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Neues Leben

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22.10.2005
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Trotz der mehrere Millimeter dicken homogen aufgetragenen Schicht pflanzlichen Fettes hatte sich die Handgranate in der Speiseröhre des Professors verkeilt und widersetzte sich äußerst wirkungsvoll den immer heftiger werdenden Schluck- und Würgreflexen. Aus dem Transistorradio am anderen Ende des dämmrigen Kellergewölbes drangen die Klänge des Britney-Spears-Hits „Baby One More Time“, die von den hohen Wänden zurückgeworfen und beinahe bis ins Unerträgliche verstärkt wurden.
Nun endlich würden die revolutionären Thesen, um die der Professor in jahrzehntelangen aufopferungsvollen Studien gerungen hatte, ihre Vollendung und ihre selbst für all die dilettantischen Kollegen, die ihn stets mitleidig belächelt hatten, unwiderlegbare Verifizierung erfahren. Der Professor schloss die Augen, unterdrückte endlich die letzten unnützen Schluckreflexe und streckte seine Arme dem matten Licht der Petroleumlampen entgegen. Gerne hätte er den gerade einsetzenden Refrain, in dem Britney ihre Einsamkeit betrauert und die verlorene große Liebe zurückwünscht, mitgesungen, jedoch schwoll just in diesem Bruchteil einer Sekunde sein Hals auf die doppelte Größe an, während seine Haut und sein Fleisch feine Risse bekamen, schließlich die Spannung zu stark wurde und sein Hals wie eine überreife Wassermelone zerplatzte und auch der Schädelknochen der geballten Wucht der Explosion kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Der Professor spürte, wie sein Bewusstsein sich aufblies und die Grenzen seines Körpers überschritt. Eine tiefe Befriedigung ergriff von ihm Besitz.
In letzter Sekunde hatte sich das Housbast’te Dam mit einem beherzten Sprung hinter einen aus massivem Metall gefertigten umgestürzten Labortisch in Sicherheit gebracht. Der Pop-Song wurde von der Explosion übertönt und hunderte von Knochensplittern und Fleischfetzen prasselten wie Maschinengewehrfeuer gegen die Tischplatte. Ignaz, der noch immer schwer verstümmelt und sein Leben aushauchend auf der Liege festgeschnallt war, hatte weniger Glück und bekam die gesamte Wucht der Explosion zu spüren, was seinen Qualen ein unverhofftes Ende bereitete.
An die Stelle des Knochenstakkatos trat fast augenblicklich ein hochfrequentes Piepen in Housbast’te Dams Ohren, das mehrere Sekunden anhielt. Verwundert erkannte es, dass eine etwas mitgenommen aussehende Pralinenschachtel und seine Schädeldecke neben ihm am Boden lagen. Erst als es sich vergewissert hatte, dass der Tisch alle der tödlichen Knochen- und Granatsplitter abgefangen hatte, stemmte sich das Housbast’te Dam mit seinem einzelnen Arm vom kalten Kellerboden auf. Das Blut, das seine rechte Gesichtshälfte bedeckte, war bereits seit einigen Minuten geronnen. Das Piepen in seinen Ohren klang langsam und gleichmäßig ab und eine vertraute Stimme mischte sich darin. … supposed to know, Oh pretty baby, I shouldn't have let you go. Wie durch ein Wunder war das Radio unversehrt geblieben. Mit einem ausschweifenden Blick über den Tischrand hinweg offenbarte sich ihm, dass der Rest des Kellergewölbes dafür umso mehr in Mitleidenschaft gezogen worden war. In der Mitte des Raumes lag Professor Hubert in einer beständig größer werdenden Lache zerrissenen Fleisches und Blutes. Das gesamte obere Drittel seines Körpers, einschließlich des Kopfes, war nicht mehr da, der Oberkörper ging nach nur wenigen Zentimetern in eine ausgefranste breiige Masse aus Knochen und Fleisch über. Seine Körpersäfte hatten sich hektoliterweise über Wände und Laborgeräte ergossen; Das beständig von den Petroleumlampen herunter tropfende Blut tauchte den Keller nun in einen rötlichen Schein.
Auch die Blutlache unter Ignaz‘ Liege hatte sich beträchtlich vergrößert und das kaum wahrnehmbare Heben und Senken des Brustkorbes war nun vollends erstorben. Das Housbast’te Dam richtete sich zu seiner vollen Größe von knapp drei Fuß auf und schmetterte Britneys Stimme ein verwirrtes „Aught!“ in die Leere des Kellers entgegen. Stinkender Speichel troff aus seinem Mund.


