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Neue Zeiten

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19.01.2004
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Neue Zeiten

Herbert spazierte durch den Stadtpark. Er kam gerade vom Arzt und war jetzt auf dem Heimweg. Im Winter war er gern die schmalen Sandwege entlang gegangen, doch nun fickten und vögelten sich die Jugendlichen wieder das Hirn aus dem Leib.
Die ehemals so vollkommende, schneebedeckte Stille war einer arhythmisch gestöhnten Sinfonie aus Orgasmen gewichen. Überall auf den saftig grünen Wiesen, den Parkbänken und selbst im Wasser des Sees trieben es die Menschen.
Mit angewidertem Gesicht stierte Herbert auf den Boden vor seinen Füßen und stakste auf seinem Krückstock gelehnt missmutig voran.
„Verdammte Jugend! Nur Sex im Kopf!“, grummelte er vor sich hin und schüttelte ab und an seinen Kopf. „Und dafür ist unsereins früher auf die Straße gegangen! Ts ts ts...“
Der Mai bot all seine Kraft auf. Ein wunderbarer, blauer Frühlingshimmel überspannte die Stadt und anscheinend nutzten alle das gute Wetter, um sich mal wieder so richtig der schönsten Nebensache der Welt draußen im Freien hinzugeben. Ein Gruppe nackter Frauen kam Herbert jauchzend entgegengelaufen und tanzte, sich gegenseitig jagend, um den Alten herum. Der schob sie unsanft mit seinem Stock zur Seite und ging ungerührt weiter.
„Sollen mich in Ruhe lassen mit ihren Perversionen!“, nuschelte er, während die Frauengruppe sich hinter ihm auf einer Wiese ihrem Spiel hingab.
„Keine Moral gibt’s heutzutage mehr. Kein Anstand. Nur Rumgevögele!“
Hinter einer kleinen Rosenhecke fand er endlich eine freie Bank, auf der er sich ungestört vom allgegenwärtigen Treiben einen Moment lang ausruhen konnte. Er zog eine Zeitung aus seiner Jackentasche, die er in der Praxis des Arztes hatte mitgehen lassen, und begann zu lesen.
Ein Männerpärchen stellte sich ihm in die Sonne.
„Verzeihen Sie, ist da noch frei?“, fragte der eine und deutete mit der Hand auf den Bankplatz neben Herbert. Der Alte blinzelte nur kurz über den Rand seiner Zeitschrift, knurrte vor sich hin und beschloss, die beiden Männer einfach zu ignorieren, die es sich neben ihm bequem machten.
Ein rhythmisches Schlurpgeräusch unterbrach erneut seine Konzentration. Wutentbrannt sprang Herbert auf und schleuderte den beiden Männern die Zeitung ins Gesicht beziehungsweise in den Schoß.
„Das ist ja nicht zum Aushalten! Verdammte Scheiße! Habt ihr denn kein Zuhause?“
Die Männer sahen ihn fragend an.
„Und dafür ist unsereins damals auf der Strasse gegangen! Nur Perverse überall! Keinen Funken Anstand im Leib. Zum Kotzen ist das.“
Eilig machte er sich auf den Heimweg.
Unter einem kleinen Hain kam ihm eine attraktive Frau in den mittleren Jahren entgegen. Sie sah sich immer wieder interessiert nach den vielen Pärchen und Gruppen überall in der Nähe um und rempelte dabei aus Versehen den zügig dahinschreitenden Herbert an. Der schnaufte nur erbost, doch die Frau entschuldigte sich für ihre Unaufmerksamkeit und lächelte freundlich.
„Ist es nicht schön zu sehen, wie frei und ungezwungen sich alle benehmen?“
„Pah! Zu meiner Zeit hätte es das nicht gegeben“, knurrte Herbert zurück und wollte weiter. Doch die Dame legte sanft ihre Hand auf seinen Arm und unterstützte ihr Lächeln mit unzweideutigen Augenaufschlägen.
„Verzeihen Sie, es ist sonst nicht meine Art, einfach so jemanden zu fragen. Aber wir haben heute so schönes Wetter und alle freuen sich des Lebens... Wollen Sie vielleicht mit mir dahinten...?“
Viel fehlte nicht, und Herbert hätte sie mit seinem Krückstock niedergeschlagen. Stattdessen riss er sich schäumend vor Wut los und humpelte mit erhöhtem Tempo das letzte Stück bis zur Franz-Leopold-Straße, wo er wohnte.
Dabei rief er immer nur „Überall Sodom und Gomorra!“ und streckte in regelmäßigen Abständen verzweifelt die Hände gen Himmel.
Nahe des Rentnerviertels war es weniger belebt, so dass Herbert endlich ein wenig zur Ruhe kommen konnte.
An einer alten Steinmauer endete der Sandweg und mit ihm der Park. Zügig überquerte der Alte die dahinterliegende Straße. Nach einigen hundert Metern passierte er ein etwa kniehohes Gartentor vor einem kleinen Reihenhäuschen und drückte auf den Klingelknopf.
Peter öffnete ihm. Eilig rauschte Herbert an ihm vorbei und warf dabei die Tür entschlossen hinter sich zu.
„Was ist denn los?“, fragte Peter etwas überrascht vom ganzen Tempo. „Schlechte Nachrichten beim Arzt gehört?“
„Quatsch!“, fauchte Herbert zurück, schmiss seine Jacke auf einen Stuhl und seinen Stock in die Ecke neben der Anrichte. „Alles in bester Ordnung. Hat gesagt, dass ich noch mindesten zwanzig Jahre vor mir hab.“
„Und welche Laus ist dir sonst über die Leber gelaufen?“ Eigentlich ahnte Peter bereits, worum es wieder ging.
„Es ist die ganze verdammte Jugend von heute!“, antwortete Herbert und machte eine ausladende Geste, die die gesamte Welt draußen vor der Tür mit einschloss.
„Haben alle nicht das kleinste bisschen Moral. Nur Ficken im Kopf! Den ganzen Tag. Egal mit wem und wo. Alles Perverse, das sag ich dir! Wenn ich überlege, dass wir damals auf die Strasse gegangen sind. Und schau’s dir heute an. Soweit ist es mit der Gesellschaft gekommen.“
Peter versuchte seinen Freund zu beschwichtigen und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Soll ich dir einen blasen, Schatz?“
„Nein, danke!“ Herbert wendete sich verdrossen weg. „Davon will ich heut definitiv nichts mehr hören. Mir steht eher der Sinn nach etwas Kuscheln. Nur wir beide, eine Schüssel Popcorn und ein alter Film.“
„Klingt toll. Ich setz schon mal den Mais auf und du suchst den Film aus.“

 

HAGEN! Der verlorene Sohn ist zurück! Schlachtet die Viecher, heut wird gefeiert! :anstoss:

Zur Story: :lol: Cool! Gefällt mir gut - wo buche ich mein Ticket Richtung Zukunft? :D

Dante

 

Hoi, Hagen ist zurück? DER Hagen, der meine erste SF-Kg verrissen hat? Lasst uns feiern! Eine Runde Freibier für alle, Hagen gibt einen aus!! :bounce:

Hi Hagen!

Witzige Idee, witzig umgesetzt, Pointe ein wenig lahm, aber okay. Das wär's eigentlich schon, was dazu zu sagen wäre.
Aber Megabjörnie wäre nicht Megabjörnie, wenn er nicht auch diesen Text auseinanderrupfen und ordentlich zerfetzen würde. Also los:

Herbert spazierte durch den Stadtpark. Er kam gerade vom Arzt und war jetzt auf dem Heimweg.

Das liest sich, als hättest du eine Schreibblockade gehabt, hättest mal eben zwei Schulaufsatzsätze hingekritzelt und wärst dann ins Schreiben "reingekommen". Leider hast du vergessen, den Anfang noch mal zu überarbeiten. Du weißt ja: Mit dem Anfang bis zum Schluss warten. :teach:

Die ehemals so vollkommende, schneebedeckte Stille war einer arhythmisch gestöhnten Sinfonie aus Orgasmen gewichen.

Das d weg. Und arhythmisch und Sinfonie passen nicht zueinander. Kakophonie würde seine Wahrnehmung doch eher treffen, meinst du nicht? ;)

grummelte er vor sich hin und schüttelte ab und an seinen Kopf.

Irgendwie klingt das ein bisschen untreffend, ich glaube, weil ich mir vorstelle, dass er innerhalb der wörtlichen Rede ab und an den Kopf schüttelt. Aber die Formulierung bezieht sich normalerweise auf einen größeren Zeitraum und meint auch normalerweise eine bewusste oder bewusst wahrgenommene Handlung.

Ein rhythmisches Schlurpgeräusch unterbrach erneut seine Konzentration.

Na ja, hier sollte es wohl eher ein Geräusch weiter oben sein, das seine Konzentration stört ... :D

und streckte in regelmäßigen Abständen verzweifelt die Hände gen Himmel.

Ich dachte, in einer Hand hält er den Krückstock? Dann wäre es wohl eher der, den er gen Himmel streckt.

Peter öffnete ihm.

Hier war die Pointe schon absehbar. Ich hatte beim Lesen gehofft, dass am Ende nicht so etwas Banales rauskommt, aber ich wurde enttäuscht. Vielleicht solltest du deinen Einfallsreichtum noch ein wenig spielen lassen. ;)
Allerdings muss ich sagen, dass die Geschichte durch das Ende einen irgendwie niedlichen Charakter bekommt. :D

„Was ist denn los?“, fragte Peter etwas überrascht vom ganzen Tempo.

Wovon er überrascht ist, brauchst du, denke ich, nicht zu erwähnen. Und er ist auch wahrscheinlich nicht überrascht, sondern verwundert.

Alles Perverse, das sag ich dir!

Das streichen.

Ciao, Megabjörnie

 
Zuletzt bearbeitet:

HAGEN, HAGEN, HAGEN!!! :D
Nicht nur Viecher schlachten, lieber Dante, da gehört eine epochemachende Orgie her!!! :anstoss:

Zur Story:
Alles in allem eine nette Idee. Die permanente Reizüberflutung durch Pornos etc. geht deinem Prot auf die Nerven und er wünscht sich nur traute Zweisamkeit. Das die zwei nicht Hetero sind, gibt dem ganze Schmackes, da ja gerade die "Szene" wegen ihres ausschweifenden Lebensstils immer angekreidet wird.

Im Winter war er gern die schmalen Sandwege entlang gegangen, doch nun fickten und vögelten sich die Jugendlichen wieder das Hirn aus dem Leib.
äh, ficken und vögeln, is das nicht dasselbe? Braucht es diese Verdopplung?

Hat gesagt, dass ich noch mindesten zwanzig Jahre vor mir hab
...mindestens...

Der Stil ist super und der Geschichte angepasst.
Die Pointe klatscht zwar nicht so vors Hirn wie sie könnte, ist aber ok.

Welcome back im SciFi-Eck! ;)

bg, Lems Erbe

 

Hi Hagen,

erstmal willkommen zurück. Muss zugeben, dass ich Deine zuweilen bizarren Ideen schon vermisst habe.

Zur Geschichte: Einer muss ja meckern. Ich fand's öde. Klar, schreiben kannst Du, aber die Idee ... Das ist so typisches Opa-Gewäsch: "Morgen treiben sie es auf der Straße!" Hat mich jetzt nicht so vom Hocker gerissen.
Die "Pointe" ist so unauffällig, dass ich sie gar nicht gefunden habe, bevor mich die Vor-Postings darauf hinwiesen.

Insgesamt Form top, Thema flop.

Sorry für den Verriss,
Naut

 

Hallo Hagen

Ein Gruppe nackter
- Eine

...und deutete mit der Hand auf den (Bank)platz neben Herbert.
- Platz reicht völlig

Mir hat die Geschichte einerseits gefallen, andererseits bleibt nicht viel übrig. Immer und überall, Sodom und Gomorra, verschobene Moralvorstellungen, wirklich nur Utopie oder vorgezogene Wirklichkeit.
Das fand ich ganz witzig angedacht, allerdings wurde durch den öffnenden Peter die Geschichte dann eher langsam ausgeblendet, satt mit einem Knaller beendet.

Nicht, dass eine Kurzgeschichte immer einen Knaller braucht, aber hier hätte ich gerne einen erwartet.

Gruss
dotslash

@Megabjönie
"Schlurp" ist mMn schon ein guturales Geräusch, weiter unten schlurfts.

 

Hi @all

Ja, da fühlt man sich doch gleich wie im Schoß der Familie. Schön, wenn man bei anderen (meist positive) Erinerungen hinterlassen hat. :schiel: :anstoss:


Zur Story ansich:

Ausrede Nr.1:
Die ist schon ein bisschen älter. Aber gestern auf der Suche nach neuen Ideen hab mich mal meinen Fundus durchforstet und diese hier ausgewählt, weil sie mir zumindest vom Schreibstil relativ ausgereift erschien.

Zur Pointe:

Jupp, die ist lahm (was ich bereits zu Beginn des Schreibens ahnte ) und wahrscheinlich nur noch in den nächsten paar Jahren verständlich, bis sich die neuen Moralvorstellungen bezüglich Homosexualität entgültig durchgesetzt haben.

Zu den Fehlern:

Eigentlich hab ich überhaupt keine Lust hier noch mal irgendwelche Arbeit reinzustecken.
Aber da dies unfair gegenüber den fleißigen Kritikern wäre, werd ich wohl zumindest die angemerkten Stellen - denen ich allen durchweg zustimme - ausbessern. Danke für eure Mühe.

Schön mal wieder ein bisschen hier zu sein :shy:

Bis demnächst
Hagen

 

Was heißt hier "bisschen"? *festbind*

(zur Geschichte habt ihr schon alles gesagt, da bleibt ja nichts anderes übrig, als Hagen offtopic zu begrüßen)

 

Hi Hagen,

das endlose FKK-Gelände, dem sich jeder ausliefern muss, ob er will oder nicht.
Das ist schon ärgerlich, zumal es ja auch Gestalten gibt, die besser angezogen durch die Welt laufen ;). Tröstlich für Herbert, dass er nicht in der Karibik wohnt und dieses Theater das ganze Jahr durch mitmachen muss.

Jetzt bin ich schon mal in SciFi und lese so was, tsss...hätte ich eher unter Sonstige vermutet, weil die Thematik ja so unvorstellbar nicht ist.

Das Ende ist wirklich nicht der Renner, da hätte ich gerne etwas Pfiffigeres gelesen. Vielleicht, dass Herbert ehemaliger Pornofilmproduzent ist und nun um die Existenz dieses Genres bangt ;)?

Lieber Gruß
bernadette

 

Hi Hagen,

habe Dich auch schon vermisst (*schluchz*).
Flotte Story, maues Ende. Ausserdem fraglich, ob der Alte sich solch vulgaerer Sprache bedienen wuerde.
Im Uebrigen keine SF, weil die hier auf Lanzarote auch hinter jeder Duene ihrer sexuellen Unrast nachgehen. Ich habe das natuerlich noch nie gemacht (*schamrot werdend*).
Proxi

 

Hallo Hagen!

Eigentlich ganz einfach: Man übertreibt eine Tätigkeit und hat seine Story. Doch: Man muss erst einmal drauf kommen und es so überzeugend, mit einem grummeligen Herbert, darstellen. Interessant ist, wie sich die Sichtweise ändert, sonst sind doch eher die Homos die, die promisk sind.
Manko: Man ahnt den Schluss zu früh und erwartet eher etwas Bizarres, nicht häusliche Realität - obwohl: das ist im Kontext (beinahe) bizarr.

- Pol

 

Hi

@bernadett

Vielleicht, dass Herbert ehemaliger Pornofilmproduzent ist und nun um die Existenz dieses Genres bangt
Das sogar ne gute Idee :thumbsup: Vielleicht (Gaaanz vllt) model ich das ja noch mal um.
Den Rest deines Kommentars entnahm ich, dass dir die Story prinzipiell gefallen hat, nur die Pointe zu lahm daher kam. Falls das richtig ist, dann ertstmal ein Danke fürs Gefallenhaben :D


@Proprox

Flotte Story, maues Ende.
Stimmt wohl, hatte auch überlegt, ob ich den Text überhaupt hier reinstelle. Aber ich hab die konservative(homophobe) Ader in euch wohl überschätzt. Schön, dass wir hier alle schon so modern sind. :D
Im Uebrigen keine SF
Aus meinem Blickwinkel schon, obwohl sich die Story aufgrund ihres Technikmangels und meiner Intention auch als GEsellschaftsatire eigenen würde. Aber ob sie eine gute Satire ist, ist eine ganz andere Frage :D


@Polaris

Interessant ist, wie sich die Sichtweise ändert, sonst sind doch eher die Homos die, die promisk sind.
Jupp, das in etwa wollte ich auch darstellen.
Manko: Man ahnt den Schluss zu früh und erwartet eher etwas Bizarres,
Ich hab geahnt, dass man das ahnt. Aber vorerst (bis eben bei Bernadett) is mir nichts besseres eingefallen.

@ euch drei
Danke für eure Kritiken.

Grüße
Hagen

 

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