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Nicht geliefert

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31.08.2008
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Nicht geliefert

"Sie können es machen, wie Sie wollen“, erklärte der Besucher nüchtern. Max überlegte. Bisher hatte er nie Bedenken gehabt, an andere Staaten zu liefern. Nicht bei Pakistan, nicht bei Nigeria – es waren befreundete, friedliche Länder; es gab politische, tragfähige Beziehungen; die Geheimdienste kooperierten. Wenn die Militärs zur Schulung in Deutschland waren, wurden sie bei den Firmen herumgeführt und man knüpfte freundschaftliche Kontakte – es bestand praktisch kein Risiko. Auch die schwierige Geschäftsanbahnung konnte er zum Teil anderen überlassen, den Konzernen und dem Dienst. Der sprach nun mit ihm, verkörpert durch einen unauffälligen, blassen jungen Herrn mit militärischen Manieren und sonst nicht gerade soldatischer Ausstrahlung.
„Es gibt einen Konsens, das Land umfangreich zu unterstützen. Es entspricht den politischen und wirtschaftlichen Interessen unseres Landes. Und - unsere Freunde tun es auch.“
„Denen macht das ja auch nichts aus; die kennen keine Grenzen“, entgegnete Max. „Sind die mit unserer Beteiligung einverstanden?“, fragte er nach.
„Sie meinen, ob jemand Sie als Konkurrenten abschießen möchte und deshalb das Kriegswaffenkontrollgesetz bemüht?“, fragte der Mann zurück. Er hatte sich als Verhove vorgestellt, aber was sagte das schon? Es war eine dienstliche Identität, wie sie alle hatten, die aus der verschwiegenen Behörde im Norden Münchens kamen und Außenkontakte unterhielten. Es lohnte sich fast nicht, sich den Namen zu merken. Konnte sein, dass er nächstes Jahr als Jaschinski auftrat.
„Man macht sich natürlich Sorgen“, antwortete Max. Zu oft war es vorgekommen, dass jemand einen sicheren Deal zu machen glaubte und doch angegriffen wurde – sei es, dass ein Konkurrent verärgert darüber war, ausgeschlossen zu sein, sei es, dass er die falsche Verbindung gewählt hatte. Aber jetzt schien alles sicher zu sein. Die Freunde aus Übersee hatten ihr Okay gegeben, die deutsche Wirtschaft wollte das Geschäft und war auf dem Sprung, das Kanzleramt hatte der Sache zugestimmt. Die Dienste hatten enge Verbindungen zu dem Land aufgebaut und scheinbar alles im Griff. „Geben Sie uns die Anforderungen, wir werden ein Angebot vorlegen“, sagte Max.
Der Mann stand auf. „Bis bald dann.“


„Es muss schnell gehen. Bereiten Sie das Angebot bis nächste Woche vor. Achten Sie nicht auf Details, wir haben den Auftrag schon.“ Max saß mit seinen Bereichsleitern am langen Tisch im Besprechungsraum.
„Wir haben noch nie dorthin geliefert“, gab einer zu bedenken. „Sind Sie sicher, dass das gut geht?“ Max zog nervös an seiner Pfeife, nahm das Mundstück ab, blies hindurch, so dass der Teer auf den Teppich spritzte. Wenn er aufgeregt war, gluckerte es jedesmal in der Pfeife, weil er so hektisch daran saugte.
„Lieferung der Geräte ohne Firmen- und Typenschilder“, wies Max an. Das war wichtig wegen der Reporter, die überall in Krisenregionen herumliefen und aus jedem Schrott, den sie fanden, eine Schlagzeile zu machen wussten. Aber es gab auch die Terrorgefahr: Man machte die Hersteller erbeuteter Geräte ausfindig und gab Anweisungen an die militanten Gruppen in den entsprechenden Ländern, Anschläge auf die Firmen und die Familien der Inhaber und Mitarbeiter auszuführen. Auf diese Weise hatte es bei der Konkurrenz schon einige Bombenanschläge gegeben.
„Wie viele Geräte sind am Lager?“, wollte Max wissen.
„Einhundertfünfzig“, war die Antwort, „aber die sind lieferbereit für die Schweiz. Wir haben den Termin schon überschritten.“
„Macht nichts“, befand Max. „Wir brauchen zweihundertfünfzig. Sehen Sie zu, dass wir die einhundertfünfzig gleich liefern und die fehlenden einhundert so schnell wie möglich bauen. Die Schweiz kann warten. Ich werde mit denen reden.“


