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Nur ein paar Tropfen

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21.11.2017
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Nur ein paar Tropfen

Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Unverständnis, Fassungslosigkeit, Ärger und Abscheu waren darin zu lesen. Gerade drehte sich einer der Gäste zu seinem Tischnachbarn um und sagte zu diesem, laut genug, dass auch er es hören konnte: „Was für ein Arschloch.“
Und es waren nicht die einzigen Worte dieser Art, die sich nun durch seine Ohren in sein Gehirn fraßen.
Was war nur in ihn gefahren? Das eben war doch gar nicht er. Nein, so war er nicht.
Die Blicke, die Kommentare an den anderen Tischen, sie drückten ihm fast die Luft ab. Er wagte kaum zu atmen.
Nun erschien die Chefin, stellte eine frische Tasse Kaffee vor ihn hin und gab ihm überfreundlich, aber sehr bestimmt zu verstehen, dass diese Tasse nichts kostete, ihn hoffentlich für seinen Ärger entschädige, aber dass er ihr Café niemals wieder betreten solle. Beifälliges Nicken ringsherum.
Keinen Schluck brachte er hinunter. Er wünschte sich ans Ende der Welt, oder tot unter die Erde. Alles besser, als das hier. Wie ein geprügelter Hund verließ er das kleine Café, in das er sich nach seinem Auftritt sowieso nie wieder gewagt hätte. Er schämte sich entsetzlich und wusste, eigentlich müsste er sich entschuldigen. Aber ihm fehlten der Mut und auch die Worte.
Was war da gerade mit ihm passiert? Ein paar winzige Tropfen Kaffee. Lächerliche drei Tropfen auf der Tischdecke vor ihm, nicht einmal auf seinem Anzug, und er verlor jegliche Selbstkontrolle. Praktisch aus dem Nichts heraus, nie dagewesene, rasende Wut. Eine winzige Ungeschicklichkeit der jungen Bedienung, und sie konnte sich vor seinen wüsten Beschimpfungen nur noch weinend in die Küche flüchten. Solche Dinge würden ihm doch niemals über die Lippen kommen. Ihm doch nicht. Und doch hatten sie schreiend seinen Mund verlassen.
Oh, wie sehr er sich selbst verachtete. Nachher bei seiner Frau, und auch morgen an der Arbeit, würde er die Respektlosigkeiten ihm gegenüber, die Demütigungen und Missachtung, wie immer klaglos erdulden, denn er ist doch ein höflicher, stiller Mensch, der anderen stets mit Respekt begegnet.

 

Hei, Lies21,

herzlichst hier, bei den Wortkrieger und vielen Dank für deine Story!!!

Entschuldigung, wenn ich gleich zur Sache übergehe!!! Es sieht nach einer Impuls-Kontroll-Störung aus. Mit den obligatorischen Schuldgefühlen "danach" und "Ich war es nicht!". Eine nette Szene! Gut gemacht von Dir!!!

Dennoch wissen wir alle, dass es immer NUR ein Tropfen ist, der ein ganzes Faß zum Überlaufen bringt. In deiner Story sind es gleich drei. Warum eigentlich nicht vier oder zehn? Hat es jemand von den Beteiligten in der Story abgezählt? Hat es was mit "Aller guten Dinge sind drei" zu tun? Wären es nur zwei Tropfen gewesen, wäre es für den "Wut-Mann" noch ertragbar gewesen? USW USF...

Mit dieser Zahlangabe machst Du dich angreifbar für solche "blöden" Fragen. Dennoch wissen wir alle, dass es a priori keine blöden Fragen gibt!!! Also, dein Titel und der Text könnten in mir evtl. unter Umständen ähnliche Fragen erwecken lassen. Das ist wichtig für jeden Autor, wenn der Leser Fragen kreiert, die zum besseren Verständnis des Textes (und somit der eigenen Realität) führen.

Ich habe diese Fragen und fange sogleich nach Indizien im Text zu suchen, die Du vielleicht irgendwo im Text versteckt hattest: quasi eine versteckte Botschaft... Die finde ich aber nicht, weil dein Titel höchstwahrscheinlich irreführend sein könnte.

Was mir super gefiel, war die Verschmelzung der Erzählerstimme mit der Wahrnehmung des Protagonisten. Es ist nicht ganz klar, ob es zwei verschiedene Personen sind. Ich dachte die ganze Zeit, oder der Aufbau machte auf mich den Eindruck, dass die Erzählerstimme quasie die Bewusstseinsstimme des Protagonisten sei. Als stünde er unter Schock und würde seine eigene Stimme irgendwo aus der Ferne in seinem Gehirn hören... Diese Frage habe ich im Kopf und sie ist nicht eindeutig für mich beantwortet. Das macht deine Story spannend.

Dann aber im letzten Satz entdeckte ich das Verb "Sein" in der VErgangenheitsform "Denn er WAR ein stiller und höflicher Mensch..." Das Präteritum passt nicht. Es klingt zu "hard" (nicht "hart" mit einem weichen Konsonanten "t" am Ende). Wie ein Todesurteil. Wäre es die Stimme des geschockten Bewusstseins gewesen, so hätte sie sich dann weiter verteidigt, mit "ist noch".

Also, ein guter Anfang. Mit Psyche lässt sich in Kurzgeschichten einiges einstellen.