…41 Minuten zuvor…

Der Mond stand voll und rötlich hoch am nächtlichen Himmel. Der Bauer hielt seine Fackel gesenkt und blickte zum Sternenzelt hinauf. Blutmond. Ein gutes Zeichen. Das Blut dieses widerwärtigen Wesens, das mit seiner Existenz die göttliche Schöpfung beleidigte, würde in dieser Nacht noch in Strömen fließen! So dachte der Bärtige bei sich, ermahnte sich jedoch rasch wieder zur Vorsicht. Dieses Monster konnte sich auf einen Hinterhalt lauernd direkt hinter einem der hohen und dunklen Bäume am Rande der Lichtung versteckt haben. Die unvermittelt aufkeimende Furcht dämpfte die rasende Wut und ließ ihn Ausschau nach seinen Gefährten halten. In nordwestlicher Richtung war zwischen den Bäumen der schwache Schein einiger Fackeln auszumachen. Auch drangen von dort drohende Rufe auf die in rotes Mondlicht getauchte Lichtung. Er hatte sich weiter von der Gruppe entfernt als beabsichtigt. Sein Zaudern verdrängend und durch Schürung seiner Wut sich selbst Mut zusprechend, überwand er mit großen Schritten die kurze Distanz bis zum Beginn der finsteren Baumreihen und tauchte wieder in den Schatten des Waldes ein. Der Bauer hielt die Fackel nun hoch und weit vor sich, um die zahlreichen Äste, die ihm den Weg versperrten zur Seite zu biegen. Seine rechte Hand hielt dabei die mit Nägeln verstärke Keule in festem Griff, gefasst darauf jeden Moment auf das Wesen einzuschlagen, sollte es plötzlich hinter einem Baum oder Busch hervortreten.
Nach kurzer Zeit hatte er sich seinen Weg durch die unwegsamen Äste und Dornenbüsche gebahnt und sah seine Gruppe in einer Entfernung von etwa hundert Fuß wieder vor sich. Gerade wollte er ihnen zurufen und auf sich aufmerksam machen, als ein eisiger Windstoß daher wehte und den Bauer in seinem Bestreben inne halten ließ. Ein übelkeitserregender Gestank nach Erbrochenem und uralten Exkrementen stieg dem Mann in die Nase und löste ein plötzliches heftiges Würgen in ihm aus. Er ließ seine Keule und die Fackel fallen, warf sich auf den Waldboden und erbrach sein Abendessen.
Nachdem die Schmerzen in seinem Magen abgeklungen waren, sah der Bärtige auf und bemerkte den Schatten, der vor ihm auf den Boden geworfen wurde. Es war nicht sein eigener. Vor Angst gelähmt und den Blick weiterhin auf sein Gegenüber gerichtet, tastete er nach der fallen gelassenen Keule, hatte jedoch keinen Erfolg. Das ekelerregende Wesen, das zu richten sie alle ausgezogen waren, stand direkt zwischen ihm und seinen Gefährten, deren Fackelschein den unnatürlichen deformierten Umriss des Monsters auf den Waldboden geworfen hatten. In seiner geradezu absurden Hässlichkeit und dem Jauchegestank, den es verströmte, hatte es die gottesfürchtigen und gutherzigen Bewohner Gertreserts tödlich beleidigt. Der einzige Arm der Kreatur hing schlaff und krumm an der linken Seite der schiefen Gestalt herab und wirkte als habe er ein Gelenk zu fiel. Die Augen saßen schief im kartoffelförmigen, warzenübersäten Gesicht und aus dem verzerrten zahnlosen Mund troff ein stetiger stinkender Speichelfluss auf den feuchten Waldboden.
Das Housbast’te Dam beugte sich zu dem vor Ekel und Angst verzerrten bärtigen Antlitz herab und sagte: „Aught!“. Feine Speichelfäden landeten dabei auf dessen Gesicht, was ihn zu einem markerschütternden Hilfeschrei veranlasste.
Die zwölfköpfige Gruppe, die bisher nichts von dem Zusammentreffen ihres Kumpans mit dem Gesuchten mitbekommen hatte, schwenkte ihre Fackeln in Richtung des Schreis und erkannte sofort, was geschehen war. „Der Gotteslästerliche! Er bedroht Manfred! So rettet ihn doch!“, schall der kratzige Ausruf eines alten mit einer Mistgabel bewaffneten Weibes durch den Wald. Augenblicklich warf ein anderer der Zwölfe seine Fackel fort und spannte die Armbrust, die er bis eben noch auf den Rücken geschnallt hatte. Einen Herzschlag später durchschlug auch schon ein Bolzen das rechte weit abstehende Ohr des Housbast’te Dam und blieb mit einem hölzernen Aufschlag in dem dicken Stamm einer alten Buche stecken. Qualvoll schreiend presste es sich die Hand auf die Wunde, aus der sofort Blut hervorquoll und sein Gesicht herabfloss. Ohne einen weiteren Gedanken an diese verwirrende Situation zu verschwenden, allein von seinem Überlebensinstinkt getrieben, humpelte das Wesen in die finsteren Tiefen des Waldes davon. Die Verfolger verloren keine Zeit, sondern setzen dem Gejagten nach. Der immer noch am Boden kauernde Bärtige wurde barsch auf die Beine gezerrt. „Manfred, du Tölpel! Hättest du besonnener gehandelt, so wäre diese Missgeburt jetzt bereits wieder mit ihrem unsäglichen Schöpfer vereint!“ Der Angesprochene blickte betreten zu Boden, wischte sich das Erbrochene aus den Mundwinkeln und hastete seinen davoneilenden mistgabel- und keulenschwingenden Gefährten hinterher.