Marie und Jürgen saßen noch beim Tee. Max, der Vater, war schon aufgestanden. Voll unter Dampf ging er im Wohnzimmer auf und ab, band sich grob den Schlips, zwängte sich mit seiner ganzen Leibesfülle in das Jackett.
„Was haltet ihr davon, wenn wir an Saddam liefern?“, fragte er und ließ seinen Blick schweifen, ohne einen von beiden direkt anzusehen.
„Du bist doch verrückt!“, erwiderte Marie. Jürgen sah ihn mit weiten Augen an und schüttelte dann aber nur mit dem Kopf.
„Was denkst Du denn selbst darüber?“, setzte seine Frau nach.
Max schnaubte nervös. „Na ja, Gewissen habe ich ja keines“, meinte er. „Aber man will natürlich auch sicher sein, dass man nicht aus seinem Haus gebombt wird.“
„Lass die Finger davon“, sagte Marie eindringlich. Max antwortete nicht und stürmte aus dem Haus. Der Motor heulte auf, als er den Weg durch den Garten auf die Straße fuhr. Marie setzte sich wieder an den Tisch. Jürgen schlürfte weiter den heißen Tee. Sie schwiegen.


Max war gerade in sein Büro gestürmt, da rief ihm die Sekretärin nach und sagte: „Der Personalrat möchte Sie dringend sprechen.“
„Weswegen denn? Der kann warten“, schnaubte Max zurück.
„Ich denke, sie sollten ihn diesmal nicht warten lassen“, antwortete sie höflich, aber nachdrücklich.
„Na gut, soll kommen.“ Herr Adelung, ein grauhaariger, schlanker Mann mit etwas zu locker fallendem Anzug und dunkler Hornbrille, kam ruhig und gefasst in das Zimmer. Er hatte es gelernt, die große Anspannung, unter der er jetzt stand, zu bezwingen. Umständlich nahm er sich den Stuhl und platzierte sich vor den großen Schreibtisch, auf dem die Akten so hoch gestapelt waren, dass er sitzend kaum darüber blicken konnte.
„Was wollen Sie?“, fragte Max rundheraus, „Ich habe eigentlich keine Zeit.“
Herr Adelung räusperte sich. „Es wird erzählt, wir sollen Geräte an den Irak liefern. Die Beschäftigten sind dabei, einen Protest zu organisieren. Morgen soll eine außerordentliche Betriebsversammlung stattfinden.“ Herr Adelung war zwar ein schüchterner und höflicher Mensch, aber er wusste, dass er seinen Chef nur wütend machte, wenn er sich mit Höflichkeiten abgab und um die Sache herumredete.
„Wer erzählt denn den Quatsch?“, bekam er zur Antwort. Max schnaubte ihn drohend an.
„Man erzählt es“, antwortete Herr Adelung. Er kannte das Ritual der Suche nach Schuldigen zu genau, um hier auf Glatteis zu geraten. Sollte der Chef sich mal daran gewöhnen, dass es in der Bereichsleiterversammlung keine Geheimnisse geben konnte. Irgendeiner machte sich immer mal Luft, und sei es nach dem fünften Bier in der Betriebskegelgruppe.
Max besann sich. Jetzt durfte ihm kein Fehler unterlaufen. „Es ist richtig, dass wir eine Anfrage hatten“, gab er freimütig zu. „Aber wir haben uns dagegen entschieden. Ich denke, dass wir damit auch den Bedenken der Belegschaft Rechnung tragen. Die Betriebsversammlung findet nicht statt. Noch etwas?“
Herr Adelung erhob sich. Max stand ebenfalls auf und begleitete ihn zur Tür. „Sagen Sie das den Mitarbeitern. Und halten Sie mich auf dem Laufenden.“ Herr Adelung wandte sich wortlos um und ging.
„Verbinden Sie mich mit Smith von Royal Dynamics“, wies Max die Sekretärin an.
Es dauerte ein paar Minuten, bis die Verbindung da war.
„Hi Max, how are you“, fragte Smith.
"Thanks, fine, Pete”, antwortete Max.
"What’s the matter? We are joined in a fascinating deal, are n’t we?”, meinte Smith.
"Yes, we are”, antwortete Max, “but we ‘ve got some trouble here.” Max erklärte mit wenigen Worten seine Lage.
"So you want us to buy your equipment and sell it in a package deal“, fasste Smith zusammen.
"That ‘s it”, bestätigte Max. “We ‘ll send you the offer tomorrow. Bye.”
Max wählte die Nummer des Vorzimmers. „Piepenbrink und Schnell bitte sofort”, wies er an. Der Bereichsleiter Produktion und der Prokurist standen wenig später vor ihm. „Ich erwarte absolute Vertraulichkeit“, setzte Max den Rahmen und zeigte mit der Hand auf die Sessel. Alle drei setzten sich in die Runde um den flachen Glastisch. „Wir ziehen uns aus dem Irak-Auftrag zurück“, leitete Max ein. „Ich glaube, damit ist uns allen wohler.“ Er zog an seiner Pfeife. Die beiden anderen machten erstaunte Gesichter. „Wir liefern an Royal Dynamics in London. Sie, Herr Piepenbrink, machen bitte die Angebote fertig. Alles, wie gehabt. Sie, Herr Schnell, bereiten die Lieferung vor. Einhundertfünfzig Stück noch in dieser Woche. Ohne Typenschilder. Stellen Sie eine kleine Gruppe von absolut loyalen Mitarbeitern für die Auslieferung zusammen. Haben Sie die?“ Schnell zuckte zusammen. Loyal, ja, das waren seine Leute fast alle. Aber so loyal? In seinem Kopf arbeitete es einen Augenblick, dann hatte er die Gesichter vor Augen, die er auswählen würde. Er nickte.

