Oma's Termin in der Physiotherapie (oder auch: "Lachen, du musst lachen")
Ich sitze entspannt in der Badewanne und lausche Rosenstolz: "Lachen, du musst lachen", mein Lieblingslied und Lebensmotto.
Gerade singe ich den Refrain ganz laut, als mir urplötzlich Omas Termin in der Physiotherapie durch den Kopf schießt.
Also springe ich flugs auf, trockne meine Haare notdürftig und sause los: 10 Minuten bleiben mir ja noch...
Oma empfängt mich geschniegelt und gebügelt im kompletten Winteroutfit. Dieses ist zwar etwas hinderlich bei der Kontrolle, ob ihr Slip auch nicht "linksrum" ist. Zum Glück ist ein Wenden desselben jedoch unnötig.
Oma hievt sich die Treppe hinunter (4 Mann, 4 Ecken gänge schneller) und sortiert ihre Körperteile in den winzigen Fiat.
Derweil versuche ich, die Krücken im Kofferraum unter zu kriegen. Dies gelingt nur mit Gewalt, da sie sich zwischen Papiermüll, Pfandflaschen und dem Klappstuhl, den ich angesichts meiner laweden Familie immer mitführe hoffnungslos verkeilt haben.
Nebenbei beruhige ich Oma ("Ach, nu wart's doch mal ab! ") und ordne ihr Rufen zeitnah als Schmerzensschrei ein: die Autotür war zu, das Bein aber noch draußen...
Mir schießt der böse Gedanke durch den Kopf: "Zum Glück hat sie nur eine künstliche Hüfte, eine Knieprothese hätte Dellen in der Karosserie hinterlassen".
Ich schaffe Abhilfe und annähernde Schmerzfreiheit, werfe die Tür abermals mit kühnem Schwung zu und reiße sie sofort wieder auf: Omas Mantel soll ja auch noch mit.
Inzwischen ist mir warm, sehr warm. Ich überlege: irgendetwas fehlt noch. Ach ja, ich! Und zwar auf dem Fahrersitz.
Auf zum Ärztehaus!
Wir starten frohen Mutes und erreichen nach 47 Sekunden (bei freier Strecke auch eher) das Ärztehaus um die Ecke. Die Kürze der Fahrzeit hat den Vorteil, dass Oma's Frage-Antwort-Spiel "Wer ist wo mit wem und warum" auf ein erträgliches Minimum beschränkt ist.
Vorm Ärztehaus spielt sich das Ganze in umgekehrter Reihenfolge ab und in Nullkommanix steht Oma aufrecht auf dem Parkplatz, welcher eigentlich, da proppenvoll, gar keiner ist.
Uns gegenseitig stützend erreichen wir das anvisierte Ziel.
Ich hätte Omas lautstarken Protest nicht ignorieren sollen, denn dort sind wir total verkehrt.
Ich leite also eine 180-Grad-Wende ein und stelle fest, dass meine Absatzschuhe für dieses Manöver nicht geeignet sind. Zum Glück hilft mir ein Passant, den Großteil meines rechten Schuh's aus dem Abstreicher im Eingangsbereich zu bergen.
Nachdem mir Oma mit ihrer Krücke den Weg gewiesen hat ("Mit der Helga war ich daaa drüben! ") treten wir den Weg zurück, quer über den Parkplatz an.
So schaffen wir es -fast noch im zeitlichen Limit - anfangs zum Friseur, welcher uns dann den Eingang zur Physiotherapie weist.
Dort angekommen, pelle ich Oma aus und deponiere sie im Wartezimmer.
Nun ist es Zeit für mich die Toilette ausfindig zu machen, um die Schweißflecken unterm Arm etwas zu retuschieren.
Ich winke Oma zu und stelle fest, dass ich nun über ein veritables Zeitguthaben von 17 Minuten verfüge! Also springe ich eilig ins Auto (wird auch Zeit, denn der wütende ältere Herr, den ich zugeparkt hatte steht kurz vor'm Kollaps) und hucke meine 27 Pfandflaschen gen automatische Pfandflaschenrücknahmeeinrichtung.
Nachdem ich alle Flaschen eingegeben und sofort wieder entnommen hatte ("Kein Pfand, bitte entnehmen"...) wende ich mich hilfesuchend an eine Kassiererin, welche meine missliche Lage erkennt und mir mit gönnerhafter Miene einen geringen, trotzdem dringend benötigten Betrag auszahlt.
Inzwischen ist Oma, die ich der Physiotherapeutin und ihrem Schicksal überlassen hatte, fast schon wieder in den Mantel geschlüpft - allerdings in den falschen, was wir unter den Argusaugen der tuschelnden Patienten schleunigst korrigieren.
Die Erläuterung des Rückwegs erspare ich mir: dazu müsste man den Text einfach nur rückwärts lesen.
Beim Erklimmen der häuslichen Treppe wünsche ich mir wieder etwas mehr Personal: 4 Mann, 4 Ecken",...