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Nie mehr allein

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17.03.2006
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Nie mehr allein

   "Es ist einfach nicht richtig, daß ein anständiges junges Fräulein wie sie Geschlechtsverkehr mit dem eigenen leiblichen Bruder treibt!", stellte meine alte Mutter eines Tages lautstark fest, "Es ist schlicht und einfach unchristlich!"
   Sie meinte natürlich meine Freundin Lotte, die nun bei mir wohnte und drüben in meinem Zimmer hoffentlich noch schlief.
   Unchristlich? - Als ich vor zwei Jahren den Bookmark "Weltanschauungs-Systeme des zweiten gregorianischen Jahrtausends" auf ihrem Navi fand, da hätte ich eigentlich ahnen sollen, daß die Arme langsam ihren Geist aufgibt. Andererseits ist allgemein bekannt, daß alte Menschen manchmal einen kindlichen Verstand annahmen, und ich schätze alle Kinder lieben eine gute Märchengeschichte.
   Ich sagte nichts, nahm nur den frischgebrühten Ersatz und schaltete meine Zimmertür hinter mir aus.

   Lotte war, wie sie mir erzählt hatte, aus der Klinik geradewegs in die Anstalt eingeliefert worden, wo sie zwei Wochen in Einsamkeit und unter Medikation verbrachte. Sofort im Anschluß daran, und das machte mich auf seltsame Weise stolz, kam sie zu mir, ihren ganzen Besitz in einem rosa Plüschrucksack an den Rücken geschnallt: außer ein paar Klamotten war es sonst nur ihr Computerzubehör. Sie hatte zu dieser Zeit schon lange nichts mehr von sich hören lassen, doch als ich ihr gestern, wie sie so naß und müde lächelnd auf unserer Treppe stand, in ihre tiefen himmelgrauen Augen blickte, da sah ich auch ziemlich genau, was mit ihr geschehen war.

   Sie hatte nicht auf meinen Rat gehört.

   Ihren Bruder Lemke habe ich niemals wirklich ausstehen können. Er hatte eine äußerst unedle Natur, die sich besonders dadurch auszeichnete, daß er seine Niederträchtigkeit nie offensichtlich werden ließ, sondern geradezu meisterhaft verstecken konnte, und nur ab und zu in fiesen kleinen Anspielungen an ihr auszulassen pflegte, die fast schon wie harmlose Beobachtungen fielen, doch unfehlbar jedesmal ihren Lebensnerv trafen. Es war offensichtlich, daß er sie körperlich und gefühlsmäßig beherrschte. Allein schon an der Tatsache, daß sie so lange bei ihm blieb. Als wäre sie in Wirklichkeit von ihm abhängig, als würde er nicht schon seit Jahren auf ihre Kosten leben.

   "Sie haben mir meine Gebärmutter genommen, Jimmy. Es stimmt, sie war schon ein wenig marode, aber sie war mein. Und mein Kleines hat doch schon darin gewohnt. Sie war alles was ich habe, Jimmy." Ihre Augen flatterten nervös, wie immer kurz bevor sie lächelte.

   Und dieses liebevolle Lächeln, so bezugslos, fremd und fehl am Platz, in ihrem nackten und aufgedunsenen Gesicht. Und die spröde Heiserkeit in ihrer müden Stimme, stachen mir nun kalt und schaudernd in den Rücken. Sie war so frei von Kunst, so authentisch und mir jetzt so lebensnotwendig, wie die Luft, in der sich die Süße ihres unverfälschten Körpergeruches plötzlich angenehm unnatürlich und ernüchternd mit den komplexen neuartigen Polyaromen des Ersatzkaffees vermischte.