…11 Minuten später…

...schon mit dem nächsten Party-Hit in der Startlöchern! Die „Kolibris“ heizen euch da draußen jetzt mal so richtig ein!
Ignaz scharrte verlegen mit den Füßen, während er den Professor bei seinen Studien beobachtete. Wie würde der Master wohl seine amourösen Bekundungen aufnehmen? Hätte er vielleicht nicht doch besser die Marzipanpralinen wählen sollen? Doch seinem bescheidenen Wissen nach gab es eine beachtliche Menge von Menschen, die mit Marzipan absolut nichts anfangen konnten, er selbst zählte sich ebenfalls dazu. Doch was hätte Ignaz nicht alles für einen einzigen kurzen Moment der Freude auf dem Gesicht des Masters, ein flüchtiges kurzes Lächeln oder auch nur eine einzige liebevolle Zuwendung gegeben.
Doch Ignaz‘ Herr und Meister war ein schrecklicher Mensch. Besessen von wahnwitzigen Experimenten, von denen Ignaz zwar nicht das Geringste verstand, bei denen er jedoch bereitwillig seine Hilfe anbot und zerfressen von einer lodernden Wut, in der ausnahmslos jeder bis auf Ignaz blanken Wahn erkennen konnte, gelüstete es dem Master in letzter Zeit fast täglich danach, seinen Bottom qualvollen und demütigenden Misshandlungen auszusetzen. Allein darum, Ignaz‘ ohnehin fast nicht mehr vorhandenen eigenen Willen zu brechen, ging es schon seit langer Zeit nicht mehr, die reine Befriedigung seiner sadistischen Triebe waren die Motive des Masters. Doch offengestanden war Ignaz viel zu dumm und hatte durch die anhaltenden Misshandlungen wahrscheinlich schon den ein oder anderen neuronalen Schaden erlitten, um das zu verstehen.
Und so missverstand der kurzgewachsene glatzköpfige Mann das lustige Komm lasst uns fröhlich sein! das gerade aus dem alten Radio dudelte als einen wohlwollenden Wink des Schicksals, dass es eine wirklich ganz tolle Idee sei, das Verhältnis zwischen ihm und seinem Master mit einer Schachtel Krokantpralinen mit Edelbitterschokoladenüberzug wieder neu aufleben zu lassen.
Professor Hubert stand über den Operationstisch gebeugt und widmete seine volle Aufmerksamkeit der in Kürze bevorstehenden Vollendung seiner neusten Kreation. Gerade vernähte er die Muskelstränge des rechten Oberschenkels mit dem Becken des nackten, aus einzelnen Körperteilen von diversen Personen zusammengesetzten Giganten. Die zahlreichen Nähte, die sich an Handgelenken, Schultern, Hals und unzähligen weiteren Stellen offenbarten, sowie die teils sehr unterschiedlichen Proportionen und Hauttöne der einzelnen Teile, ließen den Leichnam wie einen von einem berauschten Dadaisten bunt zusammengewürfelten Flickenteppich erscheinen. Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Alois Cornelius Theodor Hubert war jedoch kein Dadaist, sondern hatte sich voll und ganz den nüchternen und unmissverständlichen Prinzipien der Naturwissenschaften verschrieben. Und so war die absurde Gestalt seiner Kreation weder auf Willkür noch auf Nachlässigkeit zurückzuführen, sondern als Zeugnis eines alles und jeden seinem praktischen Nutzen unterordnenden Wissenschaftsgeistes anzusehen.
Unversehens wurde der Professor jedoch von seiner Tätigkeit unterbrochen, als sein kleinwüchsiger und krummrückiger Sklave von hinten an seinem mit zahlreichen Blutflecken beschmierten, einstmals weißen Laborkittel zupfte. „Meister! Meister! Ignaz hat Brokorant-Branilen für dich!“ Professor Hubert hielt inne, ging für einen Moment in sich, atmete seufzend aus und drehte sich zu Ignaz herum. Der hielt ihm die Schachtel mit strahlenden Augen entgegengestreckt, und wartete darauf, dass sich die Mundwinkel seines Masters zu einem winzigen wohlwollenden Lächeln anheben würden. Als hätte sein Schöpfer in seiner unermesslichen Gnade sein stummes Flehen erhört, entsprach der Professor Ignaz‘ Wunsch. Er hielt sich nicht einmal zurück, sondern zauberte ein unerwartet breites und einladendes Lächeln in sein sonst meist zorniges Antlitz. Gerührt nahm er die Schachtel entgegen, seinen Blick dabei ununterbrochen auf seinem Sklaven ruhend. Ignaz konnte seine in ihm herauf strahlende Freude nur schwer zurückhalten. Endlich hatte der Master ihm nichtswürdigen Geschöpf ein Zeichen der Sympathie gesandt. Es war der schönste Moment, den Ignaz in seinem Leben bisher miterleben durfte. Er hielt jedoch zum Leidwesen Ignaz‘ nur für wenige Augenblicke an.
Im Bruchteil einer Sekunde fiel die Freundlichkeit vom Gesicht Professor Huberts ab, er fletschte seine Zähne und seine Gesichtszüge nahmen das Aussehen eines tollwütigen Braunbären an. Die Schachtel mit den Krokantpralinen wurde mit Wucht gegen eine nahe Wand geschleudert und ehe Ignaz begriff, wie ihm geschah, wurde er auch schon vom einem heftigen Tritt in den Magen zu Boden gestreckt. Mit den Händen sein Gesicht beschützend und um Gnade winselnd spürte er, wie der Professor unablässig mit aller Kraft und teilweise unter Zuhilfenahme einer Rohrzange auf ihn eintrat und schlug. Als Ignaz kurz davor war, sein Bewusstsein zu verlieren, ließ Hubert von dem blutenden Fleischbündel zu seinen Füßen ab, zerrte es zu einer der freien Untersuchungsliegen, wuchtete es herauf und schnallte es mit Lederriemen an Hand- und Fußgelenken fest. Das Gebrüll, das aus dem irren wutverzerrten Gesicht Professor Huberts drang, hallte an den hohen Kellerwänden. „Ich habe mich immer bemüht, dein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten, habe all die Jahre lang deine Dummheit und deine Nichtswürdigkeit ertragen müssen, und so dankst du es mir?! SO!!!???“ Wie von Sinnen prügelte er auf das Gesicht des hilflos festgeschnallten Ignaz ein.
Nachdem er völlig außer Puste war, hielt Professor Hubert inne und verschwand für einen kurzen Moment aus Ignaz‘ mittlerweile stark eingeschränkten und blutverschmierten Blickfeld. Durch das dumpfe Pochen in seinem Kopf hörte er, wie einer der Schränke im Labor geöffnet und etwas Schweres herausgezogen wurde. Kurze Zeit später trat der Professor wieder neben die Liege und hielt Ignaz eine riesige Kreissäge vor sein Gesicht. Inzwischen wieder ein wenig gefasster sagte der Professor: „Ich habe es weiß Gott im Guten versucht. Aber nun müssen wir leider zur nächsten Stufe schreiten.“
Professor Hubert sah sich selbst als äußerst gefassten und rationalen Menschen an. Aber alles hatte seine Grenzen. In den Schlagerhit aus dem Radio und das Kreischen der Säge mischten sich daher alsbald qualvolle menschliche Schreie als das Sägeblatt in Ignaz‘ rechten Oberarm eindrang.


…2 Minuten später…

Verwirrt und desorientiert blickte sich das Housbast’te Dam in dem dunklen Gemäuer um. Der breite und hohe Gang hatte es von dem überdimensionierten hölzernen Eingangstor in einen großen steineren Saal geführt, von dem aus insgesamt fünf etwas kleinere Gänge in verschiedene Richtungen führten. Durch die beiden hohen verglasten Fenster an der gegenüberliegenden Wand fiel mattes Mondlicht in den dunklen Saal. Hoch über seinem Haupt konnte das Housbast’te Dam einen mehrere Schritt durchmessenden, einst sicherlich sehr prunkvollen Leuchter erkennen. Nun jedoch waren trotz der großen Höhe und des Zwielichts die dicken Spinnenweben zwischen den einzelnen Ausläufern des Leuchters zu sehen.
Vorerst schien das Housbast’te Dam seinen Verfolgern entkommen zu sein. Auf seiner zunächst wenig erfolgsversprechenden Flucht hatte es zwischen den finsteren Baumreihen plötzlich eine aus schwarzem Stein gemauerte Wand erspäht, die sich bei genauerer Betrachtung als Teil einer gewaltigen, mitten im Wald erbauten burgähnlichen Anlage erwies. Rasch war es dem Verlauf der Wand gefolgt, bis es schließlich zu dem hölzernen Eingangstor gelangt war, das anscheinenden erbaut worden war, um auch mehrere Schritt messenden Riesen einen mühelosen Einlass in die Burg zu gewährleisten. Seltsamerweise war das Tor nicht verriegelt gewesen und so hatte sich das Housbast’te Dam mit seinem Arm dagegengestemmt und es nach minutenlanger Aufbringung all seiner körperlichen Leistungsfähigkeit schließlich einen Spalt weit öffnen und in das dunkle Gemäuer hineinschlüpfen können.
Es wusste nicht, ob es seine mit Mistgabeln und Armbrüsten bewaffneten Verfolger endgültig abgeschüttelt hatte, oder ob sie seine Fährte aufnehmen und ihm hierhin folgen würden, dennoch sah es es als eine gute Idee an, tiefer in die Burg vorzudringen und in einem sicheren Versteck auf den Anbruch des nächten Morgens zu warten. Mit seiner einen Hand wischte sich das Housbast’te Dam das langsam gerinnende Blut aus seinem durchschossenen Ohr vom Gesicht und überlegte, welchen der fünf vor ihm liegenden Gänge es einschlagen sollte, was keine leichte Entscheidung darstellte. Aus allen Gängen drang lediglich vollkommene Schwärze und Stille in den Saal hinein. Trotzdem schritt das Housbast’te Dam alle fünf Gangöffnungen ab und entschied sich nach reiflicher Überlegung für den zweiten Gang von rechts, da es der einzige war, in dem Treppenstufen steil in die Tiefe hinab führten. In einem dunklen Keller sollte es den mordlüsternen Verfolgern schwer fallen es aufzuspüren und zudem mochte das Housbast’te Dam den modrigen Geruch, der aus der Tiefe empordrang.
Begeistert ob seiner schnellen Entscheidung, stieß es ein wohlwollendes „Aught!“ aus der warzigen Mundöffnung hervor, das von einigen stinkenden Speicheltropfen begleitet wurde. Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend stieg das Housbast’te Dam die Treppe in die völlige Dunkelheit hinab.
Nach einigen Minuten waren die Treppenstufen zu Ende und es tastete sich langsam an einer Wand entlang weiter vorwärts, erfühlte mehrere Türen, die jedoch allesamt verschlossen waren. Hinter einer Biegung erschien plötzlich ein schwaches Licht am Ende des Ganges. Begeistert und jede Gefahr vergessend humpelte das Housbast’te Dam der Lichtquelle entgegen und vernahm nach wenigen Schritten ein leises Wimmern sowie ein weiteres nicht eindeutig bestimmbares Geräusch. Nach einigen weiteren Schritten, als es bereits die halbe Distanz zur Lichtquelle überbrückt hatte und nun auch erkennen konnte, dass die Helligkeit aus einer offenstehenden Türe an der rechten Gangwand drang , wurde ihm unvermittelt klar, was das zweite unbekannte, nun jedoch klar zu vernehmende Geräusch war: Musik! Schwachsinnig erheitert auflachend und seinen Speichel auf Wände und Boden versprühend eilte es zu der offenen Kellertür.