Herr Adelung sagte die Betriebsversammlung ab. Es gebe keine Veranlassung für die Betriebsversammlung, ließ er die Mitarbeiter wissen, und es habe auch nie eine gegeben. Der Frieden war wiederhergestellt. Als am Freitagmorgen die ersten Mitarbeiter auf den Betriebsparkplatz fuhren, war alles wie immer. Niemand hatte die großen Lastwagen gesehen, die nachts zwischen drei und vier Uhr auf den Hof gefahren, beladen wurden und wieder verschwunden waren. Herr Piepenbrink sah übernächtigt aus und freute sich auf das Wochenende - wie so oft. Als ihn am Abend seine Frau fragte, was aus der Sache mit Saddam geworden sei, antwortete er: „Wir haben nicht geliefert.“

 

So oder doch so ähnlich mag's zugeh'n in deutschen Unternehmen,

lieber Setnemides,

und wenn ich es richtig sehe, so darf unterstellt werden, dass es hier nicht um eine größere Lieferung Schweinefleisches an Saddams Irak geht. Dem widersprächen nicht nur dortige Religionsvorschriften, sondern schon die hier eigentlich vorgesehenen Typenschilder - die dann doch weggelassen werden. Warum nur?

Bisschen Kleinkram - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - muss sein, insbesondere hinsichtlich der Zeichensetzung:

" ..., verkörpert durch einen unauffälligen, blassenKOMMA jüngeren Herrn mit militärischen Manieren, aber sonst nicht gerade soldatischer Ausstrahlung", da m. E. Aufzählung (versuch's mal mit einem "und" dazwischen).

„Sind die mit unserer Beteiligung einverstanden?“KOMMA fragte er nach.
Wenn Frage- oder Ausrufezeichen mit Anführungszeichen zusammentreffen, stehen sie vorm Schlusszeichen ("), sofern sie zum wörtlich wiedergegebenen Text gehören. Folgt nach dem wörtlich wiedergegebenen Text der Begleitsatz - oder wird er fortgeführt, ist ein Komma nach dem Schlusszeichen zu setzen.