   Ich stellte den Kocher auf den Nachttisch neben sie und dachte unabsichtlich daran, daß ihr die Strahlung der eingebauten Mikrowelle nun nicht mehr schaden konnte. Es gab vermutlich wenig, was ihr jetzt noch viel mehr schaden könnte, als die letzten hilflosen Wochen. Sie hatte mir vergangene Nacht das Schlimmste davon schon berichtet. Sie hatte mir den Brief gezeigt, in dem ihr Bruder seinen letzten Abschied von ihr nahm. Ich war Reiniger in der Klinik und wußte was das wirklich hieß. Wußte mit ziemlicher Sicherheit, was sie für weibliche Organe unter der Hand zu zahlen bereit gewesen waren. Und daß ihr Bruder nicht mehr wiederkehren würde. Ihren Krebs heilen zu lassen hätte ihn zu viel gekostet, und so hat er sie ein letztes Mal benutzt.

   "Er schreibt, er käme nicht mehr wieder, Jimmy."

   Ich wußte nicht, wie ich sie trösten sollte. Ich wollte schweigen und sie küssen, doch würde sie es genauso fühlen können, wie ich selbst? Würde sie das Gefühl in meinen Küssen wenigstens verstehen können? War sie nicht mittlerweile eine Fremde in ihrem eigenen Körper, gegeißelt und vertrieben von ihrem eigenen Fleisch und Blut? Ich hielt hier inne, unterdrückte meinen Drang, sie der alten Liebe wieder auszusetzen, wo sie jetzt so wehrlos war. Sie würde die Sprache meines Körpers schon lange nicht mehr sprechen. Und ich fragte mich, ob ich ihren neuen, fremdartigen Dialekt jemals wirklich lernen würde.

   "Er schreibt, daß er das Land verlassen mußte. Weil er die Operation nicht zahlen konnte. Ich weiß nicht; was soll ich jetzt machen, Jimmy. Ich war noch nie alleine. Und ich bin jetzt so alleine, Jimmy!" Und sie fing wieder an zu weinen. Doch auch die Tränen konnten ihr Lächeln nicht ersticken.

   "Wer würde mich jetzt noch haben wollen."

   Und ich sah es in der glühenden Asche ihrer Augen, in der schlichten Unschuld ihres kindlichen Gesichtes. Ihr Lächeln war echt. Die Wärme ihres Herzens schien unerschöpflich, schien lodernd, wallend: feurig, wie der Mittelpunkt der Welt. In diesem Augenblick wurde mir klar, wie stark das unschuldige Mädchen war, das ich zurecht so lange schon verehrte. Wie viel stärker sie doch war als ich!

   Sie würde wieder gesund werden, daß sah man ihr fast an. Sie würde klarkommen, auch ohne mich, auch ganz von selbst. Denn in Wirklichkeit, und ohne es je geahnt zu haben, - war sie allein. Schon ihr ganzes Leben lang.

   Ich konnte nicht mehr anders und beugte mich zu ihr, küßte sie vorsichtig auf die kalte Stirn. Und wie sie sich nun dankbar und tief in meine Arme grub, da fühlte ich ihr Herz laut werden und wußte, ich hielt den feurigen, lodernden Mittelpunkt der Welt.

   Meiner Welt.

 
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Einen lieben Gruß auch allerseits!

Dieses ist mein erster kleiner literarischer Erguß, inspiriert von einer bezaubernden jungen Frau, die leider nicht mehr zu haben ist. Und so haben sich wohl die Frühlingsgefühle mit meiner Hoffnungslosigkeit befruchtet, und mir diesen eigenartigen Bastard hier gezeugt.

Weder ganz SF o. Cyberpunk (obwohl in der Zukunft handelnd), noch ganz romantisch (obwohl es auch um Liebe geht, und die Romantik als historische Epoche genommen, ihre eigenen schwarzen Schafe hatte). Es ist vielleicht etwas seltsam und sogar experimentell zugleich. Letzteres, weil der Text tatsächlich eine kodierte Aussage enthält, ja sogar darauß entstanden ist.

Allerdings wird die innere Bedeutung nur von den wenigen Personen aus meinem engeren Kreise höchstens auch verstanden werden können, für die sie nämlich bestimmt gewesen war. Und es ist tatsächlich auch nicht der Rede wert, handelt sich lediglich um ein kleines Symbol oder zwei, wodurch die Geschichte zu einem freundschaftlichen Fingerzeig verschärft. Es ist tatsächlich sehr banal, wirklich. Aber es stellte sich eben auch als eine kreative Methode heraus, um das liebe Schreiben wieder aufzunehmen, als was ich es also nur empfehlen kann.