Viele Grüße
Herr Schuster

 

Hallo Herr Schuster,

vielen Dank für das herzliche Willkommen und die Rückmeldung.
Bin total überrascht, welche Gedankengänge und Fragen alleine der Titel auslösen kann. Habe selber beispielsweise die "sieben" bei dem Märchen "sieben auf einen Streich", nie hinterfragt.
Wie ich darauf gekommen bin? Natürlich habe ich über nur einen Tropfen, schon allein wegen der Doppeldeutigkeit, nachgedacht. Ich fand es aber unglaubwürdig, nur einen einzelnen Tropfen zu verspritzen. Es sollten aber so wenige sein, dass sie in keinstem Verhältnis zur Reaktion standen. Somit ist die Zahl drei mehr oder weniger willkürlich.
Habe mir die Anmerkungen aber zu Herzen genommen und Änderungen vorgenommen. Auch eine, um zu verdeutlichen, dass dies der erste Ausbruch dieser Art war. Hoffe es ist mir gelungen.
Eine Frage: "Wie kontaktiere ich meinen Moderator um den Titel in Nur ein paar Tropfen zu ändern?" Kenne mich noch nicht so gut aus.
Danke und lieben Gruß zurück
Lies21

 

Hallo Lies21

Eine Frage: "Wie kontaktiere ich meinen Moderator um den Titel in Nur ein paar Tropfen zu ändern?"

Ich habe die Titeländerung vorgenommen. Ansonsten einfach unter: Benachrichtigungen -> Posteingang -> Neue Nachricht

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Lies21!

Zack, mittenrein in eine Alltagsszene, hinter der sich so viel mehr verbirgt. Und gleich wird man daran erinnert, wie schnell man selbst die Nase über so jemanden rümpft, obwohl wir keine Ahnung haben, was denjenigen gerade reitet. Danke dafür.

Eine Anmerkung erlaube ich mir: Vielleicht lohnt es, bei ein wenig abgegriffenen Ausdrücken eigene zu kreieren und damit sowohl den Text aufzuwerten und sich seinem eigenen Stil zu nähern. Dies beziehe ich auf von dir gebrauchte "böse Kommentare, feindliche Blicke und abscheuliche Dinge". Da ginge mehr ... Eine Anregung. Ansonsten danke für Kurzweil und ein Schmunzeln. HenriFunk

 

Hallo Henri Funk,

habe lange über die "abgegriffenen Ausdrücke" nachgedacht. Tja, eigene Formulierungen, die besser waren, sind mir nicht eingefallen. Dann dachte ich "weniger ist mehr", und habe es mal so probiert.

Gruß Lies21

 
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Grüß dich, Lies21!

Das ist eine sehr passende Aussage, die du uns hier präsentierst. Der klassische "Radfahrer" - nach oben buckeln, nach unten treten. Und der ansonsten so ruhige, höfliche Zeitgenosse, der seinen Frust immer und überall in sich reinfrisst, explodiert irgendwann bei der kleinsten Lapalie.

Die Reaktion der (jungen) Kellnerin fand ich allerdings übertrieben! Dass sie gleich "weinend" in die Küche flüchtet dürfte bei der heutigen, abgebrühten und kaltschnäuzigen Generation und Jugend wohl nicht mehr vorkommen. So weit lässt es doch heute niemand mehr kommen und sich auch niemand mehr gefallen - ein, zwei heftige Worte und das Mädel würd den Kerl wahrscheinlich eher so zusammenstauchen, dass der heulend in die Küche laufend würde.
Diese übertriebene Reaktion würde ich rausnehmen. Aber abgesehen davon ist deine Geschichte jetzt zwar kein psychologisches Novum, aber du hast einen durchaus häufigen und häßlichen Wesenszug vieler Menschen gut und glaubhaft dargestellt.

Einen guten und hoffentlich pöbelfreien Rutsch wünscht dir der EISENMANN

 

Mir hat der Text sehr gut gefallen, da er in seiner Kürze einen ganz klaren Charakter zeichnet, der in die Tiefe geht. Ich sehe einen einsamen unauffälligen Mann, eventuell mit leicht gebückter Haltung vor mir, der einem eigentlich nur Leid tun kann. Gleichzeitig, und das sehe ich in der psychischen Ebene, ist es durchaus möglich, dass von ihm Gefahr ausgehen kann.

Eine kleine Anmerkung hätte ich noch:

Eine Frau am Nachbartisch zu ihrer Freundin: „Unglaublich, für wen hält der sich? Das arme Mädel.“

Für mich ist diese direkte Rede nicht notwendig und ich fände es sogar schöner sie ganz wegzulassen und stattdessen einfach eine Beschreibung der Reaktion zu formulieren, da der Leser dann noch näher bei dem Mann bleiben kann, wenn er nur den Mann "hört"

Liebe Grüße und einen schönen Anfang ins neue Jahr:)
Lizzielie

 
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Hallo Eisenmann,

entschuldige die späte Rückmeldung und danke für deine Anmerkungen.

Du findest die Reaktion der Kellnerin übertrieben? Ich denke auch in der heutigen Jugend gibt es noch sensible Charaktere. Und ich denke, diese haben es in dieser immer kälter und rücksichtsloser werdenden Gesellschaft sogar noch schwerer. Aber vielleicht hatte die Kellnerin auch nur einen schlechten Tag und dieses Ereignis war auch für sie der "Tropfen":D, der das Fass zum überlaufen brachte.

Liebe Grüße
Lies21


Hallo Lizzielie,

danke für Deinen Kommentar. Habe nach langem Nachdenken Deine Anmerkung aufgegriffen und den Satz geändert.

Liebe Grüße zurück
Lies21

 

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