…zur selben Zeit…

„I believe I can fly. I believe I can touch the sky.”, sang der Professor leise den Pop-Song, der gerade im Radio lief fröhlich mit, während er das letzte abgetrennte Bein zu den übrigen Gliedmaßen in eine blaue Plastiktüte steckte. Seine neueste Kreation besaß schon eine ausreichende Anzahl von Armen und Beinen, zudem wären die Gliedmaßen seines kleinwüchsigen Sklaven ohnehin viel zu mickrig gewesen. Obwohl… ein zusätzliches Paar kleiner Arme auf der Brust des Wesens, oder ein Bein, direkt an der Stirn, das wäre bestimmt erheiternd. Professor Hubert ließ sich zu einem kurzen Kichern verleiten, bevor er wieder ernst wurde. Das waren natürlich nur scherzhaft gemeinte Gedankenspiele, einen unmittelbaren Nutzen brächten derartige Erweiterungen seiner Kreation nämlich nicht mit sich und schieden daher selbstredend aus.
Da er die Arm- und Beinstümpfe von Ignaz sorgsam abgebunden hatte, und er daher nicht allzu viel Blut verloren hatte, war er noch immer am Leben. Zwar war Ignaz nun in Ermangelung von Armen und Beinen nicht mehr festgeschnallt, rührte sich jedoch ohnehin kaum noch. Seine Schreie waren nach dem zweiten Arm in ein Wimmern übergegangen, das nun ebenfalls fast verstummt war. Professor Hubert wollte nicht, dass Ignaz starb. Nicht solange er noch die schwachsinnige wabbelige Hirnmasse in seinem Schädel trug, die der Professor haben wollte. Das war es nämlich, was seine Kreation zu ihrer Vollendung noch benötigte.
Als der blaue Sack zugeschnürt und weggestellt worden war, trat Professor Hubert wieder zu Ignaz‘ Torso heran und erhob abermals die Kreissäge. „I think about it every night and day. Spread my wings and fly away.”, verkündete er synchron zur Stimme von R. Kelly, warf die Säge an und näherte sie Ignaz’ geschwollenem Gesicht.
Als das Sägeblatt gerade heran war, Ignaz‘ Schädeldecke zu berühren, hielt der Professor jedoch jäh inne, als er etwas aus den Augenwinkeln heraus im Eingang des Kellers erblickte. Er schaltete die Kreissäge aus und blickte mit aufgerissenen Augen zur Kellertür. Dort stand ein schiefes kleines, offenbar zu großen Teilen aus Warzen bestehendes einarmiges Etwas. Obwohl mehrere Schritt Entfernung zwischen dem Wesen und Professor Hubert lagen, stieg ihm augenblicklich der kotartige Geruch, den das Wesen verströmte in die Nase und ließ ihn heftig nach Luft schnappen.
Das Housbast’te Dam hörte die Musik nun klar und deutlich und kicherte dümmlich. Der seltsame Mann in dem blutverschmierten Kittel und dem wirr abstehenden rot-grauen Haarkranz stand mit einer Säge in der Hand über eine Liege gebeugt auf der ein kleiner vollkommen amputierter zweiter Mann von etwa Housbast’te Dams Größe lag. Der Mann starrte zunächst entsetzt, dann angeekelt und schließlich einladend zu dem Neuankömmling herüber.
„Einen schönen guten Abend! Mein Name ist Professor Doktor Hubert. Komm doch näher.“ Misstrauisch beäugte das Housbast’te Dam den seltsamen Mann und hegte auf Grund des wenig Vertrauen erweckenden Erscheinungsbildes seines Gegenübers und der seltsamen Situation an sich ernsthafte Zweifel an dessen Wohlwollen ihm gegenüber. Es verlieh seinen Gefühlen durch ein fragendes „Aught?“ Nachdruck.
Keine weitere Sekunde verschwendend ließ der Professor von Ignaz ab und näherte sich vorsichtig dem Housbast’te Dam. Er versicherte ihm wiederholt, dass es keine Angst vor ihm haben müsse, da er ihm lediglich das Gehirn extrahieren und ihm sonst keinerlei Schaden zufügen wolle. Nicht um die Bedeutung des Wortes „Gehirn“ wissend und nach anfänglichem Zögern der freundlichen Stimme Glauben schenkend, legte sich das Housbast’te Dam bereitwillig auf eine Liege, die nur wenige Meter von der des Verstümmelten entfernt stand, und ließ sich seine Beine und seinen Arm mit Lederriemen festschnallen. Da sein rechtes Bein bedeutend kürzer war das Linke (was auch einer der zahlreichen Gründe für sein anhaltendes Humpeln war), gestaltete sich dies für den Professor schwerer als zunächst erhofft, war jedoch dank der gewissenhaften Zielstrebigkeit mit der er vor ging und das Tatsache, dass das kürzere Bein letztendlich einfach ausgekugelt wurde kein bleibendes Hindernis. Da es für den Professor dabei unumgänglich war, sich dem missgestalteten Wesen, das in seiner Absurdität seinen eigenen bisherigen missproportionierten Kreationen ernsthafte Konkurrenz machte, bis auf wenige Zentimeter zu nähern und den eigentümlichen Gestank einzuatmen, übergab er sich währenddessen mehrmals, was ihn jedoch nur noch mehr anspornte, es rasch hinter sich zu bringen.
Als das Housbast’te Dam endlich festgeschnallt und in freudiger Erwartung auf die Überraschung, die nun nicht mehr lange auf sich warten lassen konnte seinen Speichel verströmte, trat der Professor, nun wieder mit der Kreissäge in Händen und einer Wäscheklammer auf der Nase, zu den Klängen von „Rivers of Babylon“, die Boney M. im Radio gerade zum Besten gab an es heran und entfernte ohne weitere Umschweife in wenigen Minuten seine komplette warzige Schädeldecke, die mit einem Klappern zu Boden fiel, das an zwei gegeneinandergeschlagene Kokosnusshälften erinnerte. Verwundert ließ der Professor die Säge sinken, starrte in den offenen Schädel hinein und erblickte… nichts. Unglauben und Verwirrung in den Augen war Professor Hubert für einige Sekunden wie erstarrt bevor er seinen Blick von dem leeren Loch des Schädels zum Gesicht des Wesens wandte. Es lächelte! Es lächelte tatsächlich als wäre überhaupt nichts passiert! Schließlich drangen noch mehrere unverständliche Worte aus dem schiefen Mund, die sich in etwa wie „Aught!“ anhörten.
Wie bereits mehrmals betont war Professor Alois Hubert ein Mann der Wissenschaft, ein Mensch der rationalen Gesetzen folgte und mit seinen ambitionierten Forschungen die Lebensqualität aller Menschen auf seinem Planeten nachhaltig verbessern wollte. Und genau diesem Naturell war es zuzuschreiben, dass ihn sein nüchterner Verstand nun wieder zu dem Schrank zurück drängte, aus dem er vormals schon die Kreissäge hervorgeholt hatte. Diesmal jedoch hielt er nach kurzem Durchstöbern des angesammelten Plunders ein braunes Holzkästchen in der Hand, das er vor sich auf einem Tisch abstellte. Die Mundwinkel zu einem unterdrückten Kichern verziehend, wurde das Kästchen geöffnet. Fein säuberlich, wie die Utensilien in einem Verbandskasten, lagen eine Paranuss, ein Becher fettreduzierte Diätmargarine und eine Handgranate nebeneinander in der Box. Zielstrebig griff der Professor zuerst nach dem Becher, öffnete ihn und bestrich die braune Paranuss mit Margarine. Nachdem er noch einmal tief durchgeatmet hatte, schob er sich die kleine eingefettete Nuss in den Mund und würgte sie hinunter. Professor Hubert war sehr zufrieden. Die Nuss war ohne größeren Widerstand seine Speiseröhre hinab gerutscht. Nun würde doch noch alles gut werden.
Das Housbast’te Dam hatte derweil seine Fesseln zerbissen und sich neben der Liege aufgerichtet um die seltsamen Vorgänge, die hier von Statten gingen, besser beobachten zu können. So sah es nun auch, wie der rätselhafte Mann im Kittel eine dem Housbast’te Dam ebenso rätselhafte Metallkugel mit Margarine einrieb, einen kleinen Ring abzog und sich die Kugel in den Mund steckte. Im Radio begann gerade ein Popsong von Britney Spears.