Ich erwähne das alles nur, wegen meiner offensichtlichen Unfähigkeit, sie einem kg-Genre zuzuordnen. Ich weiß nicht was es ist. Und jetzt ist es hier.

Entscheidet selbst! Ich freue mich über jede Reaktion.

 

Unklare Aussage, wirre Erzählstruktur, altmodische Sprache, ein paar unnötige SF-Zutaten, blasse Charaktere. Und keine erkennbare Handlung! Das alles hinterlässt mich ratlos. Ich fragte mich die ganze Zeit, ob das ein Stilmittel ist, ob ich zu dumm bin, die Geschichte zu verstehen. Oder ist es einfach nur Quark?
Rechtfertige Dich, Schurke!

 
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Ich muß euch natürlich zustimmen: für den verwöhnten Leser (nich bös gemeint) hält der Text tatsächlich wenig Befriedigung bereit. Dennoch kann doch nicht ausnahmslos alles falsch daran sein, nicht wahr?

Die "altmodische" Sprache war natürlich Absicht, klingt Neusprech für mich doch nur im Englischen noch angenehm. Aber wenn man die alten SF Meister bedenkt, die übrigens immernoch gelesen werden, merkt man, daß es funktionieren kann, egal wie alt es klingt. Das Veraltete hat ohnehin in diesem Sinne einen gewissen Anreiz für mich, da es mir die Möglichkeit gibt, alternative Gegenwarten zu erproben, indem ich meinen Standpunkt in die Vergangenheit verlege (ich glaube hier gab es mal ein ensprechendes Monatsthema dazu).

Was die unklare Aussage angeht, bin ich sehr bemüht, dem Leser nicht immer alles ins Gesicht zu spucken, also lieber nicht nur zu beschreiben, sondern zu gestalten, sodaß das Gemeinte sich als Bild oder (in diesem Falle) Gefühl darstellt. Hätte ich den Text zum Beispiel in der Art von Monty's Zusammenfassung verfaßt:

[Jimmy] hält seine Mutter für schwachsinnig, weil sie Inzest für unchristlich hält. [Er] pflegt seine kranke Freundin. Ihr Bruder (...) hat einige ihrer Organe verkauft, ohne daß [Jimmy] das verhindern konnte. [Jimmy] stellt fest, daß seine Freundin (...) stark ist, und daß er sie zu Recht verehrt. Sie ist ihm dafür dankbar.

So ähnlich hätte ich dies sicher auch ernsthaft schreiben können, und deine Kritik, lieber Badi, hätte nicht viel abwertender ausfallen können. Du siehst, es muß etwas Gutes an dem Text sein, das mir noch nicht bewußt ist, was ich aber behalten will und entweder bei der Überarbeitung und Fortsetzung des Fadens hier, oder einer neuen Erzählung wieder, und vor allem bewußter, anwenden möchte.

Und ich finde die "SF-Zutaten", nicht, wie du es vorschlägst, "unnötig". Sie sind das nur, wenn man die Geschichte nicht interpretieren will. Aber das Gefühl, die zugrundeliegende Stimmung des Verwahrlosten, des Entwerteten, des rückstrebigen Daseins in der Zukunft - das war die Grundaussage, um es einmal zu vulgarisieren. Und in dieser neonkalten Hintergrundbeleuchtung anbetrachtet, ergibt sich die Stärke des naiven, unschuldig gebliebenen Mädchens doch meiner Meinung nach von selbst.

