Was ist neu

Ohne [...] keine Literatur?

Veteran
Beitritt
12.03.2001
Beiträge
180

Ohne [...] keine Literatur?

Ich dachte, ich nerve Euch mit einer theoretischen Frage, die mir neulich an der Uni begegnet ist, als es mal wieder um Systemtheorie ging.

Grundsätzlich gilt: Ohne Probleme keine Systeme.
Konkreter bedeutet das, dass jedes "System" auf ein Problem zurückzuführen sein muss: Ohne Knappheit kein System "Ökonomie". Ohne Konflikte kein System "Recht".

Die Frage lautet jetzt: Was ist aus dieser Perspektive die Leistung von Literatur? Auf welches Problem reagiert sie?

 

Wobei Du voraussetzt, dass Literatur ein System ist...

Als erstes muss geklärt werden, welches denn das erste literarische Werk ist. Sämtliche Geschichtsbücher, Höhlenmalereien etc. können wir wohl ausschliessen. Die Bibel auch, obwohl die ja eigentlich unter die Rubrik Fantasy/Märchen fällt ;)
Mein geliebtes Google spuckt dazu aus:

Das Gilgamesh-Epos ist vielleicht das erste "aufgeschriebene" literarische Werk der Welt.
Gilgamesh ist das erste Werk der Weltliteratur, das allerdings nur fragmentarisch auf elf Tontafeln überliefert ist.
Also reagiert Literatur wohl auf das Problem "Gott" (siehe auch Prometheus).

"Du wolltest dein leben lang unsterblichkeit - / und hast dich dafür an den göttern versucht: dafür / zahlst du jetzt / Der einzige himmel / der dich erwartet ist der in dem du geschichten erzählen / darfst - hier kannst du gern ein gott sein - ein gott aber der toten".
(Gilgamesh)
Es lebe das Internet, welches mich mit Informationen vollstopft.

 

Naja, wie grad schon im Chat gesagt, ich war echt baff, als ich Dein Posting las..
Du kleiner, tumber Webmaster.. :D *flücht*

Ugh

 

Grendel: ich glaube, Ughs Beitrag kann unter der Rubrik "Huldigungen des königlichen Intellektes" abheften ;)

Gruß, Pan

 

War ein lichter Moment, den ich ausnutzen musste ;)
Weitere Beiträge zum Thema? :D

 

Weitere Beiträge zum Thema????

Dann trau ich mich mal, trotz der umfassenden weisen Worte unseres Oberhauptes :D was zu sagen:

Wozu Literatur?
Sie ist Ausdruck des Lebens für mich.
Literatur ist Begegnung zwischen Menschen.
Wozu Worte?
Damit ich mich verstehe und vielleicht mich auch andere verstehen.
Insoweit sind die Worte ein System, um mich anderen mitteilen zu können, denn ich käme zur Not noch ohne Worte mit mir selbst klar.

Ähm... :lol: dies ist jetzt mal so ohne Suchmaschine fabriziert. Fallt drüber her Leuts!
:D

Grüße an alle kg-ler

elvira

 

Gilgamesch ist sehr interessant. Hab letztens einen Artikel über die Gilgamesch-Tafeln in der ZEIT gelesen und mich auch schon auf ein paar Websites herumgetrieben. In der Tat soll das die älteste "Schrift" sein (oder Tafel, nennen wir's doch einfach "das älteste, literarische Werk" ;) ), das es gibt.
Und wer noch ein bißchen weiter forscht, stößt irgendwann auf Enuma Elisch... ;) Aber soviel nur am Rande. :engel:

Literatur betrachte ich eigentlich nicht als System. Eher als Ventil - wahrscheinlich hauptsächlich als solches. Warum kann ich nicht mal genau sagen (nicht etwa, weil es für mich ein Ventil ist, nee, eher weniger, gloob ick). In der Menschheitsgeschichte ist es nun mal ein Ausdruck. Literatur ist wörtliche Malerei. Bücher sind Gemälde. Bücher sind Bilder, die im Kopf entstehen. Wer nicht zeichnen kann, schreibt sie auf, um sie wieder los zu werden und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Wer nicht schreiben kann, findet eine andere Art, sich die Bilder von der Seele zu katapultieren. Es muß ja auch raus, sonst wird man verrückt.
Hey, nette Vorstellung; ein durchdrehender, sexistischer Goethe in der Irrenanstalt oder ein schizophrener Schiller... Wer weiß, was sie geworden wären, wenn sie nicht geschrieben hätten. :confused:
Aber das geht jetzt zu sehr ins Philosophische, oder?

