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Osterhasi
Osterhasi
Hallo, ich heiße Marie und bin fünf Jahre alt. Ich wohne in einer kleinen Stadt am Rhein. Jedes Jahr freue ich mich auf ein Fest: Ostern. Ich würde gerne den Osterhasen sehen, aber leider ist mir das bis jetzt noch nicht gelungen. Doch morgen, ja, morgen ist Ostern und ich bin fest entschlossen, ihn zu sehen! Natürlich schreibe ich jedes Jahr einen langen Zettel an den Osterhasen, in denen ich ihn bitte, mich mal zu besuchen. Aber leider kam er noch nie.
Nur noch ein Tag. Ein Tag noch und dann ist Ostern. Ich freue mich schon riesig! An den Weihnachtsmann glaube ich aber nicht mehr. Ich habe nämlich an einem Weihnachtsabend einen roten Mantel und einen Bart bei Papi im Schrank gesehen! Das war ja so gemein! Aber Mama und Papa wissen nicht, das ich das gesehen habe. „Marie! Komm essen. Es gibt dein Lieblingsessen!“
Ich springe sofort auf und renne die Treppe herunter. Mein Lieblingsessen! Das heißt, es gibt Spaghetti! Etwas Leckereres kann ich mir gar nicht vorstellen.
Eilig setze ich mich an den Tisch und schaukle ungeduldig mit meinen Füßen hin und her.
Doch plötzlich kommt Mama mit einem Teller voller Pilze an! Ich rücke augenblicklich zwei Meter zurück. Ich hasse Pilze! Eigentlich weiß Mama das auch. Sie lächelt. „Na, war das eine gelungene Überraschung? Es gibt nämlich erst morgen Spaghetti. Heute gibt es eine leckere Pilzpfanne!“ Ich starre Mama an. Wie kann sie mir das antun? Ein Tag noch, dann ist Ostern, und Mama gibt mir Pilze zu essen! Unerhört ist so was!
Ich stehe auf und gehe zur Tür. „Warte, Schatz!“, ruft Papa. „Für dich gibt es doch heute Nudelsuppe!“
Ganz schnell sitze ich wieder auf meinem Stuhl. Nudelsuppe ist auch gut!
Nach dem Essen gehe ich wieder auf mein Zimmer. Ich muss noch den Plan für Morgen fertig stellen. Schließlich ist morgen die einzige Gelegenheit im Jahr, an der ich den Osterhasen sehen kann.
Ich habe mir das so gedacht:
Ich frage Papa ganz lieb, ob ich heute Nacht im Garten zelten darf. Wenn er ja sagt, baue ich gleich mit Mama das Zelt auf und räume alles ein: Decken, Bücher, Kamera, Stifte und Papier. Mit den Decken will ich mich zudecken, mit den Büchern will ich mich beschäftigen, mit der Kamera will ich den Osterhasen aufnehmen und mit den Stiften will ich ihn zeichnen.
Dann, am Morgen, stelle ich mich weiter schlafend und warte, bis ich ein Geräusch höre. Dann hole ich schnell meine Kamera raus und fotografiere den Osterhasen.
Ich hoffe, Mama und Papa merken nichts davon. Dann ist nämlich mein ganzer Plan hin!
Gleich gehe ich auch zu Papa, um ihn ganz lieb zu fragen, ob ich zelten darf.
Ich setze mich auf seinen Schoß und schaue ihn mit großen Augen an. „Du, Papi? Darf ich heute Nacht im Garten zelten? Ich bin auch ganz lieb und räume mein Zimmer heute noch auf!“ Mein Zimmer ist nämlich eine einzige Müllhalde! Er schaut mich über seine Zeitung an. Dann nickt er. „Na gut. So wie du ausschaust, lässt du dich sowieso nicht umstimmen. Frag Mama, ob sie mit dir das Zelt aufbaut. So was kann ich nämlich nicht.“
„Danke Papi!“, rufe ich und umarme ihn spontan. Dann renne ich zu Mama in die Küche.
„Mami! Mami! Baust du mit mir mein Zelt auf? Ich darf heute Nacht draußen zelten, hat Papi gesagt!“, rufe ich aufgeregt.
Mama beruhigt mich. „Ja, mein Kind. Hol schon mal alles aus dem Schuppen. Ich komme nach.“
Ich strahle über das ganze Gesicht. Endlich bekomme ich den Osterhasen zu Gesicht! Ich renne aus dem Haus und direkt in den Schuppen. Schnell hole ich das Zelt und seine ganzen Einzelteile heraus. Dann warte ich auf Mama. Zusammen sind wir mit dem Aufbauen in fünfzehn Minuten fertig. Mein Plan funktioniert wirklich! Morgen werde ich den Osterhasen sehen! Und meine Eltern ahnen nichts! Ich renne in mein Zimmer und hole alles, was ich brauche: Kamera, Decken, Stifte, Papier und Bücher.
Dann warte ich ungeduldig, bis es endlich dunkel wird. Leider habe ich eine Taschenlampe vergessen und ich möchte jetzt nicht noch einmal hinein gehen. Aber ich muss ja nicht unbedingt lesen.
Ich versuche wach zu bleiben, doch irgendwann übermannt mich der Schlaf doch. Ich wache erst wieder auf, als es schon hell ist. ‚Mist’, denke ich mir. Jetzt habe ich den Osterhasen verpasst! Ich gehe ins Haus, um Mama und Papa zu wecken. Doch die beiden sind nicht da! Ich suche sie im ganzen Haus. Sogar in den Keller gehe ich!
Doch meine Eltern sind verschwunden.
Ich gehe wieder raus in mein Zelt. Dort kuschle ich mich wieder ein. Doch ein lautes Geräusch lässt mich aufschrecken. Was war das?
Ich öffne leise das Zelt und krabbele vorsichtig heraus. Und was sehe ich? Ein braunes etwas hüpft vor mir her. Es ist ein kleiner Hase. Die einzige Macke daran: er sitzt in einem Käfig. Schnell hole ich meine Kamera und fotografiere ihn. Dann nehme ich den Käfig und gehe ins Haus. Dort sitzen meine Eltern.
„Wo wart ihr denn? Ich habe euch überall gesucht!“, beschwere ich mich. Meine Eltern lachen sich an. Dann sagt Mama: „Wie ich sehe, hast du dieses Jahr endlich den Osterhasen gefunden!“
„Ja“, sage ich und bin sehr stolz.
Ein paar Nachmittage später kommt Papa in mein Zimmer. Irgendwie sieht er sehr glücklich aus. Er zeigt mir das fertige Foto von meinem Osterhasen. Aber dann sagt er, dass ich mein Geschenk fotografiert hatte. Ich bin ziemlich enttäuscht. Aber am Abend in meinem Bett denke ich mir: Das ist kein Geschenk, das ist der Osterhase. Mein Osterhasi!