Freilich, die Geschichte (ich weiß nicht, ist es das?) ist zu kurz, zu komprimiert dafür, aber dem Leser sollte sich - von selbst, und ohne viel Worte zu verschwenden - eine Welt erschließen, die sich nun viel zu schnell, und immer schneller werdend, verändert hat, was man etwa daran schon erahnen sollte, wie die Mutter in den Werten des Altertums nach einem frischen Lebenssinn in einer neuen Lebensansicht sucht. Das Altertum ist natürlich unsere Gegenwart, die so lange schon her ist, daß sie nochnichteinmal mit "dem vergangenen" Jahrtausend, oder "dem vorletzten" bezeichnet wird, denn diese Zeitrechnung fing ja mit der Geburt Christi an, und würde damit den Glauben an seine Existenz bedingen, den es dort (in dieser Zukunft) aber nicht mehr gibt, was aber vorallem in der (sehr offensichtlichen) gesellschaftlichen Akzeptanz des "Inzest" wiederspiegelt.

Ihr seht, Inzucht, wie alles andere, ist ja nicht grundlos verpönt und als gottlos angesehen worden. Es war eine Frage des inkompatiblen Erbguts, der hohen Wahrscheinlichkeit von Fehlgeburten. Ist es, bei unseren bisherigen Fortschritten in der Genetik und den Angewandten Wissenschaften, wirklich so schwer, sich die Salonisierung der romantischen Liebe unter Geschwistern vorzustellen?

Dies soll kein persönlicher Angriff sein, aber ich finde, jemand der nicht über den Tellerrand zumindest der gegenwärtigen Wertvorstellung unserer Gesellschaft hinauszuschauen fähig ist, der soll mir garnicht erst als SF Autor hier unter die Augen treten. Ich bin, wie ihr seht, sehr streng mit mir, was das betrifft.

Die Anspielungen gehen sogar noch weiter. Die Tatsache, daß er, der Protagonist - nennen wir ihn einfach Jim - noch bei der Mutter wohnt, obwohl die beiden sich schon (seit zwei Jahren!) nicht mehr verstehen, spricht doch bitte Bände über den Arbeitsmarkt und die exorbitanten Mietpreise der Stadt (und in der City spielt das Stückchen ja: Kliniken und Anstalten wachsen vermutlich auch in der Zukunft nicht auf Bäumen, falls es die auch dort noch gibt). Und wenn man hier noch den "Ersatz-Kaffe" auf die Synthetisierung aller Lebensmittel anspielen läßt, die aufgrund der Ausrottung der Natur nun nötig sind (die Aufmerksamen werden vielleicht sogar einen Krieg vermuten, durch den der auswärtige Handel unmöglich geworden ist), nun, you get the picture!

Jetzt glaubt mir bitte nicht, ich wüßte euere (ich hoffe nur vorläufige, und nur die ersten von vielen) Kritiken nicht zu schätzen.

Lieben Gruß!

Der Schurke

 

Nun, Neon, der Tenor meines Kommentars war ja nicht eine Abwertung Deines "Stückes", sondern vielmehr die Ratlosigkeit und Verwirrung, die beim Lesen von mir Besitz ergriff.
Du wirst zugeben müssen, dass unter Verwendung der recht niedrigen Standards, die der herkömmliche Bauernpöbel hier zur Beurteilung von Geschichten einsetzt, es an Deiner in der Tat einiges auszusetzen gibt.
Ich möchte mich entschuldigen, dass es meinem primitiven Intellekt nicht glücken will, die Metaebene deiner Geschichte zu erkennen, sie sogar zu erklimmen und das erhabene Gefühl des Gipfelsturms genießen zu dürfen.
Deine eigene Interpretation stürzte mich dann noch tiefer in die Jauchegrube der Erkenntnis meiner Stupidität, begreife ich doch immer noch nicht vollumfänglich die Prämisse und Moral Deiner Geschichte.
Zutiefst beschämt angesichts seiner Unfähigkeit humanistischen Kogitierens verabschiedet sich mit untertänigstem Hofknicks
Badi

 
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Und warum nicht gleich in diesem Ton?