…3 Minuten später…

Wie es das Schicksal nun einmal so wollte, waren einige der zahllosen Knochen-, Fleisch- und eben auch Gehirnstückchen in den geöffneten Schädel der Hubert’schen Kreation – auf die wir uns im Folgenden der Einfachheit halber als „Monster“ beziehen werden – geschleudert worden. Und so kam es in diesem Moment zur Vollendung des Monsters, mit der zu diesem Zeitpunkt niemand mehr gerechnet hatte, da diejenigen, die überhaupt damit hätten rechnen können bereits von ihren irdischen Fesseln gefreit worden waren und denjenigen die dies nicht konnten, die Existenz eines Monsters, das seiner Vollendung entgegen strebte, ohnehin gänzlich unbekannt war. So zeigte sich das Housbast’te Dam abermals sehr verblüfft, als der aus Leichenteilen zusammengestückelte, nun blutbespritzte Gigant sich unvermittelt von seinem Tisch erhob, die Arme der letzten Geste seines Schöpfers folgend zur bluttriefenden Decke des Kellers ausstreckte und verkündete: „Ich bin ein ganz besond'rer Mann, der mit dem Arschloch essen kann!“
Ratlosigkeit aber auch ein Hauch natürlicher Sympathie für sein Gegenüber zeichneten sich auf dem verkrüppelten Gesicht des Housbast’te Dam ab. Das Monster verharrte einige Sekunden in seiner Pose, während es durch angestrengtes Nachdenken versuchte, hinter den ihm nicht mehr ersichtlichen Sinn von dem zu kommen, was es gerade gesagt hatte. Nachdem eine weitere Minute verstrichen war, resignierte das Monster und verbuchte seinen Ausruf als eine Art unartikulierten Geburtsschrei, gleich dem eines Kindes, das der Geborgenheit des Mutterleibs entrissen wird und seinem Unmut durch plärrendes Gequengel Luft macht. Nur dass das Gequengel des Monsters eben rein zufällig einer etwas anstößigen doch, wie es erkannt hatte, völlig sinnfreien Äußerung ähnelte. Als es sich nun zu dieser Erkenntnis durchgerungen hatte, fiel ihm als nächstes auf, dass es genauso wie der gesamte Raum über und über mit Blut bedeckt war. Ob dieser Tatsache wurde das Monster plötzlich sehr traurig und hatte Mühe, seine Tränen zurückzuhalten.
Unerwartet stand jedoch nur wenige Momente später ein kleines schiefes Männchen mit nur einem Arm neben ihm, sah aus seinen verschwommenen kleinen Augen zu ihm hinauf und stieß ein von starkem Speichelfluss begleitetes tröstliches „Aught!“ zu ihm hinauf.
Jäh versiegten die Tränen. Dankbar schluchzend beugte sich das Monster herab und schloss das Housbast’te Dam in seine riesigen Arme. Die Szenerie wirkte, als würde ein Basketballspieler ein kleines Kind umarmen, wobei beider Köpfe die Form halbierter Melonen hatten, die eine warzig, klein und leer, die andere groß und mit Fleisch- und Gehirnfetzen angefüllt.
Nachdem sich das Monster wieder ein wenig gefasst hatte, fragte es nach den offensichtlich recht ungewöhnlichen Umständen seiner Geburt, wobei ihm das Housbast’te Dam bereitwillig Auskunft erteilte. Auch wenn viele Dinge, wie auch der Gesamtzusammenhang der Ereignisse ihm nach wie vor ein Rätsel waren, so schienen seine Erklärungen das Monster doch alles in allem zufrieden zu stellen, da es sich die Dinge, auf die das Housbast’te Dam keine oder nur sehr vage Antworten zu geben wusste, aus den übrigen Ereignissen weitestgehend selbst zusammenreimen konnte.
Zwischenzeitlich hatten die beiden die zerquetschte Pralinenschachtel vom Boden aufgehoben, in der Blutlache, die sich um die Überreste des Professors gebildet hatte, Platz genommen und die Krokantpralinen genossen. So im roten Licht der blutbespritzen Petroleumlampen kauernd vergingen zunächst Minuten, dann Stunden. Als der Gesprächsstoff über die Vorgänge in der Burg und Housbast’te Dams Auftauchen erschöpft war, fuhren die beiden fort, sich gegenseitig fesselnde, jedoch allesamt frei erfundene Geschichten von den Königen ferner Reiche, mutigen Rittern und Prinzessinnen, die von den erwähnten Rittern meist aus den Klauen blutrünstiger Drachen befreit werden mussten, zu erzählen. Das Housbast’te Dam und das Monster hatten den Schilderungen des jeweils anderen so fasziniert und konzentriert gelauscht, dass die Nacht unbemerkt verstrichen war und bereits der neue Morgen heraufdämmerte. Das Monster war gerade am Ende seiner letzten Geschichte angelangt, der rechtmäßige Thronfolger hatte den Tyrannen vertrieben und die heimtückische Ermordung seines Bruders gerächt, als das Monster plötzlich ungewohnt schwermütig verstummte. Nachdem das Housbast’te Dam es eine Weile schweigend gemustert hatte, erklärte es, dass ihm in den vergangenen Stunden und durch die Schilderungen seines neuen Freundes – denn das waren die beiden in dieser Nacht geworden – klar geworden sei, dass die Menschen ein Wesen wie es eines sei niemals würden akzeptieren können, es sein Leben lang gejagt und gehetzt werden würde und stets mit der Angst zurechtkommen müsse, den morgigen Tag nicht mehr zu erleben.
Die Aussicht auf ein solches Leben erscheine ihm wenig reizvoll, wie könne er jemals die Verantwortung dafür übernehmen, sich ein Weib zur Frau zu nehmen und Kinder in die Welt zu setzen, wenn die Gefahr – nein, vielmehr die Gewissheit – bestünde, dass auch sie ihr Leben lang Ausgestoßene und Gejagte sein würden? Von derartigen Fragen geplagt war das Monster zu der Entscheidung gelangt, dass es das Beste sei, den Menschen keinen Anlass zu solchem Handeln zu geben und auch niemanden in seiner Nähe unnötigen Gefahren auszusetzen. Kurz: Das Monster wollte dem Beispiel seines Schöpfers folgen, der wohl ebenfalls von vielen belächelt und von nicht unwesentlich weniger vielen ebenso verachtet worden war.
Und so erhob sich das Monster schweren Herzens aus der Blutlache und ließ seinen Blick noch ein letztes Mal über die leere Pralinenschachtel zu seinem Freund Housbast’te Dam schweifen. Es versteht mich und ich verstehe es, doch trotz allem sind wir verschieden, dachte es sich, als es abermals die Leere in Housbast’te Dams aufgeschnittenem Schädel erblickte. Mit dem Hinweis, dass es ihm von Herzen alles erdenklich Gute für seine weitere Zukunft wünsche, trat das Monster zu dem Schrank, aus dem der Professor das Holzkästchen geholt hatte. Selbstverständlich gab es ein zweites Kästchen. Und selbstverständlich enthielt auch dieses zweite Kästchen eine Paranuss, einen Becher Margarine und eine Handgranate. Mit dicken Tränen in den Augen und zum gerade einsetzenden „Thank you for the Music“, das vom Radio zu ihm hinüberscholl, dem Ritual des Professors nacheifernd, machte sich das Monster abermals klar, wie viel Leid es durch seine Handlungen von dem Housbast’te Dam und vielen anderen, die das Pech haben würden, ihm über den Weg zu laufen, abwenden konnte. Und so war das Monster auch nicht traurig, als die Wucht der Explosion seinen Schädel zerriss, sondern dankbar, dass es ihm, obwohl es doch nicht einmal einen halben Tag lang gelebt hatte, vergönnt gewesen war, zu erfahren, was es bedeutete, in dieser trostlosen Welt so etwas wie einen wahren Freund zu haben.