„Wie viele Geräte sind am Lager?“KOMMA wollte Max wissen. Und "„Was haltet ihr davon, wenn wir an Saddam liefern?“KOMMA fragte er ...


„Sie meinen, ob jemand sie als Konkurrenten abschießen möchte und deshalb das Kriegswaffenkontrollgesetz bemüht?“KOMMA fragte der Mann zurück. Wie zuvor und nachher noch einige Mal. Das zwote "sie" (nach "jemand") ist als Anrede groß zu schreiben.

" ..., aber was sagte das schon." Statt des Punktes besser Fragezeichen.

„Na gut, soll kommen“. Punkt vorm Schlusszeichen (").

„Wer erzählt denn den Quatsch“, bekam er zur Antwort.
Vielleicht ist es besser, vors "ein Ausrufezeichen zu setzen - oder ein Fragezeichen?

"Thanks, fine, Pete”KOMMA antwortete Max.

"That ‘s it” bestätigte Max. Muss es - neben dem verflüchtigten Komma - nicht "That it is" oder "... it's" heißen?


"Aber jetzt schien alles sicher." Mein Deutschlehrer pflegte immer zu sgen, dass due Sonne scheine, und empfahl, ein "zu sein" anzuhängen.

"Die Freunde aus Übersee hatten okay gegeben, ..." Das/ein Okay


„Weswegen das denn? ..." Das "das" ist evtl. entbehrlich.

" ..., war alles wie immer. Niemand hatte die großen Lastwagen gesehen, die nachts zwischen 3 bis 4 Uhr auf den Hof gefahren, beladen worden und wieder verschwunden waren. ..." Zahlen bis zwölf ausschreiben jnd "beladen wurden" ist wohl besser.

Mir gefällt's!

Gruß

Friedel

 
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Lieber Friedel,

aber "auf den Hof gefahren, beladen wurden und verschwunden waren" ist doch Plusquamperfekt, Imperfekt, Plusquamperfekt! Dabei habe ich mir solche Mühe gegeben, die Tempi mal richtig zu treffen! Dein Vorschlag hört sich flüssiger an, aber richtig ist er doch wohl nicht.

Die Korrekturen - alles klar, Flüchtigkeit. Bis auf:

Folgt nach dem wörtlich wiedergegebenen Text der Begleitsatz - oder wird er fortgeführt, ist ein Komma nach dem Schlusszeichen zu setzen.

„Wie viele Geräte sind am Lager?“KOMMA wollte Max wissen. Und "„Was haltet ihr davon, wenn wir an Saddam liefern?“KOMMA fragte er ...

Da magst Du recht haben, aber ich habe eben (in Ermangelung einer Grammatik) in einigen Romanen (Pynchon, Rowohlt; Eliade, Suhrkamp) nachgesehen, die machen es wie ich. Eine Grauzone?

Natürlich habe ich auch in diesem Text wieder Zugeständnisse eingebaut, damit keiner denkt, es ginge um Spielzeug (jedenfalls nicht um Spielzeug für Kinder) und mir schreibt, das wäre alles unverständlich... Begriffe wie "Militärs" und "Kriegswaffenkontrollgesetz" kommen gleich am Anfang.

Warum keine Typenschilder? Hier steht's:

„Lieferung der Geräte ohne Firmen- und Typenschilder“, wies Max an. Das war wichtig wegen der Reporter, die überall in Krisenregionen herumliefen und aus jedem Schrott, den sie fanden, eine Schlagzeile zu machen wussten. Aber es gab auch die Terrorgefahr: man machte die Hersteller erbeuteter Geräte ausfindig und gab Anweisungen an die militanten Gruppen in den entsprechenden Ländern, Anschläge auf die Firmen und die Familien der Inhaber und Mitarbeiter auszuführen.

Danke!

Gruß Set

 

"Da magst Du recht haben, aber ich habe eben (in Ermangelung einer Grammatik) in einigen Romanen (Pynchon, Rowohlt; Eliade, Suhrkamp) nachgesehen, die machen es wie ich. Eine Grauzone?" Keine Grauzone,
aber solche Romane hab ich auch noch.