Nein, ernsthaft. Wir können entweder voneinander lernen (wozu ich hier bin - ich muß lernen), oder eben ignorieren bzw. unsere Energie darauf verschwenden, uns immer neue Sticheleien füreinander einfallen zu lassen. Voneinander lernen kann auch heißen, mit seiner Kritik den anderen zur Rechtfertigung zu zwingen, die in meinem Falle doch recht produktiv war, wie ich finde. Habe ich mir doch selbst nocheinmal alles schön vors Auge halten können, worum es in der Story ging. Es fehlt an Handlung, das ist klar. Prämissen gibt es keine, war so auch nicht geschrieben. Was könnte eine sein? "Naivität kann im richtigen Licht betrachtet eine Tugend sein?" "Blinde Liebe führt zur Selbstaufgabe?" "Die Zeit heilt auch den größten Liebeskummer?" Such dir eine aus. "Wenn wir nicht aufpassen, verlieren wir die falschen Werte?" "Falls die menschliche Entwicklung weiterhin so schnell verläuft, kommen wir mit dem psychischen Verarbeiten der neuen Weltansicht nicht hinterher?" Soll ich auf die Schnelle noch eine nennen? "There's always more than meets the eye!"

Da hab ich dann wohl was falsch gemacht, dich verstimmt und mich um deinen Input selbst betrogen. Nicht? Aber wolltest du wirklich mit Samthandschuhen angefaßt werden? Ich meine doch, wir befänden uns alle in der selben Situation und Gesellschaft Gleichgesinnter, wieso müssen wir also noch Höflichkeitsfloskeln benutzen? "Meiner begrenzten und sehr subjektiven Meinung als literaturwissenschaftlicher Laie nach finde ich, daß....." oder "Entschuldige bitte im Voraus, falls ich dich mit meinen Vorschlägen deinen Stil betreffend beleidigen werde, aber ich sage ja nicht, daß du dich ändern mußt, oder sogar, daß es einen guten Stil gibt und sonst keinen. Ich will deinen Text lediglich als eine ausgezeichnete Gelegenheit ansehen, meine Meinung zum Thema darzustellen......". Brauchen wir das wirklich vor jedem einzelnen harmlosen Kommentar?

Wenn dir also klar ist, daß ich dich nicht persönlich beleidigen wollte, sondern nur auf deine Frage geantwortet habe, mich Schurken doch zu rechtfertigen, dann ist ja alles klar.

Daß ich dir beleidigt geklungen habe oder noch klinge, dagegen kann ich nichts, das liegt an deiner eigenen Erwartungshaltung oder meiner ständigen Bemühung das treffendere Wort zu finden, die meine Ausdrucksweise manchmal überheblich oder gezwungen vornehm erscheinen läßt. Sieh letzteres bitte als persönlichen hilflosen Protest gegen den Verfall der Deutschen Sprache und des guten Stiles an.

Auch denke ich kaum, daß ich irgendetwas besser mache, oder gut verstehe. Ich bin hier um zu lernen, ich lebe um besser zu werden, um die Welt mit mir nicht zu beschmutzen. Daß ich mich deshalb immer schlecht, dumm oder mißverstanden fühle, nun, das gehört dazu. Zufriedene Menschen haben wenig Antrieb. Unzufriedene dagegen..... nun, ich hoffe wir erreichen unser Ziel.

Ich bin also nicht hier mich vor euch hinzustellen, mich und meine Werke anzubeten, und wer nicht will der geh zum Teufel! Nein. Ich wollte mit dir über meine Sache diskutieren. Aber es ist ja auch ok, wenn du nichts zu sagen hast. Wenn es dir und Allerwelt schlicht und ergreifend nicht gefällt, was brauch ich da noch mehr Kritik?

Gelernt habe ich von dir, ob du es glaubst oder nicht, schon viel. Die nächste Story wird um etwas gehen. Ich habe ja auch deine jetzt gelesen und untersucht, warum sie funktioniert. Das einzige, woran ich etwas auszusetzen hatte, war der Stil und ein paar inhaltliche Sachen. Das waren die einzigen Dinge, die ich dir geben konnte, die dich vielleicht weiterbringen, falls du vorhast sie nocheinmal umzuschreiben oder sogar für den Verkauf herauszuputzen, oder umgekehrt: wenn du einfach nur nach Beispielen für eine Stilvorstellung gesucht hast, um sich von ihr nun noch konkreter distanzieren zu können, indem du mich zitierst. Das ist für mich noch besser! Wenn du sogar meine Kritik noch kritisierst! Bittere Medizin! Aber ein Indianer kennt keinen Schmerz!