Das Housbast’te Dam hatte sich vor der Explosion hinter dem selben Tisch in Sicherheit gebracht wie schon zuvor. Wieder hagelten Knochen, Fleisch und Gedärm in den Keller nieder, wieder hallte die Explosion lange nach und wieder ergoss sich das Blut über die Wände und von dem Monster blieb ein ähnlich verunstalteter Fleischklumpen wie von Professor Hubert zurück. Als es vorüber war, war das Housbast’te Dam wieder allein. Sogar der ABBA-Song aus dem Transistorradio, das allen bisherigen Widrigkeiten zu trotzen gewusst hatte, war auf seinem Höhepunkt endgültig verstummt.
Da nun niemand mehr da war, wusste das Housbast’te Dam nicht, was es tun sollte. Es hatte Spaß gemacht, sich mit seinem neuen Freund Geschichten zu erzählen. Ob auch die Leute aus Gertresert, die ihn verfolgt hatten, Geschichten mochten? Es war sich nicht sicher, ob es das Wagnis eingehen sollte, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Die schwierige Entscheidung wurde dem Housbast’te Dam jedoch unverhofft abgenommen, als die brüllende Meute der Verfolger mit gezückten Mistgabeln und Nagelkeulen plötzlich in den Keller einfiel.
Nachdem sich die dreizehn Eindringlinge vom unerwarteten Anblick des Blutbades, das im Keller stattgefunden hatte, erholt hatten, wurden augenblicklich alle vier Armbrüste, mit denen die Gruppe ausgestattet war, auf das Housbast’te Dam gerichtet. Derjenige, der dem Housbast’te Dam vor einigen Stunden im Wald in die Arme – bzw. den Arm – gelaufen war, hielt sich eher bedeckt im Hintergrund und überließ es seinen Gefährten, über die Kreatur zu richten. Indem sie der Spur aus stinkender Spucke gefolgt waren, die das Housbast’te Dam kontinuierlich aus seinem Mund absonderte, war es ihnen schließlich gelungen, es bis hierher verfolgen können. Die Bauernhorde hatte sich schnell darauf verständigt, dass das Housbast’te Dam zweifellos für das Massaker verantwortlich sein musste, dem neben mindestens zwei weiteren Personen auch der von den Dorfbewohnern zwar eher gemiedene und als verrückt verschriene Professor Hubert anheim gefallen war, wie man an den zahlreichen blutigen Fetzen des weißen Laborkittels unschwer erkennen konnte. Doch eine solche Behandlung hätte selbst der sonderliche Wissenschaftler nicht verdient, wurde man sich einig. Nicht einmal den armen Gehilfen hatte diese Bestie verschont, sondern ihm wie ein wildes Tier alle Gliedmaßen abgebissen! Die Wut, die die Meute dem Housbast’te Dam entgegenbrachte, hatte sich daher bis fast ins Unermessliche gesteigert und drohte jede Sekunde zu explodieren. Der Anführer trat mit vor Zorn verzerrten Gesichtszügen vor und deutete mit seiner Mistgabel auf die krüppelige Kreatur, die den Ausführungen interessiert lauschte.
„Gotteslästerlicher! Von den dunklen Mächten als ihr Vollstrecker erwählt, hast du mit deiner Existenz die makellose Schöpfung unseres Herrn beschmutzt. Der teuflische Wahn, der in dir lodert hat dich diese guten und aufrichtigen Menschen hier auf bestialische Weise in Stücke reißen lassen. Für deine schändlichen Vergehen verurteile ich dich nun zum Tode!“
Die Antwort die der nach seiner Schreiorgie nach Luft schnappende Mann erhielt, entsprach nicht seinen Erwartungen – er hätte es genossen, wenn sein Gegenüber vor ihm auf die Knie gefallen wäre und um Gnade gewinselt hätte, bevor er und seine Kumpane es in Stücke getreten und geschlagen hätten – sondern fiel mit dem selbstbewusst hervor gebellten „Aught!“ seitens des Housbast’te Dam eher kurz und provokant aus. Das erboste den Bauer auch so sehr, dass er nicht mehr an sich halten konnte, sondern der Frau, die links hinter ihm stand, schroff die gespannte Armbrust aus den Händen riss, um seiner vollmundigen Drohung sogleich Taten folgen zu lassen. Ungestüm nahm er das Housbast’te Dam ins Visier und schoss.
Mit einem Reflex, den niemand der humpelnden Kreatur zugetraut hatte, warf sich das Housbast’te Dam zu Boden; der Bolzen zischte etwa einen halben Fuß über seinen Kopf hinweg und schlug in ein Pult mit zahlreichen Monitoren, Knöpfen und Schaltelementen am anderen Ende des Kellers ein, was einige Drehspiegelleuchten über dem Pult, von einem zeitgleich einsetzenden ohrenbetäubenden Sirenenheulen begleitet, grün aufleuchten ließ.
Was nun wirklich niemand der Anwesenden – die unfreundlichen und weltfremden Bauern aus dem nahen Dorf ebenso wenig wie das Housbast’te Dam – hatte wissen können, war, dass Professor Hubert sich nicht allein der Erschaffung neuen Lebens aus kalten toten Zellen, die er sich vorwiegend bei nächtlichen Auspflügen auf nahegelegene Friedhöfe beschaffte, verschrieben hatte, sondern darüber hinaus auch bedeutende Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Stringtheorie geleistet hatte. Im Rahmen seines Bestrebens, Quantenfeldtheorie und Gravitation in einem neuen Konzept, einer Quantengravitationstheorie, zu vereinen, hatte er unter anderem einen Teilchenbeschleuniger im Umfeld seiner Burg errichten lassen, zu dem ein etwa 32 Kilometer langer ellipsenförmiger Tunnel gehörte. In genau diesem Tunnel prallten etwa sieben Nanosekunden später bei Kilometer 14,81 zwei gegenläufig von zahlreichen Hohlraumresonatoren auf eine Geschwindigkeit von je annähernd dreihunderttausend Kilometern pro Sekunde beschleunigte Protonen frontal aufeinander. Als Folge dieses ungewollt initiierten Zusammenpralls wurde eines der Protonen so stark komprimiert, dass es seinen Schwarzschildradius unterschritt und die Erde innerhalb weniger Augenblicke von dem entstandenen Schwarzen Loch in sich aufgenommen wurde. Wenige Minuten danach wurde auch die Sonne verschluckt.
Als einige Zeit später wieder Ruhe und Normalität eingekehrt waren, gab es leider niemanden mehr, der die nun folgenden Vorgänge hätte beobachten und einer zweiten, ebenfalls nicht mehr vorhandenen Person hätte mitteilen können. Um den geneigten Leser jedoch nicht unnötig auf die Folter zu spannen und ihm dieses Geheimnis nicht vorenthalten zu müssen, sei es an dieser Stelle offenbart: Es entstand Nuklearhacketee.