Hi Set,

und so geht's mit der/den Zeit/en im Internetcafe, das zugleich Kneipe, Kaffee/Teehaus, Wettbüro und Spielhölle ist. Aber warum in ein kleineres ausweichen, wenn man die Leute kennt ... Da muss ich mir doch gleich nach dem plärrenden türkischstämmigen Mainstream Bluesquamperfekt antun ...

Gruß

Friedel

PS: Bau mal nicht zu viel Zugeständnisse ein, bisschen Geheimnis sollte bleiben und etwas selbst erarbeiten ist doch auch was ...

 

hi Friedel,

war das jetzt ein Votum gegen all jene, die sich gleich veräppelt fühlen, wenn nicht alles schlüssig und dreimal erklärt wird? Und Du kannst diese Herausforderung Deiner Aufmerksamkeit sogar im Internetcafé annehmen?

Hut ab,

Set

 
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Hallo Sediment!

Die Geschichte gefällt mir sehr gut. Max und die Vorgänge um die Waffenlieferungen in den Irak wirken meiner Meinung nach sehr authentisch.
Daß es um Waffenlieferungen geht, wird für mich schon im ersten Absatz klar, in dem auch gezeigt wird, worauf sich seine Bedenken beziehen. Es sind nicht etwa politische Skrupel, ein Gewissen, sondern es ist die Angst, eventuell selbst einem Racheakt zum Opfer zu fallen. Aber diese Bedenken sind schnell aus dem Weg geräumt, sind ja alles Freunde, es riecht schon so nach Geld, und außerdem ist er hier der Untergebene, der davon abhängig ist, Aufträge durch den Geheimdienst zu bekommen.
In der Szene mit seiner Frau und dem Sohn wirkt er sehr autoritär. Seine Frage, die er während des Auf- und Abgehens im Wohnzimmer stellt, ist rein rhetorisch, die Antwort der Frau interessiert ihn gar nicht. Interessant wäre hier noch das Alter des Sohnes, denn so, wie er da sitzt und schlürft, wirkt er eher jünger, aber bei »Sie schwiegen« habe ich den Eindruck, Du wolltest, daß er älter wirkt.
Der Betriebsrat hat durch jemanden aus der zuvor stattgefundenen Bereichsleitersitzung von dem Vorhaben erfahren und protestiert im Namen der Belegschaft, doch er wird sogleich mit einer Lüge abgefertigt: Das Geschäft wäre gar nicht zustandegekommen. Danach ruft er einen offensichtlich alten Freund an, den er als Zwischenhändler einschaltet – so, wie das klappt, war es wohl nicht zum ersten Mal.
Auch dem Prokuristen und dem Bereichsleiter der Produktion tischt er die Lüge mit dem Rückzug aus dem Irak-Geschäft auf, nennt ihnen aber gleichzeitig den »neuen« Auftrag an Royal Dynamics in London. Daß Max die Lieferung nicht zufällig aus dem Ärmel schüttelt und sie auch nicht zufällig denselben Lieferumfang ausmacht, durchschauen die beiden Herren natürlich, aber mit der Lüge können sie gut leben und verladen die Ware in einer Nacht- und Nebelaktion mit ihren loyalsten Mitarbeitern. Nein, in den Irak haben sie nicht geliefert …
Royal Dynamics lieferte dann vermutlich gebrauchte Maschinenteile in den Irak …

Sehr gut fand ich auch die Darstellung der Autoritätshörigkeit der einzelnen Mitwirkenden. Sie können es sich eigentlich gar nicht leisten, nachzudenken, denn jeder ist von seinem Vorgesetzten abhängig und hat gelernt, nicht zu widersprechen. Eher biegt man sich die Realität gerade, als sein Rückgrat.