Es bleiben, natürlich, alles gutgemeinte Vorschläge. Kritik tut weh, weil sie ihr Opfer in kleinen Bissen kostet, darauf eine Weile herumkaut und das, was ihr nicht mundet, häßlich auszuspucken weiß. Das ist eine Sache, die kann Kritik nicht lächelnd machen. Bei aller Liebe nicht. Wir müssen ihr von der anderen Seite zuvorkommen und uns freundlich beißen lassen. Aber ich will die Metapher hier nicht noch weiter überstrapazieren. Am Ende werden wir sonst noch zu Douglas Adams' Tierchen, die dadurch kommunizieren, daß sie sich in den Unterschenkel beißen. (Wie heißen die doch gleich?)

In aufrichtiger Wertschätzung,

neon

 
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Hi Neon,

erstmal willkommen in der SF-Rubrik! Deinen Erklärungen entnehme ich, dass Du schon länger mitliest, schön, dass Du nun den Schritt in die Öffentlichkeit wagst.

Deine Geschichte hat mir nicht so gut gefallen. Ich akzeptiere Deine Intention (Du hast sie oben dargelegt), eine alte, romantische Sprache mit einem zukünftigen Setting zu verbinden, aber das Ergebnis zündet bei mir nicht: Der schwärmerische Ton kommt bei mir schwülstig an, die Story an sich - Bruder verkauft seine Schwester stückweise - formt sich für mich in Kitsch um, trotz ihres guten Potentials.

Nun ja, Eschbach schrieb, dass ein Autor einen Autor nicht kritisieren kann, weil da nur eines bei herauskäme: Du schreibst nicht wie ich, daher gefällt es mir nicht.
Diese Ansicht teile ich nicht ganz, aber an diesem Text finde ich formal nichts zu bekritteln. Er spricht einfach nicht zu mir.

Insgesamt ein formal sauberer Text, der sich für mich leider in romantisierten Kitsch ergeht.

Notizen:

wie sie so nass und müde lächelnd
Ich stellte den Kocher auf den Nachttisch neben sie und dachte unabsichtlich daran, daß ihr die Strahlung der eingebauten Mikrowelle nun nicht mehr schaden konnte.
Das kann sie sowieso nicht, es sei denn, das Magnetron ist vor 1970 gebaut worden.
wusste was das wirklich hieß. Wusste
Ich seh schon, Du schreibst "alte" RS. Ich sag nix mehr. :)

P.S.: Du hast da seltsame Unicode-Zeichen an jedem Absatz, die mein Browser nicht decodiert. Ist das Japanisch?

Beste Grüße,
Naut

 

Naut, mein Brauser, der gute Firefuck, zeigt alles ganz normal an. Keine Probs.

Und wieso ist "wusste" alte RS? Schreibt man "wissen" heute anders, vielleicht mit ß???

Oh Gott, mach dass es aufhört ...

 

@Badi: Du benutzt wahrscheinlich das "gute" Windows. Bei mir jedenfalls gibt's das Zeichen #2003 nicht, was immer das sei.
"wusste" ist NR, aber Neon schreibt "wußte", das ist AR.

 

Hallo neonmakeup!

Ein großes Problem deiner Story ist die Sprache: Der Ton kommt eher ironisch rüber (Richtung Persiflage):

- Unchristlich? - Als ich vor zwei Jahren den Bookmark "Weltanschauungs-Systeme des zweiten gregorianischen Jahrtausends" auf ihrem Navi fand, da hätte ich eigentlich ahnen sollen, daß die Arme langsam ihren Geist aufgibt -

Der Inhalt soll augenscheinlich ernst genommen werden, den Leser zur Identifikation mit dem Erzähler animieren - das funktioniert aber nicht.