 

Es ist nicht leicht, diesen Text zu Ende zu lesen.
Irgendwie drängt sich mir der Verdacht auf, dass ihn zwei Personen geschrieben haben und er dann zusammengefügt wurde.
Viele Sätze sind einfach zu lang, Spannung kommt nur am zweiten Abschnitt auf und man erwartet etwas ganz anderes. Der Text fällt anschließend aber ab und gerät eher dazu, langweilig zu werden.
Das Ende hat mir nicht gefallen, da aus rein physikalscher Sicht die Dinge nicht möglich sind.

Einige fehler habe ich auch notiert:

als habe er ein Gelenk zu fiel.

Ein Gelenk zu viel

auf dessen Gesicht

beschreibe ruhig, auf wessen Gesicht, auch wenn es im Text steht.

Ausruf eines alten mit einer Mistgabel bewaffneten Weibes

eines ist wahrscheinlich falsch, da es sich um eine Frau handelt.

Augenblicklich warf ein anderer der Zwölfe

bei Zwölfe würde ich das "E" weg lassen

Ohne einen weiteren Gedanken an diese verwirrende Situation zu verschwenden, allein von seinem Überlebensinstinkt getrieben, humpelte das Wesen in die finsteren Tiefen des Waldes davon.

Diesen Satz habe ich zweimal gelesen, bevor ich ihn richtig verstanden habe. Vielleicht solltest du das Komma weg lassen udn statt dessen ein "und" schreiben

dem Gejagten nach.

Vielleicht würde ich hier von einem Flüchtenden sprechen

11 Minuten später

Dieser Abschnitt gefällt mir absolut nicht. Er ist einfach nur in die Länge gezogen, ohne wirklich etwas zu sagen. Die Spannung fehlt und man langweilt sich als Leser nur

dennoch sah es es als eine gute Idee an,

Zweimal "es" hintereinander. Wirkt immer etwas holprig

mit der er vor ging und das Tatsache,

Ich kann mich täuschen, aber ist "vor ging" niht ein Wort?
auf der anderen Seite heißt es "die" Tatsache.

Ansonsten kann ich sagen, dass du vielversprechend angefangen, aber mindestes genauso stark nachgelassen hast. Ein text, der nicht nur wegen des Endes nach hinten viel zu wenig Spannung aufweist. Diese Geschichte verdient mehr.

Gruß
Kyrios

 

Hallo Ole,

Derartige Vorbemerkungen:

Vorwort
Die folgende Geschichte basiert auf einer Erzählung, die ein Freund und ich zusammen im Alter von 13 Jahren ersonnen haben. In der vorliegenden Fassung wurden inhaltliche Ungereimtheiten und grobe sprachliche Mängel weitestgehend auszubügeln versucht, um den Fokus mehr auf den eigentlichen Kern der Geschichte zu lenken. Im Grunde ging und geht es uns dabei um eine Auseinandersetzung mit Intoleranz gegenüber geistigen und körperlichen Behinderungen, sowie die Frage was eigentlich Menschen zu Menschen bzw. Monster zu Monstern macht und was diese beiden überhaupt voneinander unterscheidet. Abschließend sei noch die ernst gemeinte Warnung ausgesprochen, dass die Geschichte explizite Gewalt- und Folterdarstellungen enthält, die einige Leser erschrecken oder verstören könnten.
Über eure sachliche Kritik und eure generelle Meinung bzgl. meiner Geschichte würde ich mich sehr freuen!
bitte immer in einen zusätzlichen Beitrag unter die Geschichte. Der erste soll der Geschichte selbst vorbehalten bleiben.


Gruß,
Abdul

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke erstmal für die detaillierte und vor allem auch ehrliche Kritik.
Zu einigen Punkten möchte ich mich aber noch einmal äußern.

Deine Hinweise zu den Rechtschreibfehlern und der ein oder anderen etwas holprigen Formulierung sehe ich ein. Was deine Vermutung betrifft, der Text sei von verschiedenen Personen geschrieben worden, muss ich dich leider enttäuschen. Allerdings habe ich den Text in kleinen Portiönchen über mehr als eine Woche lang niedergeschrieben, wobei ich mich auch in teils sehr unterschiedlichen Stimmungslagen befand, was die offenbar doch recht offensichtlichen "stilistischen Sprünge" erklärt.
Was ich sehr interessant finde, ist dass du den Anfang als wesentlich stärker als das Ende beurteilst. Meinem subjektiven Empfinden nach verhält es sich eher anders herum; im Nachhinein blieb mir der Anfang etwas fremd, besonders der von dir als noch am spannendsten beurteilte zweite Abschnitt (wobei du wahrscheinlich den Teil 41 Minuten zuvor meinst?). Ich würde sogar sagen, dass ich mich durch den Anfang eher "hindurchgequälen" musste um dann im zweiten Teil der Geschichte das zu erzählen, um das es mir eigentlich ging, was mir auch beim Schreiben sehr viel leichter von der Hand ging.

Zum Abschnitt 11 Minuten später: Ob er spannend oder langweilig ist, entscheidet natürlich jeder Leser für sich, da will ich dir auch in keinster Weise in dein Urteil hineinreden. Aber ich finde doch, dass er viele auch für den weiteren Handlungsverlauf wichtige Dinge offenbart. Zunächst einmal die bloße Existenz des Monsters, dessen Auftauchen später ohne eine kurze Erwähnung zuvor doch etwas merkwürdig geraten wäre. Zudem wird das sadomasochistische Verhältnis zwischen Hubert und Ignaz aus beider Perspektiven gezeigt, einmal als uneingeschränkte Vergötterung, ein andermal als sadistischer Wahn. Ich habe mich beim Schreiben auch bemüht, einzelne Situationen durch verschiedene perspektivische Wechsel hervorzuheben, und die unterschiedlichen Wahrnehmungen der einzelnen Prots zu betonen. Als z.B. das Monster auftaucht, wird fast nur noch ausschließlich indirekte Rede verwendet, erst der wütende Bauer bricht diese "Dialogstille". Mit solchen Dingen habe ich versucht, auch durch sprachliche Mittel den tiefen Graben zwischen Menschen und Monstern zu verdeutlichen.

Zum Ende muss ich sagen, dass in Teilchenbeschleunigern tatsächlich winzige Schwarze Löcher erzeugt werden können, wobei es doch auch vor noch nicht allzu langer Zeit eine öffentliche Diskussion bzgl. der Risiken gab. Selbstverständlich stellen die Mini-Löcher keinerlei wie auch immer geartete Bedrohung für die Zukunft der Welt dar, sondern zerfallen augenblicklich wieder. Insofern sind die Schilderungen natürlich physikalisch nicht möglich. Aber es ist dennoch nicht weniger realistisch als ein Lebewesen ohne Gehirn oder die Erschaffung des Monsters an sich. Irgendwie muss man die Geschichte ja zu Ende bringen und ich mag nunmal eindeutige und definitive Enden, die für alle Prots am besten tötlich ausfallen.

Deine Wahrnehmung des Abfalls der Geschichte hängt wahrscheinlich, wie schon von dir gesagt, mit dem Auftreten der langen und verschachtelten Sätze zusammen, die erstmals vermehrt im von dir als besonders schlecht kritisierten 3. Abschnitt auftauchen, zusammen. So muss ich mich wohl leider der Tatsache stellen, dass solchen langen, von mir eigentlich sehr geliebten Sätze nur sehr bedingt zum Spannungsaufbau geeignet sind.
Auch wenn ich leider nicht ganz die beabsichtigte Wirkung erzielen konnte, bin ich angesichts des teilweise doch sehr entmutigenden Verrisses von einigen KG und deren Autoren hier, doch zufrieden und dankbar für deine Kritik.

Gruß
OleJannek

 

Es freut mich, dass du es als Kritik empfunden hast, da ich dir eigentlich nur helfen wollte.
Auf den Teilchenbeschleuniger der CERN Forschungsanstalt zu sprechen zu kommen. NAtürlich gibt es diesen Versuch, Protonen mit ungeheurer Geschwindigkeit aufeinander prallen zu lassen. Cern hat es versucht und it meines Wissens damit gescheitert, weil technische Probleme es verhindert hatten.
Dein Gerät schafft nun die Verschmelzung. Dagegen ist nichts einzuwenden. Wogegegn ich auch etwas einzuwenden hätte, wäre eine relativ schnelle Vergrößerung des schwarzen Lochs. Aus welchen Gründen auch immer, gibt es in der Theorie schwarze Löcher. Diese sind vorhanden und wirken nur in einem gewissen Umfeld. Sie vergrößern sich aber meines Wissens nicht.

Mit dem interessanteren Teil hast du recht. Es ist der Teil, der vor 41 MInuten begann. Daraus hättest du mehr machen können.

Gruß Kyiros

 

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