Da hab ich einen kleinen Kritikpunkt:

Max schnaubte nervös. „Na ja, Gewissen habe ich ja keines“, meinte er. „Aber man will natürlich auch sicher sein, dass man nicht aus seinem Haus gebombt wird.“
Das Einzige, was mir nicht ganz glaubwürdig erscheint, ist »Gewissen habe ich ja keines« – würde er sowas wirklich von sich sagen bzw. sich überhaupt dessen so bewußt sein? Also ich würde es streichen, auch als Leser sollte man schon vorher verstanden haben, daß er keines hat, sondern sich nur um sich selbst Sorgen macht. Würde das so kürzen: „Naja“, meinte er, „man will natürlich …“

Herr Piepenbrink sah übernächtigt aus und freute sich auf das Wochenende - wie so oft. Als ihn am Abend seine Frau fragte, was aus der Sache mit Saddam geworden sei, antwortete er „Wir haben nicht geliefert.“
Der Perspektivwechsel am Ende gefällt mir nicht so recht. Warum plötzlich Piepenbrink und nicht Max, der auch zuhause die Lüge auftischt, weil er sie wahrscheinlich selbst schon glaubt? Oder willst Du damit sagen, daß Piepenbrink das wirklich nicht kapiert hat? … Oder sollte es am Ende gar zeigen, daß er zwar am Vortag Bedenken hatte und mit seiner Frau darüber sprach, aber dann doch so loyal der Firma gegenüber ist, daß er ihr nichts weiter darüber erzählt?

Und die anfängliche Sorge Max’ wegen der Sicherheit ist völlig verschwunden, jetzt setzt er die Mitarbeiter sogar ohne ihr Wissen und obwohl sie ja dagegen waren dieser Gefahr aus.


Was die Zeichensetzung bei der direkten Rede betrifft, stimmt es so, wenn Du nach alter Rechtschreibung schreibst, allerdings ist die auch nicht durchgehend, hier ist zum Beispiel neue: »aber er wusste, dass er seinen Chef nur wütend machte« – Du mußt dich entscheiden.
Außerdem solltest Du Dir die öffnenden Anführungszeichen anschauen, die sind einmal oben, einmal unten.

Der Rest der Reihe nach:

»Max dachte nach. Bisher hatte er nie Bedenken gehabt, an andere Staaten zu liefern.«
– würde »Max überlegte« schreiben (wegen dachte/Bedenken)

»verkörpert durch einen unauffälligen, blassen jüngeren Herrn«
– blassen, jüngeren – wobei ich »jungen« schreiben würde (jünger als wer?), oder vielleicht »einen unauffälligen, blassen Herrn um die dreißig«

»Die Freunde aus Übersee hatten okay gegeben,«
– hatten ihr Okay gegeben

»Max zog nervös an seiner Pfeife, zog das Mundstück ab, blies hindurch, so dass der Teer auf den Teppich spritzte. Wenn er aufgeregt war, gluckerte es jedesmal in der Pfeife, weil er so hektisch daran zog.«
– dreimal »zog«, das erste würde ich durch »paffte« ersetzen
– »gluckerte« klingt eher nach einer Wasserpfeife, würde »röchelte« schreiben

»Aber es gab auch die Terrorgefahr: man machte die Hersteller erbeuteter Geräte ausfindig«
– da gehört glaub ich auch nach alter Rechtschreibung groß geschrieben; die Regel war glaub ich so ungefähr: wenn der Satz vor dem Doppelpunkt bereits auf den danach hinweist, dann klein weiter – das ist hier nicht der Fall »Aber es gab auch die Terrorgefahr« könnte genausogut allein stehen und läßt nicht einmal erahnen, daß dahinter noch was kommt. Die neue Regel ist da konkreter: Folgt ein ganzer (vollständiger) Satz nach dem Doppelpunkt, schreibt man groß.

»150, 250, 100«
– Friedrichards Regel gilt für kaufmännische Texte. In Geschichten schreibt man Zahlen aus, solange sie sich leicht lesen: hundertfünfzig, zweihundertfünfzig, hundert

»Max war gerade in sein Büro gestürmt, da kam die Sekretärin ihm nach und sagte: „Der Personalrat möchte Sie dringend sprechen.“«
– »da rief ihm die Sekretärin nach« wäre einfacher und kürzer

»„Na gut, soll kommen“.«
– kommen.“

»„Was wollen Sie?“ fragte Max rundheraus, „ich habe eigentlich keine Zeit.“«
– rundheraus.Ich (da wird innerhalb der direkten Rede kein Satz fortgeführt)

»“but we ‘ve got some trouble here“.«
– here.”

»nachts zwischen 3 bis 4 Uhr«
– »zwischen drei und vier Uhr« oder »von drei bis vier Uhr«

»was aus der Sache mit Saddam geworden sei, antwortete er „Wir haben nicht geliefert.“«
– Doppelpunkt fehlt


Liebe Grüße,
Susi :)

 
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Hallo Friedrichard, hallo Susi,

ich habe jetzt eine überarbeitete Version eingestellt; danke für die ausführliche Kritik und die Korrekturen.
Ein paar Anmerkungen:

Friedel:


That ‘s it” bestätigte Max. Muss es - neben dem verflüchtigten Komma - nicht "That it is" oder "... it's" heißen?

Im schriftlichen ja, aber dies ist ja wörtliche Rede. Kein Engländer würde am Telefon so reden, es sei denn, er wollte es besonders betonen.

" ..., war alles wie immer. Niemand hatte die großen Lastwagen gesehen, die nachts zwischen 3 bis 4 Uhr auf den Hof gefahren, beladen worden und wieder verschwunden waren. ..." Zahlen bis zwölf ausschreiben jnd "beladen wurden" ist wohl besser.

Aber das wäre doch eine Zeitverletztung (Plusquamperfekt, Imperfekt, Plusquamperfekt für einen zusemmenhängenden Vorgang); das „waren" bezieht sich doch auf alles: „gefahren“, „beladen worden“ und „verschwunden“.


Häferl:
Das Einzige, was mir nicht ganz glaubwürdig erscheint, ist »Gewissen habe ich ja keines« – würde er sowas wirklich von sich sagen bzw. sich überhaupt dessen so bewußt sein?

Ja, würde er. Der Konflikt geht durch alle Beteiligten; das gilt auch für den Chef.


Der Perspektivwechsel am Ende gefällt mir nicht so recht. Warum plötzlich Piepenbrink und nicht Max, der auch zuhause die Lüge auftischt, weil er sie wahrscheinlich selbst schon glaubt? Oder willst Du damit sagen, daß Piepenbrink das wirklich nicht kapiert hat? … Oder sollte es am Ende gar zeigen, daß er zwar am Vortag Bedenken hatte und mit seiner Frau darüber sprach, aber dann doch so loyal der Firma gegenüber ist, daß er ihr nichts weiter darüber erzählt?

Natürlich ist es das Übliche, wenn die Geschichte mit dem Rahmen endet, mit dem sie eröffnet wird. Aber Max kann seiner Familie nichts vormachen; ich hätte dann einen anderen Schluß wählen müssen. Der Mitarbeiter fühlt sich wohler, diesen Vorgang seiner Frau zu verschweigen; das soll auch zeigen, wie wenig er selbst zu seinem Verhalten steht.


– »gluckerte« klingt eher nach einer Wasserpfeife, würde »röchelte« schreiben

Nein, ein Pfeifenraucher röchelt manchmal, wenn es dem Ende zugeht, nicht seine Pfeife. In einer zu naß gerauchten Pfeife gluckert es wirklich.

»Aber es gab auch die Terrorgefahr: man machte die Hersteller erbeuteter Geräte ausfindig«
– da gehört glaub ich auch nach alter Rechtschreibung groß geschrieben; die Regel war glaub ich so ungefähr: wenn der Satz vor dem Doppelpunkt bereits auf den danach hinweist, dann klein weiter – das ist hier nicht der Fall »Aber es gab auch die Terrorgefahr« könnte genausogut allein stehen und läßt nicht einmal erahnen, daß dahinter noch was kommt. Die neue Regel ist da konkreter: Folgt ein ganzer (vollständiger) Satz nach dem Doppelpunkt, schreibt man groß.

Ich bin da nicht kundig und weiß auch nicht, wo ich das nachlesen könnte - ich habe richtig Probleme damit, das "man" groß zu schreiben. Ich habe es trotzdem so eingefügt.

Vielen Dank nochmal an Euch beide,

Gruß Set

 

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