Der Inhalt ist weder unterhaltend, noch anregend (dafür ist er zu wenig problematisiert), heraus kommt eine wenig überzeugende Beziehungsgeschichte.


- Doch auch die Tränen konnten ihr Lächeln nicht ersticken. –

Klingt unglaubwürdig, ein wenig kitschig.

- Pol

 

Hi Neo,

durch das gegenseitige Zurechtweisen ist ein wenig deine Frage untergegangen, welchem Genre deine Story zuzordnen wäre. Prinzipiell halte ich es im jetzigen Stadium für eine SF-Geschichte, stimme aber Badi zu, dass die SF-Elemente nicht wirklich notwendig sind.

Vielleicht eine kurze Erklärung:
Die Leute hier im Forum sind schräge Weltanschauungen gewohnt und in dieser Hinsicht schwer zu schocken. Hier ist ein provokantes Beispiel unseres Chefs. Es ist lustig, wenn du einem von ihnen unterstellst, sie wären über die Inzest-ist-salonfähig-Idee empört. Mir fällt spontan Asimovs "Aurora - Aufbruch zu den Sternen" ein, in dem das bereits 1983 als Nebenaspekt thematisiert wurde und unsere Profis werden wahrscheinlich noch frühere Werke beisteuern. Der Gedanke wirkt eher abgegriffen und wird in der Story auch nicht wirklich gebührend behandelt, um ihn notwendig erscheinen zu lassen.

Die anderen futuristischen Themen, die Du angesprochen hast:

Die Tatsache, daß er, der Protagonist - nennen wir ihn einfach Jim - noch bei der Mutter wohnt, obwohl die beiden sich schon (seit zwei Jahren!) nicht mehr verstehen, spricht doch bitte Bände über den Arbeitsmarkt und die exorbitanten Mietpreise der Stadt
Ich denke in mindestens 98% der jetzigen Welt leben Kindern noch unter dem Dach der Eltern, egal wie sie sich verstehen. Das war bis vor kurzem auch bei uns Normalzustand. Ich finde es daher nicht wirklich futuristisch.

Und wenn man hier noch den "Ersatz-Kaffe" auf die Synthetisierung aller Lebensmittel anspielen läßt, die aufgrund der Ausrottung der Natur nun nötig sind (die Aufmerksamen werden vielleicht sogar einen Krieg vermuten, durch den der auswärtige Handel unmöglich geworden ist), nun, you get the picture!
Ja, es ist eine Anspielung. Und ja, sie kommt in etwa jeder zweiten SF-Geschichte vor. Ist aber auch kein tragendes Element der Story und daher auch verzichtbar.

Okay, ich habe deinen Einwand gelesen:

Aber das Gefühl, die zugrundeliegende Stimmung des Verwahrlosten, des Entwerteten, des rückstrebigen Daseins in der Zukunft - das war die Grundaussage, um es einmal zu vulgarisieren. Und in dieser neonkalten Hintergrundbeleuchtung anbetrachtet, ergibt sich die Stärke des naiven, unschuldig gebliebenen Mädchens doch meiner Meinung nach von selbst.
Sorry, das hat bei mir nicht funktioniert. Die Welt, die du geschildert hast erschien mir nicht kälter, als einige der heutigen Berliner Vororte. Wenn man dann noch den Blick von Berlin aus über die Grenze wagt, wirkt die Landschaft vergleichsweise warm.

Bleibt nur noch vorzuschlagen, die Geschichte ein wenig umzuändern. Die SF-Elemente müssen entweder eine stroyprägende Bedeutung bekommen, oder aber du entfernst sie zugunsten einer schönen Geschichte, die Du in die Rubriken "Gesellschaft" oder vielleicht "Romantik" unterbringen kannst.

Entscheidet selbst! Ich freue mich über jede Reaktion.
Bleib deinem Versprechen treu! Freue dich!

Konstruktive Grüße,

Mihai

 

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