Was ich damit eigentlich sagen wollte, ist, daß es Dinge gibt, die wir wahrscheinlich nicht richtig feststellen können. Kunst hab ich deshalb immer geachtet und verehrt (egal welche Form von Kunst), weil sie nicht wissenschaftlich nachweisbar ist, weil man sie nicht berechnen kann, wie den Weg zum Mond oder die Umdrehung der Erde... Kunst ist etwas, was wirkt, was das Herz nimmt und es in den Himmel schmeißt. Die Gefühle, die man beim Lesen durchlebt, die ganze Welt, in der man sich für ein paar Stunden befindet... DAS ist einzigartig für sich. Das kann man nicht berechnen. Und deshalb ist Literatur für mich eigentlich auch kein System, kein Netz, keine Formel...

O weih, versteht wer, was ich sagen will?

Gruß,
stephy

 

:eek: stephy: ich bin sprachlos.
:thumbsup:

 

Literatur [lateinisch "Sprachkunst"] war wohl ursprünglich die Antwort angesichts unseres Wissens um unseren zu erwartenden Tod Gedanken festhalten und (an eine Gemeinschaft bzw. Volk) vererben zu wollen.
.
Seit Gutenberg verschob sich der Zweck allerdings immer weiter in Richtung Kommunikationsmedium und später, besonders im letzten Jahrhundert und heute steht besonders die kommerzielle Motivation im Vordergrund.
.
Es gibt also mehrerlei Probleme, die zum System Literatur führten: Vererbung, Kommunikation und Wirtschaft.
.
Der Begriff "System" [griech. "Zusammenstellung"] ist übrigens sehr, sehr allgemein: Es setzt lediglich ein irgendwie geordnetes Ganzes voraus, dessen Teile voneinander getrennt und unterscheidbar sein müssen. Jeder x-beliebige Text ist damit bereits ein System für sich.

 

Ich schließe mich Stephys Meinung an.
Kann weder mit Giglamesch noch mit Uni aufwarten.
Für mich reagiert Literatur zwar auf Probleme, mal besser, mal schlechter. Falls nicht, ist sie doch meist Schrott. Aber ein System ist sie nicht.
Ja, dem Vergleich mit dem Ventil kann ich voll zustimmen ( weil ich ihn auch selbst benutze :D )

Viele liebe Grüße und guten :sleep: ,
para

 

@stephy, paranova
.
Ein System muss nicht logisch oder vernünftig sein um diesen Namen zu verdienen. Anscheinend bewerten wir diesen Begriff unterschiedlich. Jeder Text unterliegt z.B. festgelegten orthografischen Regeln. Anders als etwa in der Malerei wird ein Text schnell unlesbar, wenn ich die Buchstaben und Leerstellen kunterbunt anneinanderreihe. Deshalb ist die Literatur sogar um ein vielfaches systemorientierter als jede andere Kunst. Eben weil ich mich an festgelegte Vorgaben halten muss um verständlich zu bleiben. Darüber, was sich im Kopf des Lesers bei der Lektüre dann allerdings abspielen mag, darüber hat kein Schriftsteller der Welt irgendeine Verfügungsgewalt. Aber selbst Assoziationen oder Phantasie, selbst Träume sind gewisse Systeme. Man darf diesen Begriff nur nicht zu eng sehen. Unsere ganze Sprache ist ein System und damit auch jegliche Literatur.
.
Und die Literatur selbst ist nur ein Medium und kann daher nicht auf Probleme reagieren. Es sind, wenn schon, die Autoren, die dahinter stehen. Aber nicht alles, was erdacht wird, findet auch (unter Umständen angemessene) Verbreitung.

 

Literatur:={x elementvon X : X Menge aller Texte}
Also: x:=Text

x=Modell der Wirklichkeit

was zu beweisen ist.

 

:susp: :confused:

Zaza,
kannst Du das auch nochmal für Leute sagen, die in Mathe sehr, sehr schlecht waren? Danke!

Ugh

 

Offensichtlicher als Literatur ist wohl die Sprache an sich als System zu bezeichnen. Weshalb ich im ersten Moment auch schreiben wollte, Literatur sei kein System, Sprache aber sehr wohl.

Wenn aber die Sprache ein System ist, das aus der Notwendigkeit (dem Problem) der Verständigung entstanden ist, dann ist Literatur ein System, das aus dem Bedürfnis denkender Menschen entstanden ist, mit anderen denkenden Menschen über was auch immer zu diskutieren.

Die ersten Schriften waren aber nur einigen Auserwählten vorbehalten, da sie ja noch handgeschrieben wurden und allein dadurch keine große Verbreitung finden konnten. Zu der Zeit waren sicher Geschichtenerzähler usw. die wichtigeren Träger dieses sich entwickelnden Systems.

Erst mit Erfindung des Buchdruckes kann das System der Literatur wirklich richtig funktionieren.

Bücher sind ein Mittel, ein System, das es ermöglicht, daß Menschen aus der Vergangenheit mit jenen aus der Gegenwart diskutieren können oder Menschen von unterschiedlichen Orten auf der Welt, die sich nie begegnen, in ihren Gedanken zusammenzubringen.

Das Internet sehe ich als Weiterentwicklung dieses Systems, wobei diese Seite nicht unwesentlich dazu beiträgt, da sie einer wesentlich größeren Gruppe von Menschen das Schreiben ermöglicht, als dies durch Bücher der Fall ist.

Ich hoffe, das war nicht ganz am Thema vorbei....

Für [...] in der Überschrift wäre mein Vorschlag also: ...das Bedürfnis, Gedanken mitzuteilen,...

Gute Nacht
Susi

[ 12.05.2002, 05:13: Beitrag editiert von: Häferl ]

 

Also nochmal Literatur ist die Menge aller Texte (trivial). Und ein Element dieser Menge, also ein Text, ist ein Modell der Wirklichkeit, von mir aus auch Simulation dieser.
Denn: Es geht um die Vermittlung der eigenen Wirklichkeit --> Modell d. Wirklichkeit

was noch zu beweisen ist.

 

Natürlich ist Sprache ein System, da sag' ich gar nichts dagegen. Aber Literatur ist für mich persönlich kein System. Literatur ist für mich mehr als nur ein Batzen "aneinandergereihter Worte". Natürlich hat alles, was man tut, seinen Rhythmus (Aufstehen, Laufen, mit den Augen rollen etc. - das hat alles sein "System") - will ich gar nicht bezweifeln. Aber die Gefühle, die man mit der Literatur durchlebt, die liegen keinem System der Welt zugrunde. Denn; der eine bricht in Tränen aus, wenn er "Anna Karenina" liest, der andere lacht sich darüber tot. Der eine schmilzt bei einem Gedicht von Goethe dahin, der andere rollt mit den Augen... usw.
Worte sind Systeme. Aber Gefühle, die Worte auslösen, sind keine.

Gruß,
stephy

[ 12.05.2002, 11:18: Beitrag editiert von: stephy ]

 

Hi Nina,

Gesellschaftliche Systeme, wie Literatur, haben mehr als eine Funktion. Die Grundlegende Funktion eines jeden Systems ist ja erst einmal die Selbsterhaltung. Diese Funktion wird in der Literatur, wie in allen Massenmedien durch das erschaffen neuer Probleme, die in Wechselwirkung zur Umwelt stehen, erfüllt. "Everything written is based on writing." Literatur ist demnach ein autopoietisches System.

Da gesellschaftliche Systeme eben in Interaktion mit ihrer Umwelt stehen, werden ihnen durch diese Prozesse auch noch weitere Funktionen zugeteilt.
In der Literatur ist diese Funktion ganz generell die Darstellung einer alternativen Wirklichkeit. Anders ausgedrückt: Das "Problem" ist der menschliche Wunsch danach eine virtuelle Wirklichkeit zu erfahren.

Hast du etwa diesen Artikel gelesen? Ich hab den gerade gefunden, und darin geht's um genau deine Frage. Der Autor meint das "Problem" für die Literatur sei die Vieldeutigkeit der Begriffe, gegen welche sich die Literatur in der Funktion der textinternen Stimmigkeit richte. Allerdings stellt sich am Ende heraus, dass der Autor damit nur seine Auffassung von "schöner Literatur", und nicht der Literatur als ganzes meint.

Gruss,

I3en

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom