
Ich sah sie. Sie sah mich.
Die Anderen sprachen mit ihr. Die Anderen lachten mit ihr.
Ich sah sie.
Der Wind drückte meinem Atem zurück in die Lunge. Mir wurde schwindelig. Sie ging mit dem Anderen ins Haus und schloß